Die Unternehmen in Zürich frohlocken
sit. Am 6.Juni teilte die Kommission für Wirtschaft und Ausgaben des Zürcher Kantonsrats mit, den Gewinnsteuersatz für Unternehmen senken zu wollen. Ein Geschenk von hunderten von Millionen Franken. Widerstand gegen das Vorhaben kündigt sich jedoch an.
Am 1.Juni gingen in Zürich rund 3000 Lehrpersonen auf die Strasse, um für bessere Bedingungen im Bildungswesen zu protestieren. «Die Schule brennt», war auf dem Fronttransparent zu lesen. Und immer wieder wurde skandiert: «Nicht wir sind das Problem, sondern das Bildungswesen». Die Belastung in den Schulen ist enorm, und das Personal stösst an seine Grenzen. Warum es in den Zürcher Schulen lichterloh brennt, brachte die 26-jährige Lehrerin Asja Valenti im Gespräch mit dieser Zeitung (siehe vorwärts-Nr. 17/18) auf den Punkt: «Es wird an allen Ecken und Enden gespart. Es fehlt ganz einfach an Ressourcen.»
Steuergeschenke führen zu «Sparmassnahmen»
Fünf Tage später, 6.Juni: Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Kantons Zürich beantragt mit neun gegen fünf Stimmen dem Kantonsrat, sprich dem Parlament, die Senkung des Gewinnsteuersatzes von sieben auf sechs Prozent. Sie folgt somit dem Vorschlag der Zürcher Regierung. Es ist ein Steuergeschenk von mehreren hundert Millionen Franken – die Zürcher Unternehmen frohlocken.
Die Mehrheit in der WAK, bestehend aus den Ver-treter:innen des rechtsbürgerlichen Lagers (FDP, SVP, GLP, Mitte), argumentierte dabei mit dem üblichen Blabla: Der «hintere Rang» des Kantons Zürich auf der Rangliste des «interkantonalen Steuerwettbewerbs» sei «unbefriedigend». Dies müsse «zeitnah» geändert werden, um den Wegzug von Unternehmen zu verhindern und neue Firmen nach Zürich anzulocken. «Als Folge einer von der Reform dynamisierten Entwicklung der Wirtschaft seien sogar Mehrerträge bei den Unternehmenssteuern zu erwarten», ist in der Medienmitteilung der WAK zu lesen. Und dies würde – so wie es angeblich auch in anderen Kantonen zu beobachten sei – die «Senkung des Gewinnsteuersatzes auffangbar» machen.
Die Realität ist aber eine völlig andere: Die hunderten von Millionen, die wegen des Steuergeschenks an die Unternehmen in der Kasse des Kantons Zürich fehlen werden, müssen dann durch sogenannte «Sparmassnahmen» wieder kompensiert werden. Das war in der Vergangenheit so und wird in der Zukunft nicht anders sein – und somit schliesst sich der Kreis mit den protestierenden Lehrer:innen vom 1.Juni.
Der grosse Kuhhandel
Die Senkung des Gewinnsteuersatzes für die Unternehmen ist ein weiterer Schritt bei der Umsetzung der sogenannten Steuervorlage17. Um die politischen Zusammenhänge einordnen und verstehen zu können, ist daher ein Blick in die jüngere Geschichte hilfreich. Zu Beginn der 2010er-Jahre stieg der Druck vom Ausland, insbesondere von der EU, auf die Schweiz wegen der Steuerbegünstigungen von Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften. Ein erster Reformvorschlag, die Unternehmenssteuerreform III (USTR III), scheiterte im Februar 2017 am geschlossenen Widerstand der linken Parteien und der Gewerkschaften. Die Vorlage wurde mit 59,1 Prozent wuchtig abgelehnt – eine schon fast historische Schlappe für den Bundesrat und die Bürgerlichen. Was danach geschah, ist einer der grössten «Kuhhandel» in der Geschichte der Eidgenossenschaft. Mit tatkräftiger und gütiger Unterstützung der SP stampfte das Parlament das «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung» (STAF) aus dem Boden, das bald nur noch Steuervorlage17 genannt wurde. Die Allianz, bestehend aus SP, FDP und CVP (heute Die Mitte) versüsste dem Stimmvolk die Steuerreform mit einem «Zückerli»: Für jeden Franken, der der öffentlichen Hand wegen der Steuervorlage entgeht, soll ein Franken in die AHV fliessen. Die Rede war von 2,1 Milliarden Franken für die AHV.
Die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) sprach sich entschieden gegen den grossangelegten Kuhhandel aus. Unter anderem ist in ihrer Medienmitteilung vom September 2018 zu lesen: «Von den 2,1 Milliarden Franken, die in die AHV-Kasse fliessen sollen, müssen 600 Millionen von den Arbeiter:innen durch die Erhöhung der Lohnabgaben von 0,15 Prozent bezahlt werden. Die PdAS lehnt es kategorisch ab, dass die Arbeiter:innen auch nur teilweise die Steuergeschenke in Milliardenhöhe für die Unternehmen berappen sollen.»
Die PdAS unterstütze das Referendum gegen die Steuervorlage17, das erfolgreich von linken Parteien und Organisationen ergriffen wurde. Die Abstimmung ging dann am 19.Mai 2019 deutlich verloren. 66,4 Prozent stimmten der Vorlage zu. Und hier schliesst sich der Kreis mit dem Antrag der WAK, im Kanton Zürich den Steuersatz für Unternehmen zu senken.
Was macht die SP?
«Wir werden unser Möglichstes tun, um dieser enormen Frechheit eine gewaltige Abfuhr zu erteilen», sagt Sevin Satan, politische Sekretärin der Partei der Arbeit Zürich (PdAZ) auf Anfrage des vorwärts. Und sie fügt hinzu: «Während immer mehr Arbeiter:innen wegen den steigenden Lebenskosten finanziell kaum über die Runden kommen, sollen die Unternehmen im Kanton Zürich wieder Steuergeschenke bekommen. Das kann es doch wirklich nicht sein».
Widerstand kündigt auch die Juso an. In ihrer Medienmitteilung schreibt sie, die Steuergeschenke seien «nicht zu verantworten». Denn gerade in Zeiten von multiplen Krisen sei «Sparpolitik Gift für die Gesellschaft». Spannend wird sein, wie sich die Kolleg:innen der Zürcher SP verhalten werden. Die Steuervorlage17 lässt grüssen.