EFAS versenken!
sit. Das Parlament hat im Dezember 2023 die sogenannte EFAS-Reform verabschiedet. Die Krankenkassen bekommen mehr Macht, die Arbeitsbedingungen des Personals im Gesundheitswesen verschlechtern sich. Die Gewerkschaft VPOD ergreift das Referendum.
EFAS? Die vier Buchstaben stehen für die «einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen». 14 Jahre lang brauchte das Parlament, um das EFAS-Dossier abschliessen zu können. So lange schlug er sich mit der Frage herum: Wer soll welchen Anteil an den stationären Leistungen und an der Langzeitpflege bezahlen? Am 22.Dezember 2023 beantwortete das Parlament die Frage. Und zwar so, dass die Prämienzahler:innen und das Personal im Gesundheitswesen die Leidtragenden der Reform sind. Dieser Ansicht ist auch die Gewerkschaft VPOD, die das Referendum gegen die Vorlage ergriffen hat. In der Mitteilung des VPOD zu seiner Medienkonferenz vom 12.Januar ist zu lesen: «Nein zu EFAS – einem unsozialen Projekt, das die Krankenkassenprämien erhöhen, die Arbeitsbedingungen der Pflegenden verschlechtern und die Qualität der Pflege beeinträchtigen wird.» Umverteilung der Kosten
Worum geht es konkret? Heute werden ambulante und stationäre Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) unterschiedlich finanziert. Stationäre Leistungen sind in der Regel deutlich teurer, werden aber zu 55 Prozent von den Kantonen übernommen und zu 45 Prozent durch die Krankenkassen. Ambulante Behandlungen müssen hingegen zu 100 Prozent durch die Krankenkassen und damit durch die Prämienzahler:innen finanziert werden. An einem Beispiel erklärte: Die Rechnung des letzten Spitalaufenthalts wird heute zu mehr als der Hälfte (55 Prozent) vom Wohnkanton bezahlt. Die Rechnung der letzten Konsultation bei der Hausärztin hingegen bezahlt die Krankenkasse vollumfänglich.
Nun wird mit der EFAS «die finanzielle Beteiligung der Kantone im stationären Bereich und in der Langzeitpflege gekürzt», informiert der VPOD. Neu werden die Kantone 26,9 statt wie bisher 55 Prozent der Kosten für stationäre Behandlungen und die Restkosten bei der Langzeitpflege übernehmen. Die Krankenkassen, und damit die Prämienzahler:innen, müssen 73,1 Prozent be-zahlen.
Die angeblichen Fehlanreize
Die Befürworter:innen der Revision, darunter alle bürgerlichen Parteien sowie die Krankenkassen-Lobby, behaupten, dass der bisherige Verteilungsschlüssel zu «Fehlanreizen» führe. Krankenkassen hätten im aktuellen System alles Interesse daran, dass möglichst viele Patient:innen stationär behandelt würden, weil sie dann die Rechnung nicht komplett selbst bezahlen müssten. Stationäre Behandlungen seien aber teurer (was in der Regel auch stimmt), und würden die Kosten nach oben treiben. Ohne diesen Fehlanreiz würde somit vermehrt die kostengünstigere ambulante Behandlung angeordnet, wenn der gleiche medizinische Nutzen erzielt werden könne.
Doch, verschwinden diese angeblichen Fehlanreize durch die Revision auch wirklich? «Aus meiner Sicht wird der Einfluss der Krankenkassen auf den Behandlungsort überschätzt. Am Ende des Tages entscheiden die Leistungserbringer, ob jemand stationär oder ambulant behandelt wird. Die Krankenkassen haben hier nur indirekt Einfluss», erklärt Prof. Dr. Tobias Müller, Dozent für Gesundheitsökonomie an der Berner Fachhochschule (BFH), in einem Interview auf der Website der BFH. Die EFAS allein könne «die ambulanten Dienstleistungen nicht attraktiver» machen, so Tobias Müller weiter. Dazu bräuchte es zwingend «die Reform der ambulanten Tarife TARDOC». Auch sei eine Senkung der Gesundheitskosten «ohne tiefschürfende Reformen nicht realistisch».
Heuchlerisch und verlogen
In einem ersten Moment erweckt EFAS den Eindruck, dass es um das Hin- und Herschieben der farbigen Kügelchen auf dem guten, alten Rechenschieber geht. Doch, welche handfesten Interessen stehen hinter der Reform? Bei den bürgerlichen Parteien ist es klar: Sie wollen Kosten sparen. Heisst, jenen Teil möglichst klein halten, der durch die Kantone bezahlt werden muss. Wobei sparen bei den Bürgerlichen bekanntlich bedeutet, die Kosten auf die Bevölkerung umzuwälzen. In diesem konkreten Fall auf die Prämienzahler:innen. Es ist die Umsetzung ihrer liberalen Politik: Das Gesundheitswesen soll möglichst weitgehend privatisiert werden. Mit Vollgas voraus Richtung Zwei-Klassen-Medizin: Wer es sich leisten kann, bekommt eine gesundheitliche Versorgung, wer nicht, muss selbst schauen, wie sie/er wieder gesund wird.
Begrüsst und unterstützt wird die Reform auch von den Krankenkassen. Doch warum? Curafutura, der Verband der Krankenversicherer CSS, Helsana, Sanitas und KPT, verkauft die EFAS-Reform so: «Die Prämien- und Steuerzahlenden werden zeitnah entlastet und positive Entwicklungen werden angestossen.» Wie heuchlerisch und verlogen. Denn der Verband der vier grossen Krankenkassen behauptet demnach Folgendes: Durch den Wegfall der Fehlanreize fallen die Prämien. Und weil die Kantone weniger bezahlen müssen, werden die Steuern für die Bürger:innen gesenkt. Genauso gut kann behauptet werden, dass im Paradies Milch und Honig fliessen.
Mit EFAS kommt es zu einer Machtverschiebung hin zu den Krankenkassen. Daran haben die Krankenkassen Interesse. In einem Wirtschaftssystem, in dem jene befehlen, die bezahlen, bekommen sie mehr Einfluss, das Gesundheitssystem nach ihrem Gusto zu gestalten. Und ihnen schmeckt alles, was nach noch mehr Profit riecht. Denn primäres Ziel dieser Unternehmen ist es – so wie bei allen Unternehmen im Kapitalismus – einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Auch ist es im Interesse dieser privaten Akteur:innen im Gesundheitswesen, dass der Staat mit seinen Institutionen wie etwa den Kantonsparlamenten möglichst wenig zu sagen hat.
Es geht daher um weit mehr als um das Hin- und Herschieben von bunten Kügelchen auf dem Rechenschieber. Unterschreibt alle das Referendum!