Krise auf Frauen* abgewälzt

sah. Covid-19 macht sichtbar, wie lebensnotwendig Care-Arbeit ist. Ohne die Arbeit in den Spitälern und Heimen, den Kitas und Horten, als Spitex und Reinigungskraft – aber auch ohne die Betreuungs- und Pflegearbeiten zu Hause – steht die Gesellschaft still.

Die Pandemie zeigt allen im Alltag auf, worauf die feministische Bewegung schon lange hinweist: Die Sorge um uns selbst und um andere steht im Zentrum des Lebens. Fazit: Sorgearbeit muss im Zentrum der Politik und des Wirtschaftssystems stehen.
Um detaillierter zu erfahren, wie die aktuelle Situation der Care-Arbeiter*innen in Wirklichkeit ist, haben Aktivist*innen vom Feministischen Frauen*-Streik-Kollektiv (u.a. aus Zürich) Erfahrungsberichte gesammelt, mit dem Ziel, Handlungsperspektiven zu finden: «Wir, als Care Work Unite organisieren uns und suchen zusammen nach politischen Antworten auf diese Krise! Mach mit! Schreib uns deine Erfahrungen aus dem Corona-Alltag von zu Hause oder aus dem Betrieb.» Das Krisenmanagement soll dazu gezwungen werden, die Care-Arbeit nicht nur anzuerkennen, sondern auch dafür zu bezahlen, so meinen die Aktivist*innen. Entsprechende Berufe sind Putzfrau*, Mami*, Pfleger*in, FaBe und FaGe, Soz, Kita-Angestellte, Grosi* und Grosspapi*, Psycholog*in, Ärzt*in oder Betreuer*in in einem Heim etc. Für sie alle gilt: Für heutige und künftige Kämpfe gegen Stress und miese Löhne müssen wir uns zusammentun.

Haarsträubende Berichte!
«Früher war die Aufnahme von Notfallpatient*innen abhängig von unseren Personalressourcen, was wiederum abhängig von unserer subjektiven Belastung war. Nun wird über uns hinweg gefegt: Seit einer Woche wird nicht mehr gefragt, ob ich noch Kapazitäten habe, sondern es wird gesagt: ‹Jetzt müsst ihr flexibel sein!› Eine Woche nachdem der Bundesrat ohne Beiziehung unserer Gewerkschaften unsere Schutzbestimmungen bezüglich Arbeitszeiten und Pausen massiv gelockert hat, wurden wir zu Schichten von 12 Stunden und 45 Minuten verpflichtet», erzählt eine Pflegerin, die auf einer Intensivstation arbeitet, dem Feministischen Frauen*-Streik-Kollektiv. Und eine Hebamme hält fest: «Als zu Beginn die Schutzmassnahmen für Arbeitende im Gesundheitsbereich vorgestellt wurden, hat die Gesundheitsdirektion die Hebammen komplett vergessen. Nach zwei Wochen Protest haben wir nun aber genügend Schutzmaterial.»

Keine Chance
Doch nicht nur im Gesundheitsbereich brennt es, wie meine ganz persönliche Erfahrung zeigt: Als IF-Sekundarlehrerin (integrierte Förderlehrperson) betreue ich Jugendliche auf der Oberstufe, denen es aus unterschiedlichsten Gründen auch unter «normalen» Bedingungen schwerfällt, dem Schulunterricht zu folgen. Nun ist es keine Überraschung, dass genau diese Jugendliche keine Chance haben, mit der Digitalwelle, die gerade komplett unvorbereitet über sie schwappt, noch den Überblick zu behalten. Ich finde mich in einer Position wieder, in der ich mich entscheiden muss, ob ich mein Arbeitspensum unbezahlt verdreifache und damit den Hauch einer Chance auf Anschluss für die Jugendlichen schaffe – oder eben nicht.

Zeit und Respekt für systemrelevante Arbeit
Die feministische Aktivistin Tamara Funiciello bringt es in einem Rundmail einmal mehr auf den Punkt: «Unsere Gesellschaft kommt ohne die klassischen ‹Frauenberufe› schlichtweg nicht aus. Doch genau diese Menschen, die jetzt wortwörtlich den Laden schmeissen, haben miserable Löhne und Arbeitsbedingungen. Klatschen reicht dafür nicht Es braucht Geld, Zeit und Respekt für systemrelevante Arbeit.»
Für Funiciello ist das Ziel ein feministisches Konjunkturprogramm, das bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit ins Zentrum stelle. Wenn der Staat nun Geld investiert, um die Wirtschaft anzukurbeln, müssen diese Investitionen zwingend auch in den Care-Bereich einfliessen. Das führt zu einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wichtig sei die familienergänzende Kinderbetreuung für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Kinderbetreuung müsse als Service Public behandelt werden. Denn Kitas seien Teil des Bildungssystems und sollen – wie die Volksschule – durch Steuermittel finanziert werden.

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