Yalla, Feminismus!
sah. Warum noch ein weiteres feministisches Buch? Die Antwort liefert Reyhan ?ahin, bekannt als Lady Bitch Ray. Sie prangert Sexismus und Rassismus in Hip-Hop und Wissenschaft an, erklärt den Feminismus und zeigt auch gleich, wie Protest geht.
Noch ein Buch zum Thema Feminismus? Reyhan ?ahin aka Dr. Bitch Ray beantwortete die Frage gerade selber in «Yalla, Feminismus!», das 2019 im Klett-Cotta Verlag erschienen ist. Ihre Kritik, dass viele Publikationen in den letzten Jahren überwiegend von weissen cis Frauen ohne Migrationsbiografie geschrieben wurden, stimmt.
Diese Autorinnen kennen die Welt der beispielsweise von muslimischen Menschen oder People of Color kaum. ?ahin schreibt: Der Begriff «Intersektionalität» existiert zwar in der Bedeutung der Mehrfachdiskriminierung seit mehreren Jahren in den zeitgenössischen (gender-)feministischen, aktivistischen Debatten in Deutschland – doch in echt kommt dieser Bereich des Zusammenspiels von Diskriminierungsformen wie Rassismus und Sexismus in unseren gesellschaftlichen Debatten zu kurz.
Viele persönliche Erfahrungen…
Schwerpunkt ist im Buch daher auch persönliche Erzählungen, um Einblicke in die Welt von Reyhan ?ahin und den gemachten diskriminierenden Erfahrungen bei ihrer Arbeit als Wissenschaftlerin und Musikerin darzustellen. Leiten lässt sie sich vor allem von drei Bereichen, die sie bei der eigenen Emanzipation beeinflusst haben: Der erste Bereich ist der Feminismus und Hip-Hop. Hier arbeitete Reyhan ?ahin als Lady Bitch Ray in der Sparte Deutschrap. Islam und Feminismus ist ein zweiter Bereich, wobei hier vor allem auch die Debatte rund um das sogenannte Kopftuch in Deutschland einfloss. Aber auch der Status quo von Frauen im Wissenschaftsbetrieb war prägend. Grosses Anliegen der Aktivistin mit diesem Buch ist es, Frauen, queere, transidente, transgender sowie inter- und asexuelle Personen, Menschen mit Behinderungen, People of Color sowie andere Marginalisierte zu motivieren, sich mehr einzumischen. Das heisst, Diskurse mit Inputs voranzubringen und an queerfeministischen Debatten teilzuhaben.
Bunte, eigene Cupcakes backen
«Die Marginalisierten», so Reyhan ?ahin, «sollen nicht nur ein Teil des bestehenden feministischen Kuchens sein, sondern eigene Cupcakes backen». Die Aktivistin hatte sich selbst nie als «Feministin» bezeichnet. ?ahin schreibt, dass sie «ehrlich gesagt, lange Zeit auch nicht wusste», dass sie eine sei. Wohl auch, weil sie sich in der bestehenden feministischen Szene wenig zurechtfand und sich nicht mit ihr identifizieren konnte. ?ahin fiel auf, dass vorwiegend weisse Frauen, das Selbstbewusstsein haben, sich als Feministinnen zu labeln. Hier folgerte die Aktivistin, dass dies vielleicht zu den weissen Privilegien der Frauen gehört, den Mut zu haben, um dies mit einer so grossen Selbstverständlichkeit zu sagen. Solche Aussagen hört man von Frauen mit Migrationshintergrund eher seltener. Ihr Fazit lautete: «Sie fühle sich irgendwie nicht dazugehörig zu dieser weissen älteren wie jüngeren Feminismus-Benenn-Mafia.» Da ist sie nicht die Einzige, die auf dieses Label verzichtet, es aber bei anderen respektiert. Viele POC- Feministinnen bezeichnen sich nicht als Feministin und auch muslimische Aktivistinnen meiden das Wort.
«Nazis raus» und #NoAfD
Dass Lady Bitch Ray keine leeren Versprechungen macht und fleissig Cupcakes bäckt, dafür gibt es viele Beispiele. Immer handelt sie im Sinne der Strömung des intersektionalen Feminismus, der nebst dem Sexismus auch andere Formen von Diskriminierung wie Rassismus oder Klassismus berücksichtigt. Auf der Seite musikexpress.de wird ihr Protest gegen AfD und Nazis bei der Frank-Walter Steinmeiers Wiederwahl zum Bundespräsidenten im Februar 2022 gezeigt. Reyhan ?ahin war vor Ort, weil sie in Bremen für die Partei «Die Linke» zum Mitglied der deutschen Bundesversammlung gewählt worden war. ?ahin trug am Wahlsonntag einen weissen Schleier samt Kleid und einen blauen Beutel mit der Aufschrift «Nazis raus» und #NoAfD. Mitte März 2023 war Reyhan ?ahin auch im Fotomuseum Winterthur und sprach über die Arbeiten der Künstlerin Valie Export. Bekannt wurde die Medienkünstlerin beispielsweise 1969 mit ihrer Aktion «Aktionshose: Genitialpanik». Durch solche Aktionen mit Lady Bitch Ray werden verschiedene feministische Kämpfe miteinander in Bezug gebracht. Aktionen und Anliegen verknüpfen und fügen sich in ein Ganzes ein. So geschieht es auch bei Reyhan ?ahin und der Buchautorin Charlotte Roche.
«Yalla, Feminismus!», Reyhan ?ahin, Verlag Tropen, 320 Seiten, ISBN: 978-3-608-50427-9