Intensive Minderheitserfahrung

Gavriel Pinson (links) und Denis de la Reussille

dab. Sie sprachen über den Parlamentsbetrieb in Bern, über kantonale und nationale Politik, über Lobbying, Transparenz, Aussenpolitik und eine linke Fraktion nach den Wahlen: Der Neuenburger PdA-Nationalrat Denis de la Reussille und der Präsident der PdA Schweiz, Gavriel Pinson, machten einen Besuch im Säli der Brasserie Lorraine Bern.

«Als einzelner Kommunist im Nationalrat – lohnt sich das?», war der Auftritt von Denis und Gavriel in Bern überschrieben. Viele fragten sich, ob sich Denis selber als Kommunist bezeichne, da die Westschweizer Sektionen der PdA, bedingt durch Regierungsbeteiligungen und starke Parlamentsfraktionen, etwas weniger links politisieren als die Deutschschweizer Sektionen. » Weiterlesen

Claire Liengme: «Ich habe ein solidarisches Temperament»

Claire Liengme

dab. Die Kunstschaffende Claire Liengme aus St-Imier im Südjura kandidiert auf der Liste 24 von PdA/POP Berne für den Nationalrat. In Kunst und Politik schätzt sie es, von der Welt zu lernen und Vorurteile zu bekämpfen. Sie hat Lust, ihren Baustein zum Gebäude der Gesellschaft beizusteuern. Genossin Claire im Gespräch mit dem vorwärts.

In welchem Gebiet ist dein bevorzugtes politisches Engagement?
In den letzten 15 Jahren arbeitete ich vor allem im Bereich der Kultur, in der künstlerischen Praxis und in Vereinen wie dem Jurassischen Kunstverein Moutier, der zum Museum der zeitgenössischen Kunst Moutier gehört. Sehr aktiv bin ich im Kino des Espace noir in St-Imier. Die Kunst weckt meine Neugier und mein Interesse an der Gesellschaft. Mit der Kunst frage ich ständig. Kommt eine Antwort, platzt sie und zehn andere Fragen erscheinen. Auf der PdA/POP-Liste zu sein, bedeutet, dass ich Position beziehen, mich entscheiden und mit meinen Möglichkeiten konkret handeln muss. Kultur und Politik ergänzen sich. Ich lebte lange in Moutier. Durch meine autonomistische Familie und meine Zusammenhänge wurde ich politisch sensibilisiert. Ich verfüge über ein solidarisches Temperament, und so wurde ich bereits im Alter von 20 Jahren Parteimitglied.

Für welche politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Anliegen würdest du dich im Nationalrat engagieren?
Die ökologische Situation, Verlust der Biodiversität, Klimaerwärmung und Verschmutzung beschäftigen mich stark. Wie konnten wir nur in diese Situation kommen, obwohl die Fakten seit Jahrzehnten bekannt sind? Die Gründe für diese Ungleichgewichte sind die gleichen wie für den mangelnden Respekt gegenüber Menschen und Tieren und liegen im grenzenlosen Gewinnstreben ohne Bewusstsein. Ohne soziale Gerechtigkeit verliert die Gesellschaft ihre Stabilität, ihr Vertrauen. Ungleichheit und schlechte Verteilung des Reichtums schaffen Unsicherheit, Vereinzelung, Erschöpfung im Beruf, Familien und Alleinerziehende, die nicht bis zum Monatsende durchkommen. Die Überproduktion bringt industrielle Produktion, Verschwendung und vergiftete Böden. Diese Verschlimmerung der Lebensbedingungen entsolidarisiert.

Welche Techniken und Sujets bevorzugst du in deiner künstlerischen Arbeit?
Ich habe keine bevorzugten Sujets oder Arbeitstechniken, weil ich mit dem arbeite, was ich vorfinde. Kunst hilft mir, mich besser kennenzulernen und die Welt und ihre Mechanismen zu verstehen. Kunst verstehe ich als Abenteuer, ich liebe das Risiko, dieses Spiel mit dem Unerwarteten. Gelingt eine Arbeit, habe ich das Gefühl, ein Leben – Kindheit, Reife und Alter – durchlebt zu haben, mit glücklichen Momenten, Befriedigung, grauenhaften Zweifeln und Frustration. Auch nach vielen Jahren Erfahrung bin ich immer wieder Anfängerin.

Welche Künstler*innen inspirieren und beeinflussen dich?
Viele. Das letzte Werk, das ich sah und das mich sehr beeindruckte, war die Robert-Walser-Sculpture in Biel, die ich vom Aufbau bis zum Rückbau erlebte. Nach meiner Arbeit spazierte ich oft durch die Innenwelt der Skulptur, setzte mich auf eine Bank und wartete auf den Zug, hörte den Leuten zu, die Walsertexte lasen. Jedes Mal sagte ich mir: ‹Was für ein Glück, diese Literatur zu hören, einfach so, gratis, auf dem Heimweg›. Mit dieser kollektiven Installation gab uns Thomas Hirschhorn ein gutes Beispiel davon, was Kunst ist Mehr als ein Objekt, die Vereinigung all jener, die der Skulptur Leben gaben in diesen drei Monaten. Es ist das gelebte Experiment von Besucher*innen und regelmässig Mitarbeitenden. Das Werk ist inzwischen abgebaut, bleibt aber in der kollektiven Erinnerung. Jedes erlebte Experiment verwandelt sich in etwas Neues, Worte, Ideen, materielle Konstruktionen und weitere Experimente. Kunst und Ideen sind nicht statisch.

Welches sind deine Verbindungen zwischen Kunst und Politik?
Wo es Verbindungen zwischen meinen künstlerischen Werken und der Politik gibt, sind sie nicht sichtbar, denke ich. In beiden Gebieten finde ich mein Interesse für die Gesellschaft, und mein Bestreben, von der Welt dauernd zu lernen und meine Vorurteile zu bekämpfen. Kunst und Politik haben gemeinsam, dass sie Garantinnen der Freiheit sein sollen. Die Kunst erlaubte mir, die verschiedensten Orte zu besuchen und viele Menschen kennenzulernen. Ich entwickelte eine Menschenfreundlichkeit und eine Freundschaft mit der menschlichen Gemeinschaft. Aus dieser Haltung heraus habe ich Lust, meinen Baustein zum Gebäude der Gesellschaft beizusteuern.

Rolf Zbinden: «Zückerlipolitik für die Frauen* ist passé»

sah. Acht Jahre im Amt als Stadtrat in Bern liegen hinter Rolf Zbinden – nun geht er für die PdA bei den Nationalratswahlen ins Rennen. Der Kandidat arbeitete bei Themen immer eng mit der ausserparlamentarischen Basis zusammen und verfügt dank zig Jahren Aktivismus über viel Erfahrung.

«Wahlen sind kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um wahrgenommen zu werden und der arbeitenden Bevölkerung eine Stimme zu geben» – das schreibt die PdA Bern auf ihrer Seite. Was denkst du dazu?
Es ist offensichtlich, dass die Lösung der drängendsten Fragen nicht an Parlamente delegiert werden kann – erst recht nicht an Regierungen. Lassen wir uns von Wahlversprechen nicht einlullen! Von oben herab sind wir noch nie beglückt worden – es braucht eine laute Stimme und heftig Dampf von unten.

Der Titel des Wahlprogramms 2019 lautet: ‹Es braucht einen radikalen Wechsel›. Kannst du mehr darüber erzählen?
Der Raubbau an unseren natürlichen Lebensgrundlagen und die Ausplünderung der gesamten Erde zeigen uns auf, dass ein ‹weiter so› nicht mehr verantwortet werden kann. Mit einem ‹Green New Deal› und ein bisschen ‹Entwicklungshilfe› können wir uns nicht freikaufen. Der Wandel muss so radikal sein, dass wir nicht auf altbackene Rezepte zurückgreifen können. Dieser Wandel ist aber nicht zu machen auf der Basis der Profitwirtschaft.

Du kandidierst für den Nationalrat: Welche besonderen Arbeiten stehen jetzt für dich persönlich als Kandidat an?
Es gibt Flugblätter, Plakate und das nationale Wahlprogramm. Das alles kommt nicht von selbst unter die Menschen. Und das einzige ‹Kapital› sind unsere Beine und Hände – und unsere Gespräche.

Themen zu wichtigen nationalen und internationalen Anliegen gibt es genug: solidarische Altersvorsorge, Krankenkasse, Friedenspolitik, Migrationspolitik… Für welches Thema setzt du dich besonders ein?
Bei allen von dir erwähnten Themen geht es um ein gemeinsames Grundthema: um die Frage der Solidarität. Vereinzelung, Konkurrenz, Misstrauen entfalten verheerende soziale Kräfte und vergiften das Zusammenleben von den Wurzeln her. Radikale Politik muss folglich auf jede Einzelfrage mit dem unbedingten Anspruch auf Solidarität antworten.

