Kahlschlag!

sit. General Electric baute in den letzten fünf Jahren mehr als 3000 Jobs im Kanton Aargau ab. Garantien für den Erhalt der beiden Werke in Birr und Oberentfelden gibt es keine. Der Fall zeigt, dass sich die Linke in der Schweiz Grundsatzfragen stellen muss.

«Dank dem grossen Einsatz der Beschäftigten und der Personalvertretung können rund 140 Stellen erhalten werden», ist in der gemeinsamen Medienmitteilung der Gewerkschaften Unia und Syna, dem Verband der Angestellten und der Personalvertretung von General Electric (GE) zu lesen. Sie beziehen sich dabei auf zwei Konsultationsverfahren bei GE im Kanton Aargau, die Anfang Februar abgeschlossen wurden. «Die Personalvertretung und die Gewerkschaft haben verschiedene Belegschaftsversammlungen während der Arbeitszeit durchgeführt», erklärt Manuel Wyss, stellvertretender Sektorleiter Industrie der Gewerkschaft Unia auf Anfrage des vorwärts.
Er erinnert weiter daran, dass am 15.Oktober 2020 im Anschluss an eine Versammlung und «ebenfalls während der Arbeitszeit eine Protestaktion mit 300 Kolleg*innen vor dem Werk in Oberentfelden durchgeführt» wurde. Und Kollege Wyss unterstreicht: «In seiner Rede an dieser Protestaktion sprach der Präsident der Personalvertretung eine Streikdrohung aus. Ohne all dies wäre die Rettung von 119 Arbeitsplätzen kaum möglich gewesen.»

Keine Garantie für die Zukunft
Es ist verständlich und nachvollziehbar, dass in der Mitteilung der Gewerkschaften das Positive in den Vordergrund gerückt wird. Doch leider überwiegt das Negative. Und so ist die bittere Realität in der Stellungnahme der Aargauer Kantonsregierung vom 8.Februar zu lesen. «Der Regierungsrat bedauert den Abbau von insgesamt 429 Stellen bei General Electric in Oberentfelden und in Baden.» Dieser Stellenabbau sei «ein herber Verlust und ein erneuter Rückschlag für den Wirtschaftsstandort Aargau». Der vorwärts fragte nach, was die Regierung konkret getan und ob sie GE Vorschläge unterbreitet habe. «Mit Vertretern von GE wurde geprüft, ob gewisse Rahmenbedingungen oder Standorteigenschaften verbessert werden können. Aus gesetzlichen Gründen kann der Staat keine konkrete Unterstützungsleistungen z.B. in Form von Geld erbringen», beantwortet der Kommunikationsdienst des Departements die Anfrage. Gefragt nach möglichen Verpflichtungen von GE für die Zukunft, lautet die Antwort: «Grundsätzlich gibt es keine Garantien dafür. Doch die Aargauer Regierung tauscht sich regelmässig mit den Verantwortlichen von GE aus.»

In wessen Verantwortung?
Sauer auf GE ist auch die SP des Kantons Aargau. Es sei jetzt «die Verantwortung von GE, diese Menschen in der Übergangsphase zu einer neuen Anstellung mit einem Sozialplan und weiteren Abfederungsmassnahmen zu unterstützen», schreibt die Partei in ihrer Stellungnahme. In der Verantwortung eines Konzerns, der in den letzten Jahren mehrmals bewiesen hat, dass er sich darum foutiert? «GE kann die Verantwortung nicht einfach abschieben. Schliesslich hat GE jahrelang vom Know-how der Mitarbeitenden profitiert», sagt Gabriela Suter, Präsidentin der SP Aargau und Nationalrätin auf Anfrage dieser Zeitung. Natürlich hat sie recht, doch die bisherige Geschichte hat das Gegenteil bewiesen.
Suter fügt hinzu: «Die Politik darf dem unverantwortlichen Handeln nicht einfach zuschauen und in Kauf nehmen, dass Hunderte Jobs ins Ausland abwandern.» Sie verweist auf eine Standesinitiative ihrer Partei, die den Bund aufforderte, «die gesetzgeberischen Möglichkeiten für Einflussmöglichkeiten bei Übernahmen und Verkäufen von arbeitsmarktlich bedeutsamen Unternehmen zu prüfen.» Dies mit dem Ziel, möglichst «viele Arbeitsplätze, insbesondere auch im industriellen Sektor, in der Schweiz zu erhalten». Der Vorstoss wurde vom bürgerlich-konservativ dominierten Aargauer Parla-ment abgelehnt.

In Boston entschieden
GE ist einer der grössten Mischkonzerne des gesamten Globus. Der Stammsitz befindet sich in Boston, Massachusetts. Mit einem Umsatz von 123,7 Milliarden US-Dollar, bei einem Gewinn von 8,8 Milliarden, stand GE laut den Forbes Global im Jahr 2017 auf Platz 14 der weltgrössten Unternehmen. Im Herbst 2015 kaufte GE die Energiesparte von der französischen Alstom für satte zehn Milliarden Dollar und übernahm die 5300 Arbeitsplätze hierzulande. Seit dem wurden über 3300 Arbeitsplätze vernichtet. Entschieden wurde dies in Boston, wie Kollege Wyss der Unia bestätigt. «Die Pläne wurden einzig und allein auf eine blinde Profitlogik ausgerichtet. Um die Kahlschläge durchzusetzen, setzte GE oft auf Manager*innen, die weder die genauen industriellen Zusammenhänge, noch die örtlichen Gegebenheiten kannten.» Er fügt hinzu: «Umso mehr eine absurde Situation, weil diese Manager*innen in den Verhandlungen oft selber nicht über die notwendige Entscheidungsmacht verfügten.» Appelle für den Erhalt des Wirtschaftsstandorts Aargau nützen da wenig.

Wie weiter?
Die lokalen industriellen Zusammenhänge und die örtlichen Gegebenheiten sind zwei wesentliche Grundpfeiler der Sozialpartnerschaft. Fallen diese weg, wie im Falle von GE, muss der Sinn und Zweck der Sozialpartnerschaft zumindest für den konkreten Fall hinterfragt werden. Dies könnte eine der Lehren sein, die aus den GE-Kahlschlägen der letzten Jahre gezogen werden kann. Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt für die nötigen Auseinandersetzungen bei der Frage «Wie weiter?» liefert die SP in ihrem offenen Brief an GE mit dem Titel «Wir sind wütend!». Darin zu lesen: «Distanzieren Sie sich von einem Entscheid, der aus unserer Sicht nur aus unternehmenspolitischen und nicht aus ökonomischen Gründen gefällt wurde – damit sollen dort Stellen abgebaut werden, wo mit der geringsten politischen und gewerkschaftlichen Gegenwehr zu rechnen ist.» Diese Tatsache, welche die SP offen und ehrlich anspricht, muss die gesamte Linke in der Schweiz zum Nachdenken anregen. Und sie muss sich dabei Grundsatzfragen stellen.

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