«Ein gefährlicher Irrer!»

Wer war Hector Berlioz? Er ist einer der Wegbereiter der so genannten sinfonischen  «Programmmusik». Wirkte etwa unter Beethoven Musik absolut, so verlief die Entwicklung der Musikgeschichte im 19. Jahrhundert dahin, dass Musik ein «Programm» zugrunde zu legen ist. Vielleicht ein Stück Literatur? Nur mal so am Rande erwähnt: die «Sinfonischen Dichtungen» von Franz Liszt klingen wunderschön. Und bei Modest Mussorgski etwa geht es in «Bilder einer Ausstellung» um genau dies: Bilder einer Ausstellung. Bilder als Programm für die Musik. Programmmusik.


Berlioz und Mussorgski

Der Unterschied zwischen Mussorgskis Werk und Berlioz «Sinfonie dramatique» ist auffallend. Klar, beides lässt sich so ohne weiteres nicht vergleichen, gleichwohl beides als Programmmusik gilt, letzteres jedoch als sinfonische Programmmusik. Und Berlioz ist nicht Mussorgski. Aber: Berlioz «Sinfonie dramatique» obliegt, wie schon angedeutet, der sinfonischen Form, während «Bilder einer Ausstellung» ursprünglich für Klaviersolo komponiert wurde – ein extrem schöner Klavierzyklus übrigens, mit Klangfarben, die überwältigen. Der entscheidende Unterschied aber – die nicht minder schöne Orchestrierung des russischen Werkes von Maurice Ravel berücksichtigend – ist die vollkommen verschiedene Tonsprache beider Werke.

Was soll man sagen? Berlioz war Franzose, Mussorgski ein Russe? Ja, das mag schon sein – und trotzdem nein! Beides waren Musiker, beides Komponisten. Beide beherrschten ihr Handwerk. Doch Hector Berlioz ist anders, vollkommen anders. Wer schon kann eine Melodie von Chopin nachpfeifen? Wer eine von Mussorgski? Letzteren kann man pfeifen – kein Problem. Bei Chopin ist das schon schwieriger. Und bei Hector Berlioz? Das ist schwer, sehr schwer. «Kunst ist Kommunikation», so Mussorgski. Und was ist die Musik von Berlioz? «Mein Leben ist ein Roman, der mich sehr interessiert». So schrieb er es in seine Memoiren. Berlioz war wie Chopin und Liszt ein Romantiker, gleichwohl dieser sich eher als Klassiker verstand. Der virtuose Violinist Niccolò Paganini sah dies wie er. In Hector Berlioz erkannte Paganini den Erben Beethovens. Zurück zu den stilistischen Schubladen: Mussorgski war einer, der sich gar nicht erst einordnen lassen wollte. Was «Bilder einer Ausstellung» angeht, zu Recht. Denn dort geht es zwar auch um wichtige Merkmale romantischer Musik, etwa die Betonung des gefühlvollen Ausdrucks, die Auflösung klassischer Formen, und natürlich die Verbindung der Musik mit aussermusikalischen Ideen – hier die Bilder der Kunstausstellung.

Konservenmusik

Doch der Russe bringt das simpel klingende Hauptthema so oft, inklusive Variation über Variation, bis jedes Kind diese Melodie nachpfeifen kann. Das ist nicht typisch für die Romantik. Wenn man so will, ist der geniale Mussorgski einer der sicher ungewollten Vorläufer der heutigen Konservenmusik. So simpel, so einfach, so eingängig klingend. So lange so einfach, bis Musik in unseren Tagen zum immer kürzeren Stück Ware deformiert wird, auf dessen Konserve der Supermarkt unserer Begehrlichkeiten namens «Kapitalismus» nur noch das Etikett aufdrucken muss – den Befehl: «Kauf mich!».

Und genau auf so was pfiff ganz offensichtlich Berlioz, jedenfalls, was seine «Sinfonie dramatique» oder auch sein berühmtestes Werk, die «Sinfonie fantastique» angehen. Berlioz klingt poetisch, Mussorgski melodiös. Das ist der Unterschied – ohne Wertung. Berlioz klingt klar und fliessend, erzählend, sich mitteilend. Stürmisch, ruhig, aufwühlend und erhaben. Immer wieder wird der Zuhörer aus dem Strom der Musik gerissen – und das fasziniert, weil es anders ist. Und das tut gut. Berlioz Musik ist stark im Ausdruck, frei von Effekten, sparsam mit Wiederholungen, abwechslungsreich im Einsatz zwischen Streichern und Bläsern. Kraftvoll die Pauken, souverän das gesamte Orchester. Seine Musik ist einfallsreich, wenn – wie hier – auch Solostimmen singen: Bass, Tenor und Mezzosopran. Berlioz drückt Gefühle aus. Er findet neue Klangwelten, indem er in seine «Sinfonie dramatique» einen Chor integriert.

Elysium

Gut, Beethoven tat das auch, siehe seine Neunte. Doch bei Berlioz klingt dies anders, fast erinnernd an Chöre in einer russisch-orthodoxen Kirche, dann wieder in Nuancen fast so wie aus dem arabischen Raum. Bei Beethoven wiederum klingt der Chor absolut, nach höheren Idealen strebend. Zwar frei von «Gotteshäuslichkeit», doch zugleich ebensowenig frei von Spiritualität. Denn in Friedrich Schillers eingebauter «Ode an die Freude» im letzten Satz von Beethovens Neunter, dem Chorfinale, finden sich als poetische Figuren die Töchter Elysiums. Elysium war in der griechischen Mythologie «jene Insel der Seligen, auf die jene Helden entrückt werden, die von den Göttern geliebt wurden oder denen diese Unsterblichkeit schenkten» (Wikipedia). Alle drei Künstler-Geister – Schiller, Beethoven und Berlioz waren offenkundig von höheren Mächten inspiriert. Was uns wiederum zu Gute kommt – wer in unendlichen Dimensionen denkt, kann persönlich wachsen. Und nein: dies ist keine Aufforderung, religiös zu werden. Eher eine, Berlioz zu hören!

Aus dem vorwärts vom 28. Mai 2010

Ein Risiko für alle!

Bei strahlend blauem Himmel und wunderbarem Wetter sind Tausende dem Ruf von Greenpeace, den Grünen und Umweltverbänden gefolgt und haben sich der Aktion «MenschenStrom gegen Atom» angeschlossen. Unter ihnen sehr, sehr viele alte Menschen. Männer und Frauen, die sich schon vor über 30 Jahren bei der Besetzung in Kaiseraugst beteiligten. Aber auch viele Familien mit Kindern und junge Menschen aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland sind angereist. Lange ist es her, seit in der Schweiz das Thema AKW so viele Menschen bewegte und auf die Strasse brachte.

Zynisch und kriminell

Entsprechend gut und ausgelassen ist die Stimmung in Mülidorf bei Gösgen, wo der Grossteil der Demonstrierenden zum Marsch dazustösst. In Redebeiträgen wird über Gefährlichkeit von AKW‘s, die Machenschaft der Atomlobby, den Vorteil von erneuerbarer Energie oder von den Erfahrungen und dem Widerstand gegen die Atomlobby in anderen Ländern berichtet. Mit der Aktion wird bewusst an die alte Tradition der Pfingstmärsche in den späten 70er Jahren angeknüpft, als AKW-GegnerInnen mit einem massiven Tränengaseinsatz vom besetzen Baugelände in Gösgen vertrieben wurden. Es war eine der letzten Niederlagen der Anti-AKW-Bewegung. Zwar ging 1984 noch Leibstadt ans Netz, Kaiseraugst und Graben konnten jedoch erfolgreich verhindert werden.
Derzeit ist von drei neuen AKW‘s in Gösgen, Mühleberg und Benken die Rede. Zudem sollen die Betriebszeit der bestehenden Anlagen verlängert werden. Zum einen wollen die Energiekonzerne aus den bereits amortisierten Altreaktoren noch möglichst viel Geld herausschlagen, zum anderen versuchen die Energiekonzerne die Atomkraft als einzige ökologisch verträgliche Energie der Zukunft zu präsentieren. Es wird so getan, wie wenn es nie ein Tschernobyl gegeben hätte und beim Betrieb der heutigen AKW‘s kein Restrisiko bestehen würde. Das ist nicht nur zynisch, sondern schlichtweg kriminell. Das einzige, das beim Betrieb von Atomkraftwerken sicher ist, ist der millionenfache Profit der Betreiber, das Risiko jedoch tragen wir alle.