Auf der Strasse hat die PdA/POP bei vielen Anlässen gegen SVP und rechtsnationalistische Kräfte Stellung bezogen. Rechtsextremismus wird inzwischen von grossen Parteien getragen und parlamentarisch vertreten – wie sehen Möglichkeiten zur Gegensteuer von links aus?
Rechtsextremismus und Rassismus sind Resultate der Verdrängung: Die «Herrenmenschen» können nicht zulassen, dass ihr exklusives Recht auf ein gutes Leben auf Kosten der anderen Menschen in Frage gestellt wird – und doch dämmert ihnen irgendwie, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Rechtsextremismus und Rassismus haben also nichts mit «retro» zu tun. Sie sind topaktuell. Und sie verstärken sich mit jedem Zugeständnis, das ihnen gemacht wird. Eine linke Antwort muss lauten: Ja, die schreckliche Vorherrschaft des imperialen Herrn hat definitiv abgewirtschaftet – und es ist unsere linke Pflicht, diese Herrschaft zu beenden.

Es ist Frauen*streikjahr. Was hat dich bis jetzt im Streikjahr besonders bezüglich feministischer Kämpfe gefreut?
Die Mobilisierung auf den Frauen*streik hin war grandios! Und es sind Strukturen entstanden, die diese Dynamik weitertragen werden. Ein Zurück in die politische Ecke des «Nebenwiderspruchs» ist jetzt nicht mehr möglich. Die Zeiten einer paternalistischen Zückerlipolitik für die Frauen*, wie wir sie aus dem Parlament kennen, sind passé. Diese Stimme der Frauen* konstituiert einen Widerstand von unten.

Welche feministischen Forderungen kommen für dich an erster Stelle?
Ich misstraue dem Begriff der Gleichstellung, da er ein (patriarchales) Subjekt suggeriert, das gleichstellt – und was da gestellt wird, soll dann bitte schön an seinem Platz bleiben. Der Kampf für Gleichheit und Gerechtigkeit ohne Abstriche ist mit gesetzlichen Regeln der «Gleichstellung» nicht abgeschlossen, er erschüttert die gesellschaftlichen Fundamente – und die Routine und das Selbstverständnis von uns allen.

Kommen wir zum Schlusswort: Eine Stimme links der SP im Nationalrat ist so notwendig wie nie zuvor, warum?
Sozialdemokratie und Grüne stehen mit ihrer Pflästerlipolitik für die Illusion, dass es irgendwie schon so weiter geht mit der arg ramponierten Marktwirtschaft. Damit leisten sie der Entpolitisierung Vorschub und werden die Frustration jener ernten, die ihnen vertrauen. Die Lage ist verdammt ernst. Greta Thunberg formuliert es drastisch: ‹Ich will, dass ihr in Panik geratet!› Recht hat sie: Es geht an die gesellschaftlichen Wurzeln. Und dieser Mut zur Wahrheit kann nur von links kommen.

Rita Maiorano: «Mein Leistungsausweis? Ich bin Arbeiterin, Mutter und Migrantin!»

Rita Maiorano

sit. Rita Maiorano (50) ist seit über 20 Jahren aktiv in der Partei der Arbeit Zürich und kandidiert nicht zum ersten Mal für den Nationalrat. Sie hat sich dieses Jahr stark für den Frauen*streik engagiert und dabei in ihrem Betrieb einiges ins Rollen gebracht, wie sie im Gespräch mit dem vorwärts erzählt.

Rita, was ist deine Motivation zu kandidieren?
Die Frage beantworte ich mit einer kleinen Anekdote: Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich für meine Partei zu einer Wahl antrete. Es war während dem Wahlkampf vor acht Jahren, glaube ich, als ich einem älteren italienischen Genossen mitteilte, dass ich für den Nationalrat kandidiere. Er war jahrelang aktiv in der Kommunistischen Partei Italiens und er sagte mir dann: ‹Se sei elleta, dì qualcosa di sinistra perfavore›. Auf Deutsch: Falls Du gewählt wirst, sag dann bitte etwas aus linker Perspektive. Ich musste lachen, aber im Grunde genommen ist dies meine persönliche Motivation: Der Linken links der SP und Grünen eine Stimme zu geben, also jener Linken, die nach wie vor die Überwindung des Kapitalismus zum Ziel hat und sich nicht mit faulen Kompromissen oder mit einem Kuhhandel, wie im Falle der Steuervorlage mit der AHV-Finanzierung, kaufen lässt.

Warum nimmt die PdA an den Wahlen teil, obwohl sie realistisch gesehen, keine Chance auf einen Sitzgewinn im Kanton Zürich hat?
Es ist Mittel zum Zweck. Es ist nun mal so, dass vor Wahlen die Menschen auf der Strasse für politische Botschaften empfänglicher sind. Diese Möglichkeit wollen wir nutzen, um unsere Ideen, Forderungen sowie unsere Ideale den Menschen näher zu bringen.

Aber die PdA hat bescheidene finanzielle Mittel, eine grosse Kampagne liegt nicht drin.
Ja, das stimmt und dies machen die Genossinnen* und Genossen* mit viel Herzblut und Einsatz wieder gut. Persönlich staune ich immer wieder, was wir auf die Reihe kriegen. Wir verteilen zehntausende von Flyern und hängen hunderte Plakate auf. Und ich stelle auch immer wieder fest, dass diese Arbeit die Wirkung nicht verfehlt.

Was meinst genau? Hast du ein Beispiel?
Auf den Flyern und den Plakaten ist mein Foto drauf. Ich werde von Bekannten, Freund*innen und Arbeitskolleg*innen darauf angesprochen und oft entstehen dabei gut Gespräche, bei denen ich die Position unserer Partei erklären kann. Dies allein ist schon sehr viel wert. Aber mehr noch: Im Coop bei uns im Quartier wurde ich von der Kassiererin angesprochen, was mich besonders gefreut hat, aber auch von einigen Menschen auf der Strasse, die ich nicht kenne. So kürzlich eine ältere Dame, die zu mir sagt: ‹Sie sind doch die Frau auf dem Plakat. Ich finde ihre Forderung gut. Wir können ja die Mieten kaum noch bezahlen. Das ist eine Frechheit!› Sie meinte unsere Forderung nach staatlich kontrollierten Mieten. Ich bedankte mich bei ihr und sie fügte hinzu: ‹Es braucht sowieso mehr Frauen* in Bern.› Dies kann ich natürlich nur unterschreiben.

Wird dich die Frau wählen? Überhaupt, warum sollten dir die Bürger*innen im Kanton Zürich ihre Stimme geben? Was ist so quasi dein ‹Leistungsausweis›?
Ob sie mich wählt, weiss ich nicht, ich hoffe es. Ich bin seit über 30 Jahren berufstätig mit einem Durchschnittslohn, das heisst, ich nage nicht am Hungertuch, habe aber auch keine Millionen auf meinem Bankkonto. Ich bin Mutter einer 17-jährigen Tochter, ich kenne die Situation von Migrant*innen sehr gut, da ich selber eine so genannte Seconda bin und seit Jahren im Migrationsbereich arbeite. Kurz: Ich bin Arbeiterin, Mutter und Migrantin, das ist mein ‹Leistungsausweis›, so wie bei vielen anderen Frauen* auch, die in unserem Kanton leben, aber im Parlament praktisch keine Stimme haben. Dies will ich ändern und daher trete ich an.

Bleiben wir kurz bei der alten Dame, die sich, so wie Du, mehr Frauen* in Bern wünscht: Auf der PdA-Liste beträgt der Frauen*anteil weniger als 30 Prozent. Was sagst Du dazu?
Ja leider, was gar nicht gut ist und auch zeigt, dass sich unsere Sektion diesbezüglich für die Zukunft einige Gedanken machen muss. Aber immerhin sind viele Genossinnen auf den ersten zehn Listenplätzen zu finden. Ich will den viel zu geringen Frauen*anteil auf unserer Liste nicht entschuldigen, was auch schwer wäre, aber trotzdem folgendes erwähnen: Wir haben auf der Liste viele Menschen, die höchstens mit einem Durchschnittslohn über die Runden kommen müssen. Es sind Arbeiter*innen so wie ich, ja, Prolet*innen. Und ich nenne sie bewusst so, auch wenn diese Bezeichnung nicht mehr ganz in Mode ist, das gebe ich gerne zu.

Und warum ist diese Bezeichnung nicht mehr ganz in Mode?
Sicher auch, weil mit der Bezeichnung Prolet*in-nen die Vorstellung vom Fabrikarbeiter*innen mit schwarzen Händen und Gesicht in Verbindung gebracht wird. Doch, ist die Coop-Kassiererin, die knappe 4000 Franken im Monat verdient, keine Proletin*? Was ist sie denn? Die Besitzerin* des Ladens? Sie nicht mehr Proletin* zu nennen, ist für mich viel mehr ein Zeichen der Schwäche der Linken in diesem Land: Sie hat es verpasst, besser, sie war nicht fähig den Menschen zu erklären, dass mit der Bezeichnung Prolet*innen viel mehr als nur schmutzige Fabrikarbeiter*innen gemeint sind. Dies zur Freude der Kapitalist* innen.

