Wir haben heute längst die Möglichkeiten, um eine effiziente Wirtschaft der gemeinsamen Planung zu errichten. In dieser Gesellschaft wäre der tagtägliche Diebstahl an der arbeitenden Bevölkerung aufgehoben und der von ihr geschaffene Wert würde ihr direkt zukommen.
«Arbeit ist demnach ganz offensichtlich das einzige allgemein gültige und auch das einzige exakte Wertmaß oder der alleinige Maßstab, nach dem man die Werte der verschiedenen Waren immer und überall miteinander vergleichen kann.» (Adam Smith)
Wir leben in einer Welt, die der Macht des Geldes ausgeliefert ist. Geld heisst Macht und wer viel Geld hat, hat auch viel Macht, die er meist dafür einsetzt, um sich noch mehr Geld und damit auch Macht anzuhäufen. Doch eigentlich ist es erst die Arbeit, die dem Geld irgendwelchen Wert gibt. Arbeit schafft Reichtum, immer. Geld erhält jedoch nur Wert, solange jemand bereit ist, seine Arbeitskraft dafür einzutauschen. Wir sind nicht von der Finanzindustrie abhängig, aber die Finanzindustrie von uns.
Wieso brauchen wir das Geld?
Wir brauchen es, da es zusammen mit einem dazugehörigen Markt den Wertmassstab liefert, um die ungeheuer komplexen Abläufe einer hochgradig arbeitsteiligen Produktionsweise bewältigen zu können. Der Realsozialismus, der eine Wirtschaft ohne die negativen Folgen des Marktes erschaffen wollte, wurde somit im Jahre 1920 folgendermassen kritisiert: «Für die Wirtschaftsrechnung wäre die Statistik nur dann verwendbar, wenn sie über die Naturalrechnung, deren geringe Eignung für diese Zwecke wir nachgewiesen haben, hinausführen könnte. Das ist natürlich dort, wo kein Austauschverhältnis der Güter im Verkehr gebildet wird, nicht möglich.» (Ludwig von Mises, 1920) Dabei weist er auf die Schwierigkeit hin, den Wert einer Ware anders als indirekt über Marktmechanismen festzustellen. Denn die direkte Berechnung der Menge Arbeit, welche in einem Produkt steckt, schliesst eine Unzahl an verschiedenen Parametern ein, welcher kein Mensch alleine bewerkstelligen kann. Aus diesen Gründen war der freie Markt mit seiner oftmals brutalen Konkurrenzlogik also über lange Zeit ein quasi notwendiges Übel, um diesem rechnerischen Problem aus dem Weg zu gehen. Dieses Problem zeigte sich im Realsozialismus umso stärker, je komplexer die wechselseitigen Abhängigkeiten im Produktionsprozess wurden, was zu teils absurden Anekdoten aus dem wirtschaftlichen Alltag führte.
Neue Möglichkeiten
Im Unterschied zu 1920 haben wir heute jedoch völlig andere Möglichkeiten, um solche komplexen rechnerischen Probleme anzugehen: «Ich habe Experimente mit einem bescheidenen Computer unseres Instituts gemacht, und dabei stellte ich fest, dass ich die Gleichung einer Ökonomie etwa in der Größe der schwedischen Wirtschaft innerhalb von ungefähr zwei Minuten lösen konnte. Wenn man einen solchen Computer benutzen würde, wie die Abteilung für Physik oder jede Wetterstation ihn hat, dann wäre es eine ziemlich einfache Angelegenheit, solche Gleichungen auch in anderen Größenordnungen zu lösen.» (Paul Cockshott)
Damit einhergehend müsste also die gesamte Debatte über die Alternativen zur heutigen Organisation der Wirtschaft unter völlig neuen Prämissen aufgerollt werden. Denn so einfach es der Markt macht, anhand des Preises einer Ware rückzuschliessen, wieviel geleistete Arbeit darin steckt, so schwierig macht er es, die im Produktionsprozess stattfindende Ausbeutung augenscheinlich zu machen. Diese findet schlussendlich dort statt, wo man einem Arbeitenden weniger ausbezahlt, als er selbst an Wert erschafft. Konkreter ausgedrückt mit einem fiktiven Beispiel trägt zum Beispiel der Industriebäcker Hans Muster rein mit seiner Arbeitskraft täglich zur Produktion von 200 kg Brot bei. Mit seinem ausbezahlten Lohn könnte er sich jedoch nur 100 kg davon leisten. Das Zugriffsrecht auf die übrig gebliebenen 100 kg Brot in Form von Geld geht somit in konkret oftmals kaum mehr nachvollziehbarer Weise in die Taschen von irgendwelchen BesitzerInnen, SpekulantInnen, Bankiers oder sonstigen ProfiteurInnen des heutigen Systems.
Alltäglicher Diebstahl
Auch dank Jahrzehnte gezielter neoliberaler Propagandatätigkeit hat sich somit das Denken weitgehend durchgesetzt, dass Geld die Grundlage von Reichtum ist. Entspricht es ja auch unseren Alltagserfahrungen, dass es vor allem Leute sind, die sich gar nie direkt am Produktionsprozess zum Beispiel eines Ferraris beteiligen, die sich diesen auch leisten können. Rein objektiv betrachtet liegt die Grundlage dieses Reichtums jedoch im tagtäglichen Diebstahl an der arbeitenden Bevölkerung. Besteuerung der Reichen ist in diesem Zusammenhang also vor allem ein Mittel, um einen Teil des Diebesgutes wieder den Bestohlenen verfügbar zu machen.
Perspektivisch betrachtet wäre es jedoch sinnvoller, transparenter und auch weniger verwirrend, man würde die ganze Verteilungsproblematik schon dort anpacken, wo der tagtägliche Diebstahl beginnt: Im Erkämpfen von Rechten, die den ProduzentInnen selbst ihren erschaffenen Wert von Anfang an zusichert. Die Grundlage dafür bietet das Einführen einer gesamtgesellschaftlichen Zeitrechnung, die uns von der Abhängigkeit der Dynamik des freien Marktes emanzipiert, ohne uns in ein ökonomisches Chaos zu stürzen. Wer mit seinem Schweiss, seiner Lebenszeit und seinem Schöpfungsdrang den materiellen Reichtum unserer Gesellschaft Tag für Tag neu erschafft, sollte auch das Recht haben, darüber zu bestimmen.