Immer wieder kommt es zu schweren Störfällen. So auch 2006 im schwedischen Forsmark, wo nur dank der Geistesgegenwärtigkeit eines Mitarbeiters ein Super-Gau in letzter Minute verhindert werden konnte. Bis dahin galt Forsmark als eines der sichersten AKW‘s der Welt und hat gezeigt, dass immer ein Restrisiko bestehen bleibt. Wer das einfach negiert und ignoriert, der spielt skrupellos mit dem Leben von Millionen von Menschen. Und die Atomlobby schweigt zum Raubbau von Uran, dass die meisten Abbaugebiete sich meist auf Gebieten indigener Gemeinden befinden und alleine schon durch den Normalbetrieb von AKW‘s gefährliche Radioaktivität entsteht. Und ganz zu schweigen, dass bis heute weltweit kein einziges sicheres Endlager existiert und sich Hunderte von Generationen nach uns mit unserem radioaktiven Restmüll herumschlagen müssen. Und viele gehen der Atomlobby auf den Leim. «Es ist peinlich, dass viele Menschen heute das Märchen von der sauberen Energie glauben und ignoriert wird, dass der Betrieb von AKW‘s alles andere als ökologisch ist», erklärt Michael Tanner, Mediensprecher von MenschenStrom gegen Atom. «Die entstehende Radioaktivität ist mindestens so ein grosses Problem wie der CO2-Ausstoss», betont Tanner. Deshalb ist für Tanner klar, dass nebst dem Verzicht auf den Bau von neuen AKW’s auch die heutigen Anlagen sofort vom Netz genommen und auf erneuerbare Energie gesetzt werden muss.

(Noch) keine neue Anti-AKW-Bewegung

«Wir sind überrascht wie viele Leute heute gekommen sind, gerade an einem so schönen Tag wie heute ist das nicht selbstverständlich», strahlt der sympathische Mitorganisator Ueli Wildberger übers ganze Gesicht. «Es ist eine bunte, generationsübergreifende und friedliche Angelegenheit und die Stimmung ist ausgelassen und gut». Auch Michael Tanner ist sichtlich zufrieden, bleibt aber trotz des Erfolgs sachlich und realistisch. Von einem Revival der Anti-AKW-Bewegung in der Schweiz mag Tanner im Gegensatz zu andern noch nicht sprechen. «Wie es nach heute weitergehen soll, ist noch unklar und wird die Zukunft zeigen», betont Tanner und fügt hinzu, «aber wir hoffen natürlich, dass der heutige Tag schon ein Erwachen aus dem Dornröschenschlaf ist».

Eins ist klar, auch heute noch bewegt das Thema Atom Tausende von Menschen. Ende April meldete sich die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland mit voller Wucht zurück und über 150000 Menschen demonstrierten gegen die Pläne für neue Atomkraftwerke sowie den Weiterbetrieb von veralteten Anlagen. Und sogar die ÖstreicherInnen können nachts TV schauen und das obwohl sich Österreich schon 1978 gegen den Bau von AKW’s in einem Volksbegehren ausgesprochen haben.

Spanien auf dem Weg zum Generalstreik

«Die Gewerkschaft arbeitet bereits daran, dass das Land einen Generalstreik erleben wird», sagte Ignacio Fernández Toxo vom grössten  spanischen Gewerkschaftsbund «Confederación Sindical de Comisiones Obreras» (CCOO). Zwar hält er diese Möglichkeit «für ein Drama», denn damit würden die nötigen Arbeitsplätze nicht geschaffen. «Doch manchmal ist es notwendig», sagte er angesichts der schwersten Einschnitte ins soziale Netz, die nach dem Ende der Diktatur beschlossen wurden.

Massive soziale Einschnitte

Der Aufschrei nach der Ankündigung der Sparpläne hat die Regierung nur zu kosmetischen Korrekturen bewegt: Statt einer allgemeinen Lohnkürzung bei den Staatsangestellten um 5 Prozent wird nun gestaffelt zwischen 0,56 und 7 Prozent gekürzt. Um den Unmut zu bremsen, soll das Urlaubsgeld im Juni davon ausgenommen werden. Auch wären schwere Einbrüche im Sommertourismus zu erwarten, denn am 1. Juli wird die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent erhöht. Die Gehälter werden ab 2011 eingefroren, womit 7 Milliarden Euro gespart werden. Das ist knapp die Hälfte der 15 Milliarden, die dieser zweite Sparplan zusätzlich bringen soll.

Die regierenden Sozialisten (PSOE) wollen auch die Renten einfrieren. Weiter soll das Rentenalter  ab 2013 über 15 Jahren sukzessive von 65 auf 67 steigen. Auch die Berechnungsgrundlage soll geändert werden. Das bedeutet eine Verringerung der schmalen Renten, die im Durchschnitt bei 760 Euro liegen. Ein Pflegegeld für Familienangehörige wird neu erst nach Bewilligung gezahlt und nicht mehr wie bisher rückwirkend ab Datum der Antragstellung. Der «Babyscheck» in Höhe von 2 500 Euro, mit dem die niedrige Geburtenrate erhöht werden sollte, wird gestrichen. Auch Infrastrukturinvestitionen in Höhe von vier Milliarden Euro fallen weg, sogar die Entwicklungshilfe wird um 800 Millionen gekürzt. Dies alles hilft aber nicht, das Defizit bis 2013 unter die Euro-Stabilitätsgrenze von 3 Prozent zu drücken, wie es die EU verlangt

Zapateros Lügen

Die grossen Gewerkschaften, die der Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero nahe stehen, vertrauen der Regierung nicht mehr, die sich schlimmer aufführt als die rechtskonservative Volkspartei (PP). Die PP hat niemals Lohnsenkungen verordnet, während die PSOE-Regierung mit den Lohneinschnitten gar Tarifverträge unterläuft. Diese wurden erst kürzlich abgeschlossen und darin war bereits eine Lohnzurückhaltung vereinbart worden: die Löhne sollten 2010 nur um 0,3 Prozente steigen und in den beiden folgenden Jahre nur um die Inflationsrate angepasst werden..

Vor allem die extreme Schieflage der Sparpläne bringt die Menschen gegen die Regierung auf. Denn von einer Anhebung des Spitzensteuersatzes, wie beim Nachbarn Portugal, war zunächst nichts zu hören. Jetzt wird dies zumindest mal  «geprüft». Eine korrekte Besteuerung auf Kapitalerträge oder Aktiengewinne sucht man vergebens. In Spanien werden riesige Gewinne nicht als Einkommens- oder als Betriebsgewinne versteuert, sondern pauschal mit einem Steuersatz von 18 Prozent. Die Sozialdemokraten haben 2008 gar die Vermögenssteuer gestrichen. Das alles steht im krassen Widerspruch zu den Aussagen von Zapatero. Er hat stets erklärt, dass die einfachen Leute nicht für die Krise bezahlen müssten.

Zapateros Wende in den letzten Wochen ist unverständlich, denn die Staatsverschuldung liegt mit 55 Prozent des Bruttosozialprodukts deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Spanien hätte Spielraum für eine andere Politik. Sogar die Regierung räumt ein, dass die Sparpolitik die Erholung belasten wird. Nach zwei Jahren Rezession wird die Wirtschaft auch 2010 weiter schrumpfen und soll 2011 nur gering wachsen. Die neuen Sparpläne werden den Konsum weiter abwürgen, wofür bisher die Rekordarbeitslosigkeit von 20 Prozent (4,6 Millionen Menschen) sorgte. Die negativen Effekte der Sparpläne könnten alle Sparbemühungen zunichte machen.

Aus dem vorwärts, der am Freitag, 28. Mai erscheint

Streik bei der Barbey SA geht weiter

Eine Wiederaufnahme der Arbeit kommt für sie nur in Frage, wenn die Geschäftsleitung effektiven Massnahmen zur Abschaffung der bestehenden Missstände bei Barbey zustimmt.

Unterstützt von der Gewerkschaft Unia sind. Sie fordern Verhandlungen zu folgenden Punkten:

– Abrechnung und Auszahlung aller geleisteten Arbeitsstunden.

– Eine Lohnerhöhung um 100 Franken für alle, um die Stunden- bzw. Lohnausfälle während der vergangenen zwei Jahre zu kompensieren.

– Annulation der aufgelaufenen «Minusstunden».

Die Beschäftigten wollen ihren Streik weiterführen, so lange das Management keine dieser Forderungen akzeptiert. Die Missstände bei Barbey sind notorisch und geben der Belegschaft seit langem Grund zur Klage: Arbeitsstunden werden nicht richtig erfasst, Überstunden nicht ausbezahlt und die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes missachtet. Dazu kommen Repressalien gegen gewerkschaftlich organisierte Angestellte.