Kommen wir zum 14.Juni: Wie hast du den Frauen*streik erlebt, was für eine Bedeutung hatte dieser Tag für dich?
Der 14.Juni war gewaltig stark. So viele Frauen*, die gestreikt haben und an der Demo gekommen sind. Wir waren eine halbe Million Frauen* auf den Strassen, ich kriege heute noch Gänsehaut davon. Ein unvergessliches Erlebnis. Eines, das ich auch meinen Enkelkindern – falls es mal soweit sein wird – erzählen werde, ihnen dabei Fotos zeigen und stolz dazu sagen können: Schau, Nonna war auch dabei und deine Mutter auch. Ich hoffe, dass dann zu jenem Zeitpunkt zumindest ein paar Forderungen des Frauen*streiks umgesetzt werden konnten. Es wäre tragisch, wenn meine Enkelkinder für die gleiche Angelegenheiten demonstrieren müssten. Wir werden ja sehen. Es war nötig, dass die Frauen in der ganzen Schweiz auf die Strassen gingen, um zu sagen so nicht mehr. Es kann nicht sein, dass in einer Gesellschaft, die sich emanzipiert nennt, die Frauen* benachteiligt werden. In der Gleichberechtigung geht es nicht nur um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, sondern es geht um Respekt, Anerkennung und Selbstbestimmung. Wir fordern Respekt gegenüber unserem Körper und unserem Leben.

Sorry, ich unterbreche dich kurz: Du kommst richtig in Fahrt, das spürt man förmlich. Der 14.Juni war anscheinend wirklich was ganz Besonderes für dich?
Ja, und weisst Du was: nicht nur für mich, für alle Frauen*, die daran teilgenommen haben. Und das ist wohl einer, der ganz grossen Erfolge des Frauen*streiks 2019. Aber ich wollte noch was Wichtiges sagen, bevor Du mich unterbrochen hast: Wir wollen selbst bestimmen können, wann und ob wir Kinder wollen. Wir wollen, dass unsere Entscheidungen respektiert werden. Wir fordern eine gerechte Verteilung der Haus- und Sorgearbeit und ihre ökonomische Anrechnung und vorallem mehr Kinderbetreuungsplätze, die bezahlbar sind. Es braucht Teilzeitstellen auch für Männer* und einen Elternurlaub. Wir wollen eine andere Gesellschaft und nicht mehr Frau* am Herd und Mann* am Arbeitsplatz. Das sind doch im Grunde alles Selbstverständlichkeiten in einem Land, das von sich behauptet, aufgeklärt und zivilisiert zu sein. Zumindest könnte man es erwarten, dem ist bei weitem nicht so, ist das nicht krass? Die Schlussfolgerung ist aber einfach: es braucht weiterhin gewaltigen Druck von der Strasse.

Du warst in Sachen Frauen*streik in deinem Betrieb sehr aktiv. Was für konkrete Erfahrungen hast du gemacht?
Es war eine sehr starke politische Erfahrung, die mich geprägt hat. Ich begann den Frauen*streik zu thematisieren, indem ich die VPOD-Broschüre zum Streik im Gemeinschaftsraum auf den Tisch legte. Dann nahm ich eine lila Fahne mit und hängte sie gut sichtbar auf. So kam es, dass eine Kollegin mich fragte, was wir denn am Frauen*streik machen würden. Es kam Bewegung rein und ehrlich gesagt: Ich hätte nie gedacht, dass so was möglich gewesen wäre.

Was genau wurde möglich?
Meine Absicht und sozusagen auch mein Ziel war es zu Beginn, vielleicht zwei, drei Arbeitskolleg*innen zu überzeugen, mit an die Demo zu kommen. Doch dann nahm die ganze Sache ein schier unglaubliches Ausmass an: Alle Frauen* der Abteilung wurden involviert. Wir streikten eine Stunde lang. Wir beschlossen gemeinsam, unsere Pause am Morgen, die normalerweise 15 Minuten dauert, auf 60 Minuten auszudehnen. Und sehr viele Kolleginnen machten mit!

Auf was führst du diese Entwicklung zurück?
Es gab einen Schneeballeffekt, aber es gab nicht nur einen bestimmten Auslöser dafür, sondern eine Vielzahl davon, die immer zahlreicher wurden, je mehr über den Frauen*streik diskutiert wurde. So sind die Motivationsgründe auch sehr unterschiedlich. Für viele spielt aber die Ungerechtigkeit eine wichtige Rolle. Die Ungerechtigkeit zum Beispiel, dass die Gratisarbeit in der Gesellschaft sehr oft auf den Schultern der Frauen* lastet. Fakt ist aber, dass wir uns alle unter dieser Vielfalt wiederfanden, und ein gemeinsames Handeln begann. Es gab natürlich auch eine gewisse Angst. Sie wurde aber im gemeinsamen Handeln überwunden, wie die grosse Teilnahme am Streiktag beweist. Und dies ist ein grosser Erfolg des Frauen*streiks, denn die gemeinsamen Erfahrungen haben alle Arbeitskolleginnen* sehr geprägt.

Fanden auf betriebliche Ebene nach dem 14.Juni weitere Aktivitäten im Sinne des Frauen*streiks statt?
Natürlich. Am 22. August gab es ein Treffen der Mitarbeiter*innen. Dabei wurde beschlossen, dass sich eine Delegation von vier bis fünf Frauen* mit der Geschäftsleitung trifft. Die Basis dieses Treffen bilden die Anliegen und Forderungen, die wir in einem Brief vom 27.Mai an die Geschäftsleitung formuliert haben und von über 80 Mitarbeiter*innen unterschrieben wurde. Um uns gut auf dieses Gespräch vorzubereiten, haben wir die Frauen* in unserem Betrieb gebeten, uns unter anderem zu folgenden Punkte Inputs zu schicken: Diskriminierung bei den Löhnen; Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Weiterbildung; Anerkennung der Elternzeit als Erfahrungswert bei der Lohneinstufung; Wiedereintritt nach der Babypause sowie ihr Erfahrungen beim Bewerbungsgespräch und bei den Mitarbeiter*innenbewertungen. Hier ist ja der Klassiker, dass Frauen* in einem bestimmten Alter nach der Familienplanung gefragt werden. Eine Frage, die bei Männern* nie gestellt wird.

Wie war die Reaktion auf euren Aufruf?
Sehr gut. Wir haben zahlreiche Rückmeldungen bekommen. Und auch diese Tatsache ist ein Erfolg des Frauen*streiks vom 14.Juni.

Pesche Heiniger: «35 Stunden arbeiten und mit 60 in Rente!»

Peter (Pesche) Heiniger

dab. Zwölf Männer und zwölf Frauen stellen sich im Kanton Bern für die Partei der Arbeit zur Wahl. Der Bieler Berufsschullehrer Peter Heiniger ist einer von ihnen. Er schätzt es, als Mitglied des Stadtrats in Biel einer Partei ohne Regierungsbeteiligung unabhängig operieren zu können. Genosse Peter im Gespräch mit dem vorwärts.

Skizziere kurz dein politisches Engagement.
Ich setze mich für eine gerechte Gesellschaft ein. Eine Gesellschaft, in der alle den gleichen Zugang zu Ressourcen haben. Dazu gehört natürlich auch die Gleichberechtigung, die nach wie vor nicht umgesetzt wurde, obwohl sie seit Generationen eingefordert wird. Zudem ist mir eine intakte Umwelt sehr wichtig. Denn nur in einer gesunden Umwelt kann eine gesunde Gesellschaft leben. Das heisst, dass ich mich für Massnahmen einsetze, welche die CO2-Emissionen reduzieren, Projekte im Bereich erneuerbare Energien unterstütze und Einfluss auf die Verkehrspolitik zu nehmen versuche, indem ich fordere den motorisierten Individualverkehr stark einzuschränken. Im Grundsatz setze ich mich für eine gerechte Gesellschaft in einer intakten Umwelt ein!

Was gefällt dir an parlamentarischer Politik, was stört dich?
Meist ist es spannend, Argumente anderer Parla-mentarier*innen anzuhören. Die Unterschiede rausfiltern und auch an meinen Argumenten basteln. Meine Aufgabe ist es allerdings nicht, zu Mehrheiten beizutragen, vielmehr andere Parlamentarier*innen von unseren Argumenten zu überzeugen. Mitunter gelingt das. Störend ist, dass sich Parlamentarier*innen oft im Schatten ihrer Fraktion verstecken und einfach dem ‹Mainstream› folgen. Dies geschieht vor allem bei grösseren Fraktionen, wie der SP oder auch der SVP. Da braucht es eine Strippenzieherin und die anderen bewegen sich im gleichen Takt. Diese Marionetten wirken denn auch äusserst unglaubwürdig. Gerade grössere Fraktionen, die auch ein Exekutivmitglied stellen, folgen eben diesen zum Teil in blindem Gehorsam. Diese Parlamentarier*innen haben wohl noch nichts von Gewaltenteilung gehört …

Für welche politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Anliegen würdest du dich im Nationalrat einsetzen?
Ein stets sehr wichtiges Thema ist die Altersvorsorge. Da stehen grosse Veränderungen und Herausforderungen an. Die nachhaltige und vor allem soziale Sanierung der Altersvorsorge muss rasch angegangen werden. Da ist natürlich die Zusammenführung der 1. und der 2. Säule zu erwähnen. Der Service Public soll seinen Namen verdienen. Schluss mit dem unsäglichen Public-Private-Partnership. Die Grundversorgung muss vom Staat bereitgestellt werden. Die Armee hat in seiner jetzigen Funktion ausgedient. Sie muss also abgeschafft werden! Im Gesundheitswesen muss erneut versucht werden, eine Einheitskrankenkasse durchzubringen. Die Arbeitnehmer*innen verdienen bessere Arbeitsbedingungen und einen Minimallohn von 4500 Franken, eine auf 35 Stunden pro Woche reduzierte Arbeitszeit und ein Rentenalter, das mit spätestens 60 Jahren erreicht wird. Offene Räume müssen gefördert werden. Der breite und auch niederschwellige Zugang zu Kultur muss gefördert werden. Kultur ist der Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält! Alternative Kulturschaffende müssen verstärkt gefördert werden.

Und für welche regionalen, kantonalen, nationalen, internationalen Anliegen?
In Biel/Bienne muss der motorisierte Individualverkehr drastisch eingeschränkt werden. Sozio-kulturelle Institutionen, wie das X-Project, verdienen eine bessere Unterstützung. Der Kanton Bern wird leider von einer rechtsbürgerlichen Mehrheit dominiert. Dies hat zu vielen Abstrichen in verschiedenen sozialen Bereichen geführt. Sozialhilfeempfänger*innen werden zunehmend stigmatisiert. Da muss die Schraube zurückgedreht werden. Die Solidarität mit Flüchtenden ist sicher ein zentrales Element. Ebenso die Unterstützung von sozialistischen Regierungen. Nicht nur moralisch.

Was unterscheidet dich von Sozialdemokraten und Grünen?
Ich denke, dass ein wesentlicher Unterschied in der Sichtweise des politischen Alltags besteht. Während die rot-grünen Parlamentarier*innen meist im Windschatten ihrer Exekutivmitglieder rumdümpeln, kann ich unabhängig operieren. Natürlich stets nach den Werten unserer Partei! Ausserdem bestehen bei den Rot-Grünen zum Teil grosse Unterschiede in grundsätzlichen Fragen. Wahre Flügelkämpfe entfachen sich da mitunter. In grundsätzlichen Fragen bestehen nicht zu unterschätzende Differenzen zwischen Rot-Grün und der PdA. So ist es doch recht verwunderlich, wenn sich Sozis zum Beispiel für Landverkäufe der Gemeinden und Kantone einsetzen.

«Der unangenehme Stachel sein!»

Harald Lukes

sit. Der junge Genosse Harald Lukes ist Spitzenkandidat der PdA Zürich. Er erklärt im Gespräch mit dem vorwärts, warum für die Wahlen ein Mittel zum Zweck sind. Er stellt auch klar, dass er sich nicht verbiegen will, nur um seine persönlichen Chancen auf einen Sitzgewinn zu erhöhen.

Harald, mal angenommen, du wirst gewählt: Was wäre dein erstes Anliegen, deine erste Forderung im Nationalrat und warum gerade diese?
Sicher eine zum Thema Mieten. Ich würde, so wie es in unserem Wahlprogramm festgehalten wird, die Einführung einer staatlichen Mietzinskontrolle und eine Obergrenze für Mieten fordern. Konkret bedeutet dies, dass jede Wohnung erfasst ist und jede Wohnung einen kontrollierten, vom Staat festgelegten Mietzins, hat. Dies ist mit Sicherheit ein effektives Mittel, um den explodierenden Mieten konkret etwas entgegen zu setzen. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist katastrophal und es müssen Massnahmen ergriffen werden, die sofort Wirkung zeigen. Deshalb braucht es auch schnellstens ein umfassendes Programm zum Bau neuer, günstiger Wohnungen. Schon jetzt ist es extrem schwierig für die Arbeitenden, eine halbwegs bezahlbare Wohnung zu finden. Sehr stark davon betroffen sind vor allem Menschen mit einem tiefen Einkommen, was das Problem verschärft. Die Entwicklung der Mietpreise drängt die ärmeren Menschen aus den Städten heraus in die Vororte und Randbezirke. Bereits heute sind gewisse Wohngebiete nur noch für Reiche erschwinglich. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Alle müssen das Recht auf eine Wohnung haben.

Welches sind deine persönlichen Motivationen für den Nationalrat zu kandidieren im Wissen, dass deine Chancen gewählt zu werden, gering sind?
Die Frage, wie hoch unsere oder gar meine persönlichen Chancen auf einen Sitz im Kanton Zürich sind, spielt für mich nicht die entscheidende Rolle. Die Kandidatur ist und bleibt ein Mittel zum Zweck. Weitere Sitze im Nationalrat würden der Partei sicher mehr Aufmerksamkeit verschaffen, jedoch wären dann unsere Ziele noch lange nicht erreicht.

Und, was sind die Ziele?
Wir wollen den Kapitalismus überwinden, und zwar hin zu einer sozialistischen Gesellschaft. Wir kämpfen für eine Gesellschaft in welcher der Mensch im Zentrum steht und nicht die Gewinne der Konzerne. Jeder Mensch sollte einen kostenlosen Zugang zur Grundversorgung haben! Etwa zu qualitativ hochstehender Bildung, einer guten Gesundheitsversorgung, einer günstigen Wohnung oder zu einer menschenwürdigen Arbeit. Es darf nicht sein, dass es Personen gibt, die davon wegen ihres Einkommens ausgeschlossen sind. Unser Ziel ist es diese Grundrechte zu erkämpfen.

Okay, und die Ziele bei dieser Nationalratskampagne in Zürich?
Wir wollen die Partei durch eine aktive, breite Präsenz und mit einem energischen Wahlkampf stärken. Die Wahlen sollen genutzten werden, um aufzuzeigen, dass die PdA die konsequente, linke Partei ist und es keine Möglichkeit gibt, den Kapitalismus zu einem menschlichen, sozialen System zu reformieren. Konkret möchten wir unsere Aktivität weiter ausbauen und in den Stadtteilen noch weiter verstärken, die für uns Priorität haben. Das heisst in Zahlen ausgedrückt: 100’000 Flyer, 10000 Kleber und 1000 Plakate unter die Stadtbevölkerung bringen.

Du hast vom Mittel zum Zweck gesprochen, kannst Du so einen Zweck nennen?
Auch mit mehr Vertreter*innen im Nationalrat bleiben wir die Oppositionspartei und werden weiterhin der unangenehme Stachel im System sein. Es ist unsere Aufgabe, die Gaunereien und korrupten Spielchen der Lobbyist*innen aufzudecken. Diese dominieren die Parlamente und setzen dort die Interessen der Konzerne und Reichen durch. Der Nationalrat, und auch der Ständerat, sind überfüllt von Lobbyist*innen. Das beweisen die Zahlen: Die 246 Parlamentarier*innen kommen zusammen auf über 1200 Verwaltungsratsmandate, was eine sehr hohe Zahl ist. Und davon sind die linken Parteien keinesfalls ausgenommen, leider. Das kapitalistische Demokratieprinzip ist allgegenwärtig. Wer gewählt werden möchte, braucht gute Sponsor*innen. Mit genügend Geld lässt sich praktisch jeder Posten erreichen, sprich erkaufen. Deshalb müsste ich mich in einer grösseren linken Partei, wie etwa der SP, soweit verbiegen, dass ich meine Prinzipen und Überzeugungen aufgeben müsste. Aber es geht mir nicht darum, einen Platz im Parlament zu besetzen, während meiner Zeit dort möglichst viel Geld abzukassieren und nach unten zu treten. Trauriges Beispiel hierfür ist die SP, welche durch ihre Unterstützung der Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) einen massiven Sozialabbau mit zu verantworten hat und wieder einmal zeigte, wie wenig Rückgrat sie besitzt. Mir und meiner Partei geht es darum, die politische Arbeit in eine Bewegung einzubringen, die grundsätzlich etwas verändert.

Viele werden dich als ewiggestrigen Kommunisten bezeichnen obwohl du noch keine dreissig Jahre alt bist und dich gar belächeln. Was sagst du ihnen?
Nun ja, grundsätzlich kann man diese Anfeindungen auch als Kompliment verstehen. Unsere Partei ist schon seit der Gründung Verleumdungen und Angriffen ausgesetzt. Ob jung oder alt, wer sich konsequent gegen das kapitalistische System einsetzt, wird wohl oder übel regelmässig mit Anfeindungen konfrontiert werden. Dies ist im Grunde auch verständlich.

Warum?
Das sozialistische Gesellschaftsmodell, das wir anstreben, ist für die Reichsten der Albtraum schlechthin, denn ihnen würden alle Privilegien weggenommen werden. Sie könnten dann nicht mehr über uns bestimmen, würden ihrer diktatorischen Bestimmung über die Unternehmen beraubt und sie müssten sich demokratischen Entscheidungen unterordnen. Für einen Milliardär, der auf Kosten seiner Arbeitenden im Luxus lebt und sie nach Belieben herumkommandieren kann, muss die Ausweitung der Demokratie auf alle gesellschaftlichen Bereiche eine Horrorvorstellung sein.

