Wir werden unseren Kampf weiterführen!

Solidemo Providence_02Der Streik im Krankenhaus «La Providence» in Neuchâtel hat den 60. Tag überschritten. Die Streikenden geben nicht auf und führen die Mobilisierung trotz grosser Schwierigkeiten weiter. Der vorwärts sprach mit Sabine Furrer, 41, Sozialarbeiterin für PatientInnen. Sie gehört zu den MitinitiantInnen des Streiks.

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Am 26. November 2012 habt ihr einen Streik begonnen. Was sind die Gründe?

Die Krankenhausleitung hat einseitig entschieden, den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) aufzukündigen, obwohl er im ganzen Kanton und für die ganze Branche gilt. Wir haben schnell gemerkt, dass damit der Verkauf des Krankenhauses an eine private, börsenkotierte Klinikgruppe in Verbindung stand, die einfach keinen GAV wollte. Die Vermittlungsversuche waren erfolglos und wir hatten keine andere Wahl, als in den Streik zu treten.

Warum streikst du? Was sind deine Gründe?

Ich hätte mir nie vorstellen können, eines Tages zu streiken. Eine Reihe von Ereignissen, die über den Verlust des GAV gehen, haben mich gezwungen, für den Streik einzutreten: Lügen, Böswilligkeit, Manipulation, Drohungen und Druck der Leitung sowie der Opportunismus, die mangelnde Solidarität einiger KollegInnen und kleinen Chefs und der Mangel an Mut von Seiten der PolitikerInnen waren ausschlaggebend. Aber mein zentraler Punkt: Ich konnte mir nicht vorstellen, die anderen an die Front ziehen zu lassen und abzuwarten, wie sich die Sache entwickelt, ohne mich zu positionieren. Schliesslich ging es mir auch darum, mich gegen das Profitdenken im Gesundheitsbereich einzusetzen.

Welche Schwierigkeiten trefft ihr in eurem Kampf an?

Einerseits haben wir mit einer unglaublichen Kälte zu kämpfen, die das Streiken gar nicht einfach macht, weil der Streikposten ausserhalb des Krankenhauses liegt. Andererseits haben wir grosse Einschüchterungen erlebt: Druck von Seiten der Krankenhausleitung, die behauptete, der Streik sei illegal und die Streikenden riskierten die Kündigung. Zudem wurde die private Sicherheitsfirma «Securitas» angestellt, um eine Barriere zwischen dem Streikposten und dem Krankenhaus zu errichten. Der Leiter der Sicherheit fotografierte die Streikenden, was dazu führte, dass die (noch) nicht Streikenden sich nicht trauten, sich uns anzunähern und mit uns zu diskutieren. So wird es schwierig, im Alltag mit den Stimmungsschwankungen umzugehen.

Warum unterstützt euch die grosse Mehrheit des Krankenhauspersonals nicht?

Viele KollegInnen haben resigniert. Einige haben erklärt, dass sie lieber ihren GAV als ihre Stelle verlieren. Sie haben Angst. Doch mit der Übernahme ist die Auslagerung einiger Bereiche schon geplant. Aus diesen Bereichen beteiligt sich niemand an den Streik, da die KollegInnen denken, dass sie nicht entlassen werden, wenn sie sich als «gute» Angestellte profilieren. Andere haben eine sehr enge Vorstellung der Problematik. Da sie Garantien erhalten haben für den Arbeitsplatzerhalt, stellen sie sich keine Fragen mehr. Dieses individualistische Verhalten ist natürlich auch Ausdruck der aktuellen Krise. Auch sind die finanziellen Aspekte nicht zu unterschätzen: Die Streikenden erhalten keinen Lohn mehr. Wer gewerkschaftlich organisiert ist, kann auf die Streikkasse zählen, die aber nicht den ganzen Lohn deckt. Dann gibt es auch Angestellte, die sich nicht wiedererkennen in unseren Forderungen und in der Bewegung.

Die durch den Streik aufgeworfenen Fragen betreffen auch andere Krankenhäuser, ja gar den gesamten Krankenhaus- und Gesundheitssektor. Habt ihr mit anderen Lohnabhängigen Kontakte herstellen können?

Ehrlich gesagt fühlen wir uns ziemlich isoliert. Die Angestellten der öffentlichen Spitäler in Neuchâtel werden ihren GAV weiterhin beibehalten, sie können sich nicht einmal vorstellen, den GAV zu verlieren.

Welche Erfahrungen habt ihr mit der Politik gemacht?

Erbärmliche Erfahrungen! Wir mussten uns mit unehrlichen PolitikerInnen konfrontieren, die ihre selbst festgelegten Regeln umgehen, um ihre Ziele zu erreichen. Wir bezahlen gerade den Preis einer zehnjährigen, katastrophalen Regierung – sowohl von rechts, wie auch von links (!) –  in Sachen kantonaler Krankenhaus- und Gesundheitspolitik. Ein riesen Schlamassel!

Genolier ist ein grosser Akteur im Krankenhaussektor, der über die Gesundheit seine Profite maximieren will. Worauf müsst ihr euch bei der Übernahme von «La Providence» gefasst machen?

Für die Angestellten bedeutet die Übernahme eine klare Verschlechterung der Arbeitsbedingungen: Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit, Einführung des Leistungslohnes, Senkung der Vergütung für Wochenend- und Nachtarbeit, Überstunden und Ferien. Zudem werden die Leistungen bei Krankheit, Unfall und Mutterschaft gekürzt. Es sind viele materielle Verschlechterungen. Hinzu kommen die Auslagerungen bestimmter nicht-medizinischer und nicht-pflegerischer Bereiche wie der Wäscherei und der Reinigung. Und schliesslich ist zu erwarten, dass Genolier sich von den teuren Kliniken befreien, um nur noch diejenigen behalten wird, die hohe Profite garantieren.

Während diesen 60 Tagen habt ihr wichtige Erfahrungen in Sachen (Selbst-)Organisation gemacht. Kannst du uns diese Erfahrungen beschreiben?

Wir kommen ständig in Versammlungen zusammen, um über Strategien, Aktionen und die Stossrichtung unseres Kampfes zu entscheiden. Alles funktioniert auf sehr demokratische Art und Weise. Während des Streiks ist die Kommunikation zentral. Wir haben Informationsflugblätter geschrieben, haben sie unseren KollegInnen und der gesamten Bevölkerung verteilt. Zudem haben wir Demonstrationen organisiert, Infostände in der Stadt Neuenburg, aber auch in anderen Städten im Kanton aufgebaut. Dann haben wir auch spezielle Aktionen durchgeführt (Schweige- und Fakelmärsche, Lieder produziert). Interessante Erfahrungen haben wir mit den Medien gemacht: Wir haben Medienkonferenzen durchgeführt, immer wieder Interviews gegeben, um unsere Anliegen zu verbreiten. Aber auch der Kontakt zu den politischen Parteien und den gewählten PolitikerInnen hat nicht gefehl. Wir haben oft vor dem kantonalen Parlament demonstriert.

Welche Rolle spielen die Gewerkschaften in eurem Streik?

Die Gewerkschaften haben eine zentrale und sehr wichtige Rolle. Sie vereinigen die Streikenden und tragen uns auch in einer gewissen Weise. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen in diesem Bereich sind sehr wertvoll. Sie haben die Gewohnheit zu diskutieren, zu verhandeln, den Kontakt zu den Medien zu pflegen. Auch unterstützen sie uns auf der rechtlichen Ebene.

Gibt es auch andere Personen, Organisationen, Kollektive, die euch unterstützen?

Ein Unterstützungskomitee wurde aufgebaut, welches einerseits kollektive Mitglieder zählt (politische Parteien, Organisationen), andererseits individuelle Mitglieder. Sie haben punktuelle Aktionen organisiert. Auch haben wir viele Solidaritätsbotschaften erhalten von Organisationen und Kollektiven aus anderer Regionen. Teilweise haben sie sich auch an unseren Demonstrationen beteiligt.

Welche Bilanz ziehst du aus diesen (ersten) 60 Streiktagen? Und welche Perspektiven hat die Bewegung und der Streik?

Wir haben regelrecht ins Wespennest gestochen. Wir haben den PolitikerInnen gezeigt, dass sie im Krankenhausdossier keine langfristige Vision besitzen. Zudem haben wir gewisse linke Parteien mobilisieren können, die nun ein Gesetzesprojekt, aufbauend auf unseren Forderungen, einreichen wollen. Wir werden unseren Kampf weiterführen, wir lassen unsere Forderungen nicht einfach so fallen. Eine streikende Kollegin hat es mit folgenden Worten bestens auf den Punkt gebracht: «Wir sind der winzige Stein im Schuh, der während den ersten Kilometern keine grossen Sorgen bereitet, aber nach 10 Kilometern unerträglich wird und sich nach 20 Kilometern zu einem regelrechten Felsen wandelt!»

«Streiken heisst, menschlich sein»

 03_Solidemo Providence_kleinAm Samstag, den 26. Januar 2013 fand in Neuchâtel eine Solidaritätsdemonstration mit den Streikenden von «La Providence» statt. Die Beteiligung war mit über 500 Personen breit. Wir veröffentlichen  hier die Rede von Christelle Haussener ab, Pflegerin und Mitinitiantin des Streikes.

Streikende sein oder nicht? Zu streiken bedeutet nicht, unehrliche und unbewusste Menschen zu sein, wie uns vorgeworfen wird; Randalierer zu sein, wie sich einige vorstellen, die Securitas vor unserem Streikposten stellen; kleine AktivistInnen zu sein, die nichts besseres zu tun haben, als zu streiken; gegenüber den Widrigkeiten resigniert zu sein.

Im Gegenteil! Zu streiken bedeutet vielmehr: menschliche und berufliche Fähigkeiten zu haben, die uns erlauben, eine kritische Meinung zu bilden; sich zu entscheiden – nach der Verweigerung von Verhandlungen und dem Scheitern der Schlichtung und trotz eisiger Kälte – weiterhin unsere Überzeugungen zu verteidigen; unseren Mut zu beweisen und unsere Ängste zu überwinden, wie Nelson Mandela sagte: «Mutig zu sein heisst nicht, keine Angst zu haben, sondern die Fähigkeit zu haben, sie zu besiegen»; Zeugen zu sein der vorherrschenden Unehrlichkeit, die uns aber immer mehr überzeugt, in ein Wespennest gestochen zu haben; jederzeit bereit zu sein, wieder aufzustehen, auch wenn die Behörden zwei Mal unseren Streikposten geräumt haben; die Gewissheit haben, dass unser Kampf und unsere Forderungen richtig und legitim sind, gerade weil die Bewegung sowohl die Politik, wie auch unser Unternehmen stört; uns ein Wissen angeeignet zu haben in diesem Krankenhaus- und Gesundheitsdossier, gerade auch aufgrund der politischen Auseinandersetzungen, unseren Aktionen und so weiter.; zu lernen, unter den Streikenden Kompromisse einzugehen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen – die Gewerkschaften unterstützen uns nur in unseren Entscheidungen und Aktionen; eine schöne Solidarität unter uns zu entdecken, die das Personal jeglicher Art vereint: PflegeassistentIn, SekretärIn, SozialarbeiterIn, PhysiotherapeutIn, KrankenpflegerIn …!

Und ich beharre auf der Tatsache, dass wir uns um alle Kranken sorgen, um alle PatientInnen: Das verstehen wir als wahre öffentliche Gesundheit! Übrigens und noch einmal mit Nelson Mandela: «Wir sollten ein Land nicht nach der Art, wie es die Reichsten, sondern nach der Art, wie es die Ärmsten behandelt, beurteilen».
Genau das verteidigen wir mit unserer Bewegung: Wir verteidigen unsere Errungenschaften und wiederholen die Forderungen nach dem Erhalt des GAV «Santé 21», dem Erhalt aller Arbeitsplätze, ohne die Auslagerung von Dienstleistungen.

