In Gedenken an HP Gansner

sit. Mitte Mai erreichte uns die traurige Nachricht des Tods von Hans Peter Gansner. Während Jahrzehnte bereicherte er mit seinen Kulturbeiträgen diese Zeitung. Mit Gansner verlässt uns ein linker Kulturschaffender, der durch die Breite seines Schaffens beeindruckt hat. Ein Nachruf.

«Hi HPG-Mann». So begannen viele meiner Emails an Hans Peter Gansner. Persönlich haben wir uns nur ein paar wenige Male getroffen. Jedoch standen wir in den letzten 20 Jahren regelmässig in Kontakt. So entwickelte sich eine Art Brieffreundschaft, wie man es noch vor dem Zeitalter der Emails nannte. Gansner bereicherte über viele Jahre hinweg mit seinen Beiträgen diese Zeitung. Durch ihn, sprich durch seine Texte, erfuhr ich über die Werke von Schweizer Künstler*innen, von denen ich sonst wohl kaum je was gelesen hätte. Es war ihm ein wichtiges Anliegen, über schweizerische Kulturschaffende zu berichten, die nicht im Mainstream mitschwimmen. Wohl auch deswegen, weil er dort selbst nie mitschwamm. Dies wäre ihm schlicht zu banal gewesen.

Ohne Rücksicht auf Verluste
Geboren am 20.März 1953 in Chur, blieb er seinem Heimatkanton Graubünden immer verbunden, auch wenn er nicht mehr dort lebte. Er tat dies mit Werken über Jürg Jenatsch und Johann Gaudenz von Salis-Seewis. Und mit «Am Saum der Zeit oder Bebels Tod» widmete Gansner den in Bad Passugg verstorbenen deutschen «Arbeiterkaiser», wie August Bebel genannt wurde, ein Theaterstück. Im Artikel, den er für diese Zeitung dazu schrieb, hält Gansner fest: «Einige könnten vielleicht mäkeln, es sei keine besonders gute Reklame für Passugg, dass Bebel dort gestorben sei. Aber man kann doch mit Fug und Recht sagen, dass er weniger lang gelebt hätte, wenn ihn, den Nimmermüden, Immergestressten, sein Freund und Arzt Ferdinand Simon, sein Schwiegersohn, nicht hin und wieder von Zürich, dem internationalen Unruheherd, ins ruhige Passugg hinauf verfrachtet hätte.»
Gansner verstand sich als ein «Alt 68er», wie er mir zu Beginn unserer Brieffreundschaft mal schrieb. Mit der Zeit, sprich mit dem Lesen und Redigieren seiner Texte, verstand ich, was er damit meinte: Es ging ihm nie um ein Dogma, sondern um Aufklärung mit einem kritischen, scharfen Blick auf die Gesellschaft und deren Entwicklung. Der Literaturkritiker Charles Linsmayer schrieb treffend über Gansner: «Das gibt es noch: Literatur, die wie einst diejenige von C.A. Loosli zornig wider den Stachel löckt, die schöne neue Welt des Kapitalismus und die Gleichmacherei der Political correctness zum Teufel wünscht und ohne Rücksicht auf Verlust beim Namen nennt, was andere tabuisieren.» Ein Poesiebeispiel dafür: «er bekämpft covidioten und muslime; und alles was links von ihm ist; und das ist eigentlich der vielfarbige rest der welt; den wir spinner so lieben; in dieser festung aus schwachsinn und kapital». Und der Schluss dieser «Poesie» mit dem Titel «Ave Andreas» über Andreas Alfred Glarner aus Glarus, der am ganz rechten Rand der SVP politisiert, lautet: «arschglarner! hau doch ab in dein glarner ländli; und friss dort glarner chämi-salsiz; sonst werden wir deinen schwanz tüchtig einpökeln; und auf dem bundesplatz den hungernden sintis und roma verteilen; guten appetit!» (zu lesen im vorwärts vom 9.Oktober 2020)

Ruhe in Frieden, compagno
Beeindruckend an Gansner war die Breite seines kulturellen Schaffens: Romane, Erzählungen, Essays, Gedichte, Hörspiele, Radiosendungen, Theatertexte, Theaterstücke, Ton- und Bildträger sowie Übersetzungen und Publikationen auf Französisch. Er war Romanschriftsteller, Dramatiker, Dichter, Publizist, Übersetzer und Journalist und hat im Verlauf seiner Laufbahn in all diesen Sparten Auszeichnungen bekommen.
Hans Peter Gansner ist am 1.Mai 2021 gestorben. Das Schicksal hat es so gewollt. Danke für alles «HPG-Mann». Und für uns, die noch hier sind, heisst es «sempre avanti», so wie Du so oft deine Emails beendet hast. Ruhe in Frieden, compgano.

 

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