Wie die EU-«Hilfe» für Griechenland wirkt

Griechenland habe im ersten Halbjahr 2010 «eine beeindruckende Haushaltskonsolidierung geschafft», verkündete EU-Kommissar Olli Rehn am 19. August in Brüssel. Damit wurde die Freigabe einer weiteren Tranche von «Hilfsgeldern» der EU für Griechenland begründet, die im September beschlossen werden soll. Wobei daran zu erinnern ist, dass diese Gelder nicht «den Griechen» zugutekommt, sondern dazu dienen, griechische Schulden bei europäischen und amerikanischen Banken mit hohen Zinsen zurückzuzahlen.

Schneller als geplant

Die Realität in Griechenland sieht anders aus, als sie Herr Rehn wahrnimmt. Das radikale Sparpaket der Regierung habe die griechische Wirtschaft «in eine tiefe Rezession gestürzt», hiess es kürzlich in einem Bericht aus Athen in «Spiegel-Online» (18. August 2010). Die griechische Zeitung «Ta Nea» habe der Regierung deshalb unlängst geraten, wie die Gläubigen der orthodoxen Kirche beim Marienfest im Sommer auf den Knien zu rutschen, um die Gnade der Mutter Gottes zu erbitten und auf ein Wunder der «Gnadenreichen» zur Erlösung des Landes aus der Krise zu hoffen. Ohne dieses Wunder drohe dem Mittelmeerstaat ein „heißer Herbst“.

Laut Mitteilung der EU-Kommission hat die griechische Regierung den ihr aufdiktierten Defizitabbau mit «beeindruckenden Sparmassnahmen» sogar «schneller als geplant» umgesetzt. Um insgesamt 46 Prozent sei das Staatsdefizit im ersten Halbjahr 2010 zurückgefahren worden. Die gesamtstaatlichen Kassenausgaben seien um 16,9 Prozent verringert worden, und zwar vor allem durch «Kürzungen bei den Primärausgaben (einschliesslich der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst)». Bei der «Reform des Rentensystems und der öffentlichen Verwaltung» seien die Einspar-«Fortschritte» sogar «den Planungen voraus». Lobend vermerkt die EU-Kommission auch «Fortschritte bei der Strukturreform»: die neuen Arbeitsmarktgesetze hätten «die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft» erhöht, die «Liberalisierung» des Güterverkehrs und der Energiewirtschaft sowie «Reformen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Unternehmen» seien vorangekommen.

Perspektivlosigkeit und Wut

Im Bericht der «Spiegel»-Korrespondentin aus Athen liest sich das Ergebnis allerdings so: «Der Sparkurs beeinflusst mittlerweile das gesamte Wirtschaftsleben. Die Kaufkraft sinkt, der Konsum bricht ein, die Zahl der Insolvenzen und der Arbeitslosen steigt. Im zweiten Quartal schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent. Die Steuereinnahmen, die für die Konsolidierung des Staatshaushalts dringend nötig wären, brechen weg. In der griechischen Gesellschaft gärt ein Gemisch aus Angst, Perspektivlosigkeit und Wut.»

Das «Sparpaket» von Regierungschef Papandreou habe des Wirtschaftsleben regelrecht erschüttert, heisst es weiter in diesem Bericht: «Im Öffentlichen Dienst wurden die Löhne und Gehälter um bis zu 20 Prozent gekürzt, zu harten Einschnitten kam es auch bei den Renten, ausserdem wurden zahlreiche Steuern erhöht. Die Folge: Die Menschen haben immer weniger Geld zur Verfügung, überall brechen die Umsätze weg».

In den Geschäftsstraßen von Athen hängt in jedem vierten Schaufenster ein rotes Schild «Zu vermieten». Laut dem Einzelhandelsverband ESEE müssen 17 Prozent der Athener Geschäfte Insolvenz anmelden. In anderen Landesteilen ist die Lage nicht besser: «Überall scheint es nur abwärtszugehen, die Spirale dreht sich unaufhörlich weiter, ein Ausweg ist nicht in Sicht», hiess es im «Spiegel»-Bericht.

Der Artikel schliesst mit der Äusserung eines Schiffbauers: «Wenn du meiner Familie das Brot wegnimmst, dann mache ich dich fertig, das müssen die Regierenden wissen… Und nennt uns dann nicht Anarchisten! Wir sind Familienväter und verzweifelt. Hier brodelt es wie in einem Dampfkessel. Und der wird irgendwann explodieren.»

G. Polikeit

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