 

JA zur Qualitätspflege für die ganze Bevölkerung! 
NEIN zur Zweiklassenmedizin.
Danke für eure Unterstützung!

Anti WEF!

nowefDie Mächtigen dieser Welt treffen sich vom 23. Bis 27. Januar erneut in Davos. Mit der Hauptparole «resilient dynamism» propagieren sie die Widerstandsfähigkeit des Systems und seiner Akteure gegen all die zu erwartenden Schocks und Katastrophen, eine Widerstandsfähigkeit, welche die Konterrevolution braucht, wie die kriegerische Neuaufteilung der Einflusssphären und die Verschärfung der Ausbeutung weltweit. So kommen die Gastgeber wie die Gäste auch aus allen möglichen Bereichen von Politik und Wirtschaft und illustrieren damit die Einheit von Kapital und Staat: Sei es der «Co-Chair» Axel Weber, Verwaltungsratspräsident der UBS und ehemaliger Präsident der deutschen Bundesbank. War er damals Speerspitze der Austeritätspolitik gegen die südlichen Euro-Länder, ist er heute verantwortlich für die Entlassung von 10?000 Bankangestellten weltweit. Oder sei es der kolumbianischen Präsidenten Santos, verantwortlich für die Ermordung des FARC-Genossen Raúl Reyes in Ecuador 2008. Zur weiteren illustren Gästeschar gehört der neue Weltbank-Präsident Jim Yong Kim, wie auch der kasachische Präsident Nursultan Nazarbajew, Diktator und Herrscher über die landeseigenen Erdgasfelder.

Anti-WEF-Programm in Zürich: Alle Veranstaltungen finden in der BINZ, Uetlibergstrasse 111 in Zürich, statt.

Das WEF und die Krise des Kapitalismus; Freitag, 18. Januar, 19.00 Uhr
Ein Spiegelbild des maroden, perspektivenlosen Zustands des Kapitalismus und damit umso attraktiver für uns! Vom WEF nach Südeuropa und zurück. Veranstaltung mit zwei Gästen aus dem griechischen Widerstand.
 
Stadtentwicklung; Samstag, 19. Januar, 15.00 Uhr
WEF und Stadtentwicklung BINZ bleibt BINZ! Von der aktuellen Situation bis zur Räumung. Verbindung zwischen WEF, Kapitalexport und der Stadtentwicklung am Beispiel der Übernahme von Steiner durch indischen Immobilieninvestor.
 
Repression. Angriff und Schutz; Samstag, 19. Januar, 18.00 Uhr
Zwischen Aussageverweigerung, Strafbefehlen und abgekürzten Verfahren: Ein Widerspruch? Was tun? Spiess umdrehen! Diskussion mit Anwalt Marcel Bosonet und Betroffenen. Tipps und Tricks zur Repression auf der Strasse.
 
Häuserkampf; Samstag, 19. Januar, 20.30 Uhr
Als 1987 in Kopenhagen ein besetztes Haus geräumt werden soll, kämpfen die BewohnerInnen neun Tage lang dagegen.

Unerwünscht!

Am 22.11 soll der amtierende NATO-Generalsekretär und Kriegstreiber Anders Fogh Rasmussen auf Einladung des Europainstituts an der Universität Zürich ein Referat zur Sicherheitspartnerschaft der Schweiz und der NATO halten. Solange Sicherheit Krieg bedeutet, haben Menschen wie Anders Fogh Rasmussen hier nichts zu suchen – weder an der Uni, noch sonst wo. Nein zum Krieg! Nato auflösen! Kundgebung gegen die NATO und Rasmussen: Donnerstag 21.11.: 18:00 Haupteingang Universität Zürich.

NATO: Der Bund der weltweiten Kriegstreiber.

Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) ist ein 1949 gegründetes militärisches Bündnis von europäischen und nordamerikanischen Staaten. Seit dem Ende des Kalten Krieges sind die Mitgliedstaaten der NATO für eine Reihe von Militäreinsätzen verantwortlich, beispielsweise in Jugoslawien, in Afghanistan oder aktuell in Libyen. Legitimiert werden diese zahlreicher werdenden militärischen Interventionen mit angeblich humanitären Gründen, dem Kampf für die Demokratie und dem Kampf gegen den Terrorismus. Doch schnell wird klar, dass es der NATO nicht um das Wohl der Menschen geht, sondern um politische und ökonomische Interessen der westlichen Staaten. Nicht die humanitäre Lage ist ausschlaggebend für einen Militäreinsatz, sondern die Absicherung des eigenen Wohlstandes. Wirtschaftliche Ressourcen und die Ausdehnung des kapitalistischen Marktes stehen im Zentrum und nicht etwa der Mensch. Krieg wird dort geführt, wo die westlichen Staaten ihre Interessen in Gefahr sehen und nicht dort, wo die Menschen im Elend leben.

Nichts Neues im Westen: Anders Fogh Rasmussen an der Universität Zürich

Für einmal ist es nicht das SIAF, welches mit seinen eingeladenen Gästen unsere Wut auf sich zieht, sondern das Europainstitut. Dieser 1992 gegründete private Verein ist ebenfalls ein der Universität Zürich assoziiertes Institut und veranstaltet jährlich die Special Churchill Lectures, an welchen nun also NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Donnerstag dem 22.11. zum Thema „Switzerland and NATO: Partners in Security»“ sprechen soll. Damit reiht sich Rasmussen nahtlos in die schaurige Gästeliste der vergangenen Jahre ein: Neben unzähligen kapitalistischen Krisenverwalter, wie beispielsweise Josef Ackermann oder Jean-Claude Juncker, wurden  Sozialabbauer, wie Tony Blair oder Kriegstreiber, wie Henry Kissinger eingeladen.

NATO und die Schweiz: In den Kompetenzen getrennt, in der Aufstandsbekämpfung vereint.

Im Zuge des von der NATO ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ fanden nicht nur etliche militärische Einsätze auf der ganzen Welt statt, sondern es folgte auch eine zunehmende Militarisierung nach Innen. Verstärkte Überwachung, präventive Repression und der Ausbau der repressiven Gesetzgebung waren nur ein Teil der im Zuge der neueren „Sicherheitspolitik“ der NATO Mitgliedstaaten eingeführten Massnahmen. Und vor dieser Entwicklung macht auch die Schweiz nicht halt. Zudem ist die Schweiz Teil der „Partnerschaft für den Frieden“, in welcher Staaten, die keine NATO Mitglieder sind, ebenfalls an der neuen Entwicklung teilhaben dürfen. Doch die NATO nimmt nicht nur, sie gibt auch und ist gerne bereit bei der Neuausrichtung der Armee zu helfen. So rühmt sich das EDI für Partnerschaft zwischen der NATO und der Schweiz mit den folgenden Worten: „Die NATO ist ein zentrales Instrument für die Transformation und Anpassung der Streitkräfte an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.“ Fragt sich, ob die NATO schon wertvolle Tipps für die neusten Militärübungen der Schweizer Armee vom Oktober gegen die angebliche Gefahr neuer Migrationsströme und soziale Aufstände liefern konnte.[1] Doch die gemeinsame Sicherheitspolitik funktioniert auch auf der Ebene des gemeinsamen Informationsaustausches. Und wenn der kurdische Aktivist wie Metin Aydin trotz Hungerstreik auf Drängen des NATO Mitgliedstaates Türkei wiederrechtlich an Deutschland ausgeliefert wird, dann ist das eben auch Teil der gemeinsamen „Sicherheitspolitik“.

Krieg dem Kriege.

Kriege sind weder das Ergebnis einzelner wahnsinniger Diktatoren, noch sind sie Ausdruck einer vergangenen Zeit. Krieg und Elend sind genauso immanenter Bestandteil des Kapitalismus, wie der Reichtum für wenige. In einem System, welches durch die Konkurrenz einzelner Unternehmen und Nationen definiert ist, geraten einzelne Akteure zwangsläufig immer wieder in einen Konfliktzustand. Gerade in der Krise, in welcher die Absatzmärkte schwinden und die Widersprüche grösser werden, zeigt sich vermehrt, dass gesellschaftliche Konflikte mit militärischer Gewalt gelöst werden. Wenn in Spanien streikenden Fluglotsen mit der Armee gedroht wird, ist das ebenso Teil dieser Entwicklung, wie wenn die NATO Mitgliedstaaten ganz offen darüber diskutieren können, wo sie als nächstes militärisch intervenieren möchten. Und gegen eine solche Entwicklung wehren wir uns nicht nur, sondern wir wollen die Probleme an den Wurzeln packen, den Kapitalismus auf den Müllhaufen der Geschichte werfen und ein für alle Mal eine Gesellschaft aufbauen, in welcher Krieg und Finanzkrisen tatsächlich Ausdruck einer längst vergangenen Zeit sind.

Nein zum Krieg! NATO Auflösen! Kundgebung gegen die NATO und den Auftritt von Anders Fogh Rasmussen an der Universität Zürich: Donnerstag, 21.11 18:00 Haupteingang Uni Zürich.

«Wettbewerb» für wen?

Anfang September publizierte das Weltwirtschaftsforum «WEF» den «Competitiveness Report», den Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der wichtigsten Länder der globalen Ökonomie. Die Schweiz belegt zum vierten Jahr in Folge den ersten Platz. Was sagt dieser Bericht jedoch über die gesellschaftlichen Verhältnisse in unserem Land aus?

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«Die Schweiz bleibt Klassenprimus», so bejubelte die Neue Züricher Zeitung (NZZ) am 5. September den neuen Bericht des «WEF.» Besonders hervorgehoben werden der «äusserst effiziente Arbeitsmarkt», «die hochstehende Qualität des Wirtschaftssektors im Allgemeinen»,  «die Qualität des Forschungsstandorts und dessen enge Zusammenarbeit mit der Unternehmenswelt». Solche Aussagen muten an, als ob es der Schweizer Kapitalismus im Vergleich zu den krisenerschütterten Ländern der EU schaffe, jegliche ökonomischen Schwierigkeiten wegzustecken und allen zu dienen. Es liegt jedoch in der Natur von Zahlen, dass sie die dahinter liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse verschleiern. Auch in der Schweiz ist eine Wiederkehr der Proletarität im Sinne einer durchgreifenden Hierarchisierung der Arbeitsmärkte und der Lebenschancen zu beobachten – und dies nicht erst seit dem Einsetzen der «grossen Krise». » Weiterlesen

Den AHV-Rahmen sprengen

Ende Jahr wird der Bundesrat bekannt geben, wie er die AHV-Revision gestalten will. Auch ohne magische Kristallkugel ist jetzt schon klar, dass es eine massive Sparübung werden wird. Bleibt die AHV-Debatte im Rahmen der Fürsorge im «Sozialstaat», ist die AHV zum Tode verurteilt. Es ist daher nötig, die Diskussion auf eine höhere Ebene zu bringen.

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Der grosse Feldzug gegen die AHV hat begonnen und die Aussichten auf Erfolg scheinen so rosarot wie noch nie in der Geschichte zu sein. So frohlockt der Tagesanzeiger am 14.September: «Sozialdemokraten haben es einfacher, an Sozialwerken zu rütteln, als Bürgerliche». Und als bräuchte diese Binsenweisheit eine weitere Bestätigung: «In Deutschland hat nicht Angela Merkel die Altersvorsorge umgebaut, sondern Gerhard Schröder». Die logische Schlussfolgerung davon: «So gesehen ist die Konstellation personell günstig, wenn der Bundesrat Ende Jahr die Eckpunkte für eine umfassende Reform der AHV und der zweiten Säule vorlegen wird: Die Reformzügel hat SP-Innenminister Alain Berset in der Hand, unterstützt wird er von Jürg Brechbühl, dem ebenfalls sozialdemokratischen Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV)». Alles klar? » Weiterlesen

Das dreckige Geschäft der UBS

Die schweizerische Bundesanwaltschaft hat im Geldwäscherei-Skandal rund um den -malaysischen Oligarchen Musa Aman ein Strafverfahren gegen die UBS eingeleitet. Vorausgegangen war im April 2012 eine Strafanzeige des «Bruno Manser Fonds» (BMF) gegen die UBS, weil diese nachweislich über 90 Millionen US-Dollar Korruptionsgelder entgegennahm.

Der malaysische Spitzenpolitiker Musa Aman ist eine schillernde Figur. Der amtierende Gouverneur der Provinz Sabah auf der Insel Borneo ist König des Regenwaldes. Ob er treffender formuliert, der Mann, der über die Vergabe der Holzkonzessionen wacht und sich damit ein goldenes Näschen verdient. Und er ist der Bruder des malaysischen Aussenministers Anifah Aman sowie eng mit dem berüchtigten Taib-Clan vernetzt, welcher das Königreich Malaysia seit über vier Jahrzehnten kontrolliert und dem schwerer Amtsmissbrauch, Betrug, Geldwäscherei, Verschwörung sowie Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgehalten wird.

 

Lukratives Geschäft mit dem Tropenholz

Die Affäre flog im August 2008 auf, als ein Vertrauensmann von Musa – ein gewisser Michael Chia – bei der Ausreise aus Hong Kong mit 16 Millionen Singapur-Dollar – über 12 Millionen Schweizer Franken – verhaftet wurde. Die anschliessende Untersuchung führte rasch zu Aman und der UBS. Der Bruno Manser Fonds wirft der UBS vor, unter schwerer Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten über 90 Millionen US-Dollar Korruptionsgelder aus der illegalen Abholzung tropischer Regenwälder im malaysischen Bundesstaat Sabah entgegengenommen zu haben. Musa Aman, der Regierungschef der Provinz Sabah, verlangte von den Holzkonzernen jeweils hohe Bestechungsgelder für die Erteilung von Konzessionen zur Abholzung sowie für die Exportgenehmigungen von Tropenhölzern. Die Millionen liess sich Aman auf Konti von Mittelsmännern und Tarnfirmen bei der UBS-Filiale in Hong Kong bezahlen. Musa Aman unterhält weiter auch ein Konto bei der UBS in Zürich. Lukas Straumann, Geschäftsleiter des Bruno Manser Fonds, unterstreicht die hohe Verantwortung für die Banken bei der Bekämpfung von Korruption und Tropenholzgeschäft: «Die Banken müssen ihre Rolle bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität viel aktiver wahrnehmen. In vielen Ländern bereichern sich führende Politiker persönlich an der illegalen Abholzung. Wenn wir die Zerstörung der Regenwälder stoppen wollen, müssen alle international tätigen Banken bei der Korruptionsbekämpfung mithelfen.» Der Bruno Manser Fonds hat der UBS eine Liste mit den Namen von 46 politisch exponierten Personen aus Malaysia übergeben und fordert die Schweizer Grossbank auf, allfällige bei ihr deponierten Vermögenswerte dieser Personen und von 400 mit ihnen verbundenen Unternehmen einzufrieren und den zuständigen Behörden als verdächtig zu melden. Ebenso fordert der Bruno Manser Fonds von der UBS die Veröffentlichung ihrer internen Policy zum Umgang mit Kunden aus der Holzbranche.

 

William und Kate

Für Malaysias Regierung kommt das Schweizer Strafverfahren zu einem delikaten und denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Auf Mitte September ist das britische Prinzenpaar William und Kate zu einem Besuch auf Borneo angemeldet. Am 15. September 2012 wollen die beiden dort «den ältesten Regenwald der Welt» besuchen – oder was davon noch steht, wie der Bruno Manser Fonds süffisant in seiner Medienmitteilung festhält.

Fukushima in Mühleberg

Bern nach einer AKW Katastrophe

Der Aufenthalt am Bielersee ist gefährlich: Der See strahlt über Jahrzehnte stark radioaktiv. Mit anderen Worten: Passiert Fukushima im AKW Mühleberg, sind weite Teile der Schweiz zerstört. Dies zeigt der neue, animierte Kurzfilm «Was passiert, wenn Fukushima in Mühleberg geschieht?», den die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU), die Ärztinnen und Ärzte für soziale Verantwortung (PSR/IPPNW) sowie Greenpeace am 6. September an einer Medienkonferenz in Bern präsentierten. Der Film basiert auf den Resultaten einer neuen Studie des renommierten Öko-Instituts Darmstadt. Er zeigt: Geschieht Fukushima im AKW Mühleberg sind weite Teile der Schweiz zerstört. Deshalb gehört der Altreaktor sofort abgeschaltet. Tritt im AKW Mühleberg Radioaktivität aus, erreicht die gefährliche Wolke nach nur einer Stunde die Bundesstadt Bern. Die Strahlung ist so stark, dass gemäss Kernenergiegesetz 90?000 Menschen sofort aus der Stadt Bern und ihrer Umgebung evakuiert werden müssen. In so kurzer Zeit? Wohin?

Hilfloser Katastrophenschutz

Das AKW Mühleberg ist über 40 Jahre alt. Logisch, dass seine Konstruktion veraltet und der Stahl ermüdet ist. «Die Menschen sind zum Spielball von altem Stahl geworden. Bricht er wie in Fukushima, ist das verheerend für die Gesundheit der Schweizerinnen und Schweizer, ja für das ganze Land», sagt Dr. med. Claudio Knüsli von PSR/IPPNW. Denn die Schweiz ist auf eine Atomkatastrophe nicht vorbereitet. Das belegt der Ida Nomex-Bericht vom 22. Juni 2012 an den Bundesrat: Evakuierungskonzepte fehlen, die medizinische Versorgung der Menschen ist nicht organisiert, Teile der Führung des Katastrophenschutzes  versagen nach wenigen Tagen wegen Übermüdung und der Kontakt zum havarierten AKW besteht nur, solange das öffentliche Telefonnetz funktioniert. «Das widerspricht dem Eidgenössischen Kernenergiegesetz, das einen funktionierenden Katastrophenschutz als zwingende Bedingung für den Betrieb auch des AKW Mühleberg voraussetzt», stellt Dr. med. Peter Kälin, Präsident der AefU, klar.

Inkaufnahme der Zerstörung weiter Teile des Landes

Diesen Widerspruch haben nach Fukushima auch AKW-Betreiber und Behörden erkannt. Deshalb versuchen sie, den Katastrophenschutz für einen schweren Unfall auszubauen. Das Öko-Instituts Darmstadt allerdings  belegt: Der Schutz der Menschen ist bei einem schweren Atomunfall aussichtslos. Die Behörden aber versuchen, den nicht möglichen Katastrophenschutz schön zu reden. «Das können wir als Ärzte nicht hinnehmen», so Kälin. Und Dr. med. Claudio Knüsli bilanziert: «Ein Ausbau des Katastrophenschutzes ist nichts anderes als der Versuch, das AKW Mühleberg zu legitimieren. De facto bedeutet der Weiterbetrieb, die Zerstörung weiter Teile des Landes in Kauf zu nehmen.» Darum verlangen AefU, PSR/IPPNW und Greenpeace die Stilllegung von Mühleberg – zum sofortigen Schutz der Menschen.

Kurzfilm: «Was passiert, wenn Fukushima in Mühleberg geschieht?»: www.aefu.ch

«Sozialpartnerschaft» für wen?

Für den 22. September rufen die Gewerkschaften zu einer schweizweiten Demonstration für den «Werkplatz Schweiz» und für die Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrages (GAV) in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) auf. Unsere Solidarität mit den Arbeitenden dieses Sektors ist ein Muss. Genauso notwendig ist jedoch eine Reflexion der betrieblichen Auseinandersetzungen des letzten Jahrzehnts.

«Wir fordern eine neue Sozialpartnerschaft», so der Grundtenor der Mobilisierungszeitung der Gewerkschaft Unia für die Demo vom 22. September in Bern. Diese müsse auf zwei Säulen stehen: Erstens auf einen starken GAV, der die Arbeits- und Lohnbedingungen regelt und zweitens auf die gemeinsame (Gewerkschaften und Unternehmen) Entwicklung einer «industriepolitischen Agenda».

Ein Blick auf die «Strategie der Sozialpartnerschaft» wirft jedoch einen grundsätzlichen Zweifel auf. Historisch gesehen hat sie während der Hochkonjunktur zwar eine materielle Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Kernbelegschaft erbracht – jedoch immer auch mit Ausschluss des migrantischen und weiblichen Subproletariats. Der Verzicht auf kämpferische Strategien wurde von den Unternehmen mit Lohnerhöhung «erkauft». Doch diese Strategie geriet logischerweise dann «in die Krise», als das ganze kapitalistische System in eine Strukturkrise geriet.

 

Die Macht des Kapitals

In der Schweiz geniessen Unternehmen im europäischen Vergleich Wettbewerbsvorteile, die ihre Macht in den Betrieben stärken: ein schwaches Arbeitsrecht und ein inexistenter Kündigungsschutz. Diese Macht hat sich in der Verteilung des produzierten Reichtums übertragen. Wie unterschiedliche Studien der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) festhalten, hat die produktive Reorganisation der 1990er Jahren einschlägige Effekte nach sich gezogen. Zwischen 1992 und 2002 hat die Produktivität in der Industrie um 38 Prozent zugenommen, die Löhne wurden – wenn überhaupt – nur der Teuerung angepasst. Ab 2004 schienen sie dann wieder einmal zu wachsen, doch die aktuelle Krise hat einen doppelten Effekt ausgelöst: Einige Produktionssektoren wurden geschwächt oder gar zerstört. Für diejenigen Sektoren allerdings, welche die Krise überlebt haben, wird die Produktivität noch einmal erhöht. Und dies auf Kosten der Arbeits- und Lohnbedingungen der ArbeiterInnen. Trotz scheinbarer Stille fanden in den letzten Jahren in der Industrie nicht wenige betriebliche Auseinandersetzungen statt. Meist ging es um Massenentlassungen und Betriebsschliessungen, doch auch um Arbeitszeiterhöhung und Lohnreduktion. In denjenigen Auseinandersetzungen, in denen die «Strategie der Sozialpartnerschaft» dominierte, isolierte sich die Belegschaft schnell in eine Position der Schwäche. Bei der Schliessung der Sappi in Biberist (SO) beispielsweise argumentierten die Belegschaft und ihre Vertretung, sie dürfen jetzt nicht streiken, sondern disziplinierter und intensiver arbeiten, damit die Direktion sehe, dass «ein guter Betrieb» geschlossen werde. Ironischerweise benutzte die Sappi das Argument der Disziplin der Belegschaft in Biberist Jahre zuvor, um ihren Standort in Finnland zu schliessen. Die Belegschaft hatte damals darauf verzichtet, sich mit den finnischen KollegInnen zu solidarisieren und somit den Kampf zu internationalisieren.

 

Standortpolitik gegen die ArbeiterInnen

Es gehört zur Strategie von Unternehmen, Standorte gegeneinander auszuspielen. Das mussten die Beschäftigten von Merck Serono in Genf diesen Sommer erleben. Mit dem Argument der Überkapazität wurde das Werk in Genf geschlossen und gewisse Bereiche der Produktion nach Darmstadt (D) verschoben. Als die Belegschaft zum Hauptsitz der Firma reiste, um gegen die Massenentlassung zu protestieren, weigerten sich die deutschen KollegInnen, sich zu solidarisieren. Die Gewerkschaft verhandle gerade den neuen GAV, was einen konfrontativen Kurs nicht erlaube.

Die «Strategie der Sozialpartnerschaft» wird also auch in Zukunft kaum materielle Verbesserungen herbeiführen für die Lohnabhängigen. Gerade in Zeiten der Krise werden die Unternehmen ihre Position stärken wollen. Dagegen kann auch eine «neue Sozialpartnerschaft» nichts tun.

Kein Blut für Platin?

In Südafrika streiken seit dem 10. August tausende Minenarbeiter für eine Erhöhung ihrer kärglichen Löhne. Vor einigen Tagen hat die Polizei ein Blutbad unter ihnen angerichtet. Nach offiziellen Zahlen wurden 34 Arbeiter getötet und dutzende verletzt. Die Blutspur führt auch in die Schweiz.

Wer in der betroffenen Marikana-Mine des Unternehmens Lonmin arbeitet, verdient gerade mal um die 580 Franken im Monat und lebt in der Regel in einer schäbigen Baracke in der Nähe der Mine. Die Arbeiter traten in den Streik, um für Lohnerhöhung von rund 300 Prozent zu kämpfen. Die grosse Gewerkschaft «National Union of Mineworkers» (NUM), in der ein Teil der Arbeiter organisiert ist, überredete Streikende, an die Arbeit zurückzukehren und sprach sich gegen den Streik aus, während die «Association of Mineworkers» (AMCU) die Streikenden unterstützte. Vor diesem Hintergrund kam es im Vorfeld des Streiks zu Auseinandersetzungen zwischen den Arbeitern, in deren Verlauf zwei Menschen ums Leben kamen. Dies stilisierten einige der hiesigen Medien zum Auslöser der Repression hoch. Zur Eskalation der Lage und dem Massaker kam es aber, als die Polizei begann, Stacheldrahtbarrikaden aufzubauen, um die Streikenden auf einem besetzten Hügel einzupferchen und sie mit Wasserwerfer und Tränengas anzugreifen. Die Arbeiter wehrten sich mit Latten und Macheten, woraufhin die Polizei das Feuer eröffnete. Es darf nicht weiter erstaunen, dass sowohl die NUM als auch der regierende «African National Congress» (ANC) dieses Vorgehen der Polizei verteidigt.

Die Situation in Südafrika

Als Mandela und der ANC nach dem Ende der Apartheid 1994 an die Macht kamen, besassen gerade mal 13 Prozent der Bevölkerung – natürlich Weisse – 86 Prozent des Bodens und 90 Prozent des nationalen Reichtums. Trotz der offiziellen linksgerichteten Ideologie des ANC verfolgte dieser eine wirtschaftsliberale Politik, in deren Folge sich eine schwarze Mittelschicht herausbildete. Zudem ist der ANC mit den Minenbetreibern verbandelt, so wurden etwa Khulubuse Zuma, der Neffe des aktuellen Präsidenten, und Zondwa Mandela, die Enkelin des vormaligen Präsidenten, über Nacht zu MinenbesitzerInnen. Ein besonders lukratives Geschäft in einem Land, das 80 Prozent der weltweiten Platinvorkommen aufweist sowie reich an Bodenschätze wie Diamanten, Erdöl und Kohle ist.

Der grösste Teil der schwarzen Bevölkerung lebt nach wie vor in bitterer Armut. Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 25 Prozent. Zudem sind die Armen mit harter Repression konfrontiert, wenn sie sich ausserhalb der offiziellen und vom ANC kontrollierten Strukturen organisieren und für ihre Bedürfnisse kämpfen. Auf der südafrikanischen Hompage «Abahlali base Mjondolo», der Webpräsenz der Bewegung der «Baracken-Bewohner», beurteilte man das Vorgehen der Polizei gegen die Streikenden treffend als weitere «massive Eskalation im Krieg gegen die Armen».

Und die Schweiz?

Was man in den hiesigen Medien kaum zu lesen bekam, ist, dass der Zuger Bergbau-Multi Xstrata im Besitz von rund einem Viertel der Aktien der betreffenden Minenkompanie Lonmin ist. Ausgerechnet jene Xstrata, die schon Besitzerin der Minen in Peru war, um die sich im Mai dieses Jahres ein Kampf entwickelte, in dessen Verlauf mindestens vier Menschen getötet wurden. Damals gab es vor dem peruanischen Generalkonsulat in Zürich eine Kundgebung und eine Demonstration in Zug. Es wird sich in den kommenden Tagen zeigen müssen, ob die Linke hierzulande auf das aktuelle Massaker reagieren kann. Die Minenbetreiber jedenfalls haben bereits auf ihre Art geantwortet: Wer weiter streike, der würde entlassen, haben sie angekündigt.

Wenn der Stammtisch die Asylpolitik bestimmt

Ist es die schiere Angst vor dem «schwarzen Mann», welche die aktuelle Stammtischpolitik im Asylwesen prägt? Zur enthemmten Debatte im Nationalrat.

Mitte Juni hatte der Nationalrat über die Asylgesetzrevision beraten und die Vorlage von Bundes- und Ständerat noch weiter verschärft. Massiv. Unverfroren. Von der Realität ein grosses Stück entrückt. Die Beschlüsse des Nationalrats kamen einer eigentlichen Zerlegung des Asylrechts gleich: Hier das Familienasyl streichen, da Internierungslager bauen, dort Botschaftsverfahren abschaffen. Sachliche Auseinandersetzungen? Man vermisste sie schon im Vorfeld der Debatte und erst recht im Rat selber. An ihre Stelle traten individuelle Profilierungssucht und Selbstdarstellung, jederzeit legitimiert durch das Bedürfnis, im Namen des Volkes «ein Zeichen zu setzen». Assistiert von einer mehrheitlich desinformierten wie mutlosen «Mitte» spielten SVP und FDP erfolgreich ein altbekanntes Spiel: Je dreister die Forderung, desto schärfer der spätere Konsens. Nothilfe für alle? Der Ständerat wird es wieder drehen, die Linke diese Rolle rückwärts als Erfolg feiern und die Rechte hat somit, was sie will: den ganzen Rest. Angesichts der enthemmten Debatte wurde es selbst manchem Journalisten Bange. «Ein unheimliches Gefühl, wenn es durch das Parlament schallt wie am Biertisch», schrieb Renato Beck in der «Tageswoche». Der Schriftsteller Lukas Bärfuss schrieb im «Tagesanzeiger» von «Schande» – was bei einigen Mitte-ParlamentarierInnen immerhin das Bedürfnis nach Rechtfertigung weckte. Das an Boshaftigkeit grenzende Bedürfnis nach diesem «Zeichen», das man so dringend setzen muss, das blieb jedoch bestehen. Und weitet sich aus. Weshalb aber will der nationalrätliche «Stammtisch» eigentlich ein Zeichen setzen? Gemäss dem Empfinden der «Volksseele» und einem Teil der Medien scheint die Situation im Asylwesen schon lange komplett ausser Kontrolle.

Vorbeigeschossen

Die Ursachen für dieses Empfinden liegen auf der Hand. Seit Anfang 2011 gestiegene Asylgesuchszahlen führen zu einem anhaltenden Unterbringungsengpass im Asylbereich. Aus dem Unterbringungsengpass resultiert indirekt eine erhöhte physische Präsenz von Asylsuchenden im öffentlichen Raum. Ein Grossteil dieser Asylsuchenden sind junge afrikanische Männer, von denen einige wenige für einen Anstieg vorwiegend kleiner Delikte verantwortlich zeichnen. Jede solche Handlung wird von einem Grossteil der Medien bereitwillig skandalisiert. Die pauschale Schlussfolgerung daraus ist fatal, sie lautet: Junge Männer aus Afrika missbrauchten unser Asylsystem, übervölkerten unsere Plätze und begingen Straftaten; da ihre Asylgesuche überwiegend negativ behandelt werden, könnten sie gar nicht «echt» sein; ergo sei die Schweiz für Asylsuchende zu attraktiv, habe dementsprechend zu viele Asylgesuche und nicht einmal mehr Platz für «echte» Flüchtlinge. Deshalb erscheinen alle nur erdenklichen Massnahmen gegen solch «unechte» Asylsuchende legitim: sowohl diejenigen, die der Nationalrat neu im Gesetz verankern will als auch jene, mit denen die Kantone sich aktuell hervor tun: Die Einführung von Rayonverboten und Eingrenzungen für «kriminelle» Asylsuchende in Kreuzlingen und im Kanton Zürich; Eine Ausgangssperre und eine generelles Handyverbot für Asylsuchende in der Stadt Luzern. Oder die Erfassung der DNA-Profile aller Asylsuchender, wie das der jurassische Polizeichef fordert. BFM-Chef Mario Gattiker propagiert im «SonntagsBlick» kurz und bündig: «1. Handy-Verbot! 2. Ausgangssperre! 3. Knast!».

Das wahrhaft Bedenkliche an all diesen Strategien, Massnahmen und Verschärfungen ist ihre Unreflektiertheit. Zum einen treffen diese Massnahmen nicht nur jene Asylsuchenden, die als kriminell gebrandmarkt werden, sondern auch alle anderen. Die Delikte einiger weniger, auch wenn es grossmehrheitlich geringfügige sind, sollen als Legitimationsbasis zur breit enthemmten Verschärfungspolitik dienen. Zum anderen basiert die Politik der Zeichensetzung auf einigen nur schwer haltbaren Aussagen und bewussten Falschanalysen. Was bisher ein typisches Mittel rechtspopulistischer (Migrations-)Politik war, findet derzeit bis hinein in die rechte Hälfte der Linken Anklang. Dass dabei die (vorgegaukelten) Ziele der laufenden Asyldebatte aus dem Blickfeld geraten, versteht sich fast von selbst. Die im Juni gefällten Beschlüsse des Nationalrates kommen einem Schrotflintenschuss im Halbdunkeln gleich: man trifft willkürlich alles ein bisschen. Mit seriöser Asylpolitik hat das nichts mehr zu tun.

Ein Frontalangriff ist nötig

Es zeichnet sich heute ab, dass das Machtspielchen der politischen Rechten auch im Ständerat einmal mehr aufgehen wird. Der «politische Köder» der «Nothilfe für alle» wurde der Linken hingeworfen und sie hat sich darauf gestürzt. Es droht das eingangs erwähnte Szenario, dass sich die politische Linke von einem Scheinerfolg blenden und eine Asylgesetzrevision, die schärfer, umfassender und weitgreifender als die letzte ist, ohne adäquates Gegenrezept passieren lässt. Gegen die letzte Revision wurde vor acht Jahren das Referendum ergriffen. Heute scheint dies aus verschiedenen Gründen weder opportun noch ausreichend. Auf eine derart enthemmte politische Debatte, wie wir sie im Juni 2012 im Nationalrat erlebt haben, kann statt einer Reaktion nur ein Frontalangriff erfolgen. Ein umfassender Gegenentwurf muss her. Solidarité sans frontières wird ihn in Angriff nehmen.

Stopp Auslieferung von Metin Aydin

Seit über einem Jahr sitzt der kurdische Politiker Metin Aydin im Kanton Zürich in Auslieferungshaft.  Obwohl er in Frankreich als politischer Flüchtling anerkannt ist, droht ihm wegen seinen politischen Aktivitäten ein Strafverfahren in Deutschland.

Metin Aydin ist ein kurdischer Politiker und in Frankreich anerkannter Flüchtling. Als Metin Aydin vor gut einem Jahr in die Schweiz reiste, wurde er von den Schweizer Behörden festgenommen. Seither sitzt er in der Schweiz in Auslieferungshaft. Deutschland hat ein Auslieferungsbegehren gestellt.

Der deutsche Staat führt ein Strafverfahren gegen Metin Aydin, weil er in Deutschland für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) politisch aktiv gewesen sei. Die PKK, welche sich für die Selbstbestimmung des kurdischen Volkes in der Türkei einsetzt, ist in Deutschland verboten. Aydin soll in Deutschland nun wegen Verstosses gegen die politischen Artikel 129a und 129b bis zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt werden. Diese Gesetzesartikel, welche die Zugehörigkeit an illegalen Organisationen im In- und Ausland unter dem Vorwand der «Terrorismusbekämpfung» unter Strafe stellen, dienen insbesondere dazu, politischen Aktivismus über die «normalen» Strafandrohungen hinaus unter Strafe zu stellen. Strafbar macht sich dabei, wer schon in einer verbotenen Organisation Mitglied ist, ohne jedoch dabei selbst an militanten Aktionen teilgenommen zu haben.

Unter diesen Umständen erhält die Auslieferung auch aus rein rechtlicher Sicht einen höchst fragwürdigen Charakter: In der Schweiz ist die PKK legal, einen Strafartikel wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation existiert in der Schweiz nicht. Die schweizerische Gesetzgebung verlangt jedoch ganz klar, dass eine Tat auch gemäss schweizerischem Gesetz strafbar sein muss, um einem Auslieferungsbegehren entsprechen zu können. Zudem wäre die Auslieferung ausgeschlossen, wenn die Strafverfolgung einen vorwiegend politischen Charakter hat, was im Fall von Metin Aydin dann auch mit Sicherheit der Fall ist.

Es ist davon auszugehen, dass die Auslieferung durch die Schweiz, zu welcher die Schweiz keineswegs verpflichtet wäre, selbst politischen Charakter hat: Ausländische politisch Aktive in der Schweiz sollten mit der Androhung von Auslieferung eingeschüchtert werden. Dies wohl mit dem Ziel, migrantische politische Gruppierungen, insbesondere die in der Schweiz stark vertretenen kurdischen AktivistInnen, von politischem Handeln abzuhalten. Nicht zuletzt versucht die Schweiz damit aber auch, repressiven Drittstaaten wie der Türkei einen Gefallen zu tun.

Drohende Folter in der Türkei

Nach der Verbüssung einer allfälligen Haftstrafe in Deutschland würde Metin Aydin wahrscheinlich in die Türkei abgeschoben werden. Dort droht ihm nicht nur weitere Inhaftierung, welcher er zunächst durch Flucht nach Frankreich entkommen konnte, sondern auch schwerste Folter durch die türkischen Sicherheitskräfte. Folter ist in der Türkei eine weit verbreitete Praxis und speziell im Kampf gegen kurdische Widerständische die Regel. Obwohl die Schweiz darum weiss – die Schweiz konnte deswegen insbesondere nicht den in der Schweiz wohnhaften kurdischen Politiker Mehmet Esiyok an die Türkei ausliefern – verschliesst sie im Fall Aydin davor willentlich die Augen. Im Bewusstsein, dass Metin Aydin in der Türkei gefoltert werden wird, wird er nach wie vor in Auslieferungshaft gehalten.

Das Bundesamt für Justiz verfügte im Februar dieses Jahres die Auslieferung und tat dies auch öffentlich kund. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es der Schweiz eben auch um eine Abschreckungswirkung an andere ausländische Politaktivisten geht. Auf Druck des Anwalts von Metin Aydin, Marcel Bosonnet, musste die Rechtsmittelinstanz jedoch den Auslieferungsentscheid aufheben und zu neuer Beurteilung an das Bundesamt zurückweisen. Dieses muss nun einen neuen Entscheid fällen, welcher in den nächsten Wochen erwartet wird.

Breite Solidarität

Gegen die Auslieferung an Deutschland, welche wohl mit Folter in der Türkei enden würde, hat sich eine breite Solidaritätsbewegung etabliert: Der kurdische Dachverband in der Schweiz FEKAR, welcher sämtliche kurdischen Vereine in der Schweiz repräsentiert, lancierte eine Petition für die Freilassung von Aydin. Diese soll im Rahmen einer Kundgebung an die schweizerischen Behörden übergeben werden. Auch will die FEKAR im direkten Gespräch mit Vertretern des Schweizer Staates auf die Lage von Aydin aufmerksam machen. Weiter fand am 20. Juli vor dem türkischen Konsulat in Zürich eine Kundgebung gegen seine Auslieferung statt. Die Zürcher Polizei machte dabei klar, auf welcher Seite sie steht: Teilnehmende wurden kontrolliert und ohne weitere Begründung wurde ein Transparent beschlagnahmt. Die FEKAR hofft jedoch, durch die Information über die Lage von Metin Aydin genügend öffentlichen Druck auf die Schweiz aufzubauen, damit diese von der Auslieferung und als Folge davon der weiteren Inhaftierung und Folter absieht.

Vom Argument zum Streik

Seit Ende April kämpfen die ArbeiterInnen von Merck Serono in Genf um ihre Arbeitsplätze und ihre Würde. Einige hundert Meter entfernt vom Lac Lemon und flankiert von verschiedenen internationalen Organisationen, radikalisiert sich eine Belegschaft von ForscherInnen durch ihren Kampf.

In einem Kurzvideo hat eine Arbeiterin von Merck Serono den bisherigen Verlauf des Kampfes zusammengefasst. Unter dem Titel «Site closure Merck Serono Geneva» flimmern Bilder vom Widerstand gegen den Abbau der 1?250 Arbeitsplätze in Genf über die Leinwand: Flashmobs, Demonstrationen, Bilder vom Streik. Die rund 400 ArbeiterInnen in der Halle Sécheron geben dem Film einen langen Applaus. Kurz darauf wird die Versammlung erneut für Streik stimmen. Eine Strassenblockade wird vorgeschlagen. Einem Aufruf zum Hungerstreik schliessen sich spontan zehn Leute an. Innerhalb von zwei Monaten hat sich eine Belegschaft radikalisiert, die mit Klassenkampf bis anhin nichts am Hut hatte.

Radikalisierung der Belegschaft

Dabei reagierte Merck mit der Schliessung des Genfer Standortes auf die mörderische Konkurrenz in der Pharma- und Chemiebranche. Mit der Strategie «Fit for 2018» sollen Kosten in der auf langfristiges Engagement angelegten Forschung reduziert werden. Da mit dem Hauptsitz in Darmstadt bereits eine kleine, flexible und dynamische Forschungseinheit existiert, wollte der Konzern mit der Aufhebung von Merck Serono Genf Doppelspurigkeiten abbauen. Da die Belegschaft an den zwanglosen Zwang des besseren Arguments in der Auseinandersetzung glaubte, arbeiteten Arbeitsgruppen in der Konsultationsphase drei Lösungsvorschläge aus, um die Arbeitsplätze in Genf zu behalten. Selbst die liberale «Neue Zürcher Zeitung» zeigte sich von den Vorschlägen tief beeindruckt. Statt rüdem Gewerkschaftston finde man hier handfeste Argumente. Die Verantwortlichen hätten den Stab wohl vorschnell über dem Genfer Betrieb gebrochen. Doch sowohl die NZZ als auch die ArbeiterInnen verkannten bis zu diesem Zeitpunkt, dass im Klassenkampf nicht die Argumente, sondern das Kräfteverhältnis entscheidend ist. Am 19. Juni verwarf Merck alle drei Vorschläge in Bausch und Bogen.

Aus diesem Rückschlag sollte die Belegschaft ihre Lehren ziehen. Waren die Aktionen zu Anfang sehr kreativ, so wurden sie nun zunehmend radikaler. Überhaupt lässt sich an der Radikalisierung der ArbeiterInnen von Merck Serono wunderbar aufzeigen, wie sich das Bewusstsein von Menschen durch Kämpfe verändern kann. Von den 1?250 ArbeiterInnen im Genfer Standort haben 750 einen akademischen Titel oder sind Marketingfachleute. Noch vor einem halben Jahr konnten sich nur wenige vorstellen, an einer Demonstration teilzunehmen. Es gab nicht einmal eine gewerkschaftliche Vertretung im Betrieb. Im Schnelldurchgang spielten die ArbeiterInnen alle sozialpartnerschaftlichen und symbolischen Mittel durch: Mit einer Petition kamen innerhalb von kurzer Zeit 12?000 Unterschriften zur Erhaltung der Arbeitsplätze zusammen. Zugleich wurden Flashmobs und Demonstrationen durchgeführt. Einige ArbeiterInnen bestiegen sogar einen Berg, um ein Transparent gegen die Schliessung in die Höhe zu halten. Doch erst die Androhung ökonomischen Drucks mittels Streik erwirkte die Verlängerung der Konsultationsphase.

Nachdem die Vorschläge aus der Konsultationsphase schlichtweg abgelehnt wurden, machte die Belegschaft ihre Drohung wahr und trat in den Streik. Der Streik vom 20. und 21. Juni spielte sich hauptsächlich auf dem Vorplatz des gläsernen Haupteingangs ab. Aus Angst vor einer Besetzung des Betriebs engagierte das Unternehmen eine Heerschar von Securitas-Angestellten, die das Geschehen vor den Glastüren grimmig begutachteten. Ein Fotograf machte präventiv Aufnahmen von streikenden ArbeiterInnen. Die Streikenden erbauten auf dem Gehsteig vor dem Betrieb eine kleine Zeltstadt und nannten sie «Occupy Merck Serono». Die Polizei liess sie dabei trotz Wegweisungsbefehl gewähren. Doch die Teilnahme am Streik war bereits am zweiten Tag rückläufig. Nach neun Wochen Kampf begannen sich bei den ArbeiterInnen erste Ermüdungserscheinungen zu zeigen. An der Vollversammlung vom Donnerstag wurde beschlossen, den Streik auszusetzen und den PolitikerInnen die Chance zu geben, Merck an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Auf dem Weg zur internationalen Bewegung

Das Rationalisierungsprogramm «Fit for 2018» betrifft nicht nur den Standort Genf. Und weil Merck ein internationales Unternehmen ist, haben die ArbeiterInnen Kontakt zu den verschiedenen Sitzen, die auch vom Abbau betroffen sind. Eine Delegation war zudem nach Darmstadt in den Hauptsitz gereist und hatte um Unterstützung gefragt. Trotz anfänglicher Zusage zu einer parallelen Aktion, zog sich der Betriebsrat aus Deutschland hinter die Interessen seines Standorts zurück. Er wolle die Verhandlungen mit dem Unternehmen nicht gefährden. An einem internationalen Aktionstag kamen Solidaritätsbotschaften von verschiedenen Merck-Standorten in Frankreich, Italien und Deutschland. Die Bewegung begann eine internationale Dynamik anzunehmen. Tiefen Eindruck hinterliess die Entdeckung eines Kampfes im Jahre 2010 bei Merck Pakistan. Merck ignorierte den Hungerstreik eines Arbeiters so lange, bis er starb. Entdeckungen wie diese trugen dazu bei, dass die Belegschaft am 28. Juni erneut in Streik trat, dieses Mal begleitet von einem Hungerstreik. Der Kampf wurde zu einer Frage der Würde. Oder wie es ein Arbeiter ausdrückte: «Wir sind keine Möbel, die man einfach so rumschieben kann.»

Zurück in den Fängen der Sozialpartnerschaft

Auf diese weitere Eskalation reagierte die Genfer Regierung plötzlich schnell. Sie schöpfte alle ihre rechtlichen Mittel aus und zwang Merck, mit VertreterInnen der Belegschaft, der Gewerkschaft und der Regierung an einen Tisch zu sitzen. Das ist aber auch schon das einzig Positive an dieser Mediation. Denn Merck ist zu nichts verpflichtet, ausser an den Sitzungen teilzunehmen. Diese können maximal 45 Tage dauern und drehen sich nur um den Sozialplan. Der Erhalt der Arbeitsplätze wird nicht diskutiert. Während dieser Zeit ist es den ArbeiterInnen verboten, Kampfmassnahmen zu ergreifen, zu Demonstrationen aufzurufen oder Communiqués rauszugeben. Damit wurde den ArbeiterInnen der Wind aus den Segeln genommen und eine weitere Zuspitzung des Konflikts verhindert. Doch wer den Erfindungsreichtum und die Ausdauer der Belegschaft von Merck Serono kennen gelernt hat, weiss, dass sie immer für eine Überraschung gut ist.

Vom Mut der Mehrheit gegen die Schwachen*

Das Schweizer Parlament verschärft das Asylrecht. Schon wieder, ist man geneigt zu sagen. Wer dachte, es gäbe nichts mehr zu verschärfen, der wurde einmal mehr eines besseren belehrt. Und doch sind die aktuellen Verschärfungen nur plumpe Augenwischerei und billiger Populismus auf dem Buckel der Schwächsten.

Die braungebrannte SVP, sie ist mit ihrer Politik des Hasses und Verunglimpfung längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die bürgerlichen Parteien versuchen alles, um das Original mit fremdenfeindlichen Voten zu übertrumpfen. Die neusten Verschärfungen (siehe auch Seite 2) werden so wirkungslos verpuffen wie alle anderen Sanktionen zuvor. Sie werden das Elend unter den Betroffenen nur verschärfen. Wer durch Hunger, Krieg und Unterdrückung nicht schon zuvor psychisch zerstört war, der wird es spätestens nach ein paar Monaten Asylland Schweiz sein. Dafür garantiert die offizielle Schweiz mit Gütesiegel. Kommen werden die Menschen trotzdem. Weil sie keine andere Perspektive haben, und weil sie der Meinung sind, dass die Schweiz ein wunderbares Land ist. Wenn es hier keine Gerechtigkeit und Zukunft gibt, wo dann? Wo dann?

Des Volkes Wille

Das ist eines der Nebengeräusche, wenn man das reichste Land der Welt ist. Und es sind nicht die bürgerlichen Parteien oder das Kapital alleine, die diese rassistische Politik tagtäglich fördern und fordern und vor lauter Wohlstandschauvinismus nichts  anderes können als nur noch gegen unten zu treten. Es sind nicht die behördlichen Schreibtischtäter, das Bundesamt für Migration oder die einzelnen Parteien, die für Verschärfungen der letzten Jahre die alleinige Verantwortung tragen. Es ist das Schweizer Volk. Wir alle, du und ich. Ob reich oder arm, ob Millionär mit Luxusschlitten oder die SVP-wählende Sozialhilfeempfängerin, sie alle heben den rechten Arm zum Gruss. Es ist nicht die Angst vor dem Fremden, die die Menschen zu solchem Handeln treibt, sondern die egoistische Selbstliebe und das Betonieren des eigenen Wohlstands. Die Volksseele, sie kocht. Sie will Blut sehen und einfache Lösungen für komplexe Fragen haben. Es ist die soziale Kälte und der verschwiegene Krieg an den Aussengrenzen Europas, welche das Geschwätz von Menschenrechten und humanitärer Tradition schon lange ad absurdum führen. Der eigentliche Skandal ist nicht die aktuelle Verschärfungen des Asylrechts, sondern, dass an Schweizer Unis überhaupt noch so etwas wie Völkerrecht unterrichtet wird. Welch Augenwischerei, welch Heuchelei.

Wo bleibt die radikale Linke?

In der heutigen Asylpolitik geht es nicht um den Schutz von Verfolgten, sondern um den innereuropäischen Wettbewerb, wer das mieseste Asylgesetz hat und die kreativsten Abschreckungsmechanismen entwickelt. Und es sollte durchaus zum Nachdenken anregen, dass Blocher und Co. seit Jahren mit ihrer dumpfbackigen Stimmungsmache praktisch auf keinen Widerstand mehr stossen. Kann es sein, dass auch die radikale Linke längst der Meinung ist, dass es doch so langsam eng wird im Boot? Lieber zu «Tanz dich frei» den Po wackelt, statt für die Rechte der Ausgegrenzten auf die Strasse zu gehen? Sich im behüteten Szenenghetto für Mittelstandkids pudelwohl fühlt und von Repression und Unterdrückung fabuliert, während draussen vor der Haustür längst die Hölle losgebrochen ist? Die heutige Asylpolitik dient in vielerlei Hinsicht auch als Experimentierfeld für sozialpolitische und gesellschaftliche Verschärfungen. Ob totale Überwachung, soziale Disziplinierung oder Einschränkung der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit, nirgendwo sonst wird so hemmungslos gegen unten geknüppelt, nirgendwo sonst manifestiert sich die Barbarei der Gebildeten und Aufgeklärten so deutlich wie in der Asylpolitik. Sie wäre eines der wichtigsten zu besetzenden Kampffelder für eine revolutionäre Linke, denn nirgendwo sonst prallen Welten so aufeinander, denn Migration ist oft die letzte – und einzige – Waffe der Entrechteten dieser Welt.

Pragmatismus statt Repression

Mit Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit jedenfalls haben die heutigen Gesetze schon lange nichts mehr zu tun. Die Schweiz ist ein Einwanderungsland. Statt diese Realität zu akzeptieren und die Gesetzgebung anzupassen, setzt die offizielle Schweiz auf Repression und Abschreckung. Die sofortige Aufhebung des Arbeitsverbotes, kollektive Regularisierungen oder die Schaffung einer Green Card-Lotterie wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Liste der durch die offizielle Schweiz begangenen Schweinereien und Menschenrechtsverletzungen jedenfalls ist beängstigend lang. Wenn die Schweiz geheime Knäste im westafrikanischen Accra und Abidjan unterhält, wie von augenauf und L’Hebdo 2000 aufgedeckt, wenn Lohnarbeit zu einem Schwerverbrechen wird, wenn Menschen für Jahre im Knast verschwinden, obwohl sie keine einzige Straftat begangen haben, ausser hier zu sein, dann stinkt es ganz gewaltig in diesem Land. Es braucht keine neuen Internierungslager, weil wir längst schon solche haben. Sie werden mehrmals wöchentlich ab Bern, Basel, Genf, Lausanne und Zürich mit einem Gefängniszug (!) bedient. Und wenn jetzt jemand an Rampen und alte Geschichten denkt… Solange die Schweiz sich jedenfalls als Bordellbetreiber für multinationale Konzerne betätigt, solange auch nur ein einziger Franken Despotengelder auf Schweizer Bankkonten liegt, solange wir mit unserem Durst nach einem angenehmen Dasein die Lebensgrundlagen anderer zerstören, solange sind wir moralisch verpflichtet, sie mit offenen Armen zu empfangen, weil unser Reichtum die Armut der Anderen bedeutet. Aus diesem Grund gilt es, am 23. Juni in Bern ein klares Zeichen der Toleranz, der Empörung und des Widerstandes zu setzen.

* Titel von Lukas Bärfuss geklautmaiert

Weitere Aushöhlung des Rechts auf Asyl

Der Nationalrat hat das Asylgesetz erneut massiv verschärft. Am Abend der Nationalratdebatte kam es in Bern jedoch zu spontanen Protesten. Über dreihundert Personen – darunter viele Sans-Papiers und MigrantInnen – zeigten ihre Wut. Der Widerstand muss weitergehen.

Vor dem Bundeshaus wurden ParlamentarierInnen ausgepfiffen, ausgebuht und mit Eiern beworfen. Auf Empfehlung des Nationalratspräsidenten Hansjörg Walter verliessen viele ParlamentarierInnen das Bundeshaus durch die Hintertür. «Ihr seid Scheisse», empörte sich ein Demonstrant, als eine Gruppe NationalrätInnen das Parlamentsgebäude verliess. In der Tat verdienen «VolksvertererInnen», die solche Beschlüsse fassen, keine andere Bezeichnung.

Die Verschärfungen

Der Nationalrat will erstens das Asylrecht für Wehrdienstverweigerer und Deserteure abschaffen. Zweitens beschränkt er das Recht auf Familienasyl. In Zukunft sollen es nur noch Ehegatten und Kinder geniessen dürfen. Drittens wurde die Sozialhilfe für Asylsuchende gestrichen. Künftig sollen alle Asylsuchenden dem Nothilfe-Regime unterstellt werden. Viertens sollen sogenannt renitente Asylsuchende in Speziallager weggesperrt werden. Fünftens sprach sich der Nationalrat dafür aus, dass bei Schweizer Botschaften keine Asylgesuche mehr eingereicht werden dürfen. 2010 wurden auf den Schweizer Botschaften über 3000 Gesuche eingereicht – mehrheitlich von Frauen. Asylsuchenden wird sechstens ein politischer Maulkorb aufgesetzt: Um Rekurse und Zweitgesuche aufgrund von Nachfluchtgründen zu verhindern, dürfen sie die Verhältnisse in ihrer Heimat nicht mehr öffentlich kritisieren. Auch politische AktivistInnen, die Asylsuchende unterstützen, können künftig bestraft werden. Siebtens verschärfte der Rat die Härtefallregelung für vorläufig aufgenommene Personen. Diese soll neu erst nach sieben statt wie heute nach fünf Jahren angewendet werden können. Achtens sollen Ausschaffungen in jedem Fall als «zumutbar» gelten, wenn der Bundesrat die Rückkehr in einen Staat allgemein als zumutbar erachtet. Der Spielraum für die Prüfung von Einzelfällen wurde gestrichen. In der Schlussabstimmung akzeptierte der Nationalrat das Gesetz mit 118 zu 62 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Nächstes muss sich der Ständerat zu den Verschärfungen äussern.

Die Debatte 

Die zweitägige Asyldebatte des Nationalrats hat gezeigt, dass es verfehlt wäre, nur die SVP als treibende Kraft hinter den drastischen Verschärfungen des Asylgesetztes zu erkennen. Die xenophobe Setzung «Asyl-suchende=Missbrach=Kriminalität», welche die SVP seit langem aggressiv politisierend vertritt, wird im Parlament heute weitläufig als gegeben angenommen.

Den utilitaristisch-xenophoben Prämissen folgend, stritten sich «Experten» à la Philipp Müller (FDP), Heinz Brand (SVP) und Gerhard Pfister (CVP) «sachlich und freundlich» darüber, wie die Verwaltungsprozesse des Asylregimes optimiert oder Ausschaffungen effizienter gestaltet werden könnten.

Die Ratslinke beschränkte sich in dieser technokratischen Debatte einerseits darauf, «bürokratischen Unsinn» (Geri Müller/Grüne) zu verhindern und «nüchtern und sachlich zu bleiben» (Silvia Schenker/SP). Andererseits wurde von linker Seite an humanitäre Werte erinnert und versucht, die Revision als unnötig zu erklären: «Sie höhlen das Asylgesetz aus, ganz ohne Not. Sind wir etwa in der Situation von Griechenland?» (Balthasar Glättli/Grüne).

 

Das Referendum

Dass der Nichteintretensantrag der Grünen zu Beginn des Verschärfungsmarathons mit 158 zu 34 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgeschmettert wurde, zeigt, dass innerhalb der parlamentarischen Linken keine grundsätzliche Ablehnung des Asylregimes besteht. Sogar die Frage nach dem Referendum, die für die grossen Parteien, Organisationen oder Gewerkschaften nach all den Verschärfungen an sich Pflicht sein sollte, bleibt offen.

Anlässlich der Spontandemo wurden SP, Grüne, SGB und SFH aufgerufen, «das Referendum auf jeden Fall zu ergreifen». Doch die SP bleibt zurückhaltend. Sie hofft, dass der Ständerat nochmals auf die Abschaffung der Sozialhilfe zurückkommt oder sich die Verantwortung für ein Referendum auf kleinere Organisationen abwälzen lässt.

 

Migrationspolitischer Bankrott

Obwohl die Ratslinke mehrheitlich geschlossen gegen die einzelnen Verschärfungen stimmte, trifft sie eine Mitschuld an den Verschärfungen des Asylgesetzes. Seit der letzten «Revision» im Jahr 2006 fand ein migrationspolitischer Kurswechsel nach rechts statt. Die SozialdemokratInnen und ihre Bundesrätin vertreten zunehmend offen protektionistische und utilitaristische Positionen und verzichten auf eine internationalistische Perspektive. 2008 bejahten sie das neue Schwarzarbeitergesetz, das die offene Sans-Papiers-Hetze orchestriert. 2006 und 2008 befürworten sie die Personenfreizügigkeit ohne wirksamen Schutz gegen Lohn- und Sozialdumping. Seit 2008 akzeptieren sie die Kriminalisierung der Migration aus dem nicht-europäischen Raum, indem sie die Militarisierung der EU-Aussengrenze mittragen und das repressive Asylregime der 9. Asylgesetzrevision über zahlreiche Exekutivmandate, Kommissionsmitgliedschaften und Verwaltungsstellen mitgestalten und -verwalten.

Der migrationspolitische Bankrott der SP zeigte sich jüngst auch während der Wahlen, als Fraktionschef Tschümperlin «aus wahlstrategischen Gründen» empfahl, das Thema Migration und Asyl totzuschweigen und auf später zu vertagen. Im «neuen» SP-Migrationspapier, das seit den Wahlen diskutiert wird, heisst es nun, dass Migration nur als wünschenswert betrachtet wird, wenn die Schweizer Wirtschaft davon profitiert. Ausschaffungen, Lager und Zwangsmassnahmen für Asylsuchende werden nicht a priori zurückgewiesen, die kollektive Regularisierung der Sans-Papiers jedoch schon.

Die SP muss sich letztlich auch vorwerfen lassen, sich stark vom sozialen und zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen das Asyl- und Ausländerregime distanziert zu haben und sich ausschliesslich auf den parlamentarischen Weg zu beschränken. Bewegungen wie «Bleiberecht für alle» werden parteiintern im besten Fall als externe Unterstützung, oft aber als Hindernis für den reibungslosen Ablauf des parlamentarischen Geschäfts gesehen.

Antworten und Botschaften

Es war ein kämpferischer und starker 1. Mai in Zürich. An der Demonstration nahmen rund 12 000 Personen teil. Ein voller Erfolg und der Beweis, dass der internationale Tag der Arbeit an seiner Aktualität nichts eingebüsst hat. 

Nach dem 1. Mai in Zürich sind alle zufrieden: Vom Revolutionären Bündnis über das 1.Mai-Komitee, von den Gewerkschaften, der JUSO und der SP bis hin zum Stadtrat und der Polizei. Für alle war es ein Erfolg, wie aus den verschiedenen Stellungsnahmen und Communiques zu entnehmen ist. Bei so viel Friede, Freude, Eierkuchen drängt sich schon fast die Frage auf, ob es tatsächlich ein guter 1. Mai war? Und die Frage ist nicht ironisch gemeint: Letztes Jahr kam es zu über 500 Verhaftungen, was die Polizei und die bürgerlichen Kreise – mit der SVP an der Spitze – als Erfolg werteten.

Nun,  ausser den 50 Verhaftungen, dem Polizeihubschrauber, der am Himmel seine Runden drehte und das «enorme Aufgebot von Stadt- und Kantonspolizei» (Zitat von Philipp Hotzenköcherle, Kommandant der Stadtpolizei Zürich im Tagesanzeiger vom 2. Mai), war es in der Tat ein wunderschöner und kämpferischer Tag der Arbeit. Selbst die bürgerlichen Medien mussten diese Tatsache zugeben und in ihrer Berichterstattung auf die politischen Inhalte des 1. Mai eingehen. Dies, nachdem sie in den vergangenen Jahren ihre Seiten mit Berichten über «Krawalle» und «Chaoten» füllten und so die mehr als berechtigten Forderungen der ArbeiterInnen links liegen lassen konnten.

Zwei Blöcke

An der Demonstration am Vormittag nahmen rund 12 000 Personen teil. Dieser Menschenstrom mit roten Fahnen und die Tausenden, die während dem dreitägigen internationalen Volksfest auf das Kasernenareal kamen, waren eine beeindruckende Antwort auf die neoliberalen Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen hier und weltweit.  Sie waren der Beweis, dass der 1. Mai alles andere als ein sinnloses Ritual von Ewiggestrigen ist. Er ist und bleibt der Kampftag für die Rechte der arbeitenden Bevölkerung. Die kämpferische Demo und das Volksfest waren auch eine deutlich Botschaft an den Gewerkschaftsbund, insbesondere jedoch an die Führungscrew der Zürcher Unia, endlich mit dem Machtgeplänkel um den Hegemonieanspruch rund um den 1. Mai aufzuhören. Der Konflikt zwischen dem Gewerkschaftsbund und dem 1. Mai-Komitee führte dazu, dass für die Demo ein Abstand von 300 Metern zwischen dem Gewerkschaftsblock und dem 1. Mai-Komitee beschlossen wurde. Die Praxis auf der Strasse zeigte dann ein anderes Bild. Der geplante Abstand war «kaum oder überhaupt nicht zu sehen», wie verschiedene Augenzeugen dem «vorwärts» berichteten. Seltsame Beschlüsse sind dem Volk eben nur schwer zu vermitteln…

Widerstand gegen multinationale Unternehmen 

An der Schlusskundgebung war der Hauptredner des 1. Mai-Komitees Kamal Abbas, Koordinator der freien ägyptischen Gewerkschaftsbewegung. Abbas gehört zu den Schlüsselfiguren der Revolution in Ägypten. Er eröffnete seine emotionale Rede mit folgenden Worten: «Seit ich mich der ägyptischen Arbeiterbewegung angeschlossen habe, ist dies das erste Mal, dass ich den Tag der Arbeit ausserhalb Ägyptens feiere. Aber ich fühle mich hier nicht fremd, denn ich bin umgeben von Genossinnen und Genossen, Kolleginnen und Kollegen.» Abbas rief dazu auf, den «Widerstand gegen ein autoritäres und ausbeuterisches Herrschaftssystem und gegen multinationale Unternehmen, die auf dem Buckel der Arbeiterinnen und Arbeiter Milliardenprofite einheimsen, zu leisten.» Das Komitee unterstrich in der Medienmitteilung die eigene Überzeugung, dass «eine internationale Vernetzung im Kampf gegen die gierigen Konzerne nötig ist.»

Der Schriftstelle Pedro Lenz sprach alle Anwesenden an der Schlusskundgebung mit «Genossinnen und Genossen» an, sagte aber auch, dass «aus Genossen Konsumenten» geworden seien.  Mit seinem beeindruckenden Sprachwitz zeigte er auf, wie aus der «Eidgenossenschaft eine Eidkonsumentenschaft» geworden sei.

Für die Gewerkschaften sprach der SGB-Präsident und SP-Nationalrat Paul Rechsteiner: «Wir haben in der Schweiz jetzt zehn, fünfzehn Jahre der Ungleichheit hinter uns. Zehn, fünfzehn Jahre, in denen die hohen und höchsten Einkommen krass zugelegt haben, während die Mehrheit mit unteren und mittleren Einkommen stehen geblieben ist. Es reicht. Es langet!» Er unterstrich, dass diese Fehlentwicklung politisch verursacht sei. «Und sie kann auch politisch umgedreht werden: mit einer Lohnpolitik der Vernunft, mit starken Gesamtarbeitsverträgen und mit Mindestlöhnen, die ein Leben in Würde ermöglichen.»

Gegen die Angriffe von oben

Laut Medienmitteilung des «Revolutionären Bündnis» reihten sich am Vormittag «über 2000 Menschen in den revolutionären Teil der Demo» ein. Es gab Reden zu Arbeitskämpfen, politischen Gefangenen, Repression und rechter Propaganda. Ein Genosse aus Athen berichtete über die Kämpfe in Griechenland. Weiter schreibt das Bündnis: «Im revolutionären Block brachten viele Leute lautstark zum Ausdruck, dass sie die derzeitigen Angriffe auf ihre Lebensverhältnisse nicht hinnehmen wollen, und dass für sie der Kapitalismus und das Elend, das er produziert, nur mit einer revolutionären Politik überwunden werden kann.»  Ab dem Mittag trafen sich etwa 300 Leute zum revolutionären Treff auf dem Kanzleiareal unter der Parole «Gegen die Angriffe von oben – weltweit kämpfen». Dieses Jahr war das Bündnis bereits am Wochenende vor dem 1. Mai mit einem Politprogramm auf dem Kanzleiareal präsent. Dazu gehörte auch eine Platzbesetzung mit Musik am Samstagabend.


Unerwünschter Besuch an der Uni ZH!

Für den 7. Mai hat das Schweizerische Institut für Auslandsforschung (SIAF) die Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, zu einem Vortrag an die Universität Zürich eingeladen. Das Bündnis «Uni von unten» ruft zu Protesten gegen den Besuch von Christine Lagarde an der Universität Zürich auf.

Es ist nicht das erste Mal, dass der neoliberale Think Tank SIAF für seine Gäste in Kritik gerät. Vor gut zwei Jahren konnten aktive StudentiInnen dafür sorgen, dass der Vortrag von Novartis-CEO Daniel Vasella an der Uni abgesagt werden musste und Redner wie Nestlé CEO Peter Brabeck oder der amerikanische Kriegsbefürworter Robert Kagan nur unter grossem Protest sprechen konnten. Auch für den 7. Mai haben sich erste Proteste angekündigt. So ruft das Bündnis Uni von unten auf ihrer Website an diesem Tag zu einer Kundgebung beim Haupteingang der Universität auf.

 

Verheerende Folgen

Christine Lagarde ist seit dem Rücktritt von Dominic Strauss Kahn im letzten Jahr die Vorsitzende des IWF. Doch auch unter ihrer Führung hat sich nichts zum Positiven geändert. Noch immer tritt der Währungsfonds im Interesse des Kapitals auf und noch immer leiden unzählige Menschen darunter. Aktuelles Beispiel ist Griechenland. Aufgrund der vom IWF geforderten Sparmassnahmen werden Löhne gekürzt, im Gesundheitswesen gespart und über 1 000 Schulen geschlossen. Die Folgen für die Menschen vor Ort sind bekannt.Doch während überall im Staatsetat gespart wird, bleibt das Militärbudget auch unter dem wachenden Auge des IWF konstant hoch. Kein Wunder, denn damit profitiert die Rüstungsindustrie Deutschlands, welche mit Griechenland einen teuren Rüstungsvertrag abgeschlossen hat. Dass einer solchen Institution an der Universität ein Podium geboten werden soll, ist skandalös. Der IWF negiert seit Jahren die verheerenden Folgen  seiner Eingriffe und tut weiter so, als tätige er seine Eingriffe im Interesse der Menschen. Doch für die Betroffenen vor Ort zeigt sich ein ganz anderes Bild. Was würde wohl geschehen, wenn Christine Lagarde einen öffentlichen Vortrag an einer Athener Universität halten würde?

 

Gegen die Ökonomisierung der Uni

Dass das SIAF gerade die Uni auserkoren hat, um ihre neoliberale Hegemonie weiter auszudehnen, ist angesichts der Entwicklung der Universitäten nicht verwunderlich. Die schleichende Ökonomisierung zeigt sich unter anderem darin, dass immer mehr Unternehmen versuchen, an der Universität Fuss zu fassen. Es geht ihnen dabei nicht etwa um die Privatisierung, sondern viel mehr darum ihr Image aufzubessern, ihre Legitimation zu stärken und um die besten Abgänger buhlen zu können. So finanzierte der Pharmakonzern Syngenta unlängst eine Professorenstelle an der ETH, die im Bereich «nachhaltige Agrarökosystem» forschen und lehren soll.  Und neoliberale Think Tanks, wie das SIAF, versuchen mit Redner und Forschungsgelder aus der Privatwirtschaft, die Definitionsmacht darüber zu festigen, wie die Welt analysiert und bewertet werden muss. Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden. Gerade um zu zeigen, dass sich die Universität Zürich solidarisch mit den griechischen Universitäten in ihrem Kampf gegen die Ökonomisierung der Bildung, Sparmassnahmen und den Bildungsabbau zeigt, wäre es wünschenswert, wenn sie bei Gästen, wie Christine Lagarde, ein Machtwort sprechen und dem SIAF keinen Raum zur Verfügung stellen würde.

Ein hoher, zu hoher Preis bezahlt

Die Welt steckt in einer Krise und alle sozialen Organisationen mit ihr. Die Gewerkschaftsbewegung stellt dabei keine Ausnahme dar. Befindet sich der Syndikalismus nun in einer Krise aufgrund der Tatsache, dass sich der Kapitalismus selbst in einer Krise befindet, auf welche die Gewerkschaften keine Antworten geben können? Was ist zu tun?

Die gewerkschaftlichen Organisationen, die politischen Organisationen und die Kooperativen riefen  1864 die Erste Internationale ins Leben. Diese war unterteilt in AnarchistInnen und die sozialistischen, revolutionären SozialdemokratInnen (MarxistInnen). Letztere gründeten 1889 die Zweite Internationale, die eine Spaltung zwischen den SozialdemokratInnen (Sozialistische Internationale) und den sozialistischen, revolutionären, pazifistischen Kommunist-Innen (Dritte Internationale 1919) zur Folge hatte.  Zu diesen beiden Strömungen kommt die Libertäre hinzu. Auch um den aktuellen Kontext zu verstehen, ist es unerlässlich, einen kurzen Überblick über die Strömungen zu haben, die die Gewerkschaftsbewegung beeinflussten.

Die Libertären

Für sie ist der Staat nichts anderes als ein Apparat der Herrschaft und Unterdrückung. Daher ist seine Abschaffung die Voraussetzung für die Emanzipation der ArbeiterInnen. Der freie Zusammenschluss von Kollektiven ist der Ersatz für den Staat. Sie fassen die Abschaffung des Privateigentums zu Gunsten des sozialen, kollektiven Besitzes (nicht staatlich) der Produktionsmittel und des Tausches ins Auge. Die Lohnarbeit repräsentiert die Abhängigkeit der ArbeiterInnen gegenüber dem Kapitalisten und der Lohn bezahlt nicht die Arbeit, sondern die verbrachte Zeit unter der direkten Kontrolle des Arbeitgebers. Die Libertären postulieren die Abschaffung der Lohnarbeit sowie den Anspruch für jede und jeden auf einen gleichen Anteil am sozialen Einkommen (Mindesteinkommen und Bedingungsloses Grundeinkommen). In dem Masse, indem die Mittel mit den Prinzipien der Bewegung und des libertären Projekts vereinbar sind, sind alle Mittel erlaubt, sogar die gesetzlichen. Voraussetzung bleibt jedoch der Anspruch auf Kohärenz. Die AnarchistInnen bevorzugen die Organisierung in Netzwerken, die aus autonomen Gruppen bestehen, und ohne politische Richtung, jedoch mit WortführerInnen. Diese Organisationsform ist sowohl im politischen Feld als auch im gewerkschaftlichen Feld massgebend.

Die Sozialdemokraten

Für sie ist der Staat ein Apparat der Regulierung und der Organisierung der Gesellschaft. Dieser Apparat muss von der sozialistischen und der gewerkschaftlichen Bewegung genutzt werden, um eine soziale und kulturelle Wirtschaftspolitik zu führen. Diese soll in erster Linie im Interesse der Benachteiligten, aber daneben, der gesamten Bevölkerung, liegen. Sie wollen die öffentliche Kontrolle über die Produktionsmittel und den Tausch. Das Privateigentum, das vererbt wird, bleibt bestehen und es gibt eine Vermischung des Wirtschaftssystems (privater Sektor, öffentlicher Sektor). Die SozialdemokratInnen setzen sich für einen stetigen Anstieg des Lohnes und eine Verringerung der Lohnschere ein. Sie bestehen auf die Gesetzlichkeit ihrer Mittel, sind jedoch bereit, durch Gesetzesänderungen neue Mittel zu geben. Ausserhalb des Rechts und des Rechtsstaates, sprich innerhalb eines bestehenden demokratischen Staates,sind die SozialdemokratInnen völlig hilflos. Unter einer Diktatur sind sie gute Dissidenten, aber schlechte Widerstandskämpfer. Die SozialdemokratInnen haben eine Organisation, die völlig auf den demokratischen Staat ausgerichtet ist.

Die Marxisten-Leninisten

Für sie ist der Staat ein Instrument, durch das eine Klasse eine andere beherrscht. Im Kapitalismus ist er das Instrument der Diktatur der Bourgoisie. Die revolutionäre Bewegung, angeleitet von der Partei, muss den Staat in ihre Gewalt bringen und ihn völlig in Beschlag nehmen. Sie streben die Abschaffung des Privateigentums an. Die Produktionsmittel sollen an den Staat übergehen. Die KommunistInnen teilen theoretisch das Postulat gegen die Lohnarbeit der Libertären. Sie teilen auch die sozialdemokratische Forderung eines stetigen Anstiegs der Löhne und einer Verringerung der Lohnungleichheiten, aber über den Rechtsweg und nicht über Vereinbarungen. Was die Aktionsmittel betrifft, ist das was zählt, die Effizienz. Die Marxisten-Leninisten gehen davon aus, dass die Mittel, welche die revolutionäre Bewegung benutzt, niemals nur diejenigen sein können, welche der Kapitalismus verwendet. Es ist der Kapitalismus selbst, der seine GegnerInnen zwingt, radikale aber historisch nötige Methoden anzuwenden.

Den kapitalistischen Staat bestärkt

Die sozialistische und gewerkschaftliche Bewegung hat ihre Ursprünge vor langer Zeit. Er liegt so weit zurück, dass die Bewegung vergessen hat, woher sie gekommen ist. In der politischen Landschaft des Westens stützte sie sich auf einer kohärenten, sozialen Basis (der Arbeiterklasse) und einem alternativen sozialpolitischen Projekt. Das heisst einem Projekt, das eine fundamentale Veränderung der politischen und sozialen Realität zum Ziel hat und sich durch ein konflikthaltiges Verhältnis zu den politischen Institutionen auszeichne. Das heisst konkret, um die Staatsgewalt zu erobern oder zu brechen, auf alle Fälle ihr konsequent die Stirn zu bieten. Diese tragenden Elemente der sozialistischen und gewerkschaftlichen Bewegung sind ihr in der Schweiz und im restlichen Europa abhanden gekommen. Die soziale Basis hat sich aufgelöst in ein konsumgeiles, paranoides Kleinbürgerturm (Mittelklasse). Die am meisten benachteiligten ArbeiterInnen sind ausserhalb der Bewegung, das politische Projekt ist zerfallen. Die Strategie der gesellschaftlichen Veränderung hat sich reduziert auf die Partizipation in politischen und sozialen Institutionen. Die sozialistische und gewerkschaftliche Bewegung verstand sich ursprünglich als politischer Ausdruck der Arbeiterklasse gegen den Staat, gegen das Privateigentum und gegen die Lohnarbeit. In den letzten 150 Jahren hat sie den Staat jedoch gestärkt, das Privateigentum verbreitet, die Lohnarbeit verallgemeinert und die Arbeiterklasse, nicht aber das Proletariat, aufgelöst. Der Sozialismus und der Syndikalismus haben ihre Klasse so grundlegend verändert, dass sie diese einschränken und sich auf ihr abstützen. Ihre soziale Basis wurde geschwächt durch etwas, das auf eine Art als Lösegeld für den historischen Erfolg der Bewegung betrachtet werden kann: Die Verbesserung der Lebens- und Abeitsbedingungen der ArbeiterInnen wurde mit der Auflösung der Arbeiterklasse als Klasse an sich bezahlt. Durch die Eingliederung der sozialistischen Bewegung in die politischen Institutionen wurde diese Entwicklung noch verstärkt. Geboren von der Arbeiterklasse hat sie ihre öffentliche Funktion, die gegen den Staat gerichtet war, aufgegeben und sich im Staat selber eingerichtet.

Die Beteiligung der Linken an der Staatsgewalt in Westeuropa setzt eine Beteiligung auf allen Ebenen des politischen Entscheidungsprozesses und in allen Instanzen des Staatsapparats voraus. Mehr noch als blosse Beteiligung fügen sich die Partei und die Gewerkschaften in die Machtstrukturen ein. Es handelt sich um eine Integration der dominanten politischen Kultur und deren Verhaltensvorstellungen über die Arbeiterklasse. Sich mit dem Staat identifizierend, verwechseln sie die Veränderung der Gesellschaft mit dem Austausch der Personen in der Regierung. Sie haben das sozialistische Projekt auf den Etatismus reduziert. Die sozialistische und gewerkschaftliche Bewegung ist nicht mehr als eine revolutionäre Kraft in Erscheinung getreten, sondern als eine konservative Kraft. Sie hat die politischen und sozialen Institutionen, die sie verändern wollten, gestärkt. Es ist ihnen dabei nicht einmal gelungen, das Wiedererscheinen einer Massenarmut zu verhindern. Sie haben es nicht geschafft, dem Erstarken von rassistischen und faschistischen Verhaltensweisen und politischen Diskussionen etwas entgegen zu setzen. Oder etwas freundlicher ausgedrückt: Es fehlt die Rückkehr zum Ursprung und die Suche nach einer verlorenen Identität.

Das militante Engagement der Basis

Trotz des sichtlichen Zerfalls haben die Gewerkschaften heute noch notwendige Funktionen, die, so scheint es, keine andere Institution an ihrer Stelle wahrnimmt. Zu diesen Funktionen gehören mindestens die folgenden drei. Erstens die demokratische: Allen die, die arbeiten oder arbeiten wollen, eine Stimme in ihrem Arbeitsleben zu geben. Zweitens die wirtschaftliche: Zu einer gleichen Verteilung der Früchte des Wachstums beizutragen. Und drittens die soziale: Sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzusetzen, indem gegen den Ausschluss, die Gewalt, das soziale Chaos und die Armut gekämpft wird.

Um dies zu erreichen, müssen sich die Gewerkschaften auf die direkte Organisation der ArbeiterInnen stützen und nicht auf ihre Präsenz in sozialen, wirtschaftlichen und politischen Institutionen. Sie sollten auf der Einheit der ArbeiterInnen und deren Organisierung basieren. Dies in einer gemeinsamen Bewegung, welche die Trennungen zwischen Berufen, wirtschaftlichen Sektoren, Qualifizierungen und  Nationalitäten überwindet und nicht auf einem Mosaik von spezifischen Organisationen, die unter einem gemeinsamen Kürzel mehr oder weniger verbündet sind. Sie müssten auf die Organisierung der am stärksten ausgebeuteten und prekarisierten ArbeiterInnen gestützt sein und nicht in erster Linie wie heute auf die Organisierung der am besten geschützten ArbeiterInnen. Das Fundament der Gewerkschaften muss die Bereitschaft sein, kollektive Rechte für die ArbeiterInnen zu erkämpfen und nicht die Verhandlungen dieser Rechte, die nicht verhandelbar sind. Sie müssen auf der Überzeugung gründen, dem Staat die Stirn zu bieten und nicht das Friedensabkommen als Ausgangsbasis betrachten. Und schliesslich sollten die Gewerkschaften auf dem militanten Engagement ihrer Mitglieder und nicht auf dem professionellen Engagement ihrer Funktionäre aufgebaut sein.

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