Im Auftrag der Belegschaft forderte die Unia am 11. Mai eine Aussprache mit der Geschäftsleitung – vergeblich. Erst gestern nach Ausbruch des Streiks akzeptierte die Direktion eine Aussprache mit einer Delegation der Belegschaft und der Gewerkschaft Unia. Trotz intensiver Verhandlungen lehnt das Management aber weiterhin eine materielle Lösung der bestehenden Probleme ab

Der Sozialismus als Weg aus der Umweltkrise

Der «vorwärts» sprach mit Dr. Ingo Nentwig von der Bildungsgemeinschaft SALZ (Soziales, Arbeit, Leben und Zukunft). Er hat als wissenschaftlicher Beirat von SALZ an der Konferenz teilgenommen.

Herr Dr. Nentwig, schildern Sie uns bitte, worum es an der Konferenz ging?

Auf der Konferenz sollte zunächst einmal der Stand der Diskussion in Deutschland verallgemeinert werden. Auf der Konferenz wurde erwähnt, dass sich die meisten bereits vom 2. bis 4. Mai 1980, auch in Kassel, zur «1. Sozialistischen Konferenz» getroffen hatten. Damals war der Auslöser die Entstehung der grünen Bewegung gewesen und es wurde auch Ökologie und Sozialismus diskutiert. Und man stellte mit einem gewissen Erschrecken fest, dass in diesen dreissig Jahren der Fortschritt gering gewesen ist. Wir haben eine Verbürgerlichung und Integration in den Herrschaftsapparat der Partei «Die Grünen» feststellen müssen und die marxistische, sozialistische Linke hat sich nur begrenzt der Thematik Ökologie angenommen. Wir wollten einmal den Diskussionsstand ermitteln und dann zum zweiten einen neuen Impuls geben aufgrund der objektiven Dringlichkeit dieser Thematik.

Was müssen wir unter dem Begriff «Ökosozialismus» verstehen?

Was wir da definitiv nicht darunter verstehen müssen, ist, dass wir es hier mit der Gründung einer neuen Partei zu tun hätten. Nichts liegt uns ferner; aber in der Tat verwenden wir den Begriff Ökosozialismus als etwas Besonderes und für uns liegt der Grund darin, dass wir der Meinung sind, dass die jetzige sich abzeichnende ökologische Krise nicht mehr vereinbar ist mit einer kapitalistischen Lösung. Also kurz, Klimawandel, Erderwärmung und vor allem das Ende des Brennstoffzeitalters werden zu einer radikalen Veränderung der Gesellschaft zwingen, egal was politisch passiert. Und darum ist das so etwas wie eine organische Verbindung dieser beiden Gedanken; der ökologischen und der sozialistischen Bewegung und nicht quasi, dass jetzt die sozialistische Bewegung die Ökologie einfach nur als eines ihrer Themen entdeckt, sondern dass im Kern eine wesenhafte Verbindung zwischen Sozialismus und Ökologie bestehen muss.

Als Sozialisten habt ihr eine langfristige Sicht, gibt es konkrete Sofortforderungen?

Wir haben ja nach der SALZ-Konferenz eine Konferenz von SOAG (Solidarität in Arbeit & Gesellschaft e.V.) abgehalten, deren Aufgabe es war, eine Erklärung zu verabschieden. Das war eine Erklärung, die den Konsens fast aller dort Anwesenden ausdrückte. Damit wollen wir unseren Diskussionsstand kundtun und öffentlich machen und dazu aufrufen, sich an der Diskussion zu beteiligen, was man auf der Seite der SALZ (www.bildungsgemeinschaft-salz.de) tun kann, und in einem Jahr wollen wir uns wiedertreffen zu einer Konferenz, die den Arbeitstitel «Ökologie und Arbeit» trägt. Wir wollen am Rande dieser Konferenz dann den Diskussionsstand, der sich in einem Jahr ergeben hat, wieder in eine verbesserte Erklärung einfliessen lassen. Wir rufen alle Interessierten dazu auf, sich an der Diskussion zu beteiligen; selbstverständlich auch GenossInnen in der Schweiz. Was wir uns ganz konkret politisch vorstellen, ist im besten Fall so etwas wie eine Strömung zu sein, die zur Diskussion beiträgt und die in der Meinungsbildung mitwirkt. Aber wenn man jetzt praktisch denkt, dann haben wir im Moment in Deutschland die Programmdiskussion der Partei «Die Linke» und diese Partei hat einen gewissen gesellschaftlichen Einfluss. Diese Programmdiskussion ist offen und natürlich möchten wir gern, dass möglichst viele Inhalte aus unserer ökosozialistischen Erklärung Eingang finden in das zukünftige Programm der Linken und damit in der Politik auf Bundesebene und regionaler Ebene in Deutschland stärker beachtet werden.

Eine eurer Parolen lautet «Ökosozialismus oder Barbarei»?

Das klingt erstmal hart. Es gibt kurz zusammengefasst die These von Marx, dass wenn die antagonistischen Widersprüche ihr höchstes Entwicklungsstadium erreicht haben, dass es dann die Menschheit entweder schaffen wird, sich zum Sozialismus durchzuringen, oder in die Barbarei zurücksinken wird. Und wir haben das jetzt nur um diese eine kleine Facette erweitert, nämlich den Ökosozialismus. Wir denken, dass unsere gesamte Industriegesellschaft an einen Wendepunkt ihrer Entwicklung gekommen ist. Das bedeutet nicht, dass wir wieder eine nicht-industrielle Gesellschaft haben wollen, das wäre natürlich Blödsinn. Aber nach unserer Analyse wird es einfach eine Tatsache sein, dass zum Beispiel die brennstoffbezogenen Primärenergien in den nächsten zwanzig, dreissig Jahren so weit zurückgehen werden, dass wir weltweit in Gesellschaften leben werden, die nur noch weniger als die Hälfte des heutigen Energieverbrauchs zur Verfügung haben werden. Das erfordert, dass wir nicht mehr weiter so produzieren können wie jetzt, dass die gesamte Entwicklung im Verkehr völlig umgekehrt werden muss, dass zum Beispiel die Landwirtschaft viel stärker wieder zurück zu einer lokalen werden muss, damit die Versorgung mit Lebensmitteln lokal geregelt werden kann und nicht mehr Lebensmitteln um die ganze Welt mit dem Flugzeug transportiert werden. Das sind sozusagen aus unserer Sicht objektive Gegebenheiten. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, wenn das zwanghaft kommt; wie wird das sozial ausgetragen? Wird es weiter so sein, dass einige wenige reiche industrialisierte Staaten und Einzelpersonen ihre umweltfeindliche, verschwenderische Lebensweise, ihren Umweltverbrauch so weiterleben können, als sei nichts geschehen und die Kosten auf dem Rücken der armen Nationen und der verarmten Menschen, auch hier in den Metropolen ausspielen können. Oder schaffen wir es, das demokratisch mit einer Umverteilung von oben nach unten zu regeln? So was muss gesamtgesellschaftlich entschieden werden und dafür ist der einzige Ausweg, der einzige Lösungsweg, diese sowieso kommende Krise des Produktionssystems demokratisch und gewaltfrei zu regeln, der des Sozialismus.

Generalstreik legt Griechenland lahm

Am Mittwoch fanden zusammen mit dem Generalstreik in vielen Städten Griechenlands Protestkundgebungen des griechischen Volkes gegen den Plünderungszug des Grosskapitals auf ihr Land statt. In Athen gingen Hunderttausende auf die Strasse.

Es dürfte sich um die grösste Massendemonstration seit Jahrzehnten handeln. Der Streik hat praktisch das Land wirtschaftlich lahmgelegt. Die öffentlichen Verwaltungen und der Verkehr kamen zum Erliegen. In vielen Städten wurden die Rathäuser von Streikenden Gemeindeangestellten besetzt. In Athen besetzten die Streikenden das Finanzministerium und andere Paläste. Etwa 200 Anhänger der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) besetzten den Hügel der Akropolis und entrollten grosse Transparente mit dem weit sichtbaren Aufruf «Völker Europas, erhebt Euch!».

3 Tote

In die gewaltigen Menschenmassen mischten sich in Athen, Saloniki und anderen Städten kleine Gruppen von Provokateuren, mit gezielten Aktionen wie der Inbrandsetzung eines Bankgebäudes in der Hauptstadt, was zum Erstickungstod von drei eingeschlossenen Bankangestellten führte. Damit liefern sie der Bourgeoisie und ihrer Regierung den Vorwand zu Einschränkungen des Versammlungsrechts. In Athen wurde ein allgemeiner Alarmzustand ausgerufen. Angesichts der durch diese Vorgänge eingetretenen Veränderung der Lage an der Medienfront, setzten die Journalisten ihre Streikteilnahme aus, um die Berichterstattung aufzunehmen.

