Feministischer Generalstreik
Ralph Streck. Das Baskenland schreibt erneut Arbeitskampfgeschichte: Am 30.November wird auch für all jene die Arbeit niedergelegt, die selbst gar nicht streiken können, wie zum Beispiel illegalisierte Einwanderinnen, die in der häuslichen Pflege zu miserablen Bedingungen arbeiten.
«Bei diesem feministischen Generalstreik müssen uns die Männer unterstützen, streiken und für ihn werben, insbesondere in den am stärksten von Männern dominierten Bereichen wie in grossen Fabriken und Unternehmen», fordert Maite Irazabal, Sprecherin der Frauenversammlung in der baskischen Provinz Biskaya. Und die Motoren für den Streik vom 30.November im Baskenland laufen auch in diesen Sektoren bereits warm.
Zum feministischen Generalstreik rufen neben feministischen Organisationen auch Gewerkschaften, Studenten- und Rentner:innenvereinigungen sowie viele soziale Organisationen auf. Die beiden grossen spanischen Gewerkschaften CCOO und UGT beteiligen sich aber nicht, dafür die kleineren anarchosyndikalistischen CGT und CNT. Überfall finden bereits Versammlungen statt. Am 9. November protestierten an verschiedenen baskischen Universitäten Student:innen und Beschäftigte. Mit der ELA bereitet sich auch die grösste und kämpferischste Gewerkschaft im Baskenland auf den Frauenstreik vor. Sie hat Anfang November 3000 Delegierte versammelt. Dies, um «den feministischen Generalstreik in alle Betriebe und Arbeitsbereiche zu tragen», erklärte der ELA-Chef Mitxel Lakuntza. Nach dem Treffen wurde in der baskischen Metropole Bilbao demonstriert. Die «Institutionen entziehen sich ihrer Verantwortung», prangerte Lakuntza an. Pflegebedürftige Menschen würden vernachlässigt, weil die Pflege oft von privaten Unternehmen geleistet würde.
Arbeiter:innen streiken für Rentner:innen
Die Arbeiter:innen im Baskenland bereiten sich auf den «historischen Tag vor», an dem die sie zum zweiten Mal in der Geschichte für Menschen streiken werden, die selbst gar nicht streiken können. Etwas genauer: Der Streik knüpft am baskischen Generalstreik vom 30. Januar 2020 an, der zur Unterstützung einer Bewegung ausgerufen worden war, die seit 2018 für würdige Renten kämpfte. An diesem Tag streikten erstmals Beschäftigte für jene Menschen, die gar nicht streiken können. Konkret: Die Arbeiter:innen für die Rentner:innen. Dieser Streik für bessere Renten wurde von der starken feministischen Bewegung unterstützt. Die Rentner:innen wollen nun nicht nachstehen und werben jeden Montag auf ihren Demonstrationen für einen «heissen Herbst» und für den Generalstreik.
Der Streik für würdige Renten, sowie die feministischen Streiktage am 8.März 2018 und 2019 haben gezeigt, dass Generalstreiks nicht mehr das sind, was sie einmal waren. Nach den politischen Streiks in der Franco-Diktatur legten die Beschäftigten ihre Arbeit nieder, meist für eigene Belange, wie etwa gegen die neoliberalen Arbeitsmarktreformen der spanischen Sozialdemokrat:innen oder den Rechten.
Viele Frauen arbeiten umsonst
Die feministische Bewegung hatte sich zum Ziel gesetzt, über den Streiktag am 8.März hinauszukommen. Das ist ihr jetzt gelungen. «Wir haben mit der Idee eines feministischen Generalstreiks die Gewerkschaften und soziale Organisationen durchdrungen», erklärt Naia Torrealdai Mandaluniz, Sprecherin von «Bizitzak Erdigunean» (Das Leben im Zentrum). Die Pflege steht im Zentrum der Forderungen. Aber es wird auch die Legalisierung aller Pflegekräfte gefordert, denn oft wird die häusliche Pflege von illegalisierten Einwandererinnen geleistet. Diese Frauen sind oft isoliert, vereinzelt und bisweilen mit extrem ausbeuterischen Bedingungen konfrontiert. Sie haben praktisch keine Streikmöglichkeit. Ihnen droht, solange sie über keine gültigen Papiere verfügen, zudem eine Abschiebung, wenn sie die miesen Arbeitsbedingungen anzeigen. Um an Papiere zu kommen, ist ein Nachweis über den Aufenthalt über Jahre nötig, wofür eine Anmeldung benötigt wird. Deshalb soll das Anmelde-Recht durchgesetzt werden. Von der Situation dieser Frauen profitiere das «heteropatriarchale und rassistische kapitalistische System», sagt Garbiñe Aranburu, die Vorsteherin der zweitgrössten baskischen Gewerkschaft LAB. Sie weist auch darauf hin, dass viele «Frauen umsonst arbeiten, und diejenigen, die gegen Bezahlung arbeiten, tun dies ebenfalls unter sehr prekären
Bedingungen.»
Es gibt keinen anderen Weg
Insgesamt ist es aber in Pflegeberufen schwierig, mit Durchschlagskraft in den Ausstand zu treten, da man Kranke, Alte, Behinderte und Kinder nicht einfach sich selbst überlassen kann. Das Streikrecht des Pflegepersonals wird über verordnete Minimaldienste gern ausgehebelt. So kann ein starker Druck nur über lange Arbeitskämpfe aufgebaut werden. ELA setzte im Frühjahr nach zwei Jahren Tarifkonflikt und 68 Streiktagen eine Lohnerhöhung von 23 Prozent in Pflegeheimen in der Provinz Biskaya durch, sowie die 35-Stunden-Woche.
Dazu kommt die unbezahlte Pflegearbeit in den Familien, die meist von Frauen geleistet wird. Jaime Iribarren Iriarte, Verantwortlicher für die soziale Aktion bei LAB in der Provinz Navarra, zeigt auf, wie verschiedene Problembereiche ineinandergreifen. Viele Frauen seien «mit der eiskalten Realität konfrontiert, nichts oder zu wenig in die Rentenkassen einbezahlt zu haben.» Daher «sind sie zu einer miserablen Rente verurteilt oder von der Rente ihres Partners abhängig», so Iriarte weiter. Er rechnet vor, dass sogar die beitragspflichtige Mindestrente nur bescheidene 743 Euro beträgt, wenn es gelang, 15 Jahre einzubezahlen. Von all denen, welche die geforderte Mindestrente von 1080 Euro nicht erhalten, sind 70 Prozent Frauen. Iriarte: «Am 30.November gibt es keinen anderen Weg: Alle müssen am feministischen Generalstreik teilnehmen.»