WG zu Pälestina
Der junge Staat und die Gründer-Elite waren damals von der Sowjetunion als sozialistisch eingestuft. Mit der Machtergreifung Nassers in Aegypten (1952- 53), die den laizistisch + sozialistisch inspirierten Panarabismus erweckte, und der Weigerung des Westens, den Bau des Assuan-Staudamms zu finanzieren, sowie die Weigerung Grossbritanniens und Frankreichs, die von Nasser beschlossene, entlschädigungslose Nationalisierung des Suez-Kanals hinzunehmen, und mit Hilfe der Israelis zu bekämpfen («Suez-Debakel» vom November 1956), stand fest, dass die progressiven Kräfte in der arabischen Welt nur vom «sozialistischen Lager» Hilfe gegen eigene korrupte Eliten erwarten konnten. Nebst Aegypten wandten sich danach auch weitere Mitglieder der Arabischen Liga, im Gefolge von sozialistischen Revolutionen, vom Westen ab (Syrien, Irak, Algerien, Libyen, Süd-Yemen). Israel wurde als Vorposten des US-Imperialismus bekämpft – es brauchte zwei weitere Kriege brauchte (1967, 1973), bis dessen Existenz schliesslich de facto akzeptiert, ja sogar völkerrechtlich, mit Aufnahme diplomatischer Beziehungen, anerkannt wurde.
Israel wurde ist seit 1967 Besatzungsmacht in Cisjordanien und war es bis 2005 auch im Gaza-Streifen. Unter Missachtung der Genfer Konventionen, förderte es die Besiedelung mit «colons» der besetzten Gebiete. Damit hat sich das Land ein neues Problem aufgehalst. Die Palästinenser – arabisch: philistini – «Philister» – sahen sich verachtet, misshandelt, diskriminiert und eingezäunt. Die Folge davon war das Erwachen eines palästinensischen Nationalgefühls, und der Beginn eines von der PLO geführten Befreiungskampfes – mit Yasser Arafat und dessen Fatah. Dieser Kampf stand klar unter laizistisch-sozialistischen Aegide. Er führte schliesslich zu einem Resultat, dem Abkommen von Oslo (1993): die Zwei-Staaten-Lösung. Israel, unter Premier Minister Rabin, hatte sich zu dieser Lösung durchgerungen.
Dies Zwei-Staaten-Lösung wurde indessen sofort abgelehnt, in beiden Lagern – in Israel u. a. von der Likud-Partei, und insbesondere von Benjamin Netanyahu, und bei den Palästinensern von der islamistischen – den Muslimbrüdern nahestehenden – Hamas. Rabin wurde am 4. November 1995 von einem israelischen Rechtsextremisten ermordet. Nach einem letzten Versuch, 1999, die Zwei-Staaten-Lösung zu retten, und dem von Ariel Sharon verordneten Abzug aus Gaza (2005) kam 2009 mit Benjamin Netanyahu ein entschiedener Gegner der Zwei-Staaten-Lösung an die Macht. (Er war bereits ein erstes Mal Premier Minister 1996 – 1999. Netanyahu führt die israelische Regierung mit kurzen Unterbrüchen seit 2009. Wie kein Vorgänger im Amt des Premier Ministers förderte er den international verurteilten Bau von israelischen Siedlungen – vulgo Kolonisation – im Cisjordanien, baute die Mauer – rund um Gaza; er ummauerte auch die von der palästinensischen Behörde verwalteten Städte und Dörfer in Cisjordanien.
Die Hamas wurden von Ahmed Yassin, einem religiösen Eiferer, 1987 gegründet. Sein erstes Ziel war die Schwächung des Fatah. Israel hatte ihn 1985 freigelassen – wohl, damit er dieses Ziel in die Tat umsetzen konnte. Im Zuge der 1. Intifada erneut verhaftet, dann aber wiederum freigelassen (1997),. Yassin profilierte er sich rasch als härtester Gegner Arafats und der Oslo-Vereinbarungen. Er wurde 2004 von Israel in Gaza eliminiert.
Unter Netanyahu wurden die Palästinenser in Gaza und Cisjordanien, und ihr Begehren um Gerechtigkeit und Anerkennung, aus der Bildfläche der israelischen Aktualität entfernt. Das Problem wurde verwaltet, nicht angegangen, nicht gelöst. Das hat sich am 7. Oktober 2023 gerächt.
Die Hamas hat die Fatah 2007 aus dem Gazastreifen geworfen und seither dort eine Diktatur errichtet. Israel hält die Gazouis dafür verantwortlich, dass sie diese Diktatur hingenommen haben. Dazu muss beigefügt werden, dass Israel die Finanzierung der Hamas indirekt selbst förderte – in dem sie Qatar und dessen Diplomaten seit 2007 erlaubt, 30 Mio $ pro Monat in Cash nach Gaza zu transportieren, behufs Bezahlung der Hamas-Regierung und deren Beamten. Wohl in der Hoffnung, den Kochtopf nicht zum Sieden zu bringen. Dass diese Gelder auch für die militärische Bewaffnung der Hamas hinhalten könnten, lag auf der Hand.
Ich würde bezweifeln, dass sich der Konflikt Israel – Palästina im Raster der marxistischen Lehre zum Klassenkampf (oben gegen unten, unten gegen oben) analysieren lässt. Lenin’s Lehre zum Kolonialismus wäre da zutreffender. Und frage mich, ob es sich mit den Bewohnern der Kibbutz noch um (israelische) Proletarier handelt. In den Kibbutz waren bisher vielfach Arbeiter aus Thailand, Nepal und den Philippinen, (aber auch aus dem Gaza-Streifen) beschäftigt.
Die Hamas hat mit dem Abschlachten von 1’400 israelischen Zivilisten und der Geiselnahme von 200 Personen einen grossen Schaden zugefügt. Das Vorgehen erinnert, tatsächlich an die Methoden, die der Islamistische Staat in Mossul und Rakka benützte. Er besass zwischen 2012 und 2017 einen Ableger im Sinai – wurde dann aber von Aegypten, nicht ohne Mühe, bekämpft und verjagt. Es darf angenommen werden, dass einzelne Dschihadisten bei der Hamas Unterschlupf gefunden haben. Wie dem auch sei: Terror dieser Art bewirkt Gegenterror. Und, sofern das Kriegsvölkerrecht einem angegriffenen Staat ein «Recht auf Gegenschlag» einräumt, so auch nur im Rahmen der Verhältnismässigkeit. Geht Israel damit zu weit, treten weitere Akteure auf den Plan: der libanesische Hisbollah, und dahinter, Iran. Auch die Palästinenser in Cisjordanien könnten sich erheben.
Die Tage der Netanyahu-Regierung sind gezählt.. Nach dem Krieg wird Netanyahu abtreten müssen und zur Rechenschaft gezogen werden. Er und seine faschistischen Koalitionspartner haben Israel in eine Sackgasse manövriert. Die Israelis stehen heute hinter der Armee, nicht aber hinter Netanyahu. Es braucht in Israel Leute, die wie Rabin damals, den Mut aufbringen, die Zwei-Staaten-Lösung. Auf Palästinensischer Seite wäre da Marwan Barguti als einziger, glaubwürdiger Gesprächspartner. Wie Mandela ist er z. Z. in israelischen Gefängnis – er hatte damals die Osloer-Abkommen begrüsst, später aber den bewaffneten Kampf wieder aufgenommen.
Beste Grüsse
G.W.