Es wird wieder aufgerüstet

Die Landung der F/A-18 auf der Autobahn war eine perfekt inszenierte Propaganda für die Armee. Bild: VBS
flo. Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich für europäische Militärs ein Zeitfenster geöffnet. Nach Jahrzehnten der Abrüstung scheint die Wiederbewaffnung westeuropäischer Armeen politisch wieder umsetzbar – auch in der Schweiz.
Flugzeuge landen auf Autobahnen und das ganze Land schaut dabei zu. Die Aktion der Schweizer Armee hätte auch im Stillen geschehen können. Doch als am 5.Juni vier F/A-18-Kampfflugzeuge auf der A1 zwischen Payerne und Avenches landeten, waren die grossen Schweizer Medien alle dabei. Neben dem Armeechef war auch Bundesrätin Viola Amherd vor Ort. Die Zeitung «20Minuten», als auflagenstärkstes Blatt im Land, bot neben einem Ticker gar eine Live-Übertragung der Landung auf ihrem Online-Auftritt an. Kritik liess nicht lange auf sich warten. In den Sozialen Medien kommentierte eine grüne Nationalrätin den Anlass als «Armeepropaganda». Auch die Sozialdemokrat:innen kritisierten über ihren Auftritt auf X den Anlass.
Bei den Ausgebeuteten sparen
Die gut durchgeplante Propagandaveranstaltung kommt zum besten Zeitpunkt: Nachdem der Kuhhandel in Sachen Wiederaufrüstung (Geld für die Schweizer Armee so lange es auch Geld für die Ukraine gibt) im Parlament gescheitert ist, planen die bürgerlichen Parteien nun eine Erhöhung des Budgets der Armee um vier Milliarden Franken in den Jahren 2025 bis 2028. Im Stöckli will man diese Aufstockung, die vor allem der Luftabwehr zugutekommen soll, mit Einschnitten in der Entwicklungshilfe finanzieren.
Wie man die Finanzierung von Mehrausgaben bei der Armee stemmen will, ist keine leichte Frage. Mit den aktuellen Mehrheiten im Parlament scheinen neue oder höhere Steuern keine Option, auf Pump Material zu kaufen, ist wegen der Schuldenbremse der Bürgerlichen auch nicht möglich. Für den Ständerat war daher klar, wo man aber problemlos sparen könnte: Bei der Entwicklungshilfe jener Länder, die der Schweizer Imperialismus ausbeutet, ohne mit der Wimper zu zucken. Insgesamt zwei Milliarden Schweizer Franken, also fast die Hälfte der Gesamtausgaben in der Entwicklungshilfe, sollen bei der Entwicklungshilfe eingespart und in das Verteidigungsbudget eingespeist werden. Zwei weitere Milliarden sollen aus Einsparungen bei anderen Departementen kommen. Man sieht: Die Schweizer Armee hat ein schwerwiegendes Finanzierungsproblem.
30 Milliarden für die Armee
Auch die medienwirksame Landung von vier Fliegern auf der A1 ist Ausdruck davon. So bilden Landungen auf Autobahnen eine Notlösung: Inzwischen gibt es im Land noch drei Militärflughäfen. Der Rest wurde in den vergangenen Jahrzehnten privatisiert. Mit Übungen, bei denen die Landung auf geraden Streckenabschnitten von Autobahnen trainiert werden, kann die Luftwaffe trotz des Mangels an Flugplätzen halbwegs kostengünstig flexibler eingesetzt werden. Eigentlich ist es eine sparsame Massnahme, um die von bürgerlichen Politiker:innen aktuell so hochgehaltenen «Verteidigungsfähigkeit» zu erhöhen. Dass diese Aktion in die Zeit fällt, in der in den Räten um das Budget der Armee gestritten wird, ist kein Zufall. Der Ausbau der Armee ist seit Längerem im Gespräch und solche Werbeaktionen sollen die Aufwendung von Mitteln für das Militär in Zeiten massiver sozialer Verwerfungen auch in der Schweiz einfacher machen. Ursprünglich war Anfang Jahr noch die Rede davon gewesen, dass man mithilfe von insgesamt 26 Milliarden Franken bis 2028 die Armee wieder stärker unterstützen möchte. Mit dem Coup im Stöckli werden es nun fast 30 Milliarden Franken sein. Das Geschäft geht nun in den Nationalrat.
Wofür ausgeben?
Es hat etwas Frustrierendes: Während bei Sozialausgaben selbst während einer Phase von massiver Teuerung jeder Rappen fünfmal umgedreht wird, findet man für die Ausgaben des Militärs unfassbar rasch Wege, wie sich Milliarden finanzieren lassen. Für Banken und die Armee scheint die Schweiz immer Geld locker zu haben. Dass es aber plötzlich ganz schnell geht, wirft die Frage auf, wie die Armee den plötzlichen Geldsegen nutzen will. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass es kurios herauskommen kann, wenn die Armee oder Teilbereiche von ihr plötzlich zu viel Geld zur Verfügung haben. So nannte die Schweizer Artillerie einst die zweitgrösste Flotte von M109-Panzerhaubitzen weltweit ihr Eigen. Und aus der jüngeren Vergangenheit wissen wir, dass solche Rüstungsprojekte in der Schweizer Armee teils auch als formidable Rohrkrepierer enden. So beim 120mm-Panzermörser «Cobra» der Ruag gröbere Mängel halt: Bei gutem Wetter reflektiert das Rohr des Mörsers das Sonnenlicht so stark, dass seine Position viel zu leicht zu erkennen ist. Und bei Regen fehlt eine Verschlusskappe, sodass es in den Mörser hineinregnen kann.
Solche Projekte müssen wir als Folge der Finanzspritze von vier Milliarden dieses Mal jedoch nicht erwarten. Viel eher ist damit zu rechnen, dass die Armee die Mittel dafür aufwenden wird, «Vollbestand» zu erreichen. Anfang Jahr stellte das SRF fest, dass die Schweiz etwa eine Milliarde zu wenig hat, um bereits getätigte Rüstungskäufe auch bezahlen zu können. Mit der überraschend schnellen Abwicklung von neuen Mitteln für das Militär wurde diese Finanzierungslücke vorerst geschlossen. Doch weitergehende Pläne von Armeechef Süssli, die Schweizer Armee um ein Fünftel zu vergrössern (neu 120000 statt 100000 Soldat:innen) sind damit nicht finanziert. Es scheint sich also abzuzeichnen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und weitere Einschnitte anstehen, um die Armee und ihren Ausbau zu finanzieren.