Claire Liengme: «Ich habe ein solidarisches Temperament»
dab. Die Kunstschaffende Claire Liengme aus St-Imier im Südjura kandidiert auf der Liste 24 von PdA/POP Berne für den Nationalrat. In Kunst und Politik schätzt sie es, von der Welt zu lernen und Vorurteile zu bekämpfen. Sie hat Lust, ihren Baustein zum Gebäude der Gesellschaft beizusteuern. Genossin Claire im Gespräch mit dem vorwärts.
In welchem Gebiet ist dein bevorzugtes politisches Engagement?
In den letzten 15 Jahren arbeitete ich vor allem im Bereich der Kultur, in der künstlerischen Praxis und in Vereinen wie dem Jurassischen Kunstverein Moutier, der zum Museum der zeitgenössischen Kunst Moutier gehört. Sehr aktiv bin ich im Kino des Espace noir in St-Imier. Die Kunst weckt meine Neugier und mein Interesse an der Gesellschaft. Mit der Kunst frage ich ständig. Kommt eine Antwort, platzt sie und zehn andere Fragen erscheinen. Auf der PdA/POP-Liste zu sein, bedeutet, dass ich Position beziehen, mich entscheiden und mit meinen Möglichkeiten konkret handeln muss. Kultur und Politik ergänzen sich. Ich lebte lange in Moutier. Durch meine autonomistische Familie und meine Zusammenhänge wurde ich politisch sensibilisiert. Ich verfüge über ein solidarisches Temperament, und so wurde ich bereits im Alter von 20 Jahren Parteimitglied.
Für welche politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Anliegen würdest du dich im Nationalrat engagieren?
Die ökologische Situation, Verlust der Biodiversität, Klimaerwärmung und Verschmutzung beschäftigen mich stark. Wie konnten wir nur in diese Situation kommen, obwohl die Fakten seit Jahrzehnten bekannt sind? Die Gründe für diese Ungleichgewichte sind die gleichen wie für den mangelnden Respekt gegenüber Menschen und Tieren und liegen im grenzenlosen Gewinnstreben ohne Bewusstsein. Ohne soziale Gerechtigkeit verliert die Gesellschaft ihre Stabilität, ihr Vertrauen. Ungleichheit und schlechte Verteilung des Reichtums schaffen Unsicherheit, Vereinzelung, Erschöpfung im Beruf, Familien und Alleinerziehende, die nicht bis zum Monatsende durchkommen. Die Überproduktion bringt industrielle Produktion, Verschwendung und vergiftete Böden. Diese Verschlimmerung der Lebensbedingungen entsolidarisiert.
Welche Techniken und Sujets bevorzugst du in deiner künstlerischen Arbeit?
Ich habe keine bevorzugten Sujets oder Arbeitstechniken, weil ich mit dem arbeite, was ich vorfinde. Kunst hilft mir, mich besser kennenzulernen und die Welt und ihre Mechanismen zu verstehen. Kunst verstehe ich als Abenteuer, ich liebe das Risiko, dieses Spiel mit dem Unerwarteten. Gelingt eine Arbeit, habe ich das Gefühl, ein Leben – Kindheit, Reife und Alter – durchlebt zu haben, mit glücklichen Momenten, Befriedigung, grauenhaften Zweifeln und Frustration. Auch nach vielen Jahren Erfahrung bin ich immer wieder Anfängerin.
Welche Künstler*innen inspirieren und beeinflussen dich?
Viele. Das letzte Werk, das ich sah und das mich sehr beeindruckte, war die Robert-Walser-Sculpture in Biel, die ich vom Aufbau bis zum Rückbau erlebte. Nach meiner Arbeit spazierte ich oft durch die Innenwelt der Skulptur, setzte mich auf eine Bank und wartete auf den Zug, hörte den Leuten zu, die Walsertexte lasen. Jedes Mal sagte ich mir: ‹Was für ein Glück, diese Literatur zu hören, einfach so, gratis, auf dem Heimweg›. Mit dieser kollektiven Installation gab uns Thomas Hirschhorn ein gutes Beispiel davon, was Kunst ist Mehr als ein Objekt, die Vereinigung all jener, die der Skulptur Leben gaben in diesen drei Monaten. Es ist das gelebte Experiment von Besucher*innen und regelmässig Mitarbeitenden. Das Werk ist inzwischen abgebaut, bleibt aber in der kollektiven Erinnerung. Jedes erlebte Experiment verwandelt sich in etwas Neues, Worte, Ideen, materielle Konstruktionen und weitere Experimente. Kunst und Ideen sind nicht statisch.
Welches sind deine Verbindungen zwischen Kunst und Politik?
Wo es Verbindungen zwischen meinen künstlerischen Werken und der Politik gibt, sind sie nicht sichtbar, denke ich. In beiden Gebieten finde ich mein Interesse für die Gesellschaft, und mein Bestreben, von der Welt dauernd zu lernen und meine Vorurteile zu bekämpfen. Kunst und Politik haben gemeinsam, dass sie Garantinnen der Freiheit sein sollen. Die Kunst erlaubte mir, die verschiedensten Orte zu besuchen und viele Menschen kennenzulernen. Ich entwickelte eine Menschenfreundlichkeit und eine Freundschaft mit der menschlichen Gemeinschaft. Aus dieser Haltung heraus habe ich Lust, meinen Baustein zum Gebäude der Gesellschaft beizusteuern.