Ein historischer Erfolg für die Linke: Mit über 70 Prozent Nein-Stimmen schmetterten die Stimmberechtigten Rentenkürzungen bei den Pensionskassen ab. Doch was machen wir nun daraus? Ist nun alles Eitel Sonnenschein bei der Altersvorsorge? Der vorwärts hat Schiavi von der Gewerkschaft Unia dazu befragt.
Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hat sich gegen eine Senkung ihrer Renten ausgesprochen. Hast du mit diesem erfreulichen Resultat gerechnet?
Mit einem Nein hatte ich gerechnet. Wenn man viel auf der Strasse und an Versammlungen war im Abstimmungskampf hat man gespürt, dass die Leute keine Rentensenkung wollten. Aber das Ausmass der Nein-Stimmen war natürlich eine freudige Überraschung!
Die Senkung des Umwandlungssatzes konnte abgewendet werden. Sind die Probleme bei den Pensionskassen nun dadurch gelöst?
Nein, natürlich nicht. Ein grosses Problem sind die Versicherungsgesellschaften. Dort versickert nach wie vor viel Geld der Versicherten. Die Versicherungsgesellschaften werden jetzt versuchen, noch höhere Risikoprämien und Verwaltungskosten zu erheben. Das muss nun das Parlament verhindern. Bundesrat Burkhalter hat im Abstimmungskampf strengere Regeln für die Versicherer versprochen. Unserer Meinung nach werden diese Regeln aber nicht genügen. Bei der Pensionskasse müsste es wie bei den Krankenkassen sein: Es darf nicht zugelassen werden, dass überhaupt Gewinne aus der Kasse heraus fliessen! Es darf nicht sein, dass Gelder einer Sozialversicherung dazu dienen, Gewinne für Aktionäre und Boni für Manager zu finanzieren! Die Zweite Säule ist ausserdem ein sehr teures System, weil es über 2000 Kassen gibt, was allein schon grosse Verwaltungskosten bedeutet. Das System des Kapitaldeckungsverfahrens ist aber auch teuer in der Verwaltung der Gelder. Beim Anlegen von Kapital profitieren Banken und Finanzintermediäre mit. Das alles macht das Kapitaldeckungsverfahren teuer und Krisen anfällig.
Lässt sich das bestehende System der Altersvorsorge in der Schweiz auf Dauer überhaupt in der heutigen Form erhalten?
Es ist schwierig, in die Zukunft zu blicken. Ich persönlich glaube, dass wir zu viel Geld ansparen und dass dies das Hauptproblem für die Zweite Säule sein wird. «Zu viel» bedeutet, dass die reale Wirtschaft nicht mehr so viel Geld für Investitionen braucht. Das hat dann zur Folge, dass die Renditen sinken und dass die Banken das Geld spekulativ an der Börse investieren, was wiederum die Gefahr von Börsencrashs erhöht. Das sind Probleme der Zweiten Säule, die alle Versicherten betreffen. Für kleine und mittlere Einkommen kommen aber noch zusätzliche Probleme dazu: die Kosten sind für kleine und mittlere Einkommen im Verhältnis zu den Leistungen viel zu hoch. Und vor allem gibt es in der Zweiten Säule keine Solidarität von hohen zu tiefen Einkommen! Der solidarische Ausgleich ist aber ein wesentliches Merkmal einer Sozialversicherung.
Was müssen wir tun, um in der Schweiz eine gerechtere und nachhaltigere Altersvorsorge auf die Beine zu stellen, eine Altersvorsorge, die auch Einkommensschwächeren einen menschenwürdigen Lebensabend ermöglicht?
Wir müssen die AHV ausbauen und die Zweite Säule schrumpfen lassen. Es braucht eine Verlagerung vom Kapitaldeckungsverfahren zum Umlageverfahren. Die AHV ist viel solidarischer finanziert, als die Zweite Säule. Sie ist aber auch das effizientere System. Und wenn es stimmt, dass wir zu viel Geld ansparen, dann ist es sowieso nötig, weniger auf die «hohe Kante» zu legen und mehr direkt über das Umlageverfahren in die Renten fliessen zu lassen. Das ist dann auch eine ökonomische Notwendigkeit. Ausserdem ist 60 Prozent des letzten Einkommens als Rente für kleine und mittlere Einkommen zu tief. Ein Ausbau auf 70 und 80 Prozent für tiefe und mittlere Einkommen ist nötig und dieser muss ganz klar im Umlageverfahren erfolgen und auf keinen Fall über die Zweite Säule!
Kollegin Schiavi ist Gastreferentin an der Veranstaltung der PdAZ „Wie weiter mit der Altersvorsorge“ vom 30. März im Zürcher Volkshaus, 19.30 Uhr, Grüner Saal.
Aus dem vorwärts, der am Freitag, 18. März erscheint!