Die Provokateure, die in Gruppen von einem oder mehreren Dutzend operieren, werden von den Massen nicht unterstützt, jedenfalls nicht von den klassenbewussten Massen, die den Protestzügen und Veranstaltungen der PAME folgen. Wie Heike Schrader aus Athen berichtet, sind es die ausserhalb der PAME organisierten «Basisgewerkschaften und Organisationen der ausserparlamentarischen Linken und anarchistischen Gruppen» (Junge Welt, 6.5.2010), aus denen heraus Banken und Geschäfte internationaler Ketten angegriffen werden.

Die KKE geht denn auch davon aus, dass sich staatlich bezahlte Spezialisten unter den Provokateuren befinden. Soweit nicht bezahlte Spitzel, sondern ehrliche Linksradikale, machen sich die «Chaoten» zu nützlichen Idioten der Bourgeoisie. Sie schaffen Bedingungen, die es dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten und den gelben Gewerkschaften erleichtern, zu allerlei politischen Betrugsmanövern zu greifen.

Regierung beharrt auf Sparprogramm

Papandreou beharrt trotz des massiven Volkswiderstands auf seinem antisozialen Sparprogramm und zog schon am gleichen Nachmittag im Parlament eine Show mit Schweigeminute ab und versucht nun, vom eigentlichen Thema abzulenken, Ängste zu schüren und die «Frage der Sicherheit» in den Vordergrund zu schieben. Dabei werden seine Aufrufe zum «Zusammenhalt» aller Griechen von der Rechtsopposition (Nea Demokratia) unterstützt. Mit diesem Angebot Papandreous, sich als Retter der Demokratie aufzuspielen und unter der Parole des Zusammenhalts aller Griechen die ständig wachsenden EU-Forderungen gegen das griechische Volk durchzupeitschen, wächst die Gefahr von antidemokratischen Lösungsversuchen.

Ein starkes Zeichen!

Das 1.-Mai-Komitee wertet die Demonstration als grossen Erfolg. Trotz schlechtem Wetter demonstrieren in Zürich weit mehr Personen als erwartet. Auf unzähligen Transparenten fordern die Teilnehmenden, dass die Paradeplatz-Banken endlich gestoppt werden müssen mit ihrer schamlosen Spekulation und Profitmacherei. Das Bankgeheimnis gehört sofort abgeschafft und die Milliarden-Vermögen der Reichsten müssen viel stärker besteuert werden.

«Das 1.-Mai-Komitee ist überzeugt, dass es den Druck der ausserparlamentarischen Linken braucht, damit sich zukunftsträchtige Ideen in der Schweiz durchsetzen können», schreibt das Komitee in seiner Medienmitteilung. Die diesjährige Hauptrednerin des 1.-Mai-Komitee ist Frauenministerin Maria León aus Venezuela. Sie schildert den Kampf der Frauen für gleiche Rechte im sozialistischen Venezuela. In ihrer Rede fordert sie die Teilnehmenden auf den Kampf für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit in den verschiedenen Ländern zu Globalisieren. Weiter sprechen an der Abschlusskundgebung Katharina Prelicz-Huber und Vania Alleva für den Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich.

1.-Mai-Fest ist nicht unterzukriegen

Obwohl die Bewilligung für das Fest erst ab 20.00 Uhr erteilt wurde und die Polizei FestbesucherInnen und einschüchterte und Personenkontrollen durchführte, trotzen Tausende dem Regenwetter und feiern den internationalen Tag der Arbeit auf dem Kasernenareal – mit Musik, Essen, Trinken und sehr gut besuchten politischen Veranstaltungen.

Das Fest verlief wie erwartet – und wie seit Jahren – absolut friedlich. Die Kritik der Polizei, der frühe Festbeginn habe ihren Einsatz erschwert, weist das 1.-Mai-Komitee klar zurück. « Dass trotz widrigen Bedingungen so viele Menschen am Fest und den politischen Veranstaltungen teilnehmen zeigt, wie gross das Bedürfnis nach Vernetzung unter linken Organisationen und Einzelpersonen ist», hält das 1.Mai-Komitee richtig fest. Wie die venezolanische Frauenministerin Maria Leon an einer der zahlreichen Diskussionen betonte, bildet der Austausch von Ideen und Erfahrungen eine wichtige Ausgangslage, um progressive politische Projekte voranzutreiben.

Aktivist@s aus der Redaktionsstube

Als mir die nette Papeterieangestellte ein aktuelles Buch andrehen wollte, zuckte ich nur stolz die Schultern und meinte mit einem lässigen Unterton: «Kann ich gratis haben. Bin Redakteur und da bekommt man die Bücher nachgeworfen, falls man dann auch darüber was schreibt.» Wo ich denn arbeiten würde, wollte die Verkäuferin etwas neidisch wissen. Die Antwort «beim vorwärts» schien ihr nicht wirklich etwas zu sagen. Zu meiner Beruhigung blieb ihr Gesicht auch dann noch stirnrunzlig, als ich hinzufügte: «Das ist der kleine Bruder der WOZ». Auch die WOZ sagte ihr nichts. Anders meine Grossmutter, die beim letztjährigen Weihnachtsessen wissen wollte, womit ihr Enkel derzeit sein Lebensunterhalt verdiene. «Ach, beim ‹vorwärts›, der Zeitung der Sozialisten, arbeitest du!», schnellte es erstaunt hervor, durchaus wohlwollend gemeint. Auch dieser Blocher schimpfte mal in einer Arena-Sendung laut über einen namentlich nicht genannten Redakteur des vorwärts. Und auch er tat so, wie wenn man den «vorwärts» jetzt zwingend kennen müsste. Offenbar gab es mal Zeiten, wo das so war.

Kein Produkt sondern politisches Instrument

Unsere Zeitung will weder Produkt noch eine «normale» Zeitung sein. Es fällt uns schwer, uns der Logik der freien Marktwirtschaft zu unterwerfen und am liebsten würden wir sowieso allen ein Graits-Abonnement machen. Geht natürlich nicht, schliesslich müssen auch wir von was leben, und immer den Kühlschrank der PdAZ zu plündern ist auch nicht nett. Würde jemand die einzelne Redaktionsmitglieder des «vorwärts» nun fragen, was für sie oder ihn die Zeitung darstellt, würde der Fragende in etwa so viele Antworten bekommen, wie es Redaktionsmitglieder gibt. Und das ist gut so. Wir verstehen uns als Plattform für eine emanzipatorisch-sozialistische Bewegungen und bieten den Gruppen ein Gefäss, die ansonsten im allgemeinen Medienbrei nicht zu Wort kommen. Die reichhaltigen Vergangenheit – die Geschichte des Vorwärts reicht bis ins 1886 zurück – verpflichtet und motiviert. Geblieben ist eins: eine Zeitung, die es immer noch gibt und immer noch lebt. Wo von einer parlamentarischen Linken bis zum dribbelnden Linksaussen jede Position Platz hat und hatte. Das Zeitungmachen ist jedoch nicht einfacher geworden. Es sind Zeiten, in denen linke Strukturen sich in einer tiefen Sinnkrise befinden und täglich ums Überleben kämpfen. Mit dieser Realität sind auch wir als ZeitungsmacherInnen konfrontiert. Heute sind wir VerkäuferInnen, LobbystInnen, Schreibende und oft kommt die eigene Zeitung zu kurz, weil jede und jeder von uns noch in weiteren Projekten eingebunden ist und schliesslich braucht es auch Themen, worüber wir überhaupt schreiben können. So ist das, und der «vorwärts» ist gestern wie heute ein Instrument im politischen Kampf. Kritisch beziehen wir Position, wissen was journalistische «Seriösität» à la NZZ und Tagesanzeiger ist und kacken drauf. «Sex and crime» heisst die Losung des bürgerlichen Medienbreis. Für jeden Fritzel mit Kellerabteil knallen die Champagnerkorken auf den Redaktionsbüros. Wir kotzen und spielen nicht mit.

Die Nichtigkeit der «neuen Medien»

Wer nun denkt, dass linke Publikationen wie der «vorwärts» auf Grund der «neuen Medien» in ihrer Existenz bedroht sind und verstärkt unter Druck kommen, der irrt. Zwar wird das Internet als neue basisdemokratische und zensurfreie Errungenschaft angepriesen und in den Himmel gelobt, trotzdem wird derjenige, der sich auf die Suche nach dem elektronisch-widerständischen Nirvana begibt, enttäuscht. Zumindest was die Schweiz betrifft. Mal abgesehen von «indymedia.ch», das eher ein Ärgernis als eine informative Plattform ist, fällt in erster Linie das Vakuum auf, dass konsterniert. Die neuen Technologien bleiben unerschlossen, geschweige denn, dass durch die neue Medien wichtige gesellschaftliche Impulse erfolgen würden. Im Gegenteil, nun findet definitiv jeder Tropf irgendwo eine Homepage mit seiner persönlichen Verschwörungstheorie. Hauptsache ein imaginärer und übermächtig erscheinender «Feind», der die Welt kontrolliert und der das eigene Nichtstun und Ohnmacht rechtfertigt.

Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit

Als Redaktion ist uns die Basisnähe wichtig und wir verstehen das Schreiben als Teil unseres politischen Engagements. Der Logik des Profits verweigern wir uns und stellen diesem Denken unsere Vision einer antikapitalistischen und menschlichen Gesellschaft entgegen. Es wäre ja nett, wenn wir nach der simplen Marktlogik:«Je höher die Qualität der Zeitung, desto mehr AbonnentInnen» funktionieren könnten. Doch auf einen grünen Zweig kommen wir so nicht. Es gilt unsere Schwächen zu analysieren und diese sich einzugestehen. Wir sind ein Spiegelbild einer Bewegung, unser «Erfolg» ist eng verknüpft mit der Lebendig- und Widerstandsfähigkeit der Menschen, die gegen die menschliche Kälte in dieser Gesellschaf aufbegehren. Und wir verstehen uns als Teil dieser Bewegung und wollen nicht vom hohen Ross herunter über andere urteilen. Wir stehen – trotz allen Widersprüche – Seite an Seite, und wir scheitern und gewinnen gemeinsam.   Und wir sind der eigenen Geschichte verpflichtet, die eng mit der Zeitung verknüpft ist. Von Generationen zu Generation war der «vorwärts» ein Sprachrohr für eine utopische Perspektive und gerechtere Welt. Wir bleiben dran, versprochen!

Sozialabbau ist Diebstahl!

«Stopp Sozialabbau» heisst die aktuelle Kampagne der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS). Sie soll die Zusammenhänge, Mechanismen und Hintergründe aufzeigen, die von den Bürgerlichen benutzt werden, um den Sozialabbau voranzutreiben. Die Promille-Abgabe zeigt, dass es alternative Finanzierungsmodelle zur bürgerlichen Sparpolitik gibt.

Pünktlich auf den Tag der Arbeit 2010 fordert die PdAS die Promille-Abgabe auf das Eigenkapital von allen Betrieben mit mehr als einer Milliarde (1000 Millionen) Franken Vermögen. Einbezahlt werden soll in einen Sozial-Fonds, der für die Mitfinanzierung der Sozialversicherungen vorgesehen ist. Rund 650 Millionen Franken können so jährlich eingenommen werden. Eine hübsche Summe, die beispielsweise dazu dienen könnte, auf die vorgesehenen Kürzungen bei der Arbeitslosenversicherung zu verzichten. Auch zeigt die Forderung der PdAS einmal mehr, dass in der Schweiz viel Reichtum vorhanden ist. Wie dieser verteilt wird, ist eine Frage des politischen Willens.

Sozialabbau ist Diebstahl

Die Spielregel im Kapitalismus ist bekannt und sie ist so einfach wie im Kasino: Es braucht Verlierer, damit es Gewinner gibt. So benützen die Bürgerlichen die Krise, um auf der einen Seite den Sozialabbau massiv voranzutreiben, und auf der anderen Seite den Unternehmen, deren Managern und deren Aktionären fette Gewinne zu ermöglichen. Zum besseren Verständnis einige aktuelle Beispiele aus dem Staate der Eidgenossen: Mit der Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetztes (AVIG) sollen rund 600 Millionen Franken auf dem Buckel der erwerbslosen Menschen gespart werden. Jene Menschen, die von der Krise am härtesten betroffen sind, sollen zur Kasse gebeten werden. Zum Vergleich die Schlagzeile  auf «moneycap.com» vom Dienstag, 20. April: «Die Novartis AG hat im 1. Quartal 2010 den Nettoumsatz bei konstanten Wechselkursen um 18 Prozent gesteigert. In US-Dollar resultierte ein Anstieg um 25 Prozent auf 12 131 (Vorjahr 9 709) Millionen. Das operative Ergebnis nahm um 42 Prozent auf 3 511 (2 347) Millionen und der Reingewinn um 41 Prozent auf 2 948 (1 975) Millionen US-Dollar zu, wie der Konzern mitteilte.» Dies zur sicheren Freude ihrer Aktionäre.

Bei der Invalidenversicherung (IV) wird bald die sechste Revision vom National- und Ständerat in Angriff genommen. Die Vorschläge des Bundesrats verheissen nichts Gutes. So soll der Druck auf die betroffenen Menschen erhöht werden, um sie möglichst rasch wieder in den Arbeitsprozess zu zwingen. Wie die nötigen Stellen geschaffen werden sollen, wird nicht verratend. Durch die «Wiedereingliederungsmassnahme» sollen rund 210 Millionen Franken eingespart werden. Total sind bei der IV-Revision Einsparungen von über 400 Millionen Franken geplant. Kein Problem für die Manager und Aktionäre der Galenica, die im Gesundheitswesen tätig ist. «Galenica hat im Geschäftsjahr 2009 – wie angekündigt – ein zweistelliges Gewinnwachstum erzielt.» Dies zum vierzehnten Mal in Folge. Und: «Im laufenden Jahr soll der Gewinn gar um 20 Prozent gesteigert werden. Der konsolidierte Reingewinn von Galenica stieg 2009 um 11,2 Prozent auf 210,4 Millionen Franken», ist am 16. März wiederum auf moneycap.com zu lesen.

Die 12. Revision der AHV ist bereits Gegenstand von Gesprächen. Hier soll unter anderem das Rentenalter für die Frauen auf 65 Jahren erhöht werden. Verschiedene bürgerliche Exponenten machen keinen Hehl daraus, dass die Männer künftig bis 67 Jahre schuften sollen. Der Teuerungsausgleich soll bei der AHV-Rente fallen und nur bezahlt werden, falls es die AHV-Finanzen erlauben. Der Credit Suisse kann dies alles egal sein. Die Bank hat sich im vergangenen Jahr an die Spitze der Schweizer Top-100-Unternehmen katapultiert. «Mehr als 14,6 Milliarden Franken an Firmenwert für die Aktionäre hat CEO Brady Dougan geschaffen», ist über die CS in der Bilanz vom 3. März 2010 zu lesen.

Wenig Reiche dafür viele Arme

Auch der Blick in die jüngste Vergangenheit beweist, dass der Sozialabbau mit System durchgeführt wird und es das politische Programm der bürgerlichen Parteien ist. In wirtschaftlich guten Zeiten behauptet die Bourgeoisie, dass Sozialleistungen überflüssig sind und das Wachstum der Wirtschaft verhindern. In Krisenzeiten wird dann gesagt, dass die Sozialversicherungen wie die AHV, IV und ALV hoch verschuldet sind und daher saniert werden müssen. Dabei ist das «Rezept» von SVP und Co. immer das gleiche und heisst Abbau der Leistungen, Zerschlagung des Sozialstaates. Dieses Vorhaben hat sich mit der Krise deutlich verschärft. Zuerst wurde eine Reihe von Privatisierungen im Service public durchgeführt. Dann wurden Steuererleichterungen für die Reichen durchgesetzt mit der Ausrede, dass dies der Wirtschaft und somit uns allen dienen würde. Gleichzeitig wurde die Lohnentwicklung praktisch blockiert. Dies mit der Begründung, dass es die einzige Möglichkeit sei, um im internationalen Konkurrenzkampf bestehen zu können. Weiter wurden die Aufgaben des Staates neu definiert, sprich reduziert, was zu massiven Verschlechterungen der Leistungen führte. Das Resultat dieser Abbaupolitik ist, dass wenige Reiche noch reicher und viele dafür noch ärmer werden. Die Kluft zwischen jenen, die ein Herrenleben führen und jenen, die nur mit Mühe bis ans Monatsende kommen, wird immer grösser.

Ein erster Schritt

Was bringt die Promille-Abgabe? Sicher einiges an Diskussionsstoff, und das ist gut so. Die Bosse werden behaupten, dass durch die Abgabe Arbeitsplätze verloren gehen. Ihnen sagen wir, dass der durchschnittliche Lohn in der Schweiz 5 800 Franken pro Monat beträgt. Ein Promille davon sind 5.80 Franken, ein Kaffee und Gipfeli. Im Vergleich verlangt die PdAS von den Grossunternehmen ein Kaffe und Gipfeli pro Jahr. Das ist nicht viel. Andere werden daher sagen, ein Promille sei zu wenig. Sie haben recht! Ihnen sagen wir aber: Unterschreibt die Online-Petition für die Promille-Abgabe trotzdem. Es ist ein erster Schritt, und auch der längste Weg beginnt… eben mit dem ersten Schritt!

UNTERSCHREIBEN UNTER: STOPP-SOZIALABBAU.PDA.CH

Lateinamerika: Frühlingswinde oder Herbststürme?

