Einsatz für Pressefreiheit
Die Mediengewerkschaft comedia übergab heute Donnerstag dem Verband Schweizer Presse (VSP) eine «dringliche Erklärung zur Lage des Journalismus in der Schweiz». Die Unterzeichnenden wehren sich gegen vermehrte Einflussnahme der Verleger auf die redaktionelle Arbeit. Die journalistische Unabhängigkeit dürfe nicht noch mehr den kommerziellen Interessen geopfert werden.
Eine Delegation von JouralistInnen und AktivistInnen der Mediengewerkschaft comedia übergab heute Donnerstag dem Verband Schweizer Presse (VSP) eine «dringliche Erklärung zur Lage des Journalismus in der Schweiz». Vor dem Sitz der grössten Arbeitgeberorganisation der schweizerischen Pressebranche an der Konradstrasse 14 in Zürich nahm VSP-Geschäftsführer Hanspeter Kellermüller den von fast 600 Medienschaffenden, Kulturschaffenden, GewerkschafterInnen, PolitikerInnen und kritischen LeserInnen unterschriebenen Aufruf von comedia in Empfang.
In einer schriftlichen Antwort auf die Erklärung der JournalistInnen relativierte der Verlegerverband noch gleichentags einige Aussagen, die sein Präsident Hanspeter Lebrument beim diesjährigen Verlegerkongress zur inneren Pressefreiheit der Zeitungsredaktionen und zu den Prinzipien des Presserates gemacht hatte. Lebruments Rede sei missverstanden worden, erklärt nun der VSP, es gehe den Verlegern «in keiner Weise darum, die redaktionelle Unabhängigkeit den kommerziellen Interessen des Verlags unterzuordnen». Die Herausforderungen, die sich für die Zukunft der Presse derzeit stellten, müssten von Verlegern und Journalistinnen gemeinsam gemeistert werden.
Mit ihrer «dringlichen Erklärung», die unter dem Titel «Stand up for Journalism. JournalistInnen wehren sich für ihre elementarsten Rechte» am internationalen Aktionstag der Europäischen Journalistenorganisationen lanciert worden ist, hat die Mediengewerkschaft comedia – zusammen mit vielen prominenten UnterzeichnerInnen – die Schweizer Zeitungsverleger aufgefordert, sich von ihrem Präsidenten zu distanzieren. Lebrument wird unter anderem vorgeworfen, er wolle den Presserat für kommerzielle Zwecke instrumentalisieren und den direkten Einfluss der Verleger auf die journalistische Berichterstattung verstärken. Die Gewerkschaft verlangt dagegen, dass sich die Arbeitgeber in der Zeitungsbranche zur inneren Pressefreiheit der Redaktionen und zur Unabhängigkeit des Presserats bekennen. Die Würde des journalistischen Berufes sei von den Verlegern zu respektieren. Journalistische Qualität dürfe nicht allein an ihrem wirtschaftlichen Erfolg gemessen werden. Schliesslich fordert comedia erneut sozialpartnerschaftliche Verhandlung zwischen Verlegern und JournalistInnenorganisationen, da es in der deutschschweizerischen und Tessiner Pressebranche seit 2004 keinen Gesamtarbeitsvertrag mehr gibt.
Angesichts der bevorstehenden Rezession und der wirtschaftlichen Unsicherheiten im Zeitungswesen ist die Gewerkschaft comedia allerdings bereit, gemeinsam mit den Verlegern über die Zukunft der Branche nachzudenken und dabei auch neue, sozialpartnerschaftliche Lösungen zu suchen. Sozialpartnerschaft brauche jedoch als Minimalstandard einen Kollektivvertrag, erklärte comedia-Zentralsekretärin Stephanie Vonarburg am Donnerstag. Die mehr als vierjährige vertragslose Situation in der Schweizer Pressebranche werde heute in ganz Europa mit Kopfschütteln betrachtet. Dies umsomehr, als die Verleger mit dem kürzlichen Beitritt zum Presserat das Recht auf einen Kollektivvertrag ausdrücklich anerkannten.
Quelle: Mediengewerkschaft comedia (www.comedia.ch)