Sugus: Ein bitteres Zältli zu Weihnachten

Gaudenz Pfister. Der Widerstand von Bewohner:innen gegen die Leerkündigungen in drei von neun Sugus-Häusern in Zürich löst politischen Wirbel aus. Die Stadtpräsidentin Corinne Mauch versucht nun, mit der Besitzerin ins Gespräch zu kommen.

Jede:r Bahnfahrer:in in Zürich kennt die farbigen Häuser, die kurz vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof links stehen. Sie wurden vor 25 Jahren von einem Unternehmer erbaut, der damals misstrauisch beäugt wurde, weil er billig baute. Heute wird er als sozialer Kapitalist gerühmt, weil er fertigbrachte, was auch den Baugenossenschaften schwerfällt: für Arbeiter:innen in Zürich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Seine Kinder teilten das Erbe auf, eine Tochter, die drei der neun Häuser erhielt, hat allen Mieter:innen gekündigt, weil die Wohnungen totalsaniert werden müssten.

Normalität wird zum Politikum
Für die gekündigten Mieter:innen, die in drei Monaten ausziehen müssen, ist das ein Schock. Ebenso schockiert ist die Öffentlichkeit, obwohl es täglich passiert: Leerkündigungen – Sanierungen – höhere Mieten. Aber in diesem Fall ist alles falsch: Ausgerechnet vor Weihnachten, gleich 105 betroffene Wohnungen. Ausserdem fällt er in eine politisch heikle Zeit, denn nach der Abstimmung über die Mietrechtsverschärfungen vom November 2024 ist vor der Abstimmung über die Mieterinitiative vom Februar 2025.
So gibt es viele Reaktionen in den Medien, Parteien und Behörden. Die NZZ leistete den Enthüllungsjournalismus, den man sonst von der Wochenzeitung (WoZ) erwartet: Wie die Besitzerin beinahe als Erbschleicherin verurteilt worden wäre, hätte sie sich nicht mit den Geschwistern geeinigt. Doch bald dominierten praktische Fragen die Diskussion: Braucht es für nur ein Drittel der Häuser eine Totalsanierung, wenn die anderen zwei Drittel problemlos weiter bewohnt werden können? Oder eben doch eine Aufwertung, wozu Wohnungen zusammengelegt werden, um den Betuchten ein grosszügigeres Raumangebot anzubieten? Die Lage an den Bahngeleisen macht diese Siedlung bekannt. Als sie vor knapp 25 Jahren erbaut wurde, wollte niemand sonst dieses Gelände übernehmen. Früher standen dort die riesigen Hallen eines Alteisenhändlers. Um die Bahnhofsgeleise gab es eine Gaszählerfabrik, das Lager der Schienenbauer, den Postbahnhof. Heute stehen da nur noch hochpreisige Immobilienobjekte wie die Europaallee. Wo früher nur wohnte, wer musste, wollen heute alle wohnen, die es sich leisten können.

Welche Rezepte?
Die gemeinsame Not bringt die Be-wohner:innen der ganzen Siedlung zusammen. Die Siedlung lebt und sie lebt zusammen. Das merkt man daran, wie schnell die Kundgebung vom 7.Dezember und eine Petition organisiert wurden. An den vielen feinen Esswaren und Getränken, den selbstgemalten Schildern und den Redebeiträgen der Bewohner:innen an der Kundgebung, sowie den Transpis an den Balkonen.
Für die Infrastruktur des Protestes braucht es die SP Kreis 5. «Nur zur Unterstützung und nicht zum Wahlkampf», betont ihr Präsident. Neben dem Quartierverein sind alle drei linken Parteien (SP, Grüne und AL) mit Redner:innen präsent. Der grüne Redner benennt die Enteignung des Bodens als einziges Mittel, das helfen würde. Sehr zutreffend, aber ohne die Abschaffung des Kapitalismus nicht zu haben. Von den Grünen hat mensch noch nie einen solchen Vorstoss gesehen.
Die Abschlussworte der SP-Nationalrätin Jacqueline Badran wurden dann in der Presse viel zitiert: «Wir unterstützen euch bis zum letzten Quadratmeter». Jedoch nicht ihren Nachsatz: «Wenn ihr unsere Politik unterstützt». Die Stadtpräsidentin Corinne Mauch, bekanntlich auch sie von der SP, versucht nun, mit der Besitzerin ins Gespräch zu kommen. Das ist die einzige Lösung im Kapitalismus: Die Häuser zu kaufen.

Aussichten
Was macht die Situation in den Sugus-Häusern so anders als zum Beispiel im Brunaupark, dessen Bewohner:innen schon jahrelange gegen die Leerkündigungen durch die CS und jetzt UBS kämpfen? Beide Seiten der Front sind speziell: Eine Immobilienkapitalistin, die mit den Kündigungen nicht einmal zwei Monate bis nach Weihnachten warten kann und so die Unerträglichkeit der Immobilienspekulation wie mit einem Blitz beleuchtet. Die mehrheitlich einfachen Leute, die diese Siedlung bewohnen, die ihr soziales Leben gegen diese Spekulantin mobilisieren. Dazwischen die linksgrünen Parteien mit ihrer Stadtregierung, die den Immobilienkauf als Lösung propagieren und an einem gelungenen Beispiel zweifellos interessiert sind. Das gibt die Hoffnung, dass es für die Bewohner:innen besser als normal ausgehen kann. Aber es löst nicht die vielen Leerkündigungen, die es weiterhin gibt.

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