Absurder Entscheid korrigiert
sit. Der Ständerat lehnte die Motion ab, welche die Streichung der UNRWA-Gelder verlangte. Aber er überwies der Landesregierung eine andere Motion, welche eine Alternative zur UNRWA finden soll. Die Debatte im Ständerat fand wenige Stunden nach einem erneuten Massaker in Palästina statt.
In der Frühlingssession des Schweizer Parlaments war das Geschäft 24.3194 wohl jenes, das die Emotionen hochkochen liess und für ordentlich Zündstoff sorgte. Genau, die Motion «Sofortige Einstellung der Beiträge an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten» (UNRWA). Zehn Millionen Franken beträgt der Beitrag der Schweiz an die UNRWA, 0,19 Prozent von 5,2 Milliarden Franken, die für die Armee verpulvert werden. Die Motion wurde mit 25 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Nur die SVP stimmte geschlossen dafür, Linke und Grüne lehnten die Motion ab – die Ausnahme war SP-Ständerat Daniel Jositsch, der mit der SVP stimmte, was wohl niemand mehr so richtig ins Staunen versetzt.
Die Debatte im Ständerat fand am 18.März statt. Wenige Stunden zuvor hatte die israelische Luftwaffe den Gazastreifen bombardiert – ein weiteres Massaker an der Zivilbevölkerung mit 500 Todesopfern.
Der stramme Parteisoldat
Blicken wir kurz zurück. Eingereicht wurde die Motion im März 2024 vom SVP-Mann David Zuberbühler. Mit seinem Bruder Thomas ist er Inhaber der «Hälg Markenschuhe AG» und der «zubischuhe.ch AG» in Herisau. Auf der Webseite des 47-jährigen SVP-Nationalrats ist Spannendes über ihn zu erfahren: Als Jungpolitiker bekämpfte er im Herisauer Einwohnerrat das «neue Hundegesetz mit seinen vielen zusätzlichen Regeln und Vorschriften». Im Kantonsrat von Appenzell Ausserrhoden motzte er darüber, dass sein Heimatkanton nur über einen Sitz im Ständerat verfüge. Es sei daran erinnert, dass Appenzell Ausserrhoden gerade mal 56000 Einwohner:innen zählt, 0,62 Prozent der Schweizer Bevölkerung.
Zuberbühler ist ein strammer Parteisoldat: «Konsequent verfolge ich meine Linie auch im Nationalrat», versichert er auf seiner Website. Und zwar eine Politik, welche «die Grundlagen unseres Heimatlandes wie Neutralität, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit und Freiheit mit Herzblut verteidigt».
Seine konsequente Linie für das Heimatland führt ihn dazu, im Parlament die Streichung der UNRWA-Gelder zu verlangen. Zuberbühler begründete seinen Antrag unter anderem damit, dass laut der israelischen Organisation IMPACT-se «14 Lehrer des Hilfswerks das grausame Hamas-Massaker vom 7.Oktober 2023 bejubelt» hätten. Und zwölf Mitarbeiter hätten sich «aktiv am Massaker beteiligt». Es sei an dieser Stelle nicht verschwiegen, dass die UNO in diesem Zusammenhang neun Mitglieder der UNRWA-Behörde wegen einer möglichen Verwicklung entlassen hat; 0,09 Prozent der 13000 Mitarbeiter:innen, die das UN-Hilfswerk vor Ort in Gaza im Einsatz hat. Aber für Zuberbühler ist klar: «Die UNRWA ist infiltriert von Hamas-Sympathisanten.» An deren Schulen werde die «nächste Generation von Terroristen und deren Unterstützern» ausgebildet. Und als guter Eidgenosse fordert er: «Die Schweiz darf Terrorismus und Antisemitismus nicht länger – und sei es auch nur indirekt – unterstützen.»
Drastische Folgen
Die zuständige Aussenpolitische Kommission des Nationalrats beriet die Motion im Juli 2024 und beantragte mit 14 zu 11 Stimmen die Ablehnung der Motion. Sie folgte somit dem Bundesrat. Im September 2024 befasste sich der Nationalrat mit Zuberbühlers Motion. Für die Mehrheit der Aussenpolitischen Kommission sprach Corina Gredig (GLP, ZH). Die Kommission sei überzeugt, sagte sie, dass «ein sofortiger Finanzierungsstopp der UNRWA angesichts der fehlenden valablen Alternativen für die Ausrichtung von humanitärer Nothilfe in Gaza und mangels einer politischen Friedenslösung drastische Folgen haben könnte». Die Region könne sich weiter destabilisieren, und Geflüchtete müssten in andere Regionen ausweichen. «Laut Schätzungen sind ungefähr 1,7 Millionen Menschen innerhalb des Gazastreifens auf der Flucht», erklärte Gredig. Sie fand bei der Mehrheit des Nationalrats jedoch kein Gehör: Er nahm die Motion.
Immerhin korrigierte der Ständerat den absurden Entscheid des Nationalrats – und die Motion von Zuberbühler kann fachgerecht im Abfalleimer entsorgt werden – also dorthin, wo sie hingehört.
Doch auch wenn die Motion gescheitert ist, bleibt die Lage angespannt. Der Ständerat überwies dem Bundesrat eine andere Motion, in der dieser eine Nachfolgelösung für die UNRWA suchen soll. Die Entscheidung ist somit nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben.
Sofortige Auszahlung verlangt
Das «Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina» begrüsst in seiner Stellungnahme die Ablehnung der Motion durch den Ständerat. Der Entscheid sei «folgerichtig angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen und der Schlüsselrolle der UNRWA bei der Unterstützung der Not leidenden Zivilbevölkerung».
Das Forum ist ein Zusammenschluss von zwölf Nichtregierungsorganisationen (NGO) in der Schweiz, die sich für einen menschenrechtsbasierten Ansatz im Nahostkonflikt einsetzen. Es fordert nun, dass der UNRWA so schnell wie möglich «ein substantieller finanzieller
Beitrag zukommen kann». Weiter sollen die im Jahr
2024 zurückgehaltenen Gelder «unverzüglich ausgezahlt werden». Alles andere wäre unmenschlich!