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist in Lateinamerika geprägt von einem grossen Aufbruch, doch wo ist die internationale Solidarität geblieben?

200 Jahre nach der Erringung der Unabhängigkeit von der spanischen Kolonialmacht sind die damals entstandenen Republiken, die bis vor kurzem durch kleine Eliten und Profiteure beherrscht worden waren, in eine grundsätzliche Krise gefallen. Längst haben es die Menschen satt, zusehen zu müssen, wie die nationalen Reichtümer ausgeplündert werden, ohne dass sich im Land eine nennenswerte soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Entwicklung abzeichnet. Die Verantwortung und das Versagen der alten Regimes und des kapitalistischen Systems sind enorm. Der Ruf nach einem anderen Kurs, nach einem anderen Umgang miteinander und mit der Umwelt wird nicht nur an Weltforen laut, sondern beginnt sich ansatzweise durchzusetzen.

Der erste Bruch mit dem Alten gelang – einmal abgesehen von Cuba – vor elf Jahren in Venezuela. Ihm folgte vor sieben Jahren Brasilien, dann Bolivien und Ecuador. Selbst in Paraguay gelangte nach sechzig Jahren Diktatur erstmals ein vom Volk unterstützter ehemaliger Bischof an die Regierung, auch in Uruguay und El Salvador mussten die alteingesessenen Eliten Wahlniederlagen einstecken. Jede dieser Entwicklungen hat eigenständigen Charakter, lässt sich nicht vergleichen und ist alles andere als langfristig gesichert. Wir tun jedoch gut daran, genau hinzusehen, nicht allen Verdrehungen der Massenmedien Glauben zu schenken und uns insbesondere nicht abzuwenden.

Denn was sich da im Einzelnen abspielt, hat viel mit unserem eigenen Selbstverständnis zu tun. Im Kern geht es um vermehrten sozialen Ausgleich statt indiskriminierte Ausbeutung, um vermehrten Respekt vor der Natur statt rücksichtslose Ausplünderung. Kurz: Um eine Neugründung des Staates statt Abbau des Staates, des Service public, der Verantwortung für Mensch und Umwelt. Um eine Kultur des Lebens statt einer Kultur des Todes. Besonders spannend sind diese Bestrebungen in jenen Ländern, die auf Jahrtausende alte, aber immer noch lebendige kulturelle Wurzeln zurückgreifen können, die nicht auf dem christlich-abendländischen Modell gründen, wie zum Beispiel in Bolivien.

Neue Akteure in einer neuen Welt

Allerdings: Die globalen Hintergründe, vor denen sich diese neuen Szenarien abspielen sind bei weitem nicht mehr die Selben wie bei den früheren Emanzipationsbestrebungen der 50er bis 80er Jahre. Auf die Welt-Konfrontation zweier unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen in der Nachkriegszeit folgte dann kurzfristig die Alleindominanz des von den USA aufoktroyierten neoliberalen «Modells».

Angesichts der desaströsen Folgen für die überwiegende Mehrheit der gegen 600 Millionen Bewohner Lateinamerikas und der Karibikstaaten sind nicht nur national neue Bewegungen auf den Plan getreten, auch international sind neue Akteure am Werk, welche die Monroe-Doktrin der USA («Amerika den Amerikanern») ignorieren: So die EU, auch Iran, anonyme Investments-Fonds, allen voran jedoch China. Das Rennen um Rohstoffe, Pharmaka, Kredite, Territorien ist neu lanciert…

Daher sind jene Bestrebungen von besonderer Bedeutung, welche die US-Dominanz ablösen wollen durch eine lateinamerikanische Integration. Ansätze dazu gibt es mehrere, ausgehend von der Abhalfterung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist UNASUR am entstehen, daneben ist die Gruppe von Rio aktiv geworden, auf wirtschaftlicher Ebene gibt es bereits den Mercosur, und am weitesten geht die kubanisch-venezolanische Initiative ALBA, mit der nicht nur das bereits weit ausgebreitete Fangnetz von Freihandelsabkommen mit den USA hat ausgebremst werden können, sondern weit umfassender auch eine mediale Komponente (Telesur), eine Entwicklungskomponente (Banco del Sur), ja sogar eine völkerverbindende sportlich-kulturelle Achse beinhaltet.

Selbstverständlich geben sich die Vereinigten Staaten, die multinationalen Konzerne und die mit ihnen verbandelten nationalen Oligarchien alles andere als geschlagen. Nebst den altbekannten Mitteln der Gewalt (Destabilisierung, Repression, Todesschwadronen, militärische Intervention) gibt es bereits eine Grosszahl von weniger offensichtlichen, subtileren und dennoch effizienten Formen zur Aufrechterhaltung von Einfluss und Macht. Eine neue Variante ist der parlamentarische Putsch «zum Schutz der (eigenen, alten) Verfassung» à la Honduras. Alles begleitet von ideologischen Ablenkungsmanövern und grossen Medienkampagnen.

Internationale Solidarität?

Wir sollten uns darob nicht verwirren lassen. Hatten die Ereignisse in Chile (70er Jahre), Nicaragua (80er Jahre) und zuletzt noch in Chiapas (90er Jahre) eine breite Welle der Solidarität in Europa ausgelöst, sind es heute nur noch einzelne, relativ kleine und länderbezogene Gruppen, welche eine direkte Solidaritätsarbeit leisten. In der Deutschschweiz hat mit dem Zentralamerika-Sekretariat immerhin eine wichtige, übergeordnete Einrichtung überlebt, inklusive der zweimonatlichen «Correos».

Ein unschönes Zeichen der Zeit bleibt es jedoch, dass sich hier in Europa weder zu Venezuela noch zu Bolivien oder zur  Unterstützung der kontinentalen Integrationsinitiative ALBA keinerlei nennenswerte gemeinschaftliche Bewegung gebildet hat. Immerhin gibt es hierzu nun erste Ansätze zu einer Vernetzung. In Bern hat am 10. April ein Treffen verschiedener Solidaritätsgruppen mit diesem Ziel stattgefunden, und für den 8. Mai ist ein weiteres, ähnliches Treffen vorgesehen.

Zu Lateinamerika und Bolivien findet am Dienstag, 11. Mai, eine Informations- und Diskussionsveranstaltung der PdAZ mit René Lechleiter statt. Volkshaus Zürich, 19.30 Uhr.

Aufruf der PdA zum 1. Mai 2010

«Stopp Sozialabbau» heisst die aktuelle Kampagne der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS), denn Sozialabbau ist Diebstahl! Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Wie der vorhandene Reichtum verteilt wird, ist eine Frage des politischen Willens. Daher lanciert die PdAS am internationalen Tag der Arbeit 2010 die Forderung nach der Promille-Abgabe zur Mitfinanzierung der Sozialversicherungen.

Hier die Forderungen der PdAS:

a) Alle Grossbetriebe, die ein Eigenkapital von mehr als 1 Milliarde (1000 Mio.) Franken aufweisen, zahlen ein Promille vom Eigenkapital in einen Sozialfonds ein.

b) Den Verzicht auf sämtliche Abbaumassnahmen bei den Sozialversicherungen.

Beispiel der Promille-Abgabe

Unternehmen                                             Eigenkapital                              Promille-Abgabe

Crédit Agricole (Suisse) SA                            70950 Mio.                           70,9 Mio.

Novartis                                                        55440 Mio.                           55,4 Mio.

Nestlé                                                           50744 Mio.                           50,7 Mio.

Mit der Promille-Abgabe fliessen jährlich rund 700 Millionen in den Sozialfonds. Dieser dient der Mitfinanzierung der Sozialversicherungen, damit auf weitere Abbaumassnahmen verzichtet werden kann.

Der Sozialabbau ist ein Diebstahl mit System. Es ist das politische Programm der bürgerlichen Parteien, welche die Krise benutzen, um die Leistungen der Sozialversicherungen massiv abzubauen:

– 600 Millionen Franken sollen auf dem Buckel der Arbeitslosen gespart werden. So will es die neue AVIG-Revision der Bürgerlichen. Warum sollen die Menschen bezahlen, welche von der Krise am härtesten betroffen sind und eh in einer äusserst prekären Lebenslage sind?

– Bei der AHV und der IV ist eine weitere Revision bereits im Gange. Die IVRente von Zehntausenden von BezügerInnen soll gestrichen oder zumindest teilweise gekürzt werden. Bei der AHV soll unter anderem das Frauenrentenalter erhöht werden. Doch eine Rente, die ein würdiges Leben im Alter ermöglicht, ist ein Recht, das von der Schweizer Verfassung garantiert wird. Warum dann der Abbau bei der AHV und IV?

Stoppen wir diesen Diebstahl! Alle heraus zum 1. Mai und unterschreibt die Online-Petition für die Promille-Abgabe unter: stopp-sozialabbau.pda.ch

Es lebe der 1.Mai!!

