Ein wichtiger Sieg, der Mut macht!

dom. Am 22.September wurde die Reform der beruflichen Vorsorge mit einem klaren Nein abgelehnt. Das Resultat ist, insbesondere in seiner Deutlichkeit, erfreulich – aber angesichts der unbegrenzten Angriffe auf unsere Renten auch absolut notwendig.

68 Prozent der Stimmberechtigten stimmten (bei einer Stimmbeteiligung von rund 45 Prozent) gegen die Reform, welche angeblich die finanzielle Stabilität der zweiten Säule der Altersvorsorge hätte verbessern sollen. Während das Resultat an sich nur wenig überraschte, haben mit dieser Deutlichkeit nur wenige gerechnet – die letzte SRG-Umfrage prognostizierte einen Nein-Anteil von gerade mal 51 Prozent.

Auch im Hinblick auf die kantonalen und regionalen Resultate herrscht beeindruckende Einigkeit: Kein einziger Kanton stimmte für die Reform, im Jura und in Neuenburg wurde sie von ganzen 77 Prozent abgelehnt. Von den insgesamt über 2100 Schweizer Gemeinden befürworteten nur 26 die Reform, dafür erreichte das Nein-Lager in rund 50 Gemeinden über 80 Prozent.
Eine «unheilige Allianz» hätte die Reform zu Fall gebracht, meint die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Letztlich sei das Abstimmungsresultat «ein Triumph für die Linke». Diese hätte am 22.September «in ihrem unermüdlichen Kampf für den Ausbau der AHV ein neues Argument dazugewonnen: Wann immer sich künftig die Frage stellen wird, ob man ein bestimmtes Anliegen via AHV oder BVG realisieren soll, können sie daran erinnern, dass Pensionskassenreformen an der Urne serienweise gebodigt worden sind». Doch die NZZ darf sich beruhigen: Die Erfahrung zeigt, dass die bürgerlichen Kräfte sich in ihrem Drang, staatliche Leistungen zu kürzen und sie den Arbeiter:innen aufzubürden, nicht von vergangenen Abstimmungsresultaten behindern lassen.

Sicherung des Rentensystems
Schlechte Argumente für solche Umverteilungen lassen sich ja immer finden. In diesem Fall haben Bundesrat und Parlament die BVG-Reform als notwendige Anpassung an den demografischen Wandel verkauft. Es handle sich um einen Ausgleich des finanziellen Ungleichgewichts, das durch die gestiegene Lebenserwartung entstanden sei. Die Reform sei nötig, um das Schweizer Rentensystem für die Zukunft abzusichern. SVP-Bundesrat Albert Rösti meinte dazu: «Die Anpassung des Umwandlungssatzes ist unausweichlich, um das System langfristig zu sichern. Wir müssen das Rentensystem stabilisieren, um zukünftigen Generationen eine angemessene Vorsorge zu garantieren.» In diesem Sinne hätte der Umwandlungssatz von 6,8 Prozent auf
6 Prozent gesenkt werden sollen.
Zweitens hätte der Koordinationsabzug reduziert werden sollen, der derzeit bei 25725 Franken liegt. Der Koordinationsabzug ist der Teil des Lohns, der bei der Berechnung des versicherten Lohnanteils nicht berücksichtigt wird, um Doppelversicherungen mit der AHV (Erste Säule) zu vermeiden. Durch die Reform hätte dieser Abzug auf 20 Prozent des AHV-pflichtigen Lohns gesenkt werden sollen. Angeblich wäre das insbesondere Teilzeitbeschäftigten und Personen mit niedrigen Einkommen zugutegekommen, da ein grösserer Teil ihres Lohns versichert und somit in die Altersvorsorge eingeflossen wäre?.

Rentenkürzung
Aus den Reihen der Gewerkschaften und linken Parteien war gegen diese Argumente laute Kritik zu vernehmen: Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), warnte davor, dass die Senkung des Umwandlungssatzes vor allem die Übergangsgeneration hart treffen wird: «Viele Menschen werden mit der Reform weniger Rente erhalten, was besonders diejenigen betrifft, die in den kommenden Jahren in Rente gehen». Der vorgesehene Rentenzuschlag von bis zu 200 Franken pro Monat, der die Rentenkürzungen für die Übergangsgeneration, die durch die Senkung des Umwandlungssatzes betroffen gewesen wäre, hätte abfedern sollen, hätte daran kaum was geändert.
Gerne betonten die Befürworter:innen, dass vor allem die Frauen von der Reform profitiert hätten – und wie immer, wenn dieses Argument aus der bürgerlichen Ecke kommt, ist Misstrauen angezeigt. Zum Beispiel hatte Thomas Helbling, Präsident des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) versprochen: «Durch die Senkung des Koordinationsabzugs profitieren vor allem Teilzeitbeschäftigte, die bislang benachteiligt waren. Diese Reform bringt mehr Gerechtigkeit in die berufliche Vorsorge, besonders für Frauen.»
Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP, widersprach: «Frauen arbeiten überdurchschnittlich oft in Teilzeit und haben geringere Einkommen. Die Reform bringt ihnen zwar eine gewisse Verbesserung, aber sie wird die grundsätzlichen Ungleichheiten nicht ausgleichen. Viele Frauen werden auch weiterhin im Alter unterversorgt sein.» Frauen, die aufgrund von Familienarbeit oder anderen Unterbrechungen weniger in die Pensionskassen einzahlen, wären trotz der Reform weiterhin benachteiligt geblieben?.

«Rentenbschiss»
Das war für den Ausgang der Abstimmung von Bedeutung. Nachbefragungen des Forschungsinstituts Leewas zeigen, dass die Frauen an der Ablehnung der Reform einen entscheidenden Anteil hatten. 71 Prozent der Frauen stimmten Nein, bei den Männern beläuft sich der Nein-Anteil auf 63 Prozent.
Kurz gesagt: Die Reform war ein «Bschiss» und dieser wurde durchschaut. Letztlich hätten die Versicherten durch die Reform mehr bezahlt und weniger erhalten. Dass die überwiegende Mehrheit diesen Deal ablehnte, macht Mut. Das deutliche Ergebnis dürfte mit den jüngsten Erfahrungen im Kampf um die Rente zusammenhängen – und nicht an der «Angstmache-Kampagne» und der Komplexität der Vorlage, wie Regine Sauter von der FDP meint. Erhöhung des Frauenrentenalters, Zusatzfinanzierung der AHV über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, Finanzierung der 13.AHV-Rente ebenfalls über Mehrwertsteuererhöhung: Die Angriffe von bürgerlicher Seite auf das Budget und die Renten der Arbeiter:innen scheinen nicht abzubrechen.

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