Frauen-Aktion zum 8.März

Seit über 100 Jahren gehen Frauen auf der ganzen Welt an diesem Tag auf die Strasse.
Unter dem Motto Frauenkampf machen wir den Bossen Dampf! Gegen prekäre Arbeit fand heute auf der Bahnhofsbrücke vor dem coop eine kurze Aktion gegen die lange Ladenöffnungszeiten statt.
Mit dieser Kundgebung wurde die Solidarität mit den Verkäuferinnen und Verkäufern ausgedrückt. Da die Ladenöffnungszeiten schrittweise verlängert werden und die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern, heisst das für das Verkaufspersonal:
– mehr Arbeit und Stress
– mehr Arbeit auf Abruf
– noch mehr Flexibilisierung
– mehr Teilzeitstellen und Stundenverträge mit tiefen Löhnen
– weniger planbare Freizeit.

Mit einem Theater auf dem Vordach vom coop Haupteingang wurde auf die Arbeitsbedingungen im Verkauf aufmerksam gemacht. Im Theater müssen drei Verkäuferinnen bis zum Umfallen, bzw. der Kündigung sich plagen. Immer wieder hören sie von der Chefetage, sie sollen schneller, effizienter und besser schaffen. Der Arbeitsintensivierung und dem Leistungsdruck ein Ende setzend, wehren sich die Verkäuferinnen gegen ihren Boss und machen die Revolution.

Es versammelten sich rund 80 Personen, bestaunten das Theater, verteilten Flugblätter und riefen Parolen. Kurz vor 19 Uhr lief eine kleine Demonstration um das Central um dann wieder vor dem coop die Aktion mit einer Abschlussrede und einem Spray für die VerkäuferInnen zu beenden.

Die Ladenöffnungszeiten werden schrittweise verlängert und die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich im Detailhandel. Die Läden haben länger offen, jedoch mit gleich viel Angestellten. Eine Studie der Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) besagt, dass in jenen Ländern, die die totale Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten eingeführt haben, die Löhne gesunken sind. Ungelernte und Temporäre wurden eingestellt, auf Stundenlohnbasis mit tiefen Salär. Im Detailhandel haben die meisten Unternehmen die Anstellungsbedingungen nicht in einem Gesamtarbeitsvertrag geregelt. Im Detailhandel arbeiten hauptsächliche Frauen, es gibt viele Teilzeitkräfte und Wiedereinsteigerinnen. Jeder 5. Lohn liegt unter dem Minimallohn.

Warum vor dem coop?
Dieser hat täglich von 8 bis 22 Uhr geöffnet. Und der Gesamtarbeitsvertrag zwischen Unia und coop ist ausgelaufen. Bis jetzt gibt es keinen neuen Vertrag. Wie immer wird coop mit allen Mitteln seine Interessen durchdrücken. Das Interesse heisst mehr Profit! Und mehr Profit kann nur durch mehr Ausbeutung des Personals erreicht werden.

Parolen auf dem an PassantInnen verteilten Flugblatt, greifen diese Themen auf:

Unsere Arbeit ist Mehr Wert!
Wir haben mehr verdient! Mehr Lohn!
Her mit den geregelten Arbeitszeiten!
Genug Freizeit für FreundInnen und Familie!
Kein Stress und kein Leistungsdruck.
Arbeit auf Abruf ist eine Frechheit!

Am 13.März gibt es eine schweizweite Demonstration in Bern mit gemeinsamer Zugfahrt dorthin. Die Vielseitigkeit der diesjährigen Aktionen rund um den 8.März zeigen, dass wir auch nach 100 Jahren Frauenkampf noch viel zu erkämpfen haben.
Frauen gemeinsam stark!
Gegen Ausbeutung und Unterdrückung,
gegen Kapital und Patriarchat!

Wir grüssen Emmely aus Berlin und alle Verkäuferinnen, die für ihre Rechte kämpfen!

8. März Bündis
(Komplott, Unsereuni ZH, FrauenLesbenCafé Winterthur, Revolutionärer Aufbau Schweiz/Frauenkollektiv, FrauenLesbenKasama, Weltfrauenkonferenz Komitee Schweiz und Einzelpersonen)

In der Spezialausgabe des „Vorwärts“ zum Frauenkampftag findet ihr weitere Informationen.

Liebe und Kapitalismus

«Die Kunst des Liebens» von Erich Fromm ist ein Klassiker. Das Buch thematisiert Pseudo-Formen der Liebe und die wachsende Unfähigkeit des modernen Menschen, zu lieben. Ausgangspunkt ist die Psychoanalyse. Eingebettet sind Fromms Betrachtungen in die Kritik des Kapitalismus. Seine These: Wir gehen davon aus, dass wir Liebe nicht lernen müssen. Wir irren.