Partei der Arbeit der Schweiz

Senegal: Unabhängigkeitsfeier mit Protesten

Die 50?Jahrfeier der Unabhängigkeit des westafrikanischen Staates Senegal, die von Staatschef Abdoulaye Wade am 3. und 4. April mit grosser Parade, Staatsgästen aus aller Welt und Feuerwerk inszeniert worden war, wurde nicht zu der erwünschten Manifestation der Einheit des Volkes unter seiner Führung. Ein Bündnis der Oppositionsparteien nutzte die Gelegenheit, um am Tag der feierlichen Einweihung des «Denkmals der afrikanischen Wiedergeburt» einen zweistündigen Protestmarsch durch die Hauptstadt Dakar zu veranstalten.

Grosse Armut

Vordergründig hatte sich der damit geäusserte Missmut an der Gestaltung dieses Denkmals entzündet, das der 83-jährige Staatschef weithin sichtbar auf einem kleinen Hügel an der Atlantikküste in achtjähriger Bauzeit errichten liess, ohne Kosten zu scheuen. Es musste unbedingt «das größte Denkmal der Wel» werden, mit 53 Metern Höhe die Freiheitsstatue von New York um fünf Meter übertreffend. Die riesige Skulptur zeigt einen muskulösen afrikanischen Mann, energisch in Richtung Atlantik gegen Westen blickend, mit einem Kind auf dem nach vorn gestreckten linken Oberarm, während sein rechter Arm eine hinter ihm angeordnete junge Frau umfasst. Das Ganze aus Bronze, mehr als 200 000 Tonnen schwer, im Stil an sowjetische Monumentalskulpturen der Stalin-Zeit erinnernd. Im Inneren ein Panorama-Restaurant mit Aufzug und weiteren Restaurants, Geschäfte, Kinos, Theater und Ausstellungssäle im Umfeld. Das Monument sollte laut Staatschef ein Denkmal «für ganz Afrika» sein, das die Kraft des afrikanischen Menschen symbolisiert. Ein Sinnbild für Afrika am Beginn des 21. Jahrhunderts, «das nach fünf Jahrhunderten Sklaverei und zwei Jahrhunderten Kolonialismus aus dem Dunkel der Vergangenheit ans Licht tritt» und «aufrechter denn je entschlossen ist, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen». Für Afrika sei «nichts zu gross», versuchte Wade der Kritik an der «Gigantomanie» seines Werkes zu begegnen.

Aber Wades afrika-patriotische Töne verfingen bei einem Teil der Bevölkerung nicht mehr. Stein des Anstosses waren vor allem die enormen Kosten, die auf 15 bis 20 Millionen Euro beziffert werden. Und das in einem Land, in dem immer noch 60 Prozent der Bevölkerung mit weniger als 50 Euro im Monat auskommen müssen und 65 Prozent Analphabeten sind, weil es nicht genug Schulen gibt. Noch mehr Empörung entstand, als bekannt wurde, dass der Staatschef 35 Prozent der Einnahmen von den künftigen Besuchern der verschiedenen Etablissements der Anlage als Entgelt für seine «Autorenrechte» beansprucht, weil er das «Konzept» für das Denkmal entwickelt habe. Allerdings liess er inzwischen mitteilen, dass er dieses Geld für den Bau von Schulen «spenden» wolle.

Musterland?

Doch der Unmut, der sich in der Denkmals-Kritik entlud, sitzt tiefer. Die Opposition bezeichnete das Monument als typischen Ausdruck des autoritären und von den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen abgehobenen Regierungskurses des Staatschefs. Vor zehn Jahren war Wade im Präsidentenwahlkampf 2000 als der grosse Hoffnungsträger und «Reformer» nach „40 Jahren Sozialisten-Herrschaft“ präsentiert worden. Mit «Sozialisten-Herrschaft» war die Regierungszeit der sozialdemokratischen Staatschefs Senghor und Diouf gemeint, die nach der Unabhängigkeit des Landes an die Macht gekommen waren, aber die Hoffnungen auf eine baldige Überwindung der kolonialen Abhängigkeit und bessere Lebensverhältnisse für die Masse der Bevölkerung nicht erfüllten. Dabei war Senegal in der Weltpresse jahrelang als afrikanisches «Musterland für Demokratie und sozialen Frieden» dargestellt worden. Mit Wade kam nun ein «Liberaler», der versprach, durch «mehr Marktwirtschaft» für einen raschen Aufschwung zu sorgen. Heraus kam aber lediglich, dass sich die kleine Schicht der einheimischen neureichen Geschäftsleute etwas vergrösserte, während die industrielle Entwicklung überwiegend in den Händen ausländischer, besonders französischer «Investoren» blieb und von deren Profitinteressen bestimmt wurde. Dieses neokoloniale und am Neoliberalismus orientierte «Entwicklungsmodell» verband sich mit einer florierenden Vetternwirtschaft des Präsidenten-Clans und einer den ganzen Staatsapparat durchdringenden Korruption. Für die Masse der Bevölkerung blieb es beim Leben in Armut. Vor allem junge Senegalesen versuchten in den letzten Jahren immer mehr, der Misere zu entkommen, indem sie unter Lebensgefahr in mickrigen Booten über das Meer oder durch die Wüste Sahara den Weg nach Norden zur illegalen Einwanderung in Europa suchten und dies oft mit dem Leben bezahlten. Im Land selbst hat sich die wirtschaftliche und soziale Situation in der letzten Zeit immer weiter verschlechtert.

Die Lohnschere öffnet sich weiter

Der vom Finanzsektor ausgelöste wirtschaftliche Einbruch ist noch keineswegs überwunden – aber schon öffnet sich die Lohnschere zwischen den Top-Gehältern und den Mindestlöhnen in den grössten Schweizer Unternehmen beziehungsweise Branchen erneut.

Dies zeigt eine alljährlich bei den 42 wichtigsten Schweizer Unternehmen durchgeführte Unia-Studie. Hauptverantwortlich für diese bedenkliche Entwicklung sind ausgerechnet die Banken und Versicherungen – allen voran die UBS, welche die Entlöhnung der Topkader gegenüber dem Vorjahr mehr als versechsfachte.

Klammert man die auch 2009 weiterhin krisengeschüttelte Schweizer MEM-Industrie und die Temporärbranche aus, ist die Lohnschere – das Verhältnis der durchschnittlichen Toplöhne zu den Minimallöhnen im jeweiligen Unternehmen – 2009 im Vergleich zum Vorjahr bereits wieder deutlich gestiegen. Sie betrug 2009 in den untersuchten Unternehmen 1:56 gegenüber 1:49 im Jahr 2008. Mit anderen Worten: Ein Topmanager verdient durchschnittlich in einer Woche mehr als die Angestellten mit den niedrigsten Löhnen im ganzen Jahr.

Die Spitzengehälter korrelieren dabei keineswegs mit hohen Firmengewinnen. Clariant, Roche, OC Oerlikon, Nestle, Sika und Holcim sind Beispiele für Firmen bei denen die Managerlöhne trotz massiven Gewinneinbrüchen gestiegen sind. Besonders krass ist das Missverhältnis von Leistung und Entlöhnung bei der UBS: Obwohl die Bank weiterhin Milliardenverluste schreibt, ist die Entlöhnung der Topkader von rund 800’000 Franken (2008) auf durchschnittlich 5,285 Millionen Franken (2009) explodiert. Und trotz «Subprime»-Krise und Fehlleistungen im Management nehmen die Bankmanager in der Gehaltsrangliste immer noch die Spitzenplätze ein – allen voran bei der CS, bei der ein Konzernleitungsmitglied im Durchschnitt über 11,4 Millionen verdient. Lohnscheren von über 1:100 sind in dieser Branche der Normalfall.

Umverteilung von unten nach oben stoppen

Nach dem krisenbedingten Einschnitt 2008 zeigt sich: Der Trend zur Lohnungleichheit ist ungebrochen. Die Umverteilung von unten nach oben geht weiter. Sie führt zu immer mehr Ungleichheit und zu grossen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft. Die Unia fordert eine Trendwende für mehr soziale Gerechtigkeit. Darum unterstützt die grösste Gewerkschaft der Schweiz die 1:12 Initiative der Jusos und lanciert selber in den kommenden Monaten eine Mindestlohninitiative, welche Lohndumping verhindern und das Niveau der Tieflöhne in allen Branchen heben soll.

