Einmal mehr ist niemand schuld

flo. Immer wieder geraten Fälle von Racial Profiling in die Schlagzeilen. In Basel wurde ein Schüler kontrolliert und verhaftet. Er war die einzige Person mit dunkler Hautfarbe in der Gruppe. Die Einzige, die nichts von Racial Profiling wissen will: die Polizei.

In einem Forschungsbericht der Rosa-Luxemburg-Stiftung von 2019 beschrieb der aus Nigeria stammende Doktorand Froggy Bayo, wie er gewisse Stadtteile zu manchen Tageszeiten meide. Dies, weil er wisse, dass er dort viel stärker Kontrollen ausgesetzt sei: Er nannte dabei das Basler Rheinufer. Und genau an diesem Ort ereignete sich am 9.September ein Vorfall von Racial Profiling, der dann Ende September dank dem Sans-Papier Kollektiv Basel an die Öffentlichkeit geriet. Ein Polizeiwagen fuhr bei einer wartenden Gruppe von Schüler*innen vor und nahm sich zielsicher die einzige dunkelhäutige Person der Gruppe vor. Laut den Akten sei der Schüler «zur Prüfung seines Aufenthaltsstatus» kontrolliert worden. Dies erhärtete den Vorwurf, dass es sich um eine illegale, diskriminierende Kontrolle gehandelt hatte. Was bei der Polizei ausser dunklerer Haut als «Verdachtsmoment für einen illegalen Aufenthalt» gilt, wird nicht ausgeführt. Wurde der Schüler wegen seiner Hautfarbe kontrolliert, dann handelt es sich um eine rassistische Kontrolle. Trotz der Intervention seiner Lehrerin, die später zur Gruppe dazu stiess, endete der Tag für den jungen Mann in einer Ausschaffungszelle.

Mike Ben Peter
Was am Rheinknie geschah, ist kein Einzelfall. Presse machte kürzlich in der Romandie der Fall von Mike Ben Peter. Er wurde von mehreren Polizisten* auf ähnliche Weise wie George Floyd getötet. Der Nigerianer Mike starb, nachdem sechs Polizisten minutenlang auf seinem Körper knieten und ihn so zu Tode quetschten. 2020 bekam der Hochschulangestellte Mohamed Wa Baile vor dem Zürcher Verwaltungsgericht Recht, nachdem er gegen eine Kontrolle geklagt hatte, die nur wegen seiner Hautfarbe durchgeführt worden war.
Dass die einzelnen Polizeikorps sich gegenseitig die Erklärungen abschreiben, dass Rassismus ganz bestimmt kein Problem sei, muss nicht erstaunen: Rassismus erfüllt als Spaltungsmechanismus im Kapitalismus eine konkrete Funktion. Eine Funktion, die manchen hilft, sich weiterhin in Amt und Würden zu halten, während anderen dafür der Gang durch den öffentlichen Raum zum entwürdigenden Spiessrutenlauf gemacht wird.

Fragwürdige Behauptungen
Als es letztes Jahr nach dem rassistischen Mord an George Floyd durch einen US-Polizisten weltweit zu Protesten kam, war eine der prominentesten Forderungen ein Ende von rassistischen Polizeikontrollen. Was für die Betroffenen so eindeutig Teil ihrer Lebensrealität ist, nämlich dass man im öffentlichen Raum jederzeit einer demütigenden Kontrolle ohne jeden Anlass unterzogen werden kann, wird von der Polizei bei jeder Gelegenheit geleugnet. In Basel behauptete der Polizeikommandant Marcel Roth, dass es im Korps keine diskriminierenden Personenkon-trollen gebe. In einer interkulturellen Stadt wie Basel könne sich die Polizei nicht leisten, «als diskriminierend» bezeichnet zu werden.
Wir sprechen vom selben Basel, in dem die Aufsichtsbehörde die Staatsanwaltschaft rügte, nachdem diese nach der Demo rund um «Basel nazifrei» die linken Demonstrant*innen mit höherer Dringlichkeit verfolgte, als die Faschist*innen der Partei national orientierter Schweizer (Pnos). Obwohl von Mitgliedern der Pnos mit antisemitischen Hetzreden Offizialdelikte begangen worden waren, gab es damals von der Kantonspolizei keine Anzeige – der Schweizerische Israelitische Gemeindebund musste diese stellen.

Sensibilisierungsworkshops
Dass die Basler Polizei wohl nicht so neutral ist, wie sie sich gerne gibt, sieht man auch daran: Zwar wird behauptet, dass in Sachen Diskriminierung keinerlei Probleme bestünden, dennoch wurde nach wiederkehrender Kritik ein «Sensibilisierungsworkshop» für Polizist*innen einberufen. Seither wurde jedes Jahr wieder ein neues Sensibilisierungsprogramm gestartet – reichlich Effort für etwas, das laut der Korpsführung kein Problem darstellt. Dabei behindert Racial Profiling die Polizei. So ist man sich in der Wissenschaft einig, dass polizeiliche Erfolgsquoten höher liegen, wenn Polizeiarbeit tatsächlich relevante Faktoren und nicht die Hautfarbe in den Fokus stellt.

Versetzung wegen Rassismus
Ebenso schräg in der Landschaft stand damals die Argumentation, dass das Basler Polizeikorps schwerlich rassistisch sein könne, da es ja Ausländer*innen und Menschen mit Migrationshintergrund im Korps gebe. Weil man also eine*n Ausländer*in als Kolleg*in hat, kann man gar nicht rassistisch sein. Dies scheint aber in der Realität nicht so zu funktionieren, wie es sich die Polizei wünscht. So arbeitete der SVP-Politiker Adrian Spahr bis zu seiner Verurteilung wegen Verstosses gegen die Rassismusstrafnorm bei der Polizei in Basel. Er hatte mit Parteikollege Nils Fiechter ein Plakat veröffentlicht, dass Fahrende rassistisch herabsetzte. In der Vergangenheit hatte Spahr gerne Linke als «rassistisch» bezeichnet. Er selber hat migrantischen Hintergrund und meinte, er fühle sich als «Dunkelhäutiger in der SVP sehr wohl».
Als Folge des antiziganistischen Plakats wurde Spahr von der Kantonspolizei Basel in den Innendienst versetzt, worauf hin er seine Stelle kündigte. In Basel wurde mithilfe der Sozialdemokratie ein Bettelverbot beschlossen, das vor allem Roma und Sinti ins Fadenkreuz nimmt. Es dürfte daher der Basler Kantonspolizei schwerfallen, für sich zu reklamieren, dass für sie Rassismus kein Problem darstellt, wenn eigene Mitarbeitende wegen antiziganistischer Ausfälle von der Bevölkerung ferngehalten werden müssen.

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