Die bürgerliche Mehrheit im Parlament möchte das Rentenalter für Frauen erhöhen und die Renten in Krisenzeiten kurzfristig kürzen. Aus dem vorwärts, der am 10. Juni erscheint.
Die eine grosse Sparmassnahme, die der Ständerat nun beschloss, ist die Angleichung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre. Auf dem Buckel der Frauen möchte das Parlament so rund 800 Millionen Franken jährlich einsparen. Dies wird unter dem Vorwand der Gleichberechtigung verkauft. Der Bundesrat sprach in seiner Botschaft zum Gesetzestext davon, dass mit der Erhöhung «eine der beiden noch bestehenden Ungleichbehandlungen der Geschlechter in der AHV eliminiert» würde. (Bei der anderen handelt es sich um die unterschiedlichen Voraussetzungen für Witwerinnen- und Witwer-Renten.) Die armen, armen Männer… Würde sich der Bundesrat doch bloss auch mal so ins Zeug legen, wenn es um die Diskriminierung der Frauen ginge, beispielsweise bei der Angleichung der Löhne.
Rita Schiavi, bei der Gewerkschaft Unia für die Rentenpolitik zuständig, fragt sich, warum man unter dem Gesichtspunkt der Geschlechtergleichheit immer nur verschlechtert: «Wenn man schon anpassen muss, könnte man das auch in die andere Richtung tun. Man könnte auch das Rentenalter der Männer senken.» Dies sei angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung eh sinnvoller: «Mittelfristig müssen wir die Arbeitszeit reduzieren, wenn wir noch genügend Arbeit für alle Leute haben möchten.»
Die andere beschlossene Einsparung betrifft die Höhe der Renten. Derzeit werden die Renten mittels eines so genannten Mischindexes alle zwei Jahre an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst. Geht es nach dem Willen der Bürgerlichen, soll diese Anpassung künftig in wirtschaftlich schlechten Zeiten ausgesetzt werden können. «Das ist faktisch eine Kürzung, weil so die Kaufkraft der Rentnerinnen und Rentner sinkt», hält Schiavi fest. Gerade in Zeiten der Krise würde dies die wirtschaftliche Situation noch zusätzlich verschlimmern.
Dass diese Kürzung die betroffenen Rentnerinnen und Rentner je nach herrschender Teuerung empfindlich treffen könnte, beweist folgendes Rechenbeispiel (beruhend auf den Angaben aus der Botschaft des Bundesrates zur Gesetzesänderung): Bei einer Aussetzung des Mischindexes im Jahr 2006 hätten BezügerInnen einer Mindestrente auf das Jahr gesehen 480 Franken weniger erhalten. Bei einer Mindestrente von knapp über 1000 Franken monatlich ist das keine Kleinigkeit.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Der Nationalrat hat den Kürzungen im Grundsatz bereits in der Frühjahrssession zugestimmt. Nur noch in Detailfragen besteht Uneinigkeit zwischen den beiden Kammern. Das Gesetz dürfte somit spätestens Ende Jahr verabschiedet werden. Damit beweist die bürgerliche Mehrheit in Parlament und Regierung einmal mehr ihre Dreistigkeit. Während man ohne mit der Schulter zu zucken der UBS ihr Versagen mit Steuergeldern in Milliardenhöhe versüsst, verlangt man von den Rentnerinnen und Rentnern empfindliche Einsparungen – und das nicht zum ersten Mal. Bereits anfangs Jahr beschloss das Parlament die Senkung des Umwandlungssatzes für die Pensionskassen. Dies reduziert die Renten für künftige BezügerInnen um über zehn Prozent. (Ein von der PdA initiiertes und von Gewerkschaften sowie anderen linken Parteien unterstütztes Referendum gegen diese Senkung ist bereits hängig.)
Das Vorgehen der Bürgerlichen erscheint umso dreister, wenn man bedenkt, dass genau die nun beschlossenen Kürzungen bei der AHV 2003 bereits schon einmal von den Stimmberechtigten in Bausch und Bogen verworfen wurden. Damals versprach die Regierung, dass es diese Sparmassnahmen nur im Einklang mit einer sozial ausgestalteten Flexibilisierung des Rentenalters gebe. Ansätze zu einer Flexibilisierung des Rentenalters sind nun zwar – soviel muss man zugestehen – in der Vorlage des Bundesrates drin. Allerdings nicht in einer «sozialen Ausgestaltung», sondern als reine Alibiübung.
Folgerichtig hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) bereits das erneute Referendum gegen die 11. AHV-Revision angekündigt. «Diese unsoziale Revision wird dann spätestens da scheitern, wo schon ihre Vorgängerin gescheitert ist: an der Hürde des Volkes», wie der SGB in seiner Medienmitteilung schreibt.