Parteiprogramm und Revolution

Tarek Idri. Auf dem nächsten Parteitag der Partei der Arbeit der Schweiz soll eine Resolution verabschiedet werden, die als Grundlage eines neuen Parteiprogramms dienen wird. Aber was ist überhaupt ein Parteiprogramm?

In den nationalen Instanzen der PdA ist gegenwärtig die Vorbereitung auf den nächsten Parteitag ein zentrales Thema. Der 25.Parteitag der PdA Schweiz wird am 8. und 9. November in Basel stattfinden. Als Hauptaufgabe des Parteitags wurde festgelegt, eine «allgemeine politische Resolution» zu verabschieden. Diese Resolution soll ein erster Schritt hin zu einem neuen Parteiprogramm der PdA sein und wird quasi als Gerüst dafür dienen. Der letzte Versuch, ein allgemein gültiges politisches Programm für die Partei zu erstellen, scheiterte um das Jahr 2010, weil die Parteibasis nicht genügend in den Prozess miteinbezogen wurde. Diesmal wird versucht, die Sektionen stärker zu involvieren und das Programm als Ergebnis einer kollektiven, mehrstufigen Arbeit zu entwickeln.
Ein erster Entwurf dieser programmatischen Resolution wurde vom PdAS-Präsidenten Alexander Eniline mit Unterstützung der Parteileitung verfasst. Als Basis dienen frühere Parteiprogramme, die letzten Wahlpro-gramme sowie wichtige Resolutionen der PdAS. Es wurden auch Debattenkonferenzen und Diskussionen durchgeführt, welche in den Inhalt des Programms einfliessen werden. Mitte März fand eine erste Konsultation der Sektionen über den Resolutionsentwurf statt, in der die wichtigsten inhaltlichen Änderungen diskutiert wurden. Geplant ist eine weitere Konsultation im Mai
sowie eine Diskussion des ZK im Juni. Das ZK hat die
Aufgabe, die finale Version des Entwurfs zu verabschieden und sie dem Parteitag im November vorzulegen.

Die Aufgabe der Sozialist:innen
An der Konsultation im März ist jedoch deutlich geworden, dass den Parteimitgliedern oftmals nicht klar ist, was der Zweck der Resolution und im Endeffekt der Zweck eines Parteiprogramms ist. Es ist deshalb wichtig, dass wir in der Partei Klarheit über solche zentralen
Fragen der Parteiarbeit schaffen.
An den letzten Parteitagen wurden jeweils nationale Wahlprogramme diskutiert und verabschiedet, so zum Beispiel das Wahlprogramm von 2023 mit dem Titel «Die Welt braucht einen radikalen Wandel». Diese Wahlprogramme werden in erster Linie für die Nationalratswahlen erstellt. Sie enthalten die Forderungen der Partei auf nationaler Ebene, sie sind im Kern eine Auflistung der politischen Forderungen, enthalten aber auch eine Selbstdarstellung der Partei. Die PdA-Sektionen sind jeweils aufgefordert, ihr Wahlmaterial auf der Grundlage dieses Dokuments zu produzieren. Seit längerer Zeit nahmen die Wahlprogramme provisorisch den Platz eines echten Parteiprogramms ein. Das ist keine ideale Situation. Wahlprogramm und Parteiprogramm müssen klar voneinander unterschieden werden. Wahlprogramme sind reine Minimalprogramme, sie geben vor allem die Forderungen zu tagesaktuellen Fragen vor, die in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung umgesetzt werden können.
Das Wahlprogramm von 2023 schlägt zum Beispiel ganz konkret einen Mindestlohn von 4500 Franken pro Monat vor. Es handelt sich im Grunde 4einfach um
Reform-Forderungen. Als Marxist:innen muss uns der Unterschied zwischen Reform und Revolution vollständig bewusst sein. Reformen, kleinere oder grössere
Verbesserungen der Lage der Arbeiter:innen und anderer unterdrückten Gruppen gehören zu unserer täglichen politischen Arbeit dazu. Der Kampf um Reformen kann und sollte ein Mittel (unter mehreren) sein in unserem allgemeinen Kampf für die Überwindung des Kapitalismus. Reformen dürfen aber auf keinen Fall als Selbstzweck begriffen werden; sie müssen Teil der übergeordneten revolutionären Strategie der Partei sein. Im Kapitalismus kann jede beliebige Reform, jeder Fortschritt rückgängig gemacht werden; das dürfen wir nicht vergessen. Reformen allein werden nie die Revolution bringen, der sozialdemokratische Reformismus hat in seiner ganzen langen, oft fragwürdigen Geschichte nie zum Sozialismus geführt, nie wirklich an den Grundfesten des Kapitalismus gerüttelt.
Verbesserungen der Lage der Arbeiter:innen wie höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen oder das Streikrecht bedeuten im Grunde nur verbesserte Bedingungen für den Verkauf der Ware Arbeitskraft. Das lehrt uns der Marxismus (siehe «Was tun?» von Lenin). Dieser ökonomische Kampf um bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne etc. ist an sich noch kein kommunistischer Kampf. Erst wenn der ökonomische Kampf für den revolutionären Kampf ausgenutzt wird, ein fester Bestandteil davon ist, handelt es sich um mehr als um blossen Reformismus. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Kampf um Reformen «die sozialistische Bewegung fördert und die Erfolge der revolutionären Arbeiterpartei mehrt. Die Aufgabe eines Sozialisten ist es, die unauflösbare Verschmelzung des ökonomischen und des politischen Kampfes zum einheitlichen Klassenkampf der sozialistischen Arbeitermassen zu fördern», schreibt Lenin (Lenin-Werke Band 4, S. 287/288).