In einem Programm-Papier der PdA las ich unlängst, dass zwischenmenschliche Beziehungen im Kapitalismus korrumpiert seien. Ich stellte mir die Frage, was damit gemeint sei. Erich Fromm beantwortete diese Frage. Aber nicht hier und heute, sondern 1959. In seinem Klassiker «Die Kunst des Liebens» untersucht Fromm die Formen der Liebe und analysiert Pseudolieben und die Unfähigkeiten zu lieben. Ausgangspunkt für Fromm ist Siegmund Freud, den er gleichzeitig kritisiert. Die Liebe der Mutter zum Kind sei bedingungslos. Der Vater stelle – und das ist fraglich – seine Liebe zum Kind unter Bedingungen. Fromm kritisiert unser Verständnis von Liebe. Uns ginge es mehr darum, geliebt zu werden statt zu lieben. Ein Mann etwa, versucht durch Karriere im Beruf und einem guten Auskommen als attraktiv zu gelten, und damit als liebenswert. Frauen versuchen sich möglichst attraktiv zu kleiden, mit dem gleichen Ziel. Fromms These ist, wir gehen automatisch davon aus, dass wir Liebe nicht lernen müssen. Laut Fromm müssen wir sie aber lernen. Sie sei eine Kunst. Und wie jede Kunst ist sie lernbar. Fromms Buch ist kein Lehrbuch. Der Autor beschreibt, thematisiert, analysiert – mehr nicht. Vergegenwärtigen wir uns, dass – ich glaube – jede dritte Ehe inzwischen geschieden wird. Ist dies ein Scheitern der Liebe – oder war dort womöglich nie eine? Ist im Kapitalismus Liebe überhaupt möglich? Fromm sagt «Ja» und verweist gleichzeitig auf Autoren, die diese Frage verneinen. Der Humanist kritisiert unseren bis heute gültigen Begriff des Glücks: Wir blicken in ein Schaufenster, freuen uns über das, was wir sehen, kaufen es und konsumieren. Ähnlich, so Fromm, verläuft es mit der Partnerwahl. Attraktiv trifft auf attraktiv. Und was als attraktiv gilt, bestimmen Mode und der Zeitgeist. Oder wie Fromm es formuliert, gilt das als attraktiv, was «auf dem Personalmarkt gefragt ist». Fromm spricht von Tauschobjekten: Was werfe ich in die Waagschale und was bekomme ich zurück?

Ein Deal?

Liebe wird zum Deal. Fromm beschäftigt sich mit sadistischer und masochistischer Liebe, ebenso mit neurotischer Liebe. Welches Verhältnis wir zur Liebe entwickeln hängt auch davon ab, was uns unsere Eltern in frühester Kindheit und auch später vorgelebt, vorgeliebt haben. Aber was ist Liebe? Nach Fromm könnte sie eine Antwort auf das Problem der menschlichen Existenz sein. Wir sind ein Teil der Natur, haben uns von ihr losgerissen, sie uns zum Untertan gemacht und können nicht zu ihr zurückkehren. Dieses Abgetrennt sein ertragen wir nicht wirklich. Fromm proklamiert jedoch nicht, zurück zur Natur, sondern vielmehr: der Mensch kann nur vorwärtsschreiten, in dem er seine Vernunft entwickelt. In der wachsenden Unfähigkeit der Menschen, ihre Nächsten zu lieben erblickt Fromm die Gefahr des Untergangs unserer Kultur. Er analysiert am Ende des Buches ein wenig die gesellschaftlichen Verhältnisse. Fromm nimmt Bezug auf Karl Marx, argumentiert mit der Entfremdung des Menschen. Er sieht in den Gruppen der Manager die eigentlich Herrschenden. Und dieses Buch ist wohl gemerkt nicht in unseren Tagen entstanden, sondern 1956. «Die Kunst des Liebens» ist sehr lesenswert. Weil es das Phänomen der Liebe im Zusammenhang mit kapitalistischen Verhältnissen und der Psychoanalyse betrachtet. Und wenn weder ersteres noch letzteres, so bleibt mittleres ein Thema für jeden Menschen. Marx und Freud hin oder her.

Erich Fromm: «Die Kunst des Liebens»
dtv-Taschenbuch
11. Auflage.
ISBN: 3423361026

Preis: ca. 14 Franken

Artikel aus dem vorwärts vom 23. Januar 2008