Freispruch nicht gleich unschuldig
lmt. Der neuste Transfer des FCZ wirbelte viel Staub auf. Themen wie sexualisierte Gewalt und eine tiefe Verurteilungsrate von Vergewaltigungsdelikten kamen wieder in den öffentlichen Diskurs. Doch leider glauben noch viele, dass ein Freispruch auch gleich Unschuld bedeutet.
Am Dienstag, 11.Februar, verkündet der Fussballclub Zürich (FCZ) stolz einen Transfer-Coup: «Der 30-jährige französische Verteidiger Benjamin Mendy wechselt per sofort zum FC Zürich». Für einige Fussballfans eine Freude, da es sich beim Verteidiger um einen Weltmeister handelt, der 2018 mit Frankreich den Titel holte und unter anderem mit Manchester City zahlreiche Erfolge feierte. Doch die Stimmung trübte sich rasch. Im August 2021 wurde Mendy durch die örtliche Polizei verhaftet. Die Straftaten, aufgrund welcher Mendy angeklagt wurde, summierten sich bis 2022 auf sieben Vergewaltigungen, einer versuchten Vergewaltigung und einen Fall sexueller Nötigung.
Aus Scham, Angst oder Schuldgefühl
Nachdem Mendy wenige Monate in Untersuchungshaft war, konnte er sich gegen Kaution freikaufen. Im Laufe des Jahres 2023 wurde Mendy von zwei englischen Gerichten von den Anklagepunkten freigesprochen. Doch, als die Medien in Zürich anfingen, über die Vergangenheit des Spielers zu berichten, schwieg der Stadtclub. Eine Stellungnahme kam zu spät und war zu schwach.
Aber im Grunde geht es nicht um den Fall Mendy an sich, sondern um die tiefergelegenen Themen: sexualisierte Gewalt an FINTAQ-Personen, Vergewaltigungen und deren tiefen Verurteilungsrate. 1371 Frauen sollen laut der Kriminalstatistik der Polizei (PKS) im Jahr 2023 vergewaltigt worden sein. Das Perfide daran ist, dass ein Vergewaltigungsopfer in der Schweiz höchstwahrscheinlich keine Anzeige erstattet. Laut einer Erhebung von 2022 melden sich acht von zehn Frauen nicht bei der Polizei. Somit werden 80 bis 90 Prozent der Vergewaltigungsfälle nicht zur Anzeige gebracht. Dementsprechend muss nicht von 1371 Betroffenen, sondern von rund 11100 ausgegangen werden. Diese Hochrechnung zeigt auf, was die Zahlen der PKS nicht erzählen: In der Schweiz werden täglich 30 FINTAQ Opfer massiver sexualisierter Gewalt.
Viele Betroffene sehen von einer Anzeige ab: aus Scham, Schuldgefühlen oder aus Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird. Bei sexualisierter Gewalt handelt es sich um einen massiven, gewaltvollen Eingriff in die Intimsphäre eines Menschen. Vielen Betroffenen fällt es schwer, über das Erlebte zu sprechen. Die Angst einer Retraumatisierung fällt schwerer ins Gewicht als Selbstschutz und Recht. Weiter ist mittlerweile bekannt, dass nur die wenigsten Vergewaltiger auch tatsächlich verurteilt werden und es immer wieder zu einer Täter-Opfer-Umkehr kommt.
Anzeige nicht gleich Verurteilung
Die Erstattung einer Anzeige bedeutet noch lange nicht, dass es zu einer Verurteilung kommt. Es kann davon ausgegangen werden, dass von 100 Frauen nur vier ihren Vergewaltiger verurteilt sehen! Warum ist das so? Nach einer Anzeige kommt es nicht zwingend auch zu einer Verhandlung. Es kann sein, dass die Staatsanwaltschaft bei geringer Beweislast Betroffenen von einem Strafprozess abrät. Oder die Geschädigten ziehen sich selbst zurück, da ihnen die Energie für einen Prozess fehlt. Denn immer wieder sehen sich die Betroffenen mit dem Ereignis konfrontiert. Nicht selten finden sie sich während der Befragungen in einem Rechtfertigungsmodus wieder. Und zudem können zum Teil auch schlichtweg die finanziellen Ressourcen für einen Prozess nicht aufgebracht werden.
In dubio pro reo
Kommt es zum Prozess, mangelt es bei Sexualdelikten oft an Beweisen. Dies zeigt auch der Fall Mendy. Das Gerichtsurteil besagt nicht, dass der neue FCZ-Spieler zweifelsfrei unschuldig ist. Aber wie so oft in Vergewaltigungsdelikte, reichen die zahlreichen Zeugenaussagen nicht aus, um ihn zweifelsfrei zu verurteilen. Vergewaltigungen sind und bleiben 4-Augen-Delikte. Zusammen mit den herrschenden Vorurteilen und der Gesetzgebung sieht die Lage düster aus, sodass nur vier von 100 Vergewaltigern am Ende verurteilt werden. Das heisst aber nicht, dass die übrigen 96 unschuldig sind. Es heisst nur, dass beim Fehlen von Beweisen oft Aussage gegen Aussage steht und das Gericht entscheidet «in dubio pro reo» – also im Zweifel für den Angeklagten.