Die Ursachen der Bankencrashs bleiben unberührt
dom. Wieder einmal werden strengere Regulierungen im Finanzsektor gefordert. Dabei wird der Eindruck erweckt, Finanzkrisen und Bankencrashs liessen sich verhindern, wenn nur an den richtigen Stellen reguliert werde – doch das ist Unsinn.
Innerhalb von nur wenigen Tagen ist Mitte Oktober gleich zweimal die Forderung nach einer strengeren Bankenregulierung ertönt. Zuerst veröffentlichte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) am 11. Oktober seinen Bericht zu den letztjährigen Turbulenzen im internationalen Bankenwesen. Und noch in derselben Woche wies die Finanzmarktaufsicht (Finma) den Notfallplan der UBS für den Sanierungs- und Liquidationsfall zurück.Taumelnde Banken
2023 war das Jahr der Bankencrashs. Die US-amerikanische Silicon Valley Bank (SVB) ging Konkurs und wurde von den US-Behörden übernommen, ebenso die Signature Bank. Es folgte die First Republic Bank, die trotz grosser Liquiditätsspritzen anderer Banken nicht mehr zu retten war und schliesslich von JPMorgan Chase übernommen wurde. In Europa wurde derweil eine der grössten und ältesten Banken nach 167 Jahren aufgelöst: Die Credit Suisse (CS) wurde für drei Milliarden Franken an die rivalisierende UBS verscherbelt.
«Alle Banken, die während der Bankenturbulenzen im Jahr 2023 in Schwierigkeiten gerieten, erlebten eine Reihe von Liquiditätsschocks», stellt der BCBS fest und zweifelt deshalb an der Wirksamkeit der Regeln, die infolge der Finanzkrise von 2008 aufgestellt wurden. Der Bericht beinhaltet eine aktualisierte Analyse der Liquiditätsabflussraten, welche stürzende und taumelnde Banken während des vergangenen Jahres verzeichneten, und fragt nach Hindernissen für die Inanspruchnahme der vorhandenen Liquiditätspolster. Er kommt zum Schluss, «dass die Liquiditätsaufsicht angesichts der jüngsten Erfahrungen möglicherweise weiterentwickelt werden müsse».
Liquiditätsprobleme
Weil die Turbulenzen des letzten Jahres gezeigt hätten, dass die Digitalisierung des Finanzwesens Notlagen einer Bank beschleunigen, schlägt der BCBS vor, dass Banken mit einem «strukturellen Hochrisiko-Liquiditätsprofil», ihre Liquiditätspositionen häufiger melden müssen – etwas mehr Transparenz also. Weiter verlangt der BCBS, dass Banken über genügend Vermögenswerte verfügen, um während eines Monats allfällige Bargeldabflüsse decken zu können. Denn insbesondere der Fall der Schweizer Grossbank habe verdeutlicht, dass Banken unter Umständen, wenn ihre Kunden ihr Geld abheben wollen, grosse Mühe bekunden, ihre Vermögenswerte zu verkaufen: Entweder waren sie für andere Zwecke reserviert, oder liessen sich nur schwer an die Stelle transferieren, an der sie benötigt wurden.
Ausserdem wurden bestimmte Vermögenswerte, wie zum Beispiel Staatsanleihen, von den Banken unter der Annahme bilanziert, dass sie bis zur Fälligkeit gehalten würden. Verlieren diese zwischenzeitlich an Wert, entstehen für die Bank daraus keine Verluste – es sei denn, sie müssen zu einem früheren Zeitpunkt verkauft werden. Mit anderen Worten: Die Banken hatten sich mit ihren spekulativen Geschäften selbst geknebelt, die Beschaffung der notwendigen Liquidität hätte gewaltige Verluste bedeutet.
Die Regulierungsvorschläge der Finma zielen in eine ähnliche Richtung wie jene des BCBS: Einerseits sei eine Verschärfung der Liquiditätsvorschriften notwendig, andererseits müsse die Krisenplanung der UBS flexibler werden und mehr Optionen bieten. In künftigen Krisenfällen sollen einzelne Geschäftsfelder abgetrennt und einzeln in den Konkurs geschickt werden können – ein Vorgehen, dass bei der CS aufgrund der engen Verflechtung der verschiedenen Teilbereiche nicht möglich gewesen sei.
Typische Überproduktionskrise
Es sind Vorschläge, wie sie seit vielen Jahren vorliegen. Wann immer eine Bank crasht, ertönen wieder die Rufe nach strengeren Vorschriften für den Finanzsektor. Dass diese nie durchgesetzt werden, liegt wesentlich am Unwillen der Politik, die durch Lobbyarbeit und personelle Verknüpfungen zum Finanzkapital schärfere Regelwerke für die Banken jeweils ausbremst. Das wurde gerade auch im Falle der CS sichtbar, als im Zuge ihrer Übernahme Vertreter:innen der UBS auf die bürgerlichen Parteipräsidenten einwirkten, um sie von stärkeren Regulierungen abzubringen.
Und selbst wenn – schärfere Liquiditätsvorschriften, eine erhöhte Eigenkapitalquote oder Begrenzungen bei Boni-Auszahlungen könnten zwar, wenn sie global durchgesetzt würden, Banken krisenfester machen – die tieferliegenden Ursachen der Krise würden aber weiterhin unberührt bleiben. Was sich in Form von fallenden Profitraten, schwacher Investitionstätigkeit, wachsender Armut und einem trotz staatlicher Unterstützung schwächelnden Finanzsektor ausdrückt, ist eine typische Überproduktionskrise, die sich nicht wegregulieren lässt.