Es gibt nur zwei Geschlechter: Faschos und Antifas
Jeanne Krach. Nachdem Javier Milei, der Präsident Argentiniens, im Januar 2025 am WEF eine seiner Hassreden gegen Queers und Feministinnen hielt, formierte sich in Argentinien breiter Widerstand. Angestossen von LGBTTIQN+-Kollektiven und -Organisationen sagt die argentinische Gesellschaft damit «Nie wieder!» zu Faschismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit.
Im Januar 2025 am WEF in Davos hielt Javier Milei einmal mehr eine seiner Hassreden: er hetzte gegen Queers und Feministinnen. Als Antwort darauf riefen LGBTTIQN+-Kollektive und -Organisationen (Lesben, Gays, Bisexuelle, Travesti, Trans, Intersex, Genderqueer, Nonbinäre + alle weiteren sexuell abweichenden Identitäten) Ende Januar zu einer öffentlichen Versammlung im Park Lezame in Buenos Aires auf. Tausende folgten dem Aufruf, auch in 15 weiteren Städten. Die Asamblea LGBTTIQN+ Antifascista y Antiracista war geboren, die antifaschistische und antirassistische LGBTTIQN+ Versammlung.
Antifaschistische Prides
Als erste Aktion wurde am 1.Februar in Buenos Aires zu landesweiten antifaschistischen Pride Märschen, marcha de orgullo antifascista, aufgerufen. Daraus entstand innerhalb einer Woche eine massive Mobilisierung: Allein in der Hauptsadt demonstrierten über eine halbe Million Menschen gegen Rassismus und Faschismus. Insgesamt fanden über 130 Demonstrationen statt. In so kurzer Zeit so riesige Demos auf die Beine zu stellen zeugt von der starken Organisationskraft der feministischen und queeren Organisationen und Gruppen in Argentinien: Sie knüpfen an die Mobilisierungen und Erfahrungen von «Ni una Menos» gegen Feminizide und der «Marea Verde» für selbstbestimmte Schwangerschaft und Abtreibung an. Diesmal stehen die sexuellen Dissident*innen, die LGBTTIQN+ Community, in der ersten Reihe: Die Demos wurden von einem Trans- und Travesti-Block angeführt, gefolgt von den Sexarbeiter*innen und einem Block von BIPOC-Queers.
Die Organisierung von LGBTTIQN+ ist dringend notwendig, denn die Hetze von Milei bleibt nicht ohne Folgen: Hassverbrechen gegen queere Personen nehmen zu. Auf den brutalen Lesbizid in Barracas im letzten Jahr im Mai (ein Mann hatte zwei lesbische Paare in einem Hotel mit Benzin und Feuer angegriffen und ermordete so Andrea Amarante, Pamela Fabiana Cobbas und Mercedes Roxana Figueroa) folgte dieses Jahr ein Brandanschlag auf das Haus eines lesbischen Paares in Cañuelas und ein gewalttätiger Angriff auf offener Strasse auf ein lesbisches Paar in Recoleta, einem zentralen Quartier in der Hauptstadt. Die zwei jungen Frauen überlebten mit schweren Verletzungen.
Bevor die Regierung Milei an die Macht kam, hatte Argentinien eine der progressivsten Gesetzeslagen für trans Personen und Queers. Die Hassreden der Regierung schaffen heute den Raum für Taten, die das Leben von Frauen und Queers prekarisieren und gefährden, für drastische Kürzungen und die Beschneidung von Rechten, die Ergebnis jahrelanger sozialer Kämpfe waren. Davon betroffen sind unter anderem das Arbeitsgesetz für Trans und Travestis, das Gesetz für selbstbestimmte Geschlechteridentität, die Anerkennung von Feminizid im Strafgesetzbuch und die integrale Sexualerziehung in Schulen.
Breite Mobilisierung
Der Aufruf zur Antifaschistischen Pride wurde getragen von unzähligen feministischen und LGBTTIQN+-Organisationen und -Gruppen. Es schlossen sich Rent-ner*innen, Lehrer*innen, Nachbarschaftsgruppen, Menschenrechtsorganisationen – und, nach einigem Zögern (und wahrscheinlich vielen Kämpfen der Frauen und Queers innerhalb der Organisationen), auch grössere Gewerkschaften an. Für die Frauen und LGBTTIQN+ waren die Demonstrationen ein sehr wichtiger Moment von kollektiver Stärke auf der Strasse, der, so beschreiben es die Aktivist*innen, ihnen Mut und Kraft gab. Angesichts der aktuellen Lage in Argentinien ist das dringend notwendig: Das Leben von LGBTTIQN+s Personen ist in Gefahr. Der Appell der Bewegung an die Bevölkerung ist klar und deutlich: «Egal ob ihr versteht, mit welchem Geschlecht ihr uns anreden sollt, was zählt ist die Frage: Sind unsere Leben etwas wert? Wenn ja, schliesst euch unserem Kampf an und stellt euch gegen den Faschismus, er wird uns alle treffen». Auf den Transparenten an den Demos war diese deutliche Aufforderung zur Positionierung in folgenden Worten zu lesen: Existen solo dos géneros: fascistas y antifascistas – Es gibt nur zwei Geschlechter: Faschos und Antifas.