Und warum sollen die Menschen in Zürich die PdA wählen?
Wir sind die einzige Partei, die konsequent linke Politik betreibt und daher eine grundsätzliche Alternative zum Kapitalismus anzubieten hat. Es geht uns darum, dieses kaputte Wirtschaftssystem auf den Kopf zu stellen. Der Kapitalismus zerstört die Gesellschaft. Die unstillbare Gier der Konzerne nach immer höheren Profiten raubt den arbeitenden Menschen die Grundlage ihrer Existenz, verseucht die Umwelt und hinterlässt ganze Landstriche in Schutt und Asche. In diesem Zusammenhang kommt mir immer der deutsche Kabarettist Volker Pispers in den Sinn, der sagte: ‹Auf dem Grabstein des Kapitalismus wird stehen: zu viel war nicht genug!› Der Grund dieser Gier nach immer mehr Geld ist nicht der moralisch verkommene Charakter einiger Manager*innen. Es ist für die Unternehmen und die Reichen, welche sie besitzen, notwendig, immer höhere Gewinne einzufahren. Denn wir befinden uns in der Marktwirtschaft und darin ist die Konkurrenz bis zum Tod ein unumstössliches Grundprinzip. Deshalb haben die Firmen mit den beschissensten Löhnen und dreckigsten Arbeitsbedingungen, die besten Chancen sich durchzusetzen. Die Unternehmen steigern ihre Profite auf Kosten der Arbeitenden. Für uns als Arbeitende bedeutet dies mehr Stress am Arbeitsplatz, rasant steigende Mieten, höhere Krankenkassenprämien und ein ÖV, der immer teurer wird. Die Folgen sind nicht nur die sich verschlechternden Lebensverhältnisse: Erkrankungen, Burnouts, Überlastung und mit Ritalin vollgepumpte Kinder gehören in zwischen zum Alltag. Damit wollen wir uns nicht abfinden. Es braucht eine radikale Veränderung der Gesellschaft von Grund auf. Dafür steht die PdA ein.

Welche sind für dich die der wichtigsten Forderungen der Partei und warum?
Die Situation ist leider so, dass es viele sehr wichtige Dinge gibt, die sich dringend ändern sollten. Aber besonders die Themen Wohnen, Arbeit und Gesundheitsversorgung finde ich sehr zentral. Deshalb zitiere ich drei Forderungen aus unserem ausführlichen Wahlprogramm:
– Die Einführung eines existenzsichernden Mindestlohnes von mindestens 4500 Franken (24.75 Franken pro Stunde) und einen mit jedem Lehrjahr steigenden Mindestlohn für Auszubildende.
– Die staatliche Kontrolle der Mieten mit einer Mietobergrenze: Jede Wohnung ist erfasst, jede Wohnung hat einen kontrollierten Preis. Die bestehenden Mieten sind zu überprüfen.
– Die Einführung von Einkommens- und vermögensabhängigen Prämien.
Diese drei Forderungen sind für mich sehr wichtig, denn sie betreffen die Lebensumstände direkt und würden zu einer sofortigen Verbesserung der Lage führen. Doch dabei können wir natürlich nicht stehen bleiben.

Forderungen, die mit einer Fraktion links der SP und Grünen im Nationalrat sicher mehr Gehör hätten. Wird es nach den Wahlen eine solche Fraktion geben?
Warte schnell bitte, ich hole meine magische Kristallkugel und schaue nach (lacht). Spass bei Seite, rein rechnerisch auf dem Papier liegt es im Bereich des Möglichen, auch wenn es doch höchst spekulative Überlegungen sind. Wir müssten den Sitz von Denis de la Reussille in Neuenburg verteidigen und einen im Kanton Waadt erobern, beides ist nicht ganz einfach. Hinzu müsste sicher ein Sitz aus dem Kanton Zürich und einer aus dem Tessin kommen. Dann wären wir bei vier, fehlt somit einer aus Genf oder der Waadt. Kurz auf den Punkt gebracht: Wir müssten einen verteidigen und vier neue dazu gewinnen – und ob wir das schaffen, weiss nicht mal die Kristallkugel. Eine eigene Fraktion würde mit Sicherheit einige Vorteil bieten.

Welche Vorteile zum Beispiel?
Wie Du gesagt hast: Unsere Forderungen hätten viel mehr Gehör, und das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings muss längerfristig eine antikapitalistische Fraktion aufgebaut werden und dafür müssen wir als Partei stärker werden, weitere Sitze sind zu erobern. Doch bei all dem Fokus auf den Wahlprozess ist es mir wichtig zu erwähnen, dass dies nur eine Seite des Widerstands ist. Ich möchte damit die Bedeutung der politischen Arbeit auf parlamentarischer Ebene nicht schmälern. Doch geht es für uns darum, die Gesellschaft zu verändern und da sind die alle paar Jahre wieder stattfindenden Wahlen nur eine Teilstrecke auf dem Weg. Wahlen sind einer von verschiedenen Stimmungsbarometern in der Gesellschaft. Die politische Arbeit ist ein konstanter Prozess, der auch nach den Wahlen weitergeführt und ausgebaut werden muss. Dazu muss auch der ausserparlamentarische Druck verstärkt werden. Der Nutzen der parlamentarischen Ebene hängt ebenfalls von der Stärke sozialistischen Bewegung insgesamt ab. Der aktive, geduldige und ausdauernde Widerstand der Menschen gegen dieses barbarische System muss zunehmen. Auch wenn die Lage, etwa mit Blick auf die schon fast erdrutschartigen Siege der Rechtsextremen Parteien in Europa, teilweise trostlos erscheint. Eine Stärkung der Partei ist notwendig und die Wahlen sind ein gutes Mittel dazu. Deshalb: PdA, Liste 24 wählen!

Zora Schneider: «Linke zensieren sich selbst, aus Angst»

sah. Politisch tendiert Zora Schneider zum klassenkämpferischen Anarcho-Kommunismus. Selbstverwaltung, eine weitgehende Aufhebung der Entfremdung, Anti-Autorität und auch Feminismus sind ihr wichtig. Schneider ist Stadträtin der PdA in Bern, sie studiert und arbeitet beim Berufsverband der Journalist*innen.

«Wahlen sind kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um wahrgenommen zu werden und der arbeitenden Bevölkerung eine Stimme zu geben» – das schreibt die PdA Bern auf ihrer Seite. Was denkst du dazu?
Wir wollen eine kompromisslose Stimme für die sozial Vernachlässigten und rechtlich Ausgeschlossenen (zum Beispiel Flüchtlinge) sein. Gleichzeitig wollen wir bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bevölkerung. Unser Ziel ist ein grundlegend anderes System, in dem der aus der Arbeit produzierte Reichtum allen zugutekommt. Die Bevölkerung muss wissen, dass sich die Politik nicht alternativlos den wirtschaftlichen Interessen unterwerfen muss.

Die Überschrift vom Wahlprogramm 2019 lautet: ‹Es braucht einen radikalen Wechsel›. Kannst du mehr darüber erzählen?
Die aktuelle Weltordnung führt zur Zerstörung des Planeten, zu Hunger und Armut und nützt nur den Reichen. Ich will Zusammenarbeit statt Konkurrenz, kompromisslose Sicherung der Grundbedürfnisse und Selbstentfaltung. Wir müssen grundsätzlich anders leben, vor Ort und nachhaltig produzieren, gemeinschaftlich, statt Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen. Aus der Kritik der Vielen am aktuellen System soll ein besseres Leben für alle folgen.

Welche besonderen Arbeiten stehen für dich persönlich als Kandidatin an?
Viel Geld für die Wahlen hat die Partei der Arbeit nicht und wir werden auch nicht oft von der Presse eingeladen. Wir gelten als Extremist*innen, aber eigentlich fordern wir Menschlichkeit. Eine Menschlichkeit, die nicht weit verbreitet ist, wenn man zum Beispiel die ständige Repression gegenüber IV-, Sozialhilfebezüger*innen, abgewiesenen Flüchtlingen usw. anschaut. Andere linke Parteien machen dabei mit. Es geht auch z.B. um den Zwang und die Ausbeutung am Arbeitsplatz. Im Prinzip fordern wir, was viele denken. Als Kandidatin muss ich den Kopf bei denjenigen hinhalten, die uns abstempeln.

Solidarische Altersvorsorge, Krankenkasse, Friedenspolitik, Migrationspolitik… Für welches Thema setzt du dich besonders ein?
Ich setze mich bis jetzt gegen Repression, für Sozialpolitik, Feminismus und Flüchtlingspolitik ein.

Auf der Strasse hat die PdA/POP bei vielen Anlässen gegen SVP und rechtsnationalistische Kräfte Stellung bezogen. Rechtsextremismus wird inzwischen von grossen Parteien getragen und parlamentarisch vertreten. – Wie sehen Möglichkeiten zu Gegensteuer von links aus?
Man sieht in ganz Europa einen Aufstieg der nationalradikalen, rechtsextremen und häufig neoliberalen Kräfte. Eine Erklärung dafür ist der «autoritäre Kapitalismus». Das heisst, wir erleben ein Schwinden der sozialen Absicherung, den Verlust der Kontrolle nationalstaatlicher Politik gegenüber transnationalen Unternehmen und die kapitalistische Bewertung von Menschen nach ökonomischen Kriterien der Nützlichkeit und Effizienz. Damit verbunden ist ein Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit der Politik. Ich denke, wir müssen das benennen und laut sein, wenn die Rechten ihre menschenverachtenden Parolen rausschreien.

