Landesweite Streiks in Italien
Gerhard Feldbauer. Italiens Eisenbahner:innen streikten am 23. und 24.November zum 14.Mal seit Jahresbeginn. Aber nicht nur sie legten ihre Arbeit nieder. Die faschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erlebte ein «heisses Jahr» und verliert an Boden.
Mit einem 24-stündigen landesweiten Streik aller Eisenbahner:innen legten die Beschäftigten der staatlichen italienischen Eisenbahnen Ferrovie dello Stato (FSI) erneut den Verkehr weitgehend lahm. Der Streik begann am 23.November um 21Uhr. Laut dem kommunistischen Magazin Contropiano war es der 14.Streik seit Jahresbeginn. Mit diesen Ausständen bereiten die Arbeiter:innen der Eisenbahnen der Regierung von Ministerpräsidentin Meloni ein «heisses Jahr» vor. Allein im Nahverkehr und im Trenitalia-Streckennetz kam es alle 22 Tage zu Streiks. Der Streik, der auch von einer Nationalversammlung des Lokomotiv- und Bordpersonals unterstützt wurde, richtete sich gegen die seit Jahren anhaltende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Gefordert werden angemessene Löhne, berufliche Anerkennung, mehr Ruhezeiten zwischen den Diensten sowie eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden bei vier Arbeitstagen. Zudem wird der Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter:innen betont, wie die Basis-Gewerkschaft USB in ihrer Erklärung zu dem Streik hervorhob.
In ständiger Unsicherheit
Die Eisenbahner:innen stehen an der Spitze der Streikwelle, die viele weitere Branchen erfasst hat. Am 20. November legten rund 200000 Beschäftigte des Gesundheitswesens ihre Arbeit für einen landesweiten, eintägigen Streik nieder. Sie protestierten gegen die völlig unzureichende Zuweisung von Ressourcen an Krankenhäuser – sowohl öffentliche als auch private – und forderten neue, bessere Arbeitsverträge. Zu ihren Forderungen gehörten ausserdem die sofortige Einstellung von mehr Personal, um die Sicherheit in den öffentlichen Einrichtungen zu gewährleisten, die steuerliche Entlastung eines Teils des Lohnes sowie die Erhöhung pflegespezifischer Zuschüsse.
Auch in Siena und Ascoli Piceno kam es zu Protesten: Am 18.November demonstrierten Arbeiter:innen gegen die geplante Schliessung der dortigen Werke durch den multinationalen Konzern Beko Europe. Diese Entscheidung würde 1935 Arbeiter:innen ihre Stelle kosten.
Und seit Monaten kämpfen die Beschäftigten des Autobauers Stellantis gegen drohende Entlassungen. In Turin sollen im Zuge der Umstellung auf E-Modelle 1500 Arbeitsplätze abgebaut werden. Bereits seit 2021 hat das Unternehmen die Zahl der Arbeitsplätze in Italien von 51000 auf 43000 reduziert. «Bei Stellantis läuft eine langsame Stilllegung ab», enthüllte die Plattform Collettiva der Gewerkschaft CGIL. Von Termoli, einem Standort an der Adriaküste in der Region Molise, bis Cassino, einer Produktionsstätte südlich von Rom, leben die Arbeiter:innen von Sellantis in ständiger Unsicherheit. Viele von ihnen sind von Solidaritätsverträgen betroffen: Arbeitszeiten und Löhne der Beschäftigten werden reduziert, während der Staat einen Teil des Lohnausfalls kompensiert. Trotzdem fühlen sich viele, «als hingen sie an einem dünnen Faden», so die gewerkschaftliche Plattform. In Cassino arbeiten noch rund 3000 Beschäftigte. Sie verdienen oft weniger als 1000 Euro im Monat – ein weiteres Zeichen der prekären Lage der Belegschaft.
Niederlagen für Meloni
In der Emilia Romagna demonstrierten Gewerk-schafter:innen, Friedensaktivist:innen, Studierende und soziale Verbände gegen den Kriegskurs der Meloni-Regierung. Sie waren sich einig, dass ein Ausstieg aus der Kriegsspirale notwendig ist und nach Jahrzehnten der Kürzungen und Privatisierungen die Prioritäten umgekehrt werden müssen. Statt Mittel in die Rüstungsindustrie zu investieren, sollten diese in die öffentliche Gesundheit, Bildung und in Unternehmen fliessen, die von Entlassungen bedroht sind.
Ihre Stimmen trugen dazu bei, dass Michele de Pascale vom sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) Mitte November mit 56,77 Prozent die Wahl zum Präsidenten der Region gewann. Auch in der Region Umbrien, die zuvor von den Rechten regiert wurde, gewann ein breites Mitte-Linksbündnis die Regionalwahlen.
Der Druck auf die Regierung steigt
Das kommunistische Magazin Contropiano hebt hervor, dass die Wahlergebnisse «die Unfähigkeit des herrschenden Systems zeigen», auf die drängenden Fragen der Bevölkerung zu reagieren. Besonders in Emilia-Romagna hat Meloni aufgrund von Problemen wie Arbeitsunfällen, der Privatisierung des Gesundheitswesens und Missständen im öffentlichen Beschaffungswesen Stimmen verloren.Meloni selbst bezeichnete das Ergebnis als «unzufriedenstellend» und betonte laut der Nachrichtenagentur ANSA: «Wir müssen uns fragen, was nicht funktioniert hat.» Sie warnte davor, die Niederlage herunterzuspielen, und rief dazu auf, die nächsten Regionalwahlen strategisch vorzubereiten, um weiteren Bodenverlust zu vermeiden. Meloni weiss selbst am besten, dass sie schon fester im Sessel der Macht sass.