Reform oder Revolution?
Das Parteiprogramm auf der anderen Seite enthält keine spezifischen tagesaktuellen Forderungen und Analysen der momentanen Tagespolitik. Es muss gültig bleiben für eine längere Periode in unserem Kampf. Darum müssen darin die Grundsätze der kommunistischen Politik sowie unsere allgemeine Strategie festgelegt werden, es beinhaltet das Maximalprogramm der Partei. Der erste Entwurf der allgemeinen politischen Resolution hat einige solche Stellen enthalten, welche die aktuelle Tagespolitik betreffen. Beispielsweise wurde Viola Amherd als Bundesrätin genannt, obwohl sie bei Veröffentlichung der Resolution längst nicht mehr Bundesrätin sein wird. Diese Fehler wurden im März an der ersten Konsultation korrigiert. Im Grossen und Ganzen kann man aber klar sagen, dass die Resolution ihre Aufgabe als vorbereitendes Dokument für das Parteiprogramm erfüllt.
Die Resolution orientiert sich in ihrer Struktur am Parteiprogramm der PdA von 1959 und gliedert sich grob in vier Teile: Sie beginnt mit einem Kapitel über die Analyse der globalen Situation und je einem über die innenpolitische Situation in der Schweiz sowie über ihre Aussenpolitik. Darauf folgen in zwei kleineren Kapiteln das grundlegende, allgemein gefasste Minimalprogramm der Partei in Bezug auf die Innen- und auf die Aussenpolitik. Die letzten zwei Teile der Resolution sind der revolutionären Strategie sowie dem Maximalprogramm gewidmet. Zunächst wird in einem Kapitel die Partei, ihre Rolle, ihr Charakter als Klassenpartei, ihre ideologischen Grundlagen definiert, dann wird im nächsten Kapitel die revolutionäre Strategie skizziert, die uns zum Sozialismus bringen wird. Die letzten beiden Kapitel beschreiben den Sozialismus als Übergangsgesellschaft hin zum Kommunismus, unserem Endziel. Die zentrale Aufgabenstellung der Partei wird in der zweiten Hälfte der Resolution klar definiert: Umsturz der Herrschaft der Bourgeoisie, Eroberung der politischen Macht und Aufbau des Sozialismus (in Paragraf §48). Das ist kein Teil eines Minimalprogramms, das sind keine blossen Reform-Forderungen – das sind die konkreten Ziele, auf die wir als Gesamtbewegung mit unserer politischen Arbeit ansteuern müssen. Dadurch unterscheiden sich die Resolution und das zukünftige Parteiprogramm klar von Wahlprogrammen oder sonstigen Forderungskatalogen. Es enthält nicht Positionierungen zu dieser oder jener Detailfrage, sondern beantwortet die grossen Fragen unserer Bewegung. Im Kern muss das Parteiprogramm die Richtung vorgeben, in die wir als Gesamtpartei gehen wollen und müssen, wenn wir den Anspruch einer antikapitalistischen, revolutionären Partei ernst nehmen.

Share

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..