Kanonen statt Butter?
Ueli Schlegel. Die Schweiz nähert sich mit grossen Schritten der Nato an. Ist die Nato ein Bollwerk der Demokratie oder eine imperialistische Kriegstreiberin? Unter anderem wird am 8.Juni in Zürich auch diese Frage diskutiert werden.
Die Nato (North Atlantic Treaty Organization, deutsch nordatlantisches Verteidigungsbündnis) wurde 1949, vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, von den USA in London gegründet. Gründungsmitglieder waren ausser den USA auch Kanada und einige west- und südeuropäische Staaten. Ziel des Bündnisses war, wie der erste Sekretär, der Brite Hastings Lionel Ismay (Baron Ismay) sagte, «die Russen aussen, die Amerikaner innen und die Deutschen unten zu halten». Ismay war am Plan «Operation Unthinkable» (undenkbare Operation) beteiligt, dem grossen Angriffsplan gegen die Sowjetunion. Erst sechs Jahre nach der Gründung der Nato schlossen sich die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten Osteuropas zum «Warschauer Vertrag» zusammen, nachdem die von der Sowjetunion vorgeschlagene Wiedervereinigung und Neutralität Deutschlands am Widerstand der Nato gescheitert war.
Erweiterung, Aufrüstung und Kriege
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erweiterte sich die Nato entgegen den mündlichen Versprechungen, die verschiedene westliche Staatschefs dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow gemacht hatten, dauernd weiter in Richtung der russischen Grenze, indem sie immer mehr osteuropäische Länder aufnahm. Zeitgleich griffen die USA, oft unter Mithilfe verschiedener Nato-Staaten, immer wieder andere Staaten an, die sich nicht dem Diktat der USA unterordnen wollten. Opfer waren vorerst afrikanische und asiatische Länder, dann aber auch 1999 das blockfreie Jugoslawien. Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wurde so ein europäisches Land von der Nato angegriffen. Die Truppen der Nato töteten mehrere tausend Menschen, unter ihnen zahlreiche Zivilist:innen, testeten die neusten Waffen der kapitalistischen Rüstungskonzerne und setzten Streubomben und Atomwaffen ein, sprich Geschosse mit sogenanntem «abgereicherten Uran». Das war die eigentliche Zeitenwende – nicht das Jahr 2022, das vom deutschen Bundeskanzler Scholz als Zeitenwende proklamiert wurde.
Die Nato ist die am stärksten aufgerüstete Staatengruppe. Der jährlich erscheinende Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes (SIPRI) zeigt, dass die Militärausgaben der westlichen Staaten und ihrer Verbündeten zwei Drittel der weltweiten Rüstungsausgaben ausmachen und weiter steigen – obschon die Bevölkerung dieser Staaten im Vergleich zur gesamten Weltbevölkerung sehr klein ist. Gewinner der Aufrüstung sind wie immer die kapitalistischen Rüstungskonzerne, Verliererin ist die arbeitende Bevölkerung. Das Geld für die Armee und die Waffenbeschaffung wird den Sozialversicherungen, dem Gesundheitswesen, der Bildung und dem Kampf gegen die Klimaerwärmung und die Umweltzerstörung weggenommen. Wieder einmal gilt: «Kanonen statt Butter», (Goebbels und Hess 1936 in Deutschland).
Partnerschaft für den Frieden?
Seit 1994 existiert die zynisch so bezeichnete «Nato-Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace, PfP). Die Schweiz ist Mitglied der PfP und unterhält zu diesem Zweck ein Verbindungsbüro am heutigen Hauptsitz der Nato in Brüssel. Seit 1997 ist die Schweiz auch Teilnehmerin im «Euro-atlantischen Partnerschaftsrat» und hat sich damit nachrichtendienstlich den USA ausgeliefert. Mit diesen Mitgliedschaften verletzt die Schweiz erstens ihre in der Verfassung vorgeschriebene Neutralität und setzt sich zweitens der Dominanz der US-Waffenfabrikanten aus – verbunden mit einer weitgehenden Abhängigkeit zum Beispiel im Bereich der elektronischen Kriegsführung. Deutlich zeigt sich dies bei der laufenden Beschaffung der teuren F-35-Kriegsflugzeuge des Rüstungskonzerns Lockheed Marin, die bezüglich Wartung, elektronischer Ausrüstung und Software komplett von den US-Konzernen und der Regierung der USA als Exportbewilligungsinstanz abhängig sind. Zahlreiche Nato-Mitgliedstaaten in Europa beschaffen die gleichen Kampfflugzeuge, so dass die Schweiz im Falle eines Konfliktes mit einem Nato-Land absolut hilflos dastehen würde. Abgesehen davon ist der Einsatz dieser Kriegsflugzeuge in der flächenmässig kleinen Schweiz ohnehin schwierig. Deshalb stellt sich im Zusammenhang mit dieser typisch kapitalistischen, gesamtgesellschaftlich jedoch nutzlosen Beschaffung und den mit ihr verbundenen Gegengeschäften eher die Frage: Welche Politiker:innen und Parteien wurden wie von den Konzernen finanziert?
Das «Netzwerk antiimperialistische Solidarität»
Gegen diese Unterordnung unter den US-amerikanischen Imperialismus und gegen die Aufrüstung im Kapitalismus setzt sich das «Netzwerk antiimperialistische Solidarität» zur Wehr, in dem neben anderen antimilitaristischen und antikapitalistischen Organisationen auch die Partei der Arbeit (PdA) und die Schweizerische Friedensbewegung (SFB) Teil sind. Das Netzwerk wird am 8. Juni eine Veranstaltung durchführen unter dem Titel «Warum wir uns in der Schweiz gegen die Nato wehren».
Samstag, 8.Juni, 18.15 Uhr, Volkshaus Zürich (grüner Saal), mit Natalie Benelli (Kuba-Solidarität, Alba Suiza, Projekt Neue Presse, Zeitschrift der Neue Norden) und Videobeiträge von Arnold Schölzel (Chefredaktor Rotfuchs, Redaktor Junge Welt), sowie Pascal Lottaz (Neutralitätsforscher)