Ausgeliefert statt angekommen!

Endlich! Bund und Kantone rücken heute geflüchtete Frauen in den Fokus. Es zeigt sich: Geflüchtete Frauen sind im Schweizer Asylsystem nicht sicher und einer prekären Situation ausgesetzt. TERRE DES FEMMES Schweiz nimmt die Behörden beim Wort und fordert endlich Gerechtigkeit und Schutz für geflüchtete Frauen in der Schweiz!

Soeben hat der Bundesrat seine Analyse zur Situation von Frauen und Mädchen aus dem Asylbereich in den Bundesasylzentren veröffentlicht und Massnahmen angekündigt (Antwort auf das Postulat Feri 16.3407 vom 9. Juni 2016). Begleitet wird der Bericht durch den Amtsbericht des Staatssekretariats für Migration (SEM) und eine Studie des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR). Letztere widmet sich der Situation von Flüchtlingsfrauen in den Kantonen.
Geflüchtete Frauen sind ausgeliefert
Die Analysen sind eindeutig: Die Schweiz denkt geflüchtete Frauen nicht mit, sondern nimmt Männer als Massstab. Deshalb liefert das Asylsystem geflüchtete Frauen Gewalt aus, unterstützt Gewaltbetroffene nicht und schafft prekäre Situationen – drei Beispiele dafür:

Während in anderen Institutionen Konzepte zur Gewaltprävention inzwischen dazugehören (man denke an Wohnheime für Menschen mit Behinderung), blendet das Asylsystem den Schutz von Frauen vor Gewalt durch Sicherheitspersonal, Mitflüchtlinge, Betreuer oder Familienmitglieder aus.
Weil das Dolmetschen nicht garantiert ist, ist es bereits zu ungewollten Sterilisationen und ungewollten Schwangerschaftsabbrüchen von geflüchteten Frauen gekommen.
Weil das Geld nicht reicht, strecken geflüchtete Mütter das Babymilchpulver mit Maizena.

Angekündigte Massnahmen sind zahnlos
Die nun geplanten Massnahmen des Bundes und der Kantone sind lückenhaft und unsystematisch. «Wenn Bund und Kantone es ernst damit meinen, Mädchen und Frauen vor Gewalt zu schützen, was ihre Pflicht ist!», so Simone Eggler von TERRE DES FEMMES Schweiz, «dann braucht es umfassendere, systematischere und vor allem verbindlichere Massnahmen». Dazu ist die Schweiz auch aufgrund der Istanbul-Konvention des Europarats verpflichtet.
Vorliegende Analysen sind ungenügend
Unsorgfältigerweise haben Bund und Kantone keine umfassende Untersuchung geleistet: So hat das SEM seine Bundesasylzentren selbst überprüft, ein No-Go. Besser haben es die Kantone gemacht, indem sie das SKMR ihre Asylunterkünfte haben überprüfen lassen. Insgesamt war der Auftrag jedoch zu eng gefasst und lässt viele Forschungslücken übrig. So wurden z.B. nicht alle Formen von Gewalt an Frauen untersucht sowie die Situation in der Nothilfe und bei Zwangsmassnahmen ausgeblendet. «Nichtsdestotrotz sind die konkreten Empfehlungen der SKMR-Analyse zu unterstützen», sagt Simone Eggler von TERRE DES FEMMES Schweiz, «wie zum Beispiel separate Unterkünfte für alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder».

TERRE DES FEMMES Schweiz fordert
Hilfe auch bei Tatort Ausland: Alle geflüchteten Frauen und Mädchen, die auf der Flucht oder im Herkunftsland Gewalt erlebt haben, müssen spezialisierte Unterstützung erhalten. Nicht nur diejenigen, die in der Schweiz bleiben dürfen. Ansonsten verweigert die Schweiz gewaltbetroffenen und traumatisierten Menschen nach wie vor unbedingt nötige Hilfe.

Obligatorische Wissensvermittlung: Die Aus- und Weiterbildung aller Mitarbeiter_innen im Asylbereich muss obligatorisch Wissen über Geschlecht und Gewalt an Frauen beinhalten. Dies ist mit den ankündigten Massnahmen nicht der Fall, weder obligatorisch noch systematisch.

Pflicht zu Gewaltprävention und Unterstützung: Die Mandatierungen im Asylbereich müssen obligatorisch eine Verpflichtung zu Geschlechtergerechtigkeit sowie Prävention, Schutz und Unterstützung bei Gewalt an Frauen und Mädchen beinhalten.

Mehr Forschung: Es braucht zusätzliche Studien zur Situation von geflüchteten Frauen und Mädchen in der Schweiz. Insbesondere zur Vielfalt der Frauen, zum noch prekäreren Nothilfesystem, zum Asylverfahren und zu Zwangsmassnahmen.

Als langjährige Kämpferin für geflüchtete Frauen und als Mitglied in der Begleitgruppe für die aktuellen Analysen, ist es für TERRE DES FEMMES Schweiz ein Erfolg, dass Bund und Kantone erstmals anerkennen: Im Asylsystem braucht es eine Geschlechterperspektive und entsprechende Massnahmen, um Gewalt an Frauen zu verhindern und Betroffene zu unterstützen. Aber: Blosse Lippenbekenntnisse werden wir nicht dulden.

Weitere Infos: https://www.terre-des-femmes.ch/de/politische-arbeit/kampagne-ausgeliefert-statt-angekommen

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