800’000 auf den Strassen Frankreichs

Der Aktionstag war ausdrücklich auf den zweiten Tag unmittelbar nach den französischen Regionalwahlen mit der schweren Niederlage für Staatschef Sarkozy und seine Rechtspartei UMP festgelegt worden, um nicht der «Wahlbeeinflussung» bezichtigt zu werden. Es gab 180 Demonstrationszüge und Kundgebungen in allen grossen und zahlreichen mittleren und kleinen Städten. Verbunden waren sie mit zahlreichen Arbeitsniederlegungen in den öffentlichen Diensten, bei Grund- und Oberschulden, bei der staatlichen Eisenbahn (SNCF) und Air France, in öffentlichen Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen, aber auch bei privaten Grossunternehmen. Es war ein erstes Warnsignal, falls die Regierung unter Missachtung des Wählervotums beabsichtigten sollte, ihre antisoziale «Reformen» noch schneller als bisher durchzusetzen.

Hauptthema der Transparente, Sprechchöre und Reden war der Protest gegen die beabsichtigten «Rentenreform» und den rigorosen Stellenabbau im öffentlichen Dienst, aber auch die Forderung nach höheren Löhnen und mehr Kaufkraft. „«Die Banken wurden gerettet, die Renten können auch gerettet werden», «Nehmen wir von den Profiten, um Arbeitsplätze zu schaffen» und «Wir wollen nicht für die Krise zahlen» war auf zahlreichen Spruchbändern zu lesen. Ein Sprechchor in Paris lautete: «Widerstand für den öffentlichen Dienst, Widerstand für die Löhne, Widerstand für die Renten». Die CGT hat angekündigt, dass sie auf einer Zusammenkunft der Gewerkschaften am 30. März weitere gemeinsame Aktionen im April und gemeinsame Kundgebungen am 1´: Mai vorschlagen will.

Entlassungswelle trotz Gewinn

Die Lonza will in Visp 193 Stellen abbauen – trotz einem letztes Jahr erzielten Gewinn von 159 Millionen Franken. Wenn der Konzern Entlassungen ausspricht und damit die letztes Jahr unterschriebene Ausbildungsvereinbarung bricht, muss er den vertragsunterstellten Beschäftigten alle aufgelaufenen Arbeitzeitguthaben auszahlen.

Der Lonza-Konzern hat heute morgen die Vertragsgewerkschaften über die konkreten Auswirkungen des Restrukturierungsprogramms am Standort Visp informiert. Die Lonza will 193 Stellen abbauen, wobei sie für 131 Mitarbeitende eine frühzeitige Pensionierungslösung vorsieht. 63 Mitarbeitenden will die Lonza kündigen, davon 19 die unter den Kollektivarbeits­vertrag (KAV) fallen. Noch einmal rund 100 Stellen fallen im Bereich der Verleihmitarbeitenden weg. Den Vertragsgewerkschaften wird eine Konsultationsfirst bis zum 9. April eingeräumt.

Der Stellenabbau bei der Lonza ist für die Oberwalliser Wirtschaft ein grosser Rück­schlag. Für jeden Betroffenen und ihre Familien ist die Kündigung ein herber Schlag. Die Unia wehrt sich gegen die Entlassungen in Visp. Sie sind unnötig, denn das Unternehmen hat auch im letzten Jahr einen Gewinn von nicht weniger als 159 Millionen Franken realisiert.

Die Gewerkschaft kritisiert zudem, dass Lonza die Konsultationsfrist sehr kurzfristig angesetzt hat. Die Konsultations­frist muss bis 30. April Mai verlängert werden. In dieser Zeit wird die Unia Vorschläge ausarbeiten, mit denen Entlassungen vermieden werden können. Nach Ablauf der Konsultationsfrist müssen gemäss Kollektivarbeitsvertrag Verhandlungen mit den Vertragspartnern geführt werden, um entsprechende Massnahmen und allfällige Leistungen zu regeln.

Im Rahmen dieser Verhandlungen muss auch über die letztes Jahr von der Lonza unterschriebene Ausbildungsvereinbarung gesprochen werden, welche Kündigungen bis ins Jahr 2014 ausschliesst. Diese Vereinbarung würde hinfällig, wenn Lonza tatsächlich Entlassungen ausspricht. Dann müssten die im letzten Jahr erbrachten Leistungen der KAV-Mitarbeitenden (Überstundenguthaben) in Franken und Rappen entgolten werden

Schluss mit unnötigen Jobkiller-Restrukturierungen!

Noch vor ein paar Monaten hat die Postspitze einen Einbruch beim Geschäftsergebnis 2009 vorausgesagt. Heute hat der Gelbe Riese bekanntgegeben, wie gut es ihm weiterhin geht, mit einem Konzerngewinn von 728 Millionen Franken! Die Gewerkschaft Kommuni­kation freut sich über den guten Zustand der Post, fordert nun aber umso energischer sofortigen Verzicht der Post auf ihre Jobkiller-Restrukturierungen!

Ein Konzerngewinn von 728 Millionen Franken bei einem Betriebsertrag von 8,71 Milliarden Franken: Das Ergebnis des Geschäftsjahrs 2009 der Schweizerischen Post ist zwar gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig. Die Zahlen bestätigen aber: Der Post geht es ausgezeichnet. Wir sind weit entfernt von trüben Prognosen der Postspitze vor einigen Monaten, als von einem richtigen Gewinneinbruch die Rede war. Ob die Postspitze ihren Markt nicht richtig analysieren konnte oder absichtlich schwarzmalte, damit diverse Restrukturierungs- und Stellenabbau-Pillen besser geschluckt würden, bleibe dahingestellt.

Die Gewerkschaft Kommunikation hat nie an der Stärke der Schweizerischen Post gezweifelt und nimmt das sehr gute Ergebnis 2009 mit Befriedigung auf, das für sie keine Überraschung darstellt. Sie zieht daraus den eindeutigen Schluss, dass der Gelbe Riese nicht am Abgrund steht. Das beweist auch der Bereich PostMail, der sich mit einem Ergebnis von rund 200 Millionen Franken bei einem Geschäftsvolumen von 2,8 Milliarden, das heisst weniger als 4% unter dem von 2008, gut gehalten hat. Auch da kein Vergleich mit den schlechten Prognosen der Post!

Für die Gewerkschaft Kommunikation besteht damit kein sachlicher Grund für Jobkoller-Restrukturierungen der Post oder eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für das Personal. Deshalb fordert die Gewerkschaft von der Post den sofortigen Verzicht auf Gross­restruk­turierungen – allen voran ihr Projekt Distrinova – und eine Beschäftigungsgarantie für das ganze Personal.

Hungerstreik im Auschaffungsgefängnis Zürich-Kloten

Gut 150 Menschen, unter ihnen viele Migrantinnen und Migranten, zogen heute Sonntagnachmittag in einem spontanen Protestmarsch vor das Ausschaffungsgefängnis Zürich-Kloten, um ihre Solidarität mit den Insassen zu bekunden. Gefangene, die aus dem Zellenfenster rufend, Kontakt zu den Demonstrantinnen und Demonstranten herstellten, berichteten, dass sich viele Gefangene seit vergangenem Mittwoch im Hungerstreik befinden. Sie protestieren gegen den Tod des 29-jährigen Alex Uzuwulu, der vergangenen Mittwoch während der gewaltsamen Ausschaffung nach «Level 4» (oft Überfall durch maskierte Polizisten in der Zelle, Fesselung, allenfalls Fixierung auf Rollstuhl oder Bahre) verstarb.

Es beteiligen sich, so die Informationen aus dem Gefängnis, Gefangene in allen Stockwerken am Hungerstreik. Sie machten keine Angaben über die geplante Dauer des Hungerstreiks. Im vierten Stock des Gefängnisses soll auch ein einjähriges Kleinkind (zusammen mit der Mutter) einsitzen, sagte ein Gefangener.

augenauf fordert die Untersuchung der Ursachen des tragischen Todes von Alex Uzuwulu durch eine unabhängige, anerkannte Institution, zum Beispiel durch das CAT (Committee against Torture) des UN Hochkommissars für Menschenrechte.

Hintergrund

Alex Uzuwulu ist bereits der dritte Flüchtling, der während der Ausschaffung in der Schweiz zu Tode gebracht wurde. Am 3. März 1999 erstickte der 27-jährige Palästinenser Khaled Abuzarifa an der Knebelung durch Klebeband. Am 1. Mai erlitt Samsung Chukwu den so genannten «lagebedingten Erstickungstod», als ihn Polizisten einer Walliser Sondereinheit noch im Gefängnis fesselten.

Im Ausschaffungsgefängnis Zürich-Kloten (FGII – Flughafengefängnis II) sitzen ausschliesslich Administrativhäftlinge, also Gefangene, die nur wegen ihrem Aufenthaltsstatus bis maximal 24 Monaten einsitzen («Ausschaffungs»-, «Vorbereitungs»- und «Durchsetzungshaft». Im FGII befinden sich KEINE Strafgefangenen.

Quelle: augenauf zürich

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