Die FDP Zürich rückt nach rechts

dom. Mitte September hat sich die FDP Zürich zu ihrem Parteitag im Careum Auditorium versammelt. Neben den üblichen Parolen aus dem liberalen Forderungskatalog hat vor allem ein Thema die Ausarbeitung des neuen Parteiprogramms geprägt: die Migrationspolitik.

Filippo Leutenegger ist im vergangenen November als neuer Präsident der FDP Zürich angetreten und hat sogleich klargemacht, dass die Partei unter seiner Führung ihr migrationspolitisches Profil schärfen werde. Das ist nicht nur als Überzeugungs-, sondern auch als Verzweiflungstat zu sehen. Die einst so starke freisinnige Partei droht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. In solchen Krisenzeiten auf den Zug ausländerfeindlicher Politik aufzuspringen und sich rechten Wähler:innen anzubiedern, ist bei Figuren wie Leutenegger eine beliebte politische Strategie.

Stimmungsmache
Seine Parteikollegen hatten ihm in den vergangenen Wochen den Weg zu diesem Beschluss geebnet: Vizepräsident Matthias Müller verlangte angesichts der Aktualität eine unmissverständliche Stellungnahme im Migrationsbereich und Parteipräsident Thierry Burkart forderte im Gespräch mit der NZZ eine Einschränkung der illegalen Migration: Der Anstieg der «gewünschten» Zuwanderung etwa aus EU-Staaten geschehe «sehr, sehr schnell», während sich die Linke «gegen den Neubau von Wohnungen», den «Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, den Ausbau der Energieproduktion stelle». Hinzu komme der Asylbereich: «30000 Asylgesuche, vornehmlich aus Afghanistan, der Türkei, aus Eritrea oder aus den Maghreb-Staaten». Nur ein Viertel der Flüchtlinge seien anerkannt worden, trotzdem hätten 2023 «nur» 4316 abgewiesene Asylsuchende die Schweiz verlassen. Deshalb brauche es «unbedingt einen Politikwechsel (…) im Asylbereich».
Auch vor dem Hintergrund der kantonalen Abstimmung vom 22.September hatte die FDP Stimmung gemacht. In seinem regelmässigen Newsletter warnte Filippo Leutenegger vor der «Einwanderung in unsere Bildungs- und Sozialsysteme». Die Änderung des Bildungsgesetzes sieht vor, dass künftig auch «vorläufig aufgenommene» Ausländer:innen Stipendien für ihre Ausbildung oder ihr Studium beantragen können. Ein Ding der Unmöglichkeit findet Leutenegger: «Nicht anerkannte Flüchtlinge und abgewiesene Asylbewerber würden damit den anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt werden. Das geht in die falsche Richtung. Stipendien sollen nur denjenigen zugutekommen, die auch ein Bleiberecht haben. Das klare Nein unserer Delegiertenversammlung gibt uns hoffentlich Schwung im Abstimmungskampf».

Kein Widerstand aus der Basis
Im Careum Auditorium wurden nun Nägel mit Köpfen gemacht. Die Schweiz könne die Zuwanderung aus dem EU-Raum nicht mehr stemmen, meint Leutenegger. Das mediale Echo auf den «historischen Parteitag», wie ihn Karin Keller-Suter nannte, war insgesamt sehr leise. Und das, obwohl der migrationspolitische Kurs der Partei ohne nennenswerte Gegenwehr aus der Parteibasis deutlich verschärft wird. Wie die NZZ berichtet, hatten sich im Vorfeld «einige aus der Partei kritisch geäussert, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand». Einige Freisinnige hätten zwar für eine «weltoffene Partei» plädiert, die «Chancen der Zuwanderung» betonen wollen und gewarnt, eine Reduktion der Zuwanderung aus dem EU-Raum widerspreche «dem liberalen Geist».
Letztlich blieb Leutenegger aber eine grössere Auseinandersetzung erspart, obwohl die FDP sich als Unternehmenspartei bekanntlich immer wieder für die Personenfreizügigkeit eingesetzt hat. Die 250 FDP-Mitglieder wurden unter anderem von FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann darüber aufgeklärt, dass «Wirtschaftsflüchtlinge» keine Wertschöpfung brächten, dass Fehlanreize illegale Migrant:innen anlockten und dass der Wohlstand der Schweiz letztlich davon abhinge, ob sie im Umgang damit in eine härtere Gangart schalten könne. Als Druckmittel hätte die Schweiz schliesslich Gelder für Entwicklungsprojekte in der Hand, die man nach Belieben neu verteilen könne. Das schien die Basis zu überzeugen – die vorgegebenen Verschärfungen wurden diskussionslos abgesegnet.

Ablenkung und Spaltung
Dass sich die FDP in Zeiten, in denen sich der Diskurs nach rechts verschiebt, ausländerfeindliche Parolen zu eigen macht, ist keine Überraschung. Der Freisinn hat die Arbeitskraft immer schon als blosses Produktionsmittel betrachtet, das nach marktwirtschaftlichen Kriterien bewertet und eingesetzt wird. Das äussert sich auch in der Einteilung der Migrant:innen in erwünschte Arbeitskräfte, «Wirtschaftsflüchtlinge» oder Asylbewerber:innen. Die Grenzen zwischen diesen Kategorien verlaufen immer gerade entsprechend den ökonomischen Bedürfnissen und der politischen Kräfteverhältnisse.
Die Übernahme eines rhetorischen Stils, der auf die Bekämpfung von «Sozialtourismus» und «Asylmissbrauch» fokussiert, ist der Versuch, die Arbeiter:innen entlang dieser Linien zu spalten. Migrant:innen werden zu Sündenböcken für wirtschaftliche und soziale Probleme, um von den eigentlichen Ursachen – den inneren Widersprüchen des Kapitalismus – abzulenken. Statt solidarischer Lösungen propagiert die FDP restriktive Massnahmen, die die Schwächsten in der Gesellschaft treffen sollen.

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