Der Lehrling Trump

dom. Mitten in den Wahlkampf fiel die Veröffentlichung von Ali Abbasis neuestem Film «The Apprentice». Er zeigt, wie Trump in den 1970er- und 1980er-Jahren mithilfe mächtiger Männer, schweren Deals und krummer Geschäfte zu «New Yorks wichtigstem Bauherren» wird.

Lange Zeit war ungewiss, ob der Film überhaupt gezeigt werden kann. Donald Trump fühlte sich von Abbasi verleumdet und drohte mit einer Klage, weshalb die US-amerikanischen Filmproduktionsunternehmen zögerten, sich die Rechte an dem Film zu erwerben. Inzwischen hat es der Film in die Kinos und Trump zurück ins Oval Office geschafft. So gewinnt das Biopic, das Trumps Aufstieg zum skrupellosen Immobilienmogul nachzeichnet, nochmals an Dringlichkeit. Obwohl sich die Handlung auf die 1970er- und 1980er-Jahre beschränkt, trägt «The Apprentice» zum Verständnis der politischen Figur bei, die heute an der Spitze der untergehenden Weltmacht steht.

Der Lehrling und sein Meister
Trump ist kein «Self-made-man». Donald erbt nicht nur Geld und Immobilien, seine Herkunft ermöglicht ihm auch den Eintritt in den Kreis jener Unternehmer:innen, Jurist:innen und Politiker:innen, die einem zum Erfolg verhelfen. Dazu zählt Roy Cohn, ein knallharter Jurist, der zuerst unter McCarthy Kommunist:innen jagt und später als bedeutender Rechtsanwalt das Kapital vertritt und konservative Politiker wie Richard Nixon und Ronald Reagan berät. Dabei arbeitet er nach drei einfachen Grundregeln: Immer angreifen, alles abstreiten und niemals eine Niederlage eingestehen. Der junge Trump ist von Cohns Skrupellosigkeit begeistert, von seiner Macht angezogen und schon bald hat er dessen Grundregeln verinnerlicht. Jetzt ist es Donald Tump, der in den permanenten Angriffsmodus schaltet, der sich die Wahrheit stets zu seinen Gunsten auslegt und der keine Niederlagen mehr kennt.

Deals, deals, deals!
Schon früh teilt sich für Donald die Welt in Gewinner und Verlierer, in «Killers» und «Losers». Diese Weltsicht lehrt ihn auch sein strenger Vater, Fred Trump, seines Zeichens millionenschwerer Immobilienbesitzer. Von seinen Söhnen Freddy und Donald fordert er Leistung und Erfolg. Für Freddy, der diesen Anforderungen nicht genügen kann, empfindet er nichts als Scham und Verachtung. Donald hingegen sucht als Vice-Präsident des Familienunternehmens den Anschluss an die High Society. Dass er dort mit Cohn ins Gespräch kommt, ist kein Zufall: Trumps Immobilienunternehmen ist wegen Diskriminierung ins Visier der Justiz geraten. Sie würden ihre Wohnungen nicht an POC’s vermieten, lautet der Vorwurf. Donald gibt sich als Unschuldslamm: Würden sie wohl, «einfach nur, wenn deren Einkommen mindestens das Vierfache der Monatsmiete beträgt».
Cohn findet Gefallen am jungen Trump und macht ihn zu seinem Protegé. Schicke Anzüge, fette Partys, Koks, Speed und Sex – und vor allem: Deals! Unter Cohns Fittichen wird Trump zu Trump. Er wird zum selbstgefälligen Businessman, der Geschäfte um der Geschäfte willen abschliesst. In dieser Hinsicht ist er sich bis heute treu geblieben, auch die Politik betreibt Donald Trump am liebsten als Geschäft.

McCarthy, Nixon und Reagan
Immer wieder entdecken wir in dem jungen Aufsteiger die Züge des späteren Politikers. Was sich heute ausdrückt in rassistischen Politiken, sexistischen Äusserungen und chauvinistischer Haltung – die Geringschätzung gegenüber Arbeiter:innen, Minderheiten, Ausländer:innen, Frauen und Linken, aber auch gegenüber etablierten Institutionen, die sich durch Trumps gesamte politische Agenda zieht, hat hier ihren Ursprung.
Die USA der 1970er- und 1980er-Jahre, das ist die USA der McCarthys, der Nixons und Reagans. Das bedeutet Jagd auf alles, was nur im Entferntesten nach Kommunismus riecht. Es ist die Zeit der Krise, der Korruption, des Missbrauchs von politischen Ämtern, von Vetternwirtschaft. Aber es ist auch die Zeit der neoliberalen Wende, der Deregulierung und des Aufstiegs einiger weniger – wer könnte in einem solchen Umfeld besser gedeihen als Donald Trump?
So liefert «The Apprentice» auch eine Kritik der damaligen Verhältnisse und ist insofern ein Heilmittel gegen verkürzte Trump-Kritik, die sich nur auf dessen Person richtet. Trump erscheint hier nicht (nur) als das rassistische, sexistische Grossmaul – und schon gar nicht als irre Witzfigur. Trump ist in erster Linie der skrupellose Geschäftsmann, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Donald lernt die richtigen Leute kennen, wird gefördert, wird unterstützt. Man erlässt im Steuern, lässt ihn bauen, lässt ihn sich bereichern und lädt ihn zur Unterhaltung ein in Talkshows.

Keine Gesetze, nur Männer
Dass auf dem steilen Weg an die Spitze der Immobilienbranche nicht immer alles «mit rechten Dingen» zugeht, versteht sich eigentlich von selbst. Cohn gewinnt seine Prozesse mit unlauteren Mitteln, politische Gegner:innen werden ausspioniert und unter Druck gesetzt. «Es gibt keine Gesetze, es gibt nur Männer», meint Cohn zu Trump. Diese Bestimmung zu vervollkommnen, daran arbeitet Trump bis heute.
Von daher kommen die Warnungen der «Demokrat:in-nen», Trumps Wahl würde das Ende der westlichen Demokratie bedeuten. Von links bis halb-rechts wird Trump in der Öffentlichkeit nicht selten in die Nähe verhasster Autokraten gerückt. Und ja: Trumps Politik basiert nicht auf Konsens, Kompromiss und Aushandlungsprozessen, sondern auf Diffamierung, Spaltung und Betrug.
Doch in Wahrheit erleben wir weniger, wie Trump eine intakte Demokratie unterwandert, als einen längerfristigen Zerfall demokratischer Institutionen und Prozesse, der Trump erst hervorgebracht hat. Im Vorfeld der Wahlen bemerkte Wirtschaftshistoriker Adam Tooze: «Die amerikanische Politik ist nicht der Verrat an einer ansonsten gesunden Gesellschaft». Der Erosionsprozess der Demokratie sei «Ausdruck einer gesellschaftlichen Veränderung, eines zunehmend polarisierten, dysfunktionalen, instrumentellen Ansatzes», der sich durch die gesamte Gesellschaft zieht. Also durch Unternehmen, Politik, aber auch durch die Bevölkerung selbst.

Trump als Vergewaltiger
Das bestätigt Abbasi im Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), wenn er meint, er habe nicht in erster Linie einen Film «über die politische Person Donald Trump» gemacht. Abbasi hält fest: «Zum Diskurs über seine politische Karriere hätte ich kaum etwas hinzuzufügen. Es ist ein Film über seine Wandlung. Es geht darum, wie er zu der Person wurde, die wir nun kennen (…) Es ist ein Film über Amerika.» Trump als Ausdruck von Zerfall, nicht als Ursache.
Trump selbst bezeichnete Ali Abbasis Film als «politisch ekelhaftes Machwerk». In einem Post auf seiner Plattform «Truth» meinte er, es handle sich um einen niveaulosen Film und warf den Urheber:innen vor, mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung seiner Wahlkampagne schaden zu wollen. Seine Aufregung dürfte auch damit zu tun haben, dass «The Apprentice» Trump als Vergewaltiger zeigt. Regisseur Abbasi meint gegenüber der NZZ: «Die Szene basiert auf Ivanas eidesstattlicher Aussage vor Gericht (…) Sie hat es auch erneut in ihren Memoiren geschildert. Mit Details, die sogar noch weit gewalttätiger sind, als das, was im Film zu sehen ist.» Ivana hat zwar später erklärt, sie habe das Wort «Vergewaltigung» nicht in einem rechtlichen Sinne verwendet. Aber dazu meint Abbasi: «Das hört sich für mich so an, als habe jemand versucht, eine Person einzuschüchtern.» Trump leugnet derweil jegliche Übergriffe und beteuert, zu Ivana bis zu ihrem Tod ein grossartiges Verhältnis gepflegt zu haben. Aber wer kann ihm das nach unzähligen misogynen Äusserungen und vielen Jahren diskriminierender Politik noch glauben?

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