Solidarität mittels Briefkasten

Redaktion. Die Arbeiter:innen der Presto AG verlangen mehr Lohn. Diese Forderung der Zeitungszusteller:innen ist richtig und mutig. Um den ungleichen Kampf positiv zu beeinflussen, braucht es die Hilfe ganzer Strassenzüge – und darum von dir persönlich.

Wenn sich die Presto-Arbeiter:innen zum Kampf entscheiden, so erscheint diese Auseinandersetzung als ein schwieriges Unterfangen. Auf der einen Seite stehen vereinzelt arbeitende Frühzusteller:innen, die bei Wind und Wetter die Tageszeitungen austragen. Manche von ihnen stellen den Wecker auf 2.30 Uhr. Dann bringen sie den Blick, den Bund, die NZZ oder das Tagblatt pünktlich ins Haus.
Meistens arbeiten sie täglich nur sehr kurze Zeit und verdienen damit ein Zubrot von aktuell 19 Franken pro Stunde. Sie werden gepiesackt durch vereiste Treppenstufen und von Zeitungsdieben. Fehlen zwei Tages-Anzeiger, folgt ein Donnerwetter der Vorgesetzten. Bezahlt werden nicht einmal die effektiv geleisteten Arbeitsstunden. Jede Zustelltour hat eine berechnete Arbeitszeit, wobei der vergütete Sekundenwert je nach Zeitung variiert. Die meisten Zusteller:innen wissen, dass die Frühzustellung keine grosse Zukunft hat. Zwar haben wir alle einen Briefkasten, doch die wenigsten erhalten noch eine papierene Tageszeitung. Das Wissen um die Endlichkeit der eigenen Arbeit prägt Bewusstsein und Kampfgeist. 21 Franken Lohn pro Stunde wären nicht zu viel verlangt, solange es die Presto AG noch gibt.

Die Presto AG gehört der Post
Auf der anderen Seite steht niemand anders als der «Gelbe Riese». Der Schweizerischen Post gehört die Presto AG, doch im Verwaltungsrat sitzen auch noch alle grossen Verlage der Schweiz. Letztere wollen eine Frühzustellung, die ihnen billig kommt. Schon in den Neunzigerjahren begann die Post mit Beteiligungen bei der Frühzustellung. 2009 wurde sie zum Branchenprimus durch den Beschluss der NZZ-Gruppe und der Tamedia, ihre wenig rentablen Zustellunternehmen zusammenzulegen und an die Post zu verkaufen. Zusätzlich schluckte die Post die regionalen Verteilorganisationen ZUVO und BEVO und vereinte alles unter dem Dach der Presto. Es liegt also auf der Hand, dass sich alle Parteien die Verantwortung gegenseitig zuschieben, warum höhere Löhne unpässlich wären. Doch die Konstellation hat es in sich. Während von den Medien kaum ein gutes Wort über einen allfälligen Streik zu hören sein würde, fürchtet die Schweizerische Post um den guten Ruf. Denn sie bemüht sich um ein bevölkerungsnahes Image.
Hinter den Kulissen der Post sieht es anders aus. Der defizitären Tochtergesellschaft Direct Mail Company wurde kürzlich der Todesstoss gegeben, womit mehrere Tausend Werbe-Zusteller:innen ihren Job verloren. Ähnliche Pläne verfolgte die Post mit den vor der Insolvenz stehenden Firmen Quickmail und Quickpac. Die Wettbewerbskommission (WEKO) legte dazu jüngst ihr Veto ein und verbot die geplante Übernahme. Auf dem umkämpften Markt präsentiert sich die Post als knallharter, profitorientierter Konzern.

Den Kampf ausweiten
Ende 2023 ist der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Presto AG ausgelaufen – anfangs Jahr wurde er nochmals um drei Monate verlängert. Mit der Eröffnung der Streikkasse und der Erfahrung des Arbeitskampfes aus dem Jahre 2009 ist ein hoher Grad an Selbstorganisierung und Bewusstsein in Teilen der Belegschaft vorhanden. Der Kampf ist aus erwähnten Gründen ungleich. Wir haben uns mit anderen Kräften im Komitee «Solidarität mit dem Kampf bei Presto» zusammengeschlossen.
Jetzt geht es darum, die Forderung bekannt zu machen und den Kampf auszuweiten. Dafür können wir in dieser taktischen Phase das Quartier involvieren. Es gibt Aufkleber (mit dazugehörender Erklärung), die am Briefkasten geklebt werden und Solidarität mit den Kämpfenden zum Ausdruck bringen. Diese Aufkleber sollen in so viele Briefkästen wie möglich gelangen, so dass sich die Nachbarschaft flächendeckend informiert wird und sich mit dem Kampf solidarisieren kann. Nun sind viele helfende Hände erforderlich, um ganze Strassenzüge mit Aufkleber zu versorgen. Die Presto AG, die Post und die Verlage der Schweiz werden so zum Gesprächsthema bei Nachbar:innen und Zustellenden – so wird Klassensolidarität leb- und erfahrbar.

Aufkleber bestellen: Gib deine Postadresse und gewünschte Anzahl Aufkleber bekannt: solikomitee@gmx.ch
Quelle und Erstveröffentlichung: aufbau-Zeitung Nr.116, März/April 2024

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