Es ist Frauen*streikjahr. Was hat dich bis jetzbesonders bezüglich feministischer Kämpfe gefreut?
Frauen* haben sich dieses Jahr stark vernetzt und die Kraft des gemeinsamen Handelns gespürt, auch wenn sich leider nicht die ganze Queer-Community willkommen fühlte, was ich sehr bedaure. Es freut mich, dass wir weitermachen wollen. Der Frauen*streik war noch nicht der letzte Streich!

Welche feministischen Forderungen kommen für dich an erster Stelle?
Der Kapitalismus behauptet die unendliche Produktion und profitiert davon. Die Reproduktion jedoch, das heisst Kindererziehung, Alten- und Krankenpflege, emotionale Nähe und Verbindlichkeit, können nicht funktionieren, wenn sie nach Profitinteressen organisiert werden. Deshalb werden die sogenannt «Unproduktiven» in Spitälern und Altenheimen schlecht versorgt und die Arbeit wird den Frauen* zugeschoben. Sie sollen sie entweder gratis, sozusagen aus «Liebe», oder mies bezahlt erledigen. Aber eigentlich sind diese Tätigkeiten das Wichtigste für das menschliche Leben. Deshalb fordere ich hier einen radikalen Wandel.

Kommen wir zum Schlusswort: Eine Stimme links der SP im Nationalrat ist so notwendig wie nie zuvor, warum?
Linke Parteien und Gruppierungen zensieren sich heute selbst, aus Angst, als extrem wahrgenommen zu werden. Wir haben das nicht vor.

Es braucht einen radikalen Wechsel

Partei der Arbeit. Der parlamentarische Kampf wird die Probleme des Kapitalismus nicht lösen. Doch er kann den Forderungen der breiten Bevölkerung und der Arbeiter*innen Gehör verschaffen und ermöglicht Verbesserungen. Auch in diesem Sinne haben wir das Wahlprogramm diskutiert und beschlossen. Das ausführliche Programm ist auf www.pda.ch zu finden.

Reichtum umverteilen
Ungleiche Verteilung des Reichtums ist das sichtbarste Zeichen des Kapitalismus. Einige wenige besitzen das meiste, die meisten fast nichts. Eine Ungerechtigkeit! Die Welt steht Kopf, wir helfen ihr auf die Beine! Wir werden nicht ruhen, bis mit der sozialistischen Gesellschaft die Reichen nicht mehr reich und die Armen nicht mehr arm sind.
Wir fordern unter anderem:
– Die Erhöhung der Gewinn- sowie der Vermögenssteuer von Kapitalgesellschaften
– Die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen
– Die Verstaatlichung und somit die demokratische Kontrolle der Banken und Versicherungskonzerne » Weiterlesen

Immer vorwärts schreitend

red. Edgar Woog hat sein ganzes Leben in den Dienst der kommunistischen Bewegung gestellt. Von 1949 bis 1968 stand Woog als Sekretär an der Spitze der Partei der Arbeit der Schweiz. Für kurze Zeit war er sogar in der Regierung der Stadt Zürich, bis ihn eine Intrige aus dem Amt entfernte. Dieses Jahr feiern wir seinen 120. Geburtstag.

Edgar Woog wurde am 24. April 1898 in Liestal geboren, als siebter, jüngster Sohn einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Im weltoffenen, grossbürgerlichen Elternhaus verlebte er eine glückliche Kindheit und Jugendzeit. Die Schulen besuchte er im nahegelegenen Basel. Gemäss der Familientradition sollte der hoffnungsvolle jüngste Sohn der Familie Woog den Kaufmannsberuf ergreifen, und der Vater schickte ihn schon früh in eine kaufmännische Lehre nach Hamburg.

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Die PdAS fordert: Rahmenabkommen veröffentlichen!

Anfang August haben die Gewerkschaften bekannt gegeben, dass sie nicht bei den Verhandlungen über die Anpassung der Flankierenden Massnahmen (FlaM) zur Personenfreizügigkeit mit der EU teilnehmen werden. Sie weigern sich, die FlaM infrage zu stellen, welche der Bundesrat selber vormals als «eine rote Linie» in den Verhandlungen mit Brüssel bezeichnet hat. » Weiterlesen

«Wirken in dieser Zeit»

Erika und Ruedi Bantle

Udo Theiss. Der Tod des Basler alt-PdA-Grossrats Ruedi Bantle ist ein grosser Verlust weit über die Parteigrenzen hinaus. Die Linke verliert einen unentwegten Streiter und Aktivisten, einen geliebten Freund und die Stadt Basel einen engagierten, auch unter Bürgerlichen geschätzten, versierten Lokalpolitiker.

Am 24. Dezember 2017 starb Ruedi Bantle im Alter von 91 Jahren. Die Bestattung fand im engsten Familienkreis und auf Ruedis Wunsch fast ein wenig im Verborgenen statt. Nicht nur für seine FreundInnen, Familie, GenossInnen bedeutet Ruedis Tod einen schmerzlichen Verlust. Deshalb bekunden wir erst jetzt öffentlich unsere Trauer, um einen verdienten Freund und wohl beispiellosen, unermüdlichen und stets engagierten Mitstreiter für eine bessere Welt. » Weiterlesen

Gestärkt und gebildet

Harald Lukes. Die Westschweizer Sektionen der Kommunistischen Jugend haben am Osterwochenende das Bildungsseminar Form’action veranstaltet. Es gab interessante Veranstaltungen und einen guten Austausch mit GenossInnen.

Als wir am Freitagabend am Veranstaltungsort in Neuchâtel ankamen, waren wir beeindruckt davon, wie viele GenossInnen sich an der Diskussionsrunde über die Bildungspolitik beteiligten. Es waren über 100. Das kam wohl daher, dass bekannte Youtuber aus Frankreich teilnahmen. » Weiterlesen

Polarisierende Badis

tai. Die PdA konnte bisher 2300 Unterschriften für ihre Initiative «Sportstadt Züri» sammeln, damit alle Bade- und Sportanlagen in Zürich kostenlos benutzt werden können. Sie setzt sich damit nicht nur für Wenigverdienende ein, sondern auch für die Gleichberechtigung der Frauen in der Stadt.

Vor gut zweieinhalb Monaten hat die Partei der Arbeit (PdA) in Zürich eine Gemeindeinitiative lanciert mit dem Ziel, dass alle Badis und Sportanlagen der Stadt kostenlos werden sollen. Die Reaktionen aus der Bevölkerung waren äusserst positiv, besonders unter Jugendlichen und in den ärmeren Quartieren stiess die Initiative auf Zustimmung. In einer Umfrage des «Tages-Anzeigers» sprachen sich 61 Prozent der Teilnehmenden für die Initiative aus, weil «die Badis zu teuer» seien. Das Kernanliegen der Initiative «Sportstadt Züri» ist es denn auch, den Zugang zum Sport den Menschen mit kleinem Portmonnaie zu ermöglichen. Die Eintrittspreise und Gebühren sollen in Zukunft kein Grund mehr sein, auf sportliche Aktivitäten verzichten zu müssen.

Neue Badis geplant
Mittlerweile konnte die Partei bereits 2300 Unterschriften zusammenbringen. Bis im August dürften sie die notwendigen 3000 Unterschriften gesammelt haben, heisst es von der Parteileitung der Sektion. Danach hofft man, noch Zeit zu haben für den Abstimmungskampf gegen die Altersvorsorge 2020.
Ein Genosse der PdA berichtet dem vorwärts, dass sich einmal eine Gruppe junger Männer derart begeistert von der Initiative zeigte, dass sie sich der Sammelaktion kurzerhand anschlossen und tatkräftig mithalfen. Auffallend ist, dass die Begegnungen beim Sammeln sehr polarisiert sind: Die einen unterschreiben sofort, vor allem wenn erklärt wird, dass das Anliegen finanziell ein Klacks ist. Die Stadt subventioniert ihre Sportanlagen schliesslich schon heute zu fast 85 Prozent – im Durchschnitt. Für die anderen, die sich nicht überzeugen lassen, muss aus Prinzip Geld für einen Badieintritt gezahlt werden. Oder sie fürchten sich vor den überfüllten Badis, besonders vor «AusländerInnen» und «Flüchtlingen». Hier kann Entwarnung gegeben werden: Das Stadtzürcher Sportamt hat Vorschläge für die Sportinfrastruktur der kommenden Jahre veröffentlicht. Es plant unter anderem acht neue Sporthallen, ein neues Sommer-Winter-Kombibad in Schwamendingen und ein neues Hallenbad im Zentrum oder in Zürich-West. Also genug Platz für alle.

Ungleichbehandlung der Frauen
Eine Tatsache, der sich die InitiantInnen von der PdA vor dem Sammelstart nicht bewusst gewesen waren, ist, dass sie mit der Initiative auch gegen die Ungleichbehandlung der Frauen auf lokaler Ebene kämpfen. Eine engagierte Bürgerin klärte die Partei darüber auf, dass es in Zürich eine Männerbadi und eine Frauenbadi gibt, aber nur die Männerbadi gratis ist. Das sei gegen die gesetzlich verankerte Gleichstellung von Mann und Frau. Der Vorwand der Stadt ist, dass nur Flussbadis gratis sind. Und das Frauenbad Stadthausquai gelte als Seebadi. Fragt man beim Bauschänzli, das näher am See liegt als die Frauenbadi, sowie beim Stadthaus (exakt auf Höhe der Frauenbadi) und in der Frauenbadi selber nach, erklären alle, dass sie am Fluss, nicht am See liegen. Somit widerspricht sich die Stadt selbst und die Frauenbadi müsste gratis sein, weil sie eine Flussbadi ist. Sowohl die Bäderverwaltung wie auch die Fachstelle für Gleichstellung der Stadt haben sich geweigert, etwas gegen diese Ungleichheit zu unternehmen, obwohl sie darauf hingewiesen worden sind. «Dabei ist es für Frauen wichtiger als für Männer, eine eigene Badi zu haben (Belästigung oder religiöse Gründe)», schrieb uns die Aktivistin. «Dieses widerrechtliche Verhalten stört in Zürich umso mehr, dass die Stadt sich selbst als weltoffen inszeniert.» Die Stadt schafft keine Gleichberechtigung, geschweige denn Integration, wenn man die Frauen aus diesem minimalen Sozialangebot ausschliesst, weil sie die Frauenbadi nicht zahlen können.

«Die bilateralen sind gescheitert»

Leo Schmid am PdAS-Kongress in Neuenburg

Juliette Müller. Am 23. Parteitag der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) waren die bilateralen Verträge mit der EU ein zentrales Thema. In einer Resolution fordert die Partei, dass die Verträge mit der EU neu aushandelt werden. Leo Schmid der Tessiner PdA erklärt im Gespräch die Gründe dafür.

Die vom Parteitag der PdAS verabschiedete Resolution zu den bilateralen Verträgen hält fest, dass sich die öffentliche Debatte praktisch nur auf die Personenfreizügigkeit konzentriert, die anderen Verträge sind kaum ein Thema. Kannst du das bitte genauer erklären?

Die Personenfreizügigkeit wird häufiger zum Thema, da ihre Auswirkungen am stärksten spürbar sind im täglichen Leben der Menschen. Aber es besteht eben die Tendenz, alle anderen bilateralen Verträge zu vergessen. Diese regeln unter anderem den freien Verkehr der Waren und des Kapitals, also die Grundpfeiler des Neoliberalismus. Ihr Zweck ist somit die neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft zugunsten der ArbeitgeberInnen und des Kapitals, während die Kosten auf die breite Bevölkerung abgewälzt werden. Nach 15 Jahren des bilateralen Wegs ist das Scheitern offensichtlich. Aber während die SVP alle Verträge aufkünden will, fordern wir Neuverhandlungen. Dabei muss das Ziel sein, bessere Bedingungen zu erhalten und zwar für die Arbeitenden und der breiten Bevölkerung im Allgemeinen.

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Die Stärkung der PdAS vorantreiben

Gavriel Pinson, Präsident der PdAS, liest die Grussbotschaft des kubanischen Botschafters an den Kongress der PdAS vor.

Amanda Ioset. Am 10. und 11. Juni fand in Neuenburg der 23. Parteitag der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) statt. Die rund 40 Delegierten der kantonalen Sektionen verabschiedeten mehrere Resolutionen, unter anderem zu den bilateralen Verträgen und zur internationalen Politik. Als Parteipräsident wurde Gavriel Pinson wieder gewählt.

Der Parteitag ist bekanntlich ein wichtiges Ereignis im Leben der Partei; die Delegierten diskutieren Programme, fallen Beschlüsse und legen die wichtigsten politischen Linien fest. Am 23. Parteitag der PdAS in Neuenburg gab es spannende Diskussionen unter anderem über das Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) und über die internationale Lage. Dazu wurden Statutenänderungen angenommen, welche die Grundsätze der Realität der Parteiarbeit anpassen. » Weiterlesen

Für neue bilaterale Verträge

Am 10. und 11. Juni findet in Neuenburg der 23. Parteitag der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) statt. Wir nutzen diesen wichtigen Parteianlass, um eine alte Tradition des vorwärts wieder aufleben zu lassen: Wir veröffentlichen im Voraus die Texte, die am Kongress zur Debatte stehen. Sinn und Zweck davon ist, dass eine breite Debatte darüber entstehen kann, und zwar über zwei Themen, die zusammenhängen und von wesentlicher politischer Bedeutung sind: Die bilateralen Verträge und die internationale Politik. Es mag in einem ersten Moment seltsam erscheinen, dass sich ein Parteitag mit den bilateralen Verträgen befasst. Es ist aber so, dass diese Verträge ein zentrales Instrument der neoliberalen Umgestaltung der Schweiz sind. Man muss sie kennen, um eine konsequente, linke Politik gegen das imperialistische, neoliberale EU-Konstrukt entwickeln zu können. Die Texte sollen als Beiträge der PdAS an Auseinandersetzungen verstanden werden, die innerhalb der radikalen Linken von Bedeutung sind.

 

Resolution «Für neue Abkommen mit den europäischen Staaten»

Nach dem Nein des Schweizer Volks zum EWR-Beitritt im Jahr 1992 hat der Bundesrat den Weg der bilateralen Abkommen eingeschlagen. Die Regierung versuchte so, die negativen Folgen des Alleingangs zu begrenzen. Heute müssen wir feststellen, dass die Nutzniesser der bilateralen Verträge vor allem die Banken und die Exportindustrie (hauptsächliche die Chemie- und Pharmaindustrie) sind, während die ArbeiterInnen, die BäuerInnen und die kleinen Unternehmen die Leidtragenden der negativen Folgen dieser Abkommen sind. Die Abkommen führen dazu, dass in der Schweiz EU-Recht auf der Grundlage der freien Marktwirtschaft und der uneingeschränkten Konkurrenz angewendet wird.

Die bilateralen Verträge zielen vor allem darauf hin, die Schweiz in den europäischen Markt zu integrieren. Das heisst, dass Konkurrenz geschaffen wird zwischen schweizerischen und europäischen Unternehmen sowie zwischen schweizerischen und europäischen ArbeiterInnen. Unter den verschiedenen bilateralen Abkommen muss nur jenes über die Personenfreizügigkeit zwingend zur Abstimmung vorgelegt werden und zwar dann, wenn es auf ein weiteres Land ausgedehnt wird. Aus diesem Grund konzentriert sich die öffentliche Debatte praktisch nur darauf. Vernachlässigt werden in der öffentlichen Debatte alle anderen Grundsätze des europäischen Marktes: Der freie Verkehr des Kapitals, der Vermögen und der Dienstleistungen.

Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit ist durch eine sogenannte «Guillotine-Klausel» mit dem Paket «Bilaterale Abkommen 1» verbunden. Dieses betrifft die Abkommen über die «Technischen Handelshemmnisse», das öffentliche Beschaffungswesen, das Transportwesen (Land und Luft), die Landwirtschaft und die Forschung. Die BefürworterInnen des «bilateralen Wegs» drohen daher konstant damit, dass die Infragestellung der Personenfreizügigkeit die Zerstörung der Schweizer Wirtschaft bedeuten würde, da das gesamte Paket von Abkommen in Frage gestellt würde. Natürlich halten die VerteidigerInnen der bilateralen Verträge nie fest, dass die Inhalte dieser Abkommen grundsätzlich neoliberal sind und daher nicht den Interessen der breiten Bevölkerung (classes populaires) in der Schweiz und in Europa entsprechen.

Technische Handelshemmnisse
Das Abkommen über «Technische Handelshemmnisse» zielt darauf ab, den Zugang der Schweizer KapitalistInnen zum europäischen Markt und jener der europäischen KapitalistInnen zum schweizerischen Markt zu verbessern, indem die technischen Regelungen für 20 Produktionssektoren harmonisiert wurden. Es handelt sich ganz einfach um ein Freihandelsabkommen, von dem jene Schweizer Exportindustrie, die auf dem europäischen Markt bestehen kann (Chemie, Pharma, Elektroindustrie), am meisten profitiert. Das Prinzip dieses Abkommen besteht darin, dass die Qualität der Ware nicht durch das Interesse der Allgemeinheit definiert werden soll, sondern mit den Interessen der PartnerInnen der Schweizer Wirtschaft kompatibel sein muss. Dieselbe Logik findet man auch beim Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welches die Zollrechte und die nicht tarifäre Handelshemmnisse für eine ganze Reihe landwirtschaftlicher Produkte wie Käse, Obst und Gemüse, Gartenbauerzeugnisse und Fleisch aufgehoben hat. So wurde beispielsweise der Käsemarkt komplett liberalisiert. Für die PdAS muss genau das Gegenteil der Fall sein: Die Standards der Produktion in der Industrie wie auch bei der Landwirtschaft müssen von den Bedürfnissen der ArbeiterInnen, der KonsumentInnen und dem allgemeinen, öffentlichen Interesse (Schutz der Gesundheit für alle, Umwelt, Schweizer Landwirtschaft etc.) abhängen und dürfen daher nicht durch die WirtschaftspartnerInnen bestimmt werden. Die PdAS spricht sich auch gegen das Cassis-de-Dijon-Prinzip aus, welches vom Bundesrat «autonom» von der EU übernommen wurde und sowohl die Standards für die Industrie wie auch für die Landwirtschaft betrifft.

Das Abkommen über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens betrifft die gegenseitige Liberalisierung der jeweiligen öffentlichen Beschaffungswesen. Andere öffentlichen Beschaffungswesen wurden schon zuvor mit einem Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) abgeschlossen, das von der Schweiz bald ratifiziert werden wird. Die Konkurrenz in diesem Bereich wird sich daher weiter verschärfen. Für die PdAS muss das öffentliche Beschaffungswesen ein Instrument der politischen Ökonomie im Sinne der Bevölkerung und der Umwelt sein. Das öffentliche Beschaffungswesen darf nicht einer Marktlogik unterworfen werden, welche im Interesse von wenigen grossen Unternehmen steht.

Strassen- und Luftverkehr
Die Abkommen über den Strassen- und Schienen- sowie über den Luftverkehr schaffen im schweizerischen und europäischen Transportmarkt gegenseitige Konkurrenz. Eine wesentliche Folge des Abkommens über den Strassenverkehr ist, dass täglich 20 000 Lastwagen (inklusive die 40-Tönner) die Schweizer Grenzen überqueren. Die vertraglichen Regelungen verunmöglichen eine selbstständige, ökologischere Politik der Schweiz. Selbst falls sie es wollte, kann sie keine Grundsatzentscheide fällen, wie zum Beispiel den Schienenverkehr dem Strassenverkehr vorziehen oder strengere Regelungen für Luftverkehrsgesellschaften erlassen. Ein weiterer wichtiger Punkt, welchen keines der beiden Abkommen berücksichtigt, ist, dass die Lastwagen, Züge und Flugzeuge nicht von alleine funktionieren; es wird keine einzige Regelung zum Schutz der Arbeitsbedingungen festgehalten, obwohl die Liberalisierung in diesen Sektoren dazu führt, dass der Druck auf die Löhne steigt, um konkurrenzfähiger zu sein.

Das Abkommen über die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der EU erlaubt Schweizer Forschenden – Universitäten, Forschungsanstalten, Unternehmen, Einzelpersonen – im Rahmen von Forschungsprojekten- und Programmen der EU mitzuwirken. Als Gegenleistung können Forschende aus der EU an Projekten und Programmen der Schweiz teilnehmen. Das Abkommen regelt unter anderem die Rechte und Pflichten bezüglich des intellektuellen Eigentums sowie die Finanzierung der Zusammenarbeit zwischen den schweizerischen und europäischen Forschenden. Von daher hat das Abkommen klar definierte Ziele und scheint unproblematisch, eher positiv, wenn nicht gar unerlässlich, da die internationale Zusammenarbeit in der universitären Forschung eine meist unausweichliche Notwendigkeit ist. Doch man darf Folgendes nicht vergessen: Es handelt sich hier nur um die sichtbare Spitze des Eisbergs des neoliberalen Abgleitens der höheren Bildung und Forschung. Und dies im Kontext einer Logik, welche auf vielen Ebenen der bilateralen Abkommen erkennbar und alles andere als positiv ist. Das einzige Interesse dieser Logik besteht darin, akademische Institutionen in Konkurrenz gegeneinander zu setzen und die Schweiz dabei zu integrieren. Dies geschieht mit desaströsen Konsequenzen für die Studierenden und die Forschung selber: das kontinuierliche Fallenlassen der «nicht rentablen» Bildungszweige, die Stärkung von «Kompetenzzentren» sowie die Jagd auf neue Patente anstelle von Grundlagenforschung. Dies führt zu einer Verarmung der Bildungs- und Forschungsvielfalt. Die PdAS stellt sich bewusst gegen eine solche neoliberale Logik. Wir verteidigen von den Primarschulstufen bis hin zu den Hochschulen eine qualitativ hochstehende, öffentliche, demokratische und kostenlose Bildung, welche auf das Wissen, die Kultur und das Wohlergehen der Gesellschaft ausgerichtet ist. Diese Art von Bildung muss von jeglicher Profit- oder Marktlogik befreit werden. Die Forschung muss im Dienste der Gesellschaft stehen und nicht den Profitforderungen der Monopole dienen.

Restriktive Migrationspolitik

Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit führte zu einer restriktiven Migrationspolitik basierend auf Kontingenten und einer Liberalisierung des Arbeitsmarktes. Die Missstände bei den Aufenthaltsbewilligungen bestehen nach wie vor und die Arbeitsbedingungen wurden nicht verbessert, sondern verschlechtert. Die verbreitete Konkurrenz zwischen den europäischen ArbeiterInnen hat zu einem starken Druck auf die Löhne geführt. So hat die Schweizer Bourgeoisie dank dem Abkommen die Lohnkosten reduzieren können, um im Streben nach dem höchstmöglichen Profit konkurrenzfähig zu bleiben.

Einige multinationale Betriebe, so zum Beispiel das weltweite Verteilzentrum von Gucci im Tessin, zahlen ihren ArbeiterInnen Löhne von 1760 Franken im Monat. Die regierende Schweizer Bourgeoisie ist immer bereit, die GrenzgängerInnen und Ausländer-Innen schlecht zu reden, um Konflikte unter den Armen zu schüren, profitiert aber von der Liberalisierung der Aufenthaltsbewilligungen in hohem Masse. Diese Liberalisierung hat neben dem Lohndumping auch die Wirkung, dass der Staat seine Kosten im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich reduzieren kann. Dies weil den GrenzgängerInnen keine Leistungen zustehen, obwohl sie ihre Steuern hier bezahlen. Aus diesen Gründen sind die Mitte-Rechts-Parteien und Economiesuisse (Dachverband der Schweizer Wirtschaft) so vehemente Verfechter der Personenfreizügigkeit. Die PdAS hingegen schlägt vor: 1.) Die Vollbeschäftigung zu garantieren durch eine Umverteilung (Neuregelung) der Arbeitszeit; 2.) Die Lebenskosten zu reduzieren, damit die ArbeiterInnen, die in der Schweiz leben, gegenüber den ArbeiterInnen im Ausland nicht benachteiligt sind; 3.) Die Aufhebung der prekären Arbeit durch ein Vertragsmodell, welches die Arbeitsgarantie für die Beschäftigten festlegt; 4.) Die Einführung eines Mindestlohns für alle; 5.) Die Abschaffung unterschiedlicher Aufenthaltsbewilligungen zugunsten einer C-Bewilligung für alle Personen, die eine Arbeit in der Schweiz haben.

Kein Spielraum

Das ganze EU-Gebilde, in das die Schweiz durch die bilateralen Verträge eingebunden ist, basiert auf freier Konkurrenz und Freihandel. Es lässt keine Hoffnung auf eine Entwicklung hin zu einem «sozialen Europa» zu. In diesen Zeiten der Deregulierung und der Allmacht der Märkte, will die PdAS Trägerin eines klar anderen Programms sein. Eines Programms, das Regelungen für die Produktion und den Handel festhält, um ArbeiterInnen und Umwelt zu schützen. Die Schlüsselsektoren der Wirtschaft (Banken, Transportwesen, Energie, öffentlicher Verkehr, Grundbesitz) sind zu vergesellschaften. Sie sollen im Interesse aller verwaltet werden und nicht im Interesse einer Minderheit von AktionärInnen, so wie es heute der Fall ist. (Ob diese aus der Schweiz oder aus Europa sind, spielt keine wesentliche Rolle.)

Die Schweiz befindet sich nicht ausserhalb der Welt. Abkommen mit unseren Nachbarn sind notwendig. Aber solange Freihandelsabkommen uns an die EU binden und die Volkswirtschaften in Konkurrenz setzen, sind alle progressiven Programme, so wie jenes der PdAS, aussichtslos: Die bilateralen Abkommen in ihrer heutigen Form, lassen einem Parlament keinen Spielraum, das mit dem Neoliberalismus brechen und andere soziale und ökonomische Regeln beschliessen will. Heute anerkennen die SozialdemokratInnen und der Schweizerische Gewerkschaftsbund, dass die bilateralen Abkommen teilweise problematisch sind. Aber sie beschränken sich darauf, eine Stärkung der flankierenden Massnahmen zu fordern, obschon diese bereits ihre Ineffizienz bewiesen haben. Diese Unfähigkeit zuzugeben, dass die bilateralen Verträge komplett überarbeitet werden müssen, hat viele ArbeiterInnen enttäuscht und zur extremen Rechten getrieben.

Mit Blick auf zehn Jahre des Versagens, muss die Linke, muss die ArbeiterInnenbewegung Bilanz ziehen und klar festhalten, dass die Gesamtheit der bilateralen Verträge, einschliesslich der Personenfreizügigkeit, nur den ArbeitgeberInnen genutzt hat, während die ArbeiterInnen in der Schweiz und in der EU harte Angriffe hinnehmen mussten. Die Ablehnung des Abkommens über die Personenfreizügigkeit bedeutet nicht, sich der SVP anzuschliessen. Viel mehr heisst es, sich von der Politik der europäischen Rechten zu distanzieren und jene Klassenpolitik zu beenden, die von den ArbeitgeberInnen geführt wird, um ihre Profite zu erhöhen.

Partei der Arbeit der Schweiz

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