Zehn Jahre nach dem Genozid

Die mobile Klinik der Nahri-Organisation ist für die Menschen in der Shengal-Region oft der einzige Zugang zu medizinischer Versorgung. Bild:medicointernational.ch

sit. Tausende Ezid:innen wurden brutal ermordet, Frauen und Mädchen wurden entführt und versklavt, religiöse und kulturelle Stätten zerstört. Nach dem Massaker im August 2014 durch den «Islamischen Staat» kämpfen die Ezid:innen in Nordirak fernab der Weltöffentlichkeit für ein selbstbestimmtes Leben. Dabei spielen die Frauen eine zentrale Rolle.

Am 3. August 2014 fiel der «Islamische Staat» in das Shengal-Gebiet im Nordirak ein. Während ihrer Offensive und in den darauffolgenden Tagen und Wochen töteten IS-Terrorist:innen bis zu 10000 Ezid:innen. Rund 7000 Frauen und Mädchen wurden verschleppt und als Sklavinnen ausgebeutet. Über 4000 wurden wiedergefunden, 3000 werden bis heute vermisst. Minderjährige Jungen wurden entführt, um sie als Kindersoldaten oder Selbstmordattentäter auszubilden. Alle religiösen und kulturellen Stätten der ezidischen Gemeinschaft in der Region wurden zerstört. Die Vereinten Nationen klassifizierten diese Verbrechen als den ersten Genozid des 21.Jahrhunderts.
In der Mitte der Shengal-Region erhebt sich ein karges Berggebiet. Dort hinauf flohen im August 2014 mehrere Zehntausend Ezid:innen. Die Bilder der Menschen, die tagelang bei bis zu 40 Grad auf dem belagerten Berg ausharrten, gingen um die Welt. Helikopter von westlichen Regierungen warfen Trinkwasser und Malzeiten ab, Staatschefs versprachen Hilfe. Diese kam aber nicht von Staatspräsident:innen oder Abgesandten von ihnen, sondern von den kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ aus Rojava und Kämpfer:innen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Von Syrien aus erkämpften sie einen sicheren Korridor bis in den Shengal, über den über 50000 Ezid:innen nach Rojava fliehen konnten. So wurde ein noch grösseres Massaker verhindert.

«Ferman 74»
Die Ezid:innen (deutsch meist Jesid:innen) sind eine ethnisch-religiöse Gemeinschaft, deren Wurzeln dem eigenen Verständnis nach mehr als 4000 Jahren zurückreichen. Ihre traditionellen Siedlungsgebiete sind auf den Irak, Syrien, die Türkei und den Iran aufgeteilt. Die nordirakische Provinz Ninive mit ihren Distrikten Shengal und Shekan gilt als das kulturelle und religiöse Zentrum der Ezid:innen. Die Ezd:innen bezeichnen sich teilweise als ethnische Kurd:innen, teilweise als eigenständige Ethnie. Im kollektiven Bewusstsein der Ezid:innen ist der Völkermord, der 2014 begann und bis heute nachwirkt, als «Ferman 74» bekannt. Der Begriff «Ferman» stammt aus dem Osmanischen Reich und bedeutet Erlass oder Befehl. Die Zahl 74 steht für die Anzahl der Pogrome und Massenmorde, die seit dem 15.Jahrhundert an den Ezid:innen verübt wurden.
Die Mehrheit der Ezid:innen aus Shengal lebt nach dem Genozid immer noch in Lagern für intern Vertriebene im Nordirak oder in Flüchtlingslagern in Nordsyrien (Rojava) unter prekären Bedingungen oder als Geflüchtete in anderen Teilen der Welt. Den Menschen in den Flüchtlingslagern in Nordirak droht jedoch ein weiterer brutaler Schicksalsschlag. Recherchen des vorwärts und Berichte von verschiedenen unabhängigen NGOs zeigen, dass mit der Schliessung der Flüchtlingscamps begonnen wurde. Grund dafür ist, dass in der Region ein erneuter Angriff der türkischen Armee erwartet wird.

Die Widerstandskraft der Frauen
Seit der Befreiung vom IS-Terror 2017 durch die kurdischen Kämpfer:innen und ihre Alliierten sind mehr als 100 000 Ezid:innen nach Shengal zurückgekehrt. Die Ezid:innen fühlen sich aus guten Gründen von der irakischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen. Internationale Organisationen sind kaum noch vor Ort. Die Ezid:innen wollen nie wieder schutzlos sein und sehen selbstbestimmte Strukturen als einzige Lösung. Nach dem Vorbild von Rojava streben sie eine autonome, paritätisch besetzte Selbstverwaltung mit eigenen Verteidigungskräften an.
Bei diesem gesellschaftlichen Wandlungsprozess spielen die Frauen eine zentrale Rolle. Denn der Genozid an der ezidischen Bevölkerung ist auch ein gezielter Femizid. Während des «Ferman 74» wurden ezidische Frauen von IS-Kämpfern massakriert, systematisch vergewaltigt, verschleppt und – wie bereits erwähnt – auf Sklavenmärkten verkauft. Doch die Frauen leisten an vorderster Front Widerstand. Die IS-Angriffe von 2014 förderten die Emanzipation der Frauen in einer ultrakonservativen Gesellschaft. Die Begegnungen mit den kurdischen Kämpferinnen weckten ihre Widerstandskraft.

Freie Frauen, freie Gesellschaft
Unter dem Einfluss der Frauenbewegung aus Rojava begannen die ezidischen Frauen, sich zu organisieren und die neu entstehenden Gesellschaftsstrukturen im Shengal entscheidend mitzugestalten. Am 20.September 2016 wurde die Gründung der Freiheitsbewegung der Êzidischen Frauen (TAJÊ) in einem Kongress offiziell verkündet. Sie vereint Ezidinnen aus allen Altersgruppen und verschiedenen Orten in der Region. Basierend auf den Slogans «Freie Frauen, freie Gesellschaft» und «Jin, Jiyan, Azadî» arbeitet TAJÊ auf der Grundlage der Ideen und der Philosophie von Abdullah Öcalan und seinem Konzept des demokratischen Konföderalismus und der Freiheit der Frauen. « TAJÊ sieht die Befreiung der Frauen als Grundlage für die Befreiung der gesamten Gesellschaft und steht damit an vorderster Front des Widerstandes in Shengal», ist auf der Website der Organisation zu lesen.
TAJÊ organisiert sich in Form von Gemeinden und gründet selbstverwaltete Frauenräte in ganz Shengal. Sie gründet ihre eigenen Komitees, wie die Komitees für Bildung, Wirtschaft, Kultur und Kunst, Diplomatie und Gesundheit. «Darüber hinaus baut TAJÊ Beziehungen zu Frauenorganisationen anderer Ethnien und Religionen auf, darunter Kurden, Araber, Assyrer und chaldäische Katholiken», ist auf der Website der Freiheitsbewegung der ezidischen Frauen zu lesen.

Jede Frau hat das Recht, sich zu wehren
Höchste Priorität hat für TAJÊ «die Befreiung der Ezidinnen, die von Daesh versklavt wurden». In Zusammenarbeit mit anderen Organisationen konnten «bisher rund 1500 Ezidi-Frauen aus den Händen der Daesh-Dschihadisten befreit und mit ihren Familien wiedervereint werden», informiert die Frauenorganisation. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bildungsarbeit: «Bildung ist entscheidend für ein freies Leben, freies Denken und freien Willen. TAJÊ betrachtet daher den Bereich der Bildung von Frauen als eine seiner wichtigsten und grundlegenden Aufgaben», schreibt TAJÊ. Es sei wichtig für Frauen zu wissen, dass «das Patriarchat und seine sexistische Mentalität die Wurzel aller Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Herrschaft ist». Auf der Grundlage dieses Wissens sollen Frauen ihre eigene Meinung entwickeln und lernen, «Entscheidungen gegen die männliche Vorherrschaft zu treffen, die alle Bereiche ihres Lebens betreffen». Jede Frau habe das Recht, sich gegen Gewalt zu wehren, sei es zu Hause oder in der Öffentlichkeit, und gegen «alle anderen Angriffe auf den freien Willen und das Leben der Frau». Für TAJÊ ist klar, dass «organisierte Frauen ihre Ziele durch Kampf erreichen» können. Und dieser Kampf «wird unter allen Bedingungen und Umständen geführt». Denn: «Es ist notwendig, mit der Geschichte der 74 Genozide zu brechen», hält TAJÊ fest.

Lichtblicke durch Solidarität
Der Wiederaufbau, sprich der Neuaufbau, ist jedoch schwierig: Die Region ist isoliert und die Sicherheitslage bleibt instabil. Das Gebiet ist schwer zugänglich und verschiedene politische und militärische Akteur:innen kämpfen um die Kontrolle. Immer wieder wird die Shengal-Region gezielt von türkischen und irakischen Streitkräften angegriffen, wodurch wichtige Infrastrukturen beschädigt und bedeutende Persönlichkeiten für den sozialen Wandel getötet werden. Besonders in der Bergregion, wo viele aus Angst weiterhin ausharren, gibt es kaum Grundversorgung. Es fehlen Gesundheitseinrichtungen und -personal und die Blockade der Region erschwert den Zugang zu Medikamenten und den Transport von Patient:innen.
Aber es gibt auch Hoffnung, Lichtblicke durch Solidarität. «Im November 2023 begleitete ich die mobile Klinik der Nahri-Organisation», sagt Maja Hess, Präsidentin von Medico International Schweiz. Die Nahri-Organisation mit Sitz in Erbil ist eine Partnerorganisation von Medico Schweiz und eine der wenigen NGOs, die noch im Shengal-Gebiet aktiv sind. «Die Fahrt von Mossul nach Shengal, eine Strecke von etwa 130 Kilometer, dauerte wegen der über 20 Checkpoints mehrere Stunden. Als wir in der kargen Berglandschaft ankamen, warteten die Menschen bereits. Die mobile Klinik ist für sie ein Zeichen, dass sie nicht ganz vergessen sind», sagt Maja Hess weiter dieser Zeitung.

Ein Gefühl der Sicherheit
Die Teams von Nahri betreuen Patient:innen mit chronischen Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und chronischen Schmerzen. Pro Einsatz-Tag behandeln sie 35 bis 45 Personen, davon 80 Prozent Frauen und Kinder. Aufgrund des extremen Klimas, der prekären Ernährungslage und mangelnden Wasserversorgung in der Region leiden viele Kinder und Schwangere an Infektionskrankheiten. Auch ältere Menschen und jene in abgelegenen Gebieten profitieren besonders von den mobilen Kliniken, die direkt in die Bergregion und Zeltlager fahren. Zudem vermittelt das lokale, ezidische Personal den Menschen ein Gefühl der Sicherheit.
«Unsere regelmässigen Besuche ermöglichen es uns, unsere Patient:innen angemessen zu behandeln und das Vertrauen der ezidischen Bevölkerung zu gewinnen», sagt der Direktor der Nahri-Organisation. Und er fügt hinzu: «Für die Menschen in der kargen Bergregion ist die mobile Klinik oft der einzige Zugang zu medizinischer Versorgung.»

Weitere Infos: medicointernational.ch

Raus aus dem Strafgesetzbuch

lmt. Die Abtreibungszahlen für das Jahr 2023 wurden veröffentlicht. Dies liess die Debatte über das Recht auf Abtreibung kurz aufflammen. Die Gegner:innen präsentieren ihrerseits einen Vorschlag. Als Linke müssen die Forderungen klar sein.

12045 Schwangerschaftsabbrüche verzeichnet das Bundesamt für Statistik für das Jahr 2023. Im internationalen Vergleich bleibt die Schweiz dabei auf einem tiefen Niveau. Jedoch gibt es einen Grund zum Aufschrei beim Anti-Abtreibungsverein Mamma. Die Zahlen würden eine «deutliche Zunahme von +6,2 Prozent» im Vergleich zum Jahr 2022 offenbaren. Für den Verein Mamma, welche Abtreibungen als Tötung abstempelt, ist dies eine Katastrophe. Nüchtern betrachtet, haltet sich «der Anstieg der Abtreibungszahlen» jedoch in einem sehr gemässigten Rahmen.

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«Das ist ein langer Kampf. Das ist uns klar»

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Millionen von Beschäftigten in privaten Haushalten in ganz Europa pflegen oder unterstützen Menschen. Trotz der Bedeutung des PHS-Sektors gab es bislang kein klares Bild der alltäglichen Realität in diesem Bereich.

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Milliardengeschenk für Milliardäre

Das Milliardengeschäft mit Medikamenten

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Mitte Juni ging ein Aufschrei durch die Community des globalen Gesundheitsaktivismus, als die Journa-list:innen von Investigate Europe die Ergebnisse einer monatelangen Recherche zu Medikamentenpreisen in Europa veröffentlichten.

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Bolivien: Putschversuch zerschlagen

Der ehemalige oberste General Juan José Zúñiga (Bildmitte) wird nach seinem gescheiterten Putschversuch verhaftet und abgeführt. Bild: zVg

Redaktion. Der Staatsstreich gegen die demokratisch gewählte Regierung in Bolivien ist dank der raschen Mobilisierung und des Widerstands im Volke gescheitert. Präsident Arce bedankt sich bei der Bevölkerung, seine Regierungspartei «Bewegung zum Sozialismus» muss aber über die Bücher.

Die Plaza Murillo vor dem Regierungssitz in der Hauptstadt La Paz wurde am Mittwochnachmittag, des 26.Junis zum Schauplatz eines gescheiterten Militärputsches und stand für mehrere Stunden im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit.

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Hinschauen, wo der Staat wegschaut!

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Schwierig ist es für Menschen, die im Schweizer Asylwesen sind. So gibt es verschiedene Szenarien, in denen sich Betroffene wiederfinden. So unterschiedlich diese Lebenssituationen sind – etwas haben alle gemeinsam: Es fehlt an Geld, an Informationen, an Unterstützung. In dieser Gruppe ist die Situation für geflüchtete Frauen und genderqueere Menschen besonders prekär und sie leiden unter Mehrfachunterdrückung.

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Wohnungsnot und Wohnungskampf

Gaudenz Pfister. Wenn Kommunist:innen festhalten, dass Wohnungsnot unvermeidlich zum Kapitalismus gehört und erst mit dessen Abschaffung überwunden werden kann, ist das keine schöne Wahrheit. Aber es zu verschweigen, hilft auch nicht wirklich. Ein Diskussionsbeitrag zur Frage der Wohnungsnot.

Auf den ersten Blick ist alles klar. Häuser werden luxussaniert oder ganz abgerissen und neu gebaut, um dann höhere Mieten herauszupressen. Und weil es zu wenige bezahlbare Wohnungen gibt, können wir nicht anders, als diese hohen Mieten auch zu bezahlen. Aber wohin geht dieser Profit? » Weiterlesen

Argentinien: Soziale Bewegungen gegen die autoritäre Motorsäge

sit. Getreu seinen Werten hat der «Solifonds» eine Kampagne lanciert, um in Argentinien die Basisbewegungen zu unterstützen im Kampf gegen den «Anarchokapitalist». Wie schlimm die Lage ist und wie sich die Menschen dagegen wehren, erklärt die Aktivistin Susana Moreno in einem Gespräch.

Solifonds hat pünktlich auf den internationalen Tag der Arbeit eine Kampagne lanciert, um in Argentinien die Basisbewegungen im Kampf gegen den «Motorsägen-Präsidenten» zu unterstützen. Doch der Reihe nach. » Weiterlesen

Mit linkem Fussball gegen die Diktatur

César Luis Menotti

sit. Am 5.Mai verstarb im Alter von 86 Jahren César Luis Menotti. Er führte 1978 Argentinien zum Sieg an der Fussballweltmeisterschaft, verweigerte dann aber dem Präsidenten der Militärjunta den Handschlag. Der Kampf gegen Diktatur und Faschismus findet sich auch im Fussballverein Argentinos Juniors, der 1904 von Revolutionär:innen gegründet wurde.

«Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt», sagte César Luis Menotti in einem Fernsehinterview, kurz nachdem er die argentinische Fussballnationalmannschaft an der Heim-WM von 1978 zum ersten, historischen Weltmeistertitel geführt hatte. Die Fussball-WM 1978 in dem fussballverrückten Land diente der brutalen Diktatur zur Selbstinszenierung und Imagepflege. In die Geschichte geht Menotti aber auch ein, weil er bei der offiziellen Staatsehrung dem damaligen Präsidenten der Militärregierung Argentiniens, General Jorge Rafael Videla, demonstrativ den Handschlag verweigerte. Mit Menotti verlässt uns ein grosser Fussballlehrer und ein überzeugter antifaschistischer Kämpfer – er verstarb am 5.Mai 2024 im Alter von 86 Jahren.

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Kapitalismus macht krank

sit. Maja Hess, die Präsidentin von medico international schweiz, ist die Hauptrednerin am diesjährigen Internationalen Tag der Arbeit in Zürich. Ein Gespräch mit der langjährigen Aktivistin, Ärztin, Psychiaterin und Psychodramatikerin.

Maja, bekommen die Menschen wegen des Kapitalismus den Schnupfen oder gar Fieber?
Die Menschen bekommen weder Schnupfen noch Fieber. Aber sehr viele Menschen, die auf der Schattenseite des Kapitalismus leben, kriegen weltweit einfach zu wenig: zu wenig zum Leben, zu wenig, um ihre Gesundheit zu schützen, zu wenig Sicherheit, zu wenig Bildung, zu wenig Teilhabe an Entscheidungen und an der Gestaltung des sozialen Zusammenlebens. » Weiterlesen

Das Arbeiter:innentheater: Eine Perspektive für heute?

Szene aus dem Theaterstück «Fiume», das an den Roten Kulturtage im August 2022 im Zürcher Volkshaus aufgeführt wurde. Zu sehen auf dem Foto sind Liam Rooney und Carla Richardsen. Regie führte Artemisia Valisa, geschrieben wurde das Stück von Antonin Rohdich. Bild: Philip Tsapaliras

Antoni Rohdich. Das Arbeiter:innentheater als politische und künstlerische Praxis konnte sich nach den 1940er-Jahren nicht durchsetzen, die bürgerliche Theaterwissenschaft löschte es gezielt aus der Geschichtsschreibung. Die Wiederbelebungsversuche um die Jahre 1968 und 1980 scheiterten. Ein Abriss und Argumentation dafür, warum man es dennoch erneut versuchen sollte.

Was ist das schweizerische Arbeiter:innentheater, und warum scheint niemand davon zu wissen? Von den 1920er- bis 1940er-Jahren gab es im Umfeld der Arbei-ter:innenbewegung, besonders im Umfeld der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS), eine sehr breite und vielfältige Theaterbewegung. Diese durchlief mehrere Phasen, in denen sie sich ideologisch und künstlerisch veränderte. » Weiterlesen

Umkämpftes wohnen auch in Winterthur

Peter Nowak. Die Housing Action Days werden in vielen Städten in Europa als Aktionstage für das Recht auf Wohnen und das Recht auf Stadt, gegen Wohnungsnot, Vertreibