BVG-Bschiss stoppen!
sit. Mehr bezahlen für weniger Rente. Dies droht den Arbeiter:innen in der Schweiz mit der BVG-Reform, die am 22.September zur Abstimmung kommt. Anfang Juli hat ein breites Bündnis rund um den Schweizerischen Gewerkschaftsbund den Abstimmungskampf lanciert.
Zuerst behauptet das Bundesamt für Sozialversicherung auf seiner Website Folgendes: «Die Reform geht das Finanzierungsproblem an, das durch die höhere Lebenserwartung und die tieferen Erträge auf dem Altersguthaben entsteht.» Nicht erwähnt wird, in welchem Interesse das angebliche Finanzproblem gelöst werden soll. Dann kommen die Fakten: «Dazu wird der Umwandlungssatz in der obligatorischen beruflichen Vorsorge von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent gesenkt.». Dieser Prozentsatz gibt an, wie hoch später die monatliche Rente sein wird. Bei einem Altersguthaben von 100000 Franken beträgt die jährliche Rente heute 6800 Franken. Mit der Reform würde sie noch 6000 Franken betragen.
Dann erklärt das BSV: «Um eine Kürzung der künftigen Renten möglichst zu verhindern, haben Bundesrat und Parlament Ausgleichsmassnahmen beschlossen.» Diese Massnahmen sollen die Senkung des Umwandlungssatzes kompensieren. Aber auch nach allem Bemühen, den Rentenabbau schönzureden, muss das BSV zugeben, dass die angebliche Kompensation nicht viel mehr als ein Zückerchen ist: «Trotzdem kann die Reform in gewissen Fällen zu tieferen Renten in der obligatorischen beruflichen Vorsorge führen.» Kurz gesagt: Die BVG-Reform, die am 22.September zur Abstimmung kommt, ist ein weiterer Versuch, die Renten zu kürzen – und in wessen Interesse das ist, muss nicht gross erklärt werden.
Verheerende Folgen
Das BSV, immerhin eine staatliche Stelle, könne die Frage nach den effektiven Auswirkungen der Reform «nicht genau beantworten und verweist die Stimmbevölkerung an die Pensionskassen», schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) in seiner Medienmitteilung vom 2.Juli. «Die Gewerkschaften sitzen in genau diesen Pensionskassen und kennen die konkreten Folgen, insbesondere im Gewerbe, in der Gastronomie, im Bau und in weiteren Tieflohnbranchen», hält der SGB fest. Die Folgen der Vorlage für die Arbeiter:innen in den Tieflohnsektoren seien schlicht «verheerend», so der Gewerkschaftsbund weiter. In der Tat: Die Senkung des Umwandlungssatzes führt zu Rentenkürzungen von bis zu 3200 Franken jährlich. Gleichzeitig werden mit der Reform die obligatorischen Lohnabzüge erhöht. Die Kosten, sprich die Lohnbeiträge, für die Arbeiter:innen steigen um bis zu 2400 Franken pro Jahr. «Sie hätten mit der Reform noch weniger Nettolohn und würden trotzdem keine höhere Rente im Alter erhalten – oder sogar eine tiefere», informiert der SGB.
42 Franken mehr Abzüge, 258 Franken weniger Rente
Auf der Website bvg-bschiss.ch werden konkrete Beispiele genannt. Die 49-jährige Mitarbeiterin einer Kita (Fachperson Betreuung) verdient durchschnittlich 5400 Franken im Monat. Für sie bedeutet die Reform, höhere Beiträge zu zahlen und weniger Rente zu erhalten: 100 Franken mehr Abzüge, 127 Franken weniger Rente. Eine 25-jährige medizinische Praxisangestellte verdient im Monat im Schnitt 4900 Franken. Für sie bedeutet die Reform: 74 Franken mehr an Beiträgen bezahlen für 47 Franken mehr Rente. «Sie hat ein Leben lang höhere Kosten und weniger Lohn auf dem Konto für nur wenig mehr Rente. Selbst wenn sie das Geld bar unters Bett legt, hat sie am Ende mehr als mit diesem BVG-Bschiss», lautet das Fazit der Gewerkschaften. Aber es kommt noch schlimmer, nämlich für den 45-jähriger Fachverkäufer im Grosshandel, der im Schnitt monatlich 7100 Franken verdient. Für ihn bedeutet die BVG-Reform: mehr bezahlen und massiv weniger Rente, 42 Franken mehr Abzüge, 258 Franken weniger Rente.
Insbesondere für Frauen funktioniere die Reform nicht, schreibt der SGB. Und fügt hinzu: «Sie werden kräftig zur Kasse gebeten. Aber die grosse Rentenlücke in den Pensionskassen bleibt bestehen.» Grund dafür ist, dass ihre Nachteile durch Erwerbsunterbrüche und die ungleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit mit der Reform nicht ausgeglichen werden.
Notwendig ist eine Volkspension
Machen wir es kurz: Dem BVG-Bschiss muss eine deftige Absage erteilt werden. Klar muss aber auch sein, dass ein Nein zur BVG-Reform nicht reicht. Denn der Angriff auf die Renten wird weitergehen. Und zwar aus einem einfachen Grund: Die Altersvorsorge ist Klassenkampf. Auf der einen Seite stehen diejenigen, denen es egal ist, ob die Menschen im Alter am Hungertuch nagen müssen. Auf der anderen Seite der Barrikade steht eine solidarische Gesellschaft, die unter anderem auch Art. 112, Abs. b der Bundesverfassung ernst nimmt. Dieser besagt, dass die AHV-Renten «den Existenzbedarf angemessen decken» müssen.
Nötig dazu ist eine Volkspension, wie sie die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) vorschlägt. Das neue Rentensystem soll schrittweise eingeführt werden. Ab einem bestimmten Zeitpunkt werden keine neuen Beiträge mehr in die Rentenfonds der 2.Säule, sondern in die neue AHV eingezahlt. Das Kapital, das die Versicherten vor dem Inkrafttreten des neuen Systems in den Pensionskassen angespart haben, würde weiterhin von diesen verwaltet werden und die entsprechende Rente auszahlen. Auf diese Weise werden die erworbenen Ansprüche aller Versicherten gesichert. Sobald die Personen, die seit Beginn ihres Arbeitslebens in die neue AHV eingezahlt haben, in Rente gehen, wird der Übergang zum neuen Altersvorsorgesystem abgeschlossen sein. Die Mindestrente soll dabei 4000 Franken betragen. Ja, denn die Würde des Menschen ist unantastbar!