Genug ist genug!

Rund 200 Landwirt:innen versammelten sich am 3.Februar in Genf zum Protest. Bild: Uniterre

sit. Die Bäuerinnen- und Bauernorganisation Uniterre fordert Gesetze, welche die den grossen Unternehmen klare Grenzen setzen. Der Bauernverband hat dafür kein Gehör und lanciert eine zahnlose Petition. Erste Proteste in Genf und Basel.

«Der SBV verteidigt den Freihandel und nicht die Schweizer Bäuerinnen und Bauern», lautet der Titel der Medienmitteilung vom 1. Februar von Uniterre. Der gewählte Titel widerspiegelt die ganze Enttäuschung, ja gar Wut von Uniterre gegenüber dem Schweizerischen Bauernverband (SBV). Der Grund: Die «extrem enttäuschende und unzureichenden Antwort des SBV» auf die schwierige Lage der Landwirt:innen. Uniterre ermutigt daher «seine Mitglieder und alle Schweizer Bäuerinnen und Bauern, mehr zu fordern!»

Kein Fleisch am Knochen
Uniterre steht für eine nachhaltige, kostendeckende und solidarische Landwirtschaft sowie für gesunde Nahrungsmittel für alle ein. Der SBV hingegen ist sehr bürgerliche geprägt. Seine Nähe und direkte Verbindung zur SVP sind historisch gewachsen und gefestigt. Tatsache, die auch im Nationalrat ihren Ausdruck findet. Auf der Webseite der Fachzeitung «Schweizer Bauer» wurde gleich nach den Wahlen vom Herbst 2023 jene Gewählte mit «landwirtschaftlichem Hintergrund oder landwirtschaftlicher Empfehlung» vorgestellt. Es sind 29 Nationalrät:innen, davon gehören 18 der SVP an, sieben der Partei «Die Mitte», zwei der Grünen Partei und einer ist Mitglied der rechtskonservativen EDU.
Zurück zur Aktualität: Am 30. Januar meldete sich der SBV mit einer Medienmitteilung zu den laufenden Protesten der Landwirt:innen in Europa. Darin zu lesen: «Die Schweizer Bauernbetriebe haben in weiten Teilen die gleichen Probleme wie ihre europäischen Kollegen und teilen viele ihrer Forderungen.» Und festgehalten wird auch, dass «die Einkommenssituation vieler Bauernfamilien auch in der Schweiz ungenügend» sei. Die Antwort des SBV ist eine gemeinsame Petition mit der Westschweizer Bauernorganisation «Agora». Petition, die weder Biss noch Fleisch am Knochen hat. Sie beinhaltet Forderungen «zur Verbesserung der instabilen sozio-ökonomischen Situation» und richtet sich «an die Adresse der Politik und der Marktpartner». So wird unter anderem die «bessere Anerkennung der vielfältigen Rollen der Landwirtschaft, ihres Engagements und ihrer Hauptaufgabe: Die nachhaltige und tierfreundliche Lebensmittelproduktion», sowie «keine Sparprogramme auf dem Rücken der Landwirtschaft» gefordert.

Klare Ziele vor Augen
Uniterre hingegen hat ein viel klarere Vorstellung: «Es müssen dringend Gesetze erlassen werden, die den grossen Unternehmen klare Grenzen setzen, egal ob es sich um Coop, Migros, Fenaco oder die multinationalen Konzerne handelt!», schreibt die Bäuerinnen- und Bauernorganisation. Doch für solche Vorschläge hat der SBV kein Gehör – was wenig überrascht. Mit Blick auf die Parlamentswahlen vom 22.Oktober 2023 lancierten bereits im Mai 2023 der SBV, der Wirtschaftsverband Économie Suisse, der Arbeitgeberverband und der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) die gemeinsame Kampagne «Perspektive Schweiz». Das Hauptziel war, «ein Fundament für die Wahl von Kandidatinnen und Kandidaten zu fördern, die eine wirtschafts- und landwirtschaftsfreundliche Politik vertreten», so der SBV. In einer zweiten Phase ging es dann darum, für «die Teilnahme an den Wahlen zu mobilisieren».
Die Ziele dieser «neuen Interessengruppe» seien klar, schreibt Uniterre: «Sie will den Freihandel und den freien Wettbewerb fördern.» Jüngstes Beispiel sei auch die Ablehnung im Nationalrat der parlamentarischen Initiative für einen Agrar-Ombudsmann, um den Rechtsschutz für Bauern und Bäuerinnen zu gewährleisten. Die Vertreter:innen der Bauernlobby in Bern lehnten die Initiative weitgehend ab.

Gegen das neoliberale System
Anders als in vielen Medien dargestellt, richte sich die Wut der europäischen Bäuerinnen und Bauern «nicht nur gegen den Green New Deal und die ökologischen Massnahmen», informiert Uniterre. Und damit keine Missverständnisse aufkommen: «Es ist unsere Pflicht, gemeinsam mit der europäischen Koordination von La Via Campesina vor der Gefahr der Vereinnahmung durch rechtsextreme Kräfte und vor der Verbreitung eines klimaskeptischen Diskurses zu warnen.»
Genauso klar wird aber auch festgehalten: «Die Landwirtinnen und Landwirte erheben sich in diesen Tagen gegen das neoliberale System, den globalisierten Markt und fehlende Anerkennung. Genug ist genug! Wir können nicht auf diesem Weg weitermachen, der das Leben zerstört – und zwar durch bäuerlichen Suizid, grenzenlose Tierausbeutung, Ressourcenvernichtung und die Konkurrenz mit Lebensmitteln, die unter sklavenähnlichen Bedingungen produziert werden!»
Am 3.Februar kam es dann zu den ersten Protesten: In Genf waren es mehr als 30 Traktoren und 200 Personen, in Basel demonstrierten Bäuerinnen und Bauern mit rund 40 Traktoren. Und Uniterre ruft ihre Mitglieder auf, «sich lokal zu organisieren, unsere Informationen weiterzugeben und in Kontakt zu bleiben».

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