100 Jahre religiöser Sozialismus in der Schweiz

1906 von kirchenkritischen Pfarrern gegründet, entwickelten sich die «Neuen Wege» bald zum Organ des religiösen Sozialismus in der Schweiz.  Das Buch «Für die Freiheit des Wortes» lässt die Geschichte des Blattes nun Revue passieren.

Mit dem Titel ihres Buches spielen die drei Autoren – Willy Spieler, Stefan Howald und Ruedi Brassel-Moser – auf einen einschneidenden Moment in der Geschichte der «Neuen Wege» an. Während des Zweiten Weltkriegs sollte die Zeitschrift zwischenzeitlich der Zensur unterstellt werden. Dies, weil der damalige Redaktor, der Pfarrer Leonard Ragaz, wiederholt forderte, die Schweizerische Neutralität zugunsten einer «Solidarität der Völker» aufzugeben. Ausserdem wagte er es, Hitlerdeutschland in scharfen Tönen zu kritisieren. «Solches Heruntermachen fremder Staatsmänner und Regime gefährden im höchsten Masse unsere guten und darum wertvollen Beziehungen zum Ausland», hielt die Pressekontrolle des Kantons Zürich damals fest. Ragaz akzeptierte die Zensur nicht und lies die Zeitschrift 1940 aus Protest einstellen: «Ich habe ohne Zögern abgelehnt, meine Manuskripte von irgendeinem Offizierlein, dessen politisches Urteil in keinem Verhältnis zur Grösse seiner Einbildung stünde, korrigieren zu lassen, wie ein Schulbube einen Aufsatz von seinem Lehrer.» Bis zum Ende des Krieges erschien die Zeitschrift im Untergrund.

Ein Buch zum Schmökern

Angesichts der Debatte um die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, die diesen Sommer erneut entbrannte, erscheint der Bezug im Titel ungewollt aktuell. Doch nicht nur zur Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, sondern auch zu unzähligen anderen Debatten liefern die aufbereiteten Auszüge aus den «Neuen Wegen» mancherlei Interessantes. Erwähnt sei hier nur der Umgang mit der Systemfrage, dem Arbeitsfrieden oder der Armee innerhalb der Sozialdemokratie.

Das Buch schildert den Werdegang der Zeitschrift von ihren Anfängen bis zur Gegenwart in grossem Detailreichtum. – Und das nicht bloss einmal, sondern vier Mal unter verschiedenen Blickwinkeln. Im Teil «Allerwärts am Aufbau der neuen Welt arbeiten» beleuchten die drei Autoren die Geschichte der Zeitschrift an sich und ihre Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Bewegungen. In einem zweiten Teil widmen sie sich vertieft dem Umgang mit religiösen Themen in den Spalten der Neuen Wege. Die Befreiungstheologie findet hier ebenso Erwähnung, wie die feministische Theologie. Unter dem Titel «Wir sind es, die den Frieden machen oder nicht machen» sind im dritten Teil Beiträge zu Pazifismus – oder besser: Antimilitarismus – zusammengefasst. Bereits lange Zeit bevor es eine GSoA gab, in den frühen 20er Jahren, war der eingangs schon erwähnte Leonard Ragaz ein vehementer Verfechter der militärischen Abrüstung in der Schweiz. Der vierte Teil schliesslich trägt Artikel zusammen, in welchen die Suche nach Alternativen zu Kapitalismus einerseits, und «Gewaltkommunismus» andererseits im Mittelpunkt stehen. Dabei klammern die drei Autoren heikle Punkte nicht aus. Das Buch ist keine oberflächliche Jubelschrift, sondern bildet auch Konflikte, Spannungen und Spaltungen innerhalb der Redaktion und der religiös-sozialen Bewegung generell ab. Damit leistet es eine wirklich umfassende Aufarbeitung der Geschichte der «Neuen Wege».

Wie die Autoren festhalten, nehmen sie Überschneidungen zwischen den vier Teilen bewusst in Kauf. Das enorm umfangreiche Buch ist somit nicht gemacht, um von vorne bis hinten durchgelesen zu werden. Vielmehr ist es ein Buch zum Schmökern und Stöbern, zum Hin- und Herblättern. Die immense Fülle von Material, das die Autoren aufbereiten, ist dabei Fluch und Segen zugleich. Das Buch weist eine Vielfalt von Themen auf, die selten zu finden ist. Allerdings fragte ich mich bei der Lektüre stellenweise, ob denn nicht weniger mehr gewesen wäre. Ob nicht weniger Breite, und dafür mehr Tiefe von Nöten gewesen wäre.

Denkmal für stille Schaffende

Dennoch möchte ich das Buch allen wärmstens empfehlen, die sich für religiösen Sozialismus und Antimilitarismus weltweit sowie linke Bewegungen in der Schweiz interessieren. «Für die Freiheit des Wortes» stellt eine Art Karte durch die mittlerweile über tausend Ausgaben der «Neuen Wege» dar. Wenn man sich mit einem der aufgeführten Themen deshalb vertieft beschäftigen möchte, erschliesst einem das Buch deshalb unzählige spannende Quellentexte aus der Zeitschrift. Einer Zeitschrift, nota bene, die aufgrund der in ihr praktizierten qualitativ hochwertigen Analyse und Reflektion seit Jahrzehnten in der deutschsprachigen Linken ein ausgezeichnetes Renommee besitzt.

Besonders spannend macht das Buch, dass die drei Autoren nicht nur bekanntere Persönlichkeiten, wie Leonard Ragaz, Frei Betto und Ruth Dreifuss berücksichtigen. Es ist nicht primär die Geschichte einiger grosser Stars, die hier dargelegt wird, sondern jene einer Vielzahl von engagierten Kämpferinnen und Kämpfer, die oftmals abseits des Rampenlichts wirkten. Von Personen, deren Grösse aus ihren Taten – und nicht aus ihrem Charisma – resultiert. Jenen stillen Schaffenden wird in diesem Buch ebenfalls ein Denkmal gesetzt.

Willy Spieler, Stefan Howald, Ruedi Brassel-Moser: «Für die Freiheit des Wortes». Theologischer Verlag Zürich, 440 Seiten, 48 Franken, ISBN 978-3-290-17415-6.

Die PdA und die EU

Am Samstag, 6. Juni, fand in Neuenburg die Nationale Konferenz der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) zur Thematik der Europäischen Union (EU) statt. Rund 50 Genossinnen und Genossen belebten mit angeregten, kontroversen und teilweise hart geführten Diskussionen den spannenden Politanlass.

Die Konferenz diente zur Vertiefung der Analyse und der Diskussion innerhalb der Partei, nachdem sich die PdAS am letzten Kongress vom November 2008 in Zürich gegen einen allfälligen Beitritt der Schweiz zur EU ausgesprochen hatte. Der Anlass begann mit zwei sehr spannenden Einführungsreferaten der beiden Gäste aus Deutschland und Frankreich, die Genossen Georg Polikeit und Jean- François Gau. Polikeit, Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und ausgezeichneter Kenner der EU erinnerte daran, dass die Schaffung der EU von Anfang an «nicht nur ökonomischen Ziele, sondern zugleich globalstrategischen imperialistischen Zielen» diente. Weiter hielt er fest, dass bereits im Mastricht Vertrag vom 1992/93 der Grundsatz der «offenen Martkwirtschaft mit freiem Wettbewerb» und damit die Grunddoktrin des Neoliberalismus als wirtschaftspolitische Leitlinie festgeschrieben wurden. Faktisch ist dies eine Verbot einer anderen, nicht vom kapitalistischen Privateigentum dominierte Wirtschaftsordnung. Anders ausgedrückt: Der Sozialismus ist für alle Mitgliedsstaaten der EU offiziell für vertragswidrig und unzulässig erklärt! Polikeit: «Erklärtes Ziel der EU war und ist es, die E zu einem zweiten ökonomischen und politischen Zentrum der kapitalistischen Welt mit den Ambitionen einer Weltmacht neben der USA zu machen.» Dass dazu eine Militarisierung notwendig ist, die auch kräftigt vorangetrieben wird, liegt in der Natur des Ziels.

Doch wie ein anderes Europa aufbauen? «Die Alternative zur heutige EU liegt in der Entwicklung des Klassenkampfs (…), um reale soziale, demokratische, ökologische und friedenspolitische Verbesserungen», unterstrich Genosse Polikeit. Dazu braucht es eine möglichst starke «Entwicklung von Widerstandsaktionen und Kämpfen». Denn klar ist: «Der ‹sozial gestaltete› Kapitalismus oder ein ‹Kapitalismus ohne Neoliberalismus› ist auf der heutigen Entwicklungsstufe des Kapitalismus unter den Bedingungen der Globalisierung eine realitätsfremde Fiktion.»

 

Einheitliche Kritik, verschiedene Strategien

Eine der Kernaussagen des Referats von Jean- François Gau, Funktionär der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) und Mitglied der Parteileitung der Europäischen Linkspartei (ELP), war: «Man kann für die EU, aber gegen die neoliberale der Politik der EU sein». Dies sei auch die Einstellung der ganzen Linke in Frankreich, unterstrich er dabei. Heftig wehrte sich Gau auch gegen die «allgemein verbreitete Meinung, dass man gegen die EU-Richtlinien nichts machen kann». Er rief in Erinnerung, dass die Kommissionen auf Direktiven der Staatschefs arbeiten und im EU-Parlament abgestimmt werden. «Staatschefs werden gewählt, genauso wie EU-Parlamentarierinnen», und fügte hinzu: «Das Problem ist nicht, dass das EU-Parlament zu wenig Macht hat, sondern dass es eine Bürgerliche Mehrheit hat.»

Nach dem Mittagsessen, bei dem sich die Delegierten an mongolischen Spezialitäten erfreuen durften, wurden die fünf Diskussionspapiere vorgestellt. Davon sprachen sich vier gegen einen eventuellen EU-Beitritt der Schweiz aus. Einheitlich wurde die Strukturen der EU kritisiert und verurteilt, die nur den Interessen der Multinationalen und des Finanzkapitals untergeordnet sind In der Diskussion wurde auch mehrmals darauf hingewiesen, dass «wir die europakritischen Menschen nicht den Rechten in die Arme treiben sollen», wie es ein Genosse bestens auf den Punkt brachte. Dazu ist eine «marxistische Analyse notwendig», was die EU überhaupt ist, forderte ein Tessiner Genosse. «Wir müssen die Dinge beim Namen nennen», verlangte er weiter. Ein junger Genosse fragte sich, warum wir «auf das sinkende EU-Schiff aufsteigen sollten?» Eine Metapher, die Georg Polikeit in seinem Schlusswort aufnahm: «Ich würde die EU nicht als sinkendes Schiff bezeichnen. Der Kapitalismus ist zwar in der Krise, aber er wird sie überwinden».

In der Frage der Strategie für ein anderes, sozialistisches Europa gingen die Meinungen jedoch teilweise auseinander: Die Mehrheit der GenossInnen bezeichnet die EU als kapitalistische Festung, die unmöglich von Innen reformierbar ist. Eine Minderheit vertritt die Meinung, dass innerhalb der EU-Strukturen für Veränderungen zu kämpfen ist.

Zum Schluss beschlossen die Delegierten eine Synthese der Diskussion zu erarbeiten, die dann im neuen Parteiprogramm einfliessen wird, an dem zur Zeit gearbeitet wird.

Kommunistische Parteien für Auflösung der NATO

52 kommunistische und Arbeiterparteien aus aller Welt haben sich in einer gemeinsamen Erklärung zum 60. Jahrestag der NATO-Gründung geäussert.

Die Parteien erinnern daran, dass der Hauptgrund für die Gründung des imperialistischen Militärbündnisses war, Front gegen die Sowjetunion zu beziehen, «dem ersten Arbeiterstaat der Welt, der erfolgreich dem Angriff der Nazi-Pest widerstehen und sie besiegen konnte». Der Sieg der Sowjetunion habe damals eine wichtige Stärkung der Kämpfe für nationale und soziale Befreiung überall auf der Welt bedeutet. Die kapitalistischen Regierungen der USA, Kanadas und Westeuropas brauchten einen militärisch-politischen Mechanismus, um die Völker einzuschüchtern und zu unterdrücken. Das wurde mit der Gründung der NATO erfüllt.
Die Erklärung erinnert weiter daran, dass die NATO reaktionäre Diktaturen in Griechenland, der Türkei, Spanien und Portugal unterstützt und eine führende Rolle bei der Spaltung Zyperns gespielt habe. «Ihr Handeln basierte und basiert noch heute auf Antikommunismus und jeder Art von Fälschungen und Provokationen gegen die revolutionäre kommunistische Bewegung und die Volkskämpfe für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Sozialismus».

Es gibt ein Gegengewicht!

«Die NATO erscheint allmächtig, aber sie ist es nicht. Die Weltwirtschaftskrise des Kapitalismus verstärkt die imperialistische Aggressivität, während sie zugleich seine Grenzen aufzeigt. Imperialismus kann es ohne die Kontrolle neuer Märkte, ohne Ausweitung seines Einflusses, ohne Unterdrückung der Völker nicht existieren», schreiben die Parteien. «Es gibt ein Gegengewicht zur NATO, das sind die antiimperialistischen Kräfte überall auf der Welt, die globale antiimperialistische, Antikriegs- und Friedensbewegung, die abgestimmt mit der Arbeiter- und anderen sozialen Bewegungen der Frauen, der Jugend, zur Verteidigung der Umwelt und zur Solidarität gegen den Imperialismus kämpfen und (…) die sofortige Auflösung der NATO fordern.»
Die Erklärung schliesst mit der Ablehnung der militärischen NATO-Abenteuer, der Forderung nach einem Verbot von NATO-Programmen an den Universitäten, den sofortigen Rückzug aller Truppen und die Auflösung aller ausländischer Militärbasen, den Austritt der Länder aus der NATO und schließlich die Auflösung der Allianz.

Die unterzeichnenden Parteien stammen aus Algerien, Bangladesh, Belarus, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Britannien, Bulgarien, Kanada, Kroatien, Kuba, Tschechien, Estland, Finnland, Deutschland (DKP), Griechenland, Ungarn, Indien, Irland, Italien, Jordanien, Lettland, Libanon. Litauen, Luxemburg, Malta, Mexiko, Niederlande, Pakistan, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakei, Südafrika, Spanien, Sri Lanka, Syrien, Schweden, Türkei, Ukraine und Uruguay.

Den Kapitalismus nicht retten, sondern abschaffen!

Die Resolution der KP Luxemburgs, die am 32. Kongress vom 1. März einstimmig angenommen wurde.

Weniger als 20 Jahre nach seinem vorübergehenden Sieg in der Systemaus­einandersetzung macht der Kapitalismus eine Finanz- und Wirtschaftskrise durch, die historische Dimensionen hat, obwohl die dominierende kapitalistische Wirtschaftstheorie, der Monetarismus, und die Selbstheilungskräfte des Marktes« gerade solche Krisen verhindern sollten.

Die Globalisierung des Kapitalismus führte dazu, dass sich die kapitalistische Krise global ausbreitete und inzwischen Ausmasse angenommen hat, die man bis vor kurzem kaum für möglich hielt. Die Wucht der Krise, welche die Existenz des Kapitalismus selbst bedroht, ist das Ergebnis einer radikal auf Profit orientierten Regulierung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Kapitalismus überwinden

Der Staat greift mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln in die Wirtschaft ein, wenn die Profitraten des Finanz- und Großkapitals ernsthaft in Gefahr geraten oder die Existenz des kapitalistischen Systems bedroht ist.

Die riesigen Summen, die der Staat mit hektischen Aktionen in Banken und Konzerne pumpt, dienen nicht dazu, Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaft wieder anzukurbeln, sondern die Verluste der Kapitalisten auszugleichen und ihr System vor dem Kollaps zu bewahren. Ob das langfristig gelingen wird, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Im Gegensatz zu allen anderen Parteien, die prinzipiell für den Kapitalismus sind und die negativen Auswirkungen der Krise auf die Bevölkerung billigend in Kauf nehmen, geht es den Kommunisten nicht darum, den Kapitalismus zu retten, sondern ihn abzuschaffen. Denn es kann keine Lösung der Krise im Interesse der Schaffenden geben, ohne generell dieses Gesellschaftssystem, das immer wieder Krisen produziert und sie in der Vergangenheit mehr als einmal mit Kriegen löste, in Frage zu stellen, abzuschaffen und durch ein sozialistisches Gesellschaftssystem zu ersetzen, das auf der Macht der Schaffenden, auf sozialer Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden beruht.

Forderungen

In diesem Sinne wollen die Kommunisten ihren Forderungen unter der schaffenden Bevölkerung mehr Gehör verschaffen:

– Die Vergesellschaftung der Banken, Großbetriebe und des gesamten Energie- und Wasserbereichs.

– Die Begrenzung des Reichtums und des Profits der Aktionäre, die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer.

– Die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte der Schaffenden in der Wirtschaft, zum Beispiel betreffend die betrieblichen Investitionen und die Verteilung des Profits, die gesetzliche Verankerung des Vetorechts für Betriebsdelegationen bei geplanten Entlassungen und Produktionsauslagerungen.

– Die Besteuerung aller Börsentransaktionen.

– Die Abschaffung des Bankgeheimnisses.

– Die Schaffung einer öffentlichen Benelux-Bank, die kleine und mittelständische Betriebe unterstützt und den Aufbau neuer Betriebe und neuer Arbeitsplätze fördert.

– die absolute Trennung von Staat und allen Kirchen.

– Die radikale Senkung aller Militärausgaben, die Abschaffung der Armee und den Austritt aus der NATO und allen anderen Militärpakten.