Der Kampf für Mindestlöhne

flo. Nachdem letztes Jahr in Zürich und Winterthur Abstimmungen zu kommunalen Mindestlöhnen erfolgreich abgeschlossen werden konnten, ziehen nun Bern und Schaffhausen nach. Es sind wichtige Kämpfe für die Arbeiter:innenbewegung im ganzen Lande.

Ein Lohn, der zum Leben reicht? Für die herrschende Klasse wird es immer schwieriger, argumentativ Oberwasser zu haben, wenn es darum geht, zu erklären, warum Menschen das nicht haben sollten. Die Löhne steigen nicht im gleichen Mass wie die Inflation, während Sozialleistungen und Subventionen gekürzt werden. Man könnte meinen: Dieser Staat der Besitzenden hat den Nichtbesitzenden den Krieg erklärt. Gespart wird bei den Marginalisierten und Vulnerablen, wo es nur möglich ist.

Ein prägender Konflikt
Doch seit Jahrzehnten kämpfen Genoss:innen für bessere Wohn- und Mietverhältnisse in ihren Städten. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass am 18. Juni 2023 sowohl in Winterthur als auch in Zürich Abstimmungen zum Mindestlohn angenommen wurden. Nun ziehen auch die Städte Bern und Schaffhausen nach. Kurzzeitig hatte es so ausgesehen, als könnte die Initiative der Berner Genoss:innen an der Inkompetenz der Berner Behörden scheitern. Am Ende wurden die verschlampten Unterschriften jedoch wiederentdeckt. In Bern und Schaffhausen wird nun über faire Löhne abgestimmt.
Immer mehr Menschen leiden unter massiv ansteigenden Mieten. Besonders für jene, die sich nahe der bedrohlichen Armutsgrenze befinden, wird dies zur Existenzbedrohung. Dabei müssen wir klar feststellen, dass die Armut in der Schweiz aktuell in einem Ausmass zunimmt, dass jeder/jedem Kommunist:in die blanke Wut in die Venen treibt. Die Entwicklungen in Bern und Schaffhausen sind nicht isoliert, sondern Teil einer grösseren gesamtökonomischen Entwicklung. Auch in der Schweiz gibt es eine politische Basis für existenzsichernde Löhne. In den Städten ist in den letzten Monaten eine Bewegung entstanden, die sich für faire Löhne in den grössten Schweizer Städten einsetzt. Wie schon zuvor versuchen Kapitalverbände, die Einführung von verbindlichen Mindestlöhnen zu verhindern.

Linke Hochburgen
Die Entwicklungen in Bern und Zürich weisen in die richtige Richtung. Im Rahmen der Teuerungskrise verarmen die am meisten Prekarisierten und Unterdrückten zunehmend. Spätestens wenn man die Mietzinserhöhung im Briefkasten vorfindet, wird klar: Dieses System ist gegen uns und für die Besitzenden gebaut. Durch den Zufall unserer Geburt gehören wir nicht zu ihnen und sind der Willkür von Kapitalbesitzer:innen und ihren Launen ausgesetzt. Für Kapitalist:innen ist offensichtlich, dass die Mindestlohnbewegung eine der gefährlichsten politischen Bewegungen der letzten Jahre darstellt. Es überrascht daher nicht, dass die politischen Organisationen der Bourgeoisie die letzten Jahre mit erfolglosen Kämpfen gegen Mindestlohnabstimmungen verschwendet haben. Folglich ist es die richtige Strategie, jetzt in diversen Schweizer Städten solche Abstimmungen voranzutreiben.
Es ist kein Zufall, wo unsere Klasse bei vergangenen Mindestlohnabstimmungen Erfolge erzielen konnte. Den Anfang machten Winterthur und Zürich. Mit überraschend klarer Mehrheit hatten sich die grösste und sechstgrösste Stadt des Landes letztes Jahr für Mindestlöhne ausgesprochen. Die Gewerkschaften erkannten, dass der Föderalismus für einmal Sinn machen könnte: Die Entwicklungen in Winterthur und Zürich sollten zum Vorbild für das gesamte Land werden.
Dass nun in Bern und Schaffhausen, zwei der linksten Städte in der Deutschschweiz, ähnliche Abstimmungen initiiert wurden, überrascht daher nicht. Am Montag, den 28.Oktober, konnten in beiden Städten entsprechende Initiativen eingereicht werden – in Schaffhausen mit fünftausend, in Bern sogar mit 7414 Unterschriften. Es wird deutlich: Zumindest in den Städten besteht in der Bevölkerung der politische Wille, die aktuelle Lohnentwicklung zu beeinflussen. Dieser Wille hat sich im letzten Monat in zwei der wichtigsten Städte dieses Landes manifestiert. Die aktuelle Teuerungs- und Lohnentwicklung hat die Situation im Land verändert: Es wird offensichtlicher und weniger stigmatisiert, dass viele Menschen manche Rechnungen aufschieben müssen. Damit wird auch in aller Klarheit deutlich: Jene, die von solchen Prekarisierungsmassnahmen betroffen sind, tragen nicht selbst die Schuld. Sie wurden Opfer eines Systems, das grundlegende Änderungen benötigt.

Weiter kämpfen – überall
Die anstehenden Abstimmungen in Bern und Schaff-hausen werden die politischen Verhältnisse in diesen Städten nicht grundsätzlich umwälzen. Dennoch sind diese Kämpfe wichtige Anfangs- und Orientierungspunkte für unsere politische Bewegung. Die Sachlage ist relativ einfach: Die Bourgeoisie interessiert sich für Arbeiter:innen nur, wenn sie durch sie Geld verdienen kann. Unser Parlament hat sich in den letzten Monaten dafür entschieden, die Situation der Werktätigen in diesem Land zu untergraben. Es wird immer offensichtlicher: Wollen wir eine Lohn- und Wohnpolitik, die nicht ausschliesslich nach den Interessen der Besitzenden organisiert ist, müssen wir kämpfen. Das bedeutet, in den kommenden Monaten verstärkt die Strasse einzunehmen, Demonstrationen durchzuführen und uns zu organisieren. Gewerkschaftliche Organisation und Aktivität sind dafür Grundvoraussetzungen. Je mehr wir diese grundlegend problematischen Bedingungen anprangern, desto effektiver werden wir sein. Nur durch anhaltenden Druck und Engagement können wir die notwendigen Veränderungen herbeiführen und eine gerechtere Gesellschaft gestalten.

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