Verzögerer und Verschlepper
flo. Trotz klarer Rechtsgutachten versuchen die Interessenverbände der Kapitalist:innen, die Einführung von regionalen und kommunalen Mindestlöhnen zu verhindern. Für sie ist es ein Eingriff in die Freiheit der Wirtschaft. Das Winterthurer Verwaltungsgericht spricht hingegen von einer sozialpolitischen Massnahme.
Es war überraschend für uns, für sie war es ein Schock, als letztes Jahr in Winterthur und Zürich am selben Tag die Stimmbevölkerung klar Ja sagte zu Löhnen, die zum Leben reichen müssen. Und so wussten die Arbeitgeberverbände und Handelskammern im ersten Moment nicht wirklich, was zu tun war: Es war deutlich, dass es für die Bourgeoisie eine ungewohnte, massive Niederlage war. Die Schweizer Bourgeoisie ist das Verlieren nicht gewohnt. Also musste man schnell Anpassungen vornehmen, um sicherzustellen, dass die ganze Nummer nicht ganz so schlecht aussieht.
Unterliegende Kapitalisten
Die Antwort auf diese Situation? Klagen gegen den Volksentscheid zur Einführung eines Mindestlohns von 23 Franken. Vier Bourgeois fanden, dass ein Rekurs gut passen würde. Es wurde behauptet, dass die Abstimmungen zum Mindestlohn übergeordnetes Recht verletzen würden. Es ist absolut klar: Bei diesen Klagen geht es in keinster Weise um Demokratie – es geht darum, Leute, die durch die Ausbeutung anderer Menschen ohnehin schon viel zu reich sind, davor zu schützen, sich an der Finanzierung unserer Gesellschaft beteiligen zu müssen. Die heftige Antwort der Kapitalseite zeigt auch: Das Forcieren lokaler Initiativen zur Schaffung städtischer Mindestlöhne bleibt dennoch eine richtige und verfolgenswerte Strategie.
Die Verbote wurden ganz rasch von Kapitalverbänden juristisch angefochten. Sowohl in Winterthur als auch in Zürich folgten Klagen von bourgeoisen Einzelpersonen und ihren Verbänden. Es wurde argumentiert, die Initiative würde Wirtschafts- und Eigentumsfreiheit verletzen. Im Februar wurde die entsprechende Klage abgewiesen. Laut dem Winterthurer Verwaltungsgericht sei die Einführung einer Mindestlohnregelung eine sozialpolitische Massnahme und unterliege somit dem Verdikt des Gesetzgebers (in einer direkten Demokratie also des Volkes).
Dabei hatten die Vertreter:innen des Kapitals vor Gericht argumentiert, dass ein Mindestlohn von 23 Franken weit über dem von der Stadt Winterthur errechneten Existenzminimum von 21,60 Franken liege. Darum könne ein solcher Mindestlohn nicht als sozialpolitische Massnahme angesehen werden. Der Rat des Bezirks Winterthur beschloss jedoch, dass der entsprechende Lohn lediglich «nahe» an diesem Wert liegen müsse. Mit 23 Franken sei das Initiativkomitee darum nahe genug am staatlich berechneten Existenzminimum gelegen. Die Stadt beschloss allerdings, dass sich der Betrag, über den abgestimmt wurde, im Rahmen der Grundlagen der Sozialversicherung im Kanton Zürich bewegen müsse. Ein weiteres Argument der Bourgeoisie in Winterthur war, dass es keine Kontrollinstanz dafür gebe.
Sie wollen Zeit schinden
Der Sieg vor dem Winterthurer Verwaltungsgericht macht klar, dass der Kampf für kantonale Mindestlohninitiativen zumindest in jenen urbanen Zentren, in denen die Teuerung am stärksten durchschlägt, eine effektive und realistische Option ist, um die Lebensbedingungen unserer Klassenbrüder- und -schwestern zu verbessern. Was Bourgeoisie und Kapitalist:innen mit ihren juristischen Manövern versuchen, ist deutlich: Sie wollen Zeit schinden, bis ein kommunaler Mindestlohn eingeführt werden muss. Es geht darum, dass Ausbeuter:innen und Abzocker:innen noch ein oder zwei Monate Schonfrist auf juristischem Wege bekommen. Aber nach dem Volksentscheid für höhere Löhne werden die Steigbügelhalter:innen der Kapitalist:innen und Wirtschaftsverbände kommunale Mindestlöhne letztlich nicht verhindern können. Und das Argument des «Giesskannenprinzips» fällt spätestens bei der kommunalen Umsetzung von Mindestlöhnen weg.
Eine breite Front ist nötig
Für uns Kommunist:innen bedeutet das, dass wir in allen Städten und Regionen, wo wir die entsprechende Stärke haben und die entsprechende Teuerungsentwicklung besteht, für bessere Löhne kämpfen müssen. Dass wir nun auf breiter Front für die Erhöhung kommunaler und kantonaler Mindestlöhne kämpfen, muss Teil einer breiten Anti-Teuerungsbewegung sein. Diese Bewegung muss in den kommenden Monaten auch auf ländliche Regionen ausgeweitet und verallgemeinert werden – sie kann Teil eines grösseren Engagements sein, das sich gegen die Aushungerung der Arbeiter:innenklasse durch den bourgeoisen Klassenstaat richtet.