Der falsche Weg

sit. Mitte Dezember teilte die Regierung des Kantons Aargau mit, dass sie das Regionalspital in Zofingen an eine private Klinikgruppe verkauft hat. Die Gewerkschaft VPOD lehnt den Verkauf entschieden ab. Gross ist nun die Unsicherheit beim Personal des Spitals.

Es handelt sich um ein Paradebeispiel einer Privatisierung des öffentlichen Gesundheitswesens, so wie es im Lehrbuch der Kapitalist:innen steht: Das Regionalspital in Zofingen wird mit seinen 770 Mitarbeitenden für 50 Millionen Franken an die privaten Klinikgruppe Swiss Medical Network (SMN) verkauft. Dies teilte der Aargauer Regierungsrat an einer Medienkonferenz Mitte Dezember mit. Neben dem Kaufpreis übernimmt das SMN auch die gesamten Schulden des Spitals Zofingen. Besitzerin bis anhin des Regionalspitals ist die Spital Zofingen AG (SZAG), eine Tochtergesellschaft der Kantonsspital Aarau AG (KSA), die im Besitz des Kantons ist.

Gezielte Effizienzprogramme?
SMN ist eine führende private Klinikgruppe in der Schweiz, die zur Aevis Victoria SA gehört. Sie betreibt Krankenhäuser und Kliniken sowie medizinische Zentren im ganzen Land, mit einer breiten Palette an spezialisierten Angeboten in Bereichen wie Onkologie, Neurologie und Orthopädie. Aevis Victoria SA ist eine schweizerische Holdinggesellschaft, die in den Bereichen Gesundheitswesen, Hotelgewerbe und Immobilien tätig ist. Die Holding veröffentlichte in ihrem Jahresbericht 2023 eine detaillierte Finanzübersicht. Die Gruppe erzielte 2023 einen Gesamtumsatz von 953 Millionen Franken. Der Gewinn betrug 55,1 Millionen Franken und es wurden hohe Investitionen getätigt. Für 2024 erwartet Aevis eine positive Entwicklung im Hotelbereich, während im Gesundheitssektor eine Normalisierung der Kostendrucksituation und eine Verbesserung der Profitabilität durch «gezielte Effizienzprogramme» erwartet wird. «Gezielte Effizienzprogramme» können in der Regel mit Sparmassnahmen übersetzt werden, die oft – wenn nicht immer – auf dem Buckel des Personals durchgeführt werden. Dies dürfte in diesem Fall kaum anders sein.

Rendite als Hauptziel
Die Gewerkschaft VPOD Aargau/Solothurn lehnt den Verkauf «entschieden ab», schreibt sie in ihrer Medienmitteilung gleich nach dem Bekanntwerden des Deals. «Dieser Entscheid ist weder strategisch durchdacht noch wirtschaftlich sinnvoll und gefährdet sowohl die Interessen der Mitarbeitenden als auch die medizinische Grundversorgung der Region», hält sie weiter fest.
Die Regierung und der Verwaltungsrat der Kantonsspital Aarau AG (KSA) hätten es versäumt, eine nachhaltige Lösung im öffentlichen Interesse zu entwickeln «und setzen stattdessen auf die Privatisierung – ein Schritt, der keine langfristigen Herausforderungen löst, sondern neue schafft», so die Gewerkschaft weiter. Dann nennt sie einen zentralen Punkt: «Die Annahme, dass private Spitalträger effizienter arbeiten, entbehrt der Beweise.» Viel mehr zeigen Erfahrungen aus der Schweiz und anderen Ländern, dass Privatisierungen oft Einsparungen beim Personal, Leistungskürzungen und steigende Kosten für Patient:innen nach sich ziehen. «Als privatwirtschaftliches Unternehmen wird die Swiss Medical Network Holding SA ihre Entscheidungen in erster Linie an Renditezielen ausrichten – mit erheblichen Risiken für die Mitarbeitenden und das Leistungsangebot», hält die Gewerkschaft fest. Und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Ignoranz
70 Millionen Franken betragen die Schulden des Regionalspitals in Zofingen. Viel Geld? Ja, für ein:e Arbeiter:in mit einem Monatslohn von 4500 Franken, ein Hauch von Nichts für die 300 reichsten Menschen in der Schweiz, die auf ein Vermögen von 833,5 Milliarden Franken kommen. Ausschlaggebend sind aber die Finanzen des Kantons Aargau. Und der konnte in den letzten Jahren Gewinne verbuchen: Von 2018 bis 2023 sind es rund 916 Millionen Franken. Und die Reservekasse, die sogenannte Ausgleichsreserve, ist mit mehr als 950 Millionen prall gefüllt. Ergo: Auch wenn der Kanton Aargau bei Weitem nicht so vermögend ist wie die 300 Reichsten der Schweiz, kann er sich eine Schuld von 70 Millionen ziemlich locker leisten.
Eine nachhaltigere Alternative zum Verkauf des Spitals wäre eine «stärkere Integration der SZAG in die kantonale Spitalstruktur gewesen», schreibt der VPOD. Mit gezielten Investitionen und einer langfristigen Strategie hätte diese Lösung die finanzielle Stabilität des Spitals gesichert. Stattdessen verfolgt die Regierung einen kurzfristigen Ansatz, der langfristig die Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit schwächt. So kommt der VPOD zum Schluss: «Der Verkauf der Spital Zofingen AG ist nicht nur ein Angriff auf die öffentliche Gesundheitsversorgung, sondern auch eine Ignoranz gegenüber den Interessen der Bevölkerung und der Mitarbeitenden. Statt Klarheit zu schaffen, wirft dieser Schritt neue Fragen auf, die die Unsicherheit zusätzlich verstärken.»

Die Forderungen der Gewerkschaft
Gross ist die Unsicherheit vor allem für das Personal des Spitals in Zofingen. Statt Stabilität und Perspektiven drohen ihnen nun schlechtere Arbeitsbedingungen, steigender Druck und unklare Zukunftsaussichten. Welche Folgen ergeben sich unter anderem für die Pensionskasse, die Weiterbildungen oder die Lohnentwicklung? Wie sieht die langfristige Strategie aus? «Die Mitarbeitenden der SZAG sind das Herzstück dieses Spitals. Es ist untragbar, dass ihre Interessen durch eine Privatisierung aufs Spiel gesetzt werden», wird Dariyusch Pour Mohsen, Regionalleiter VPOD Aargau/Solothurn in der Medienmitteilung zitiert. Die Gewerkschaft fordert, dass Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen verbindlich garantiert werden, und zwar im Rahmen eines Gesamtarbeitsvertrags. «Es ist höchste Zeit, dass die Regierung Verantwortung übernimmt und eine Lösung findet, die sowohl die Bedürfnisse der Bevölkerung als auch die Interessen der Mitarbeitenden berücksichtigt. Die Privatisierung ist der falsche Weg», hält der Gewerkschaftskollege zum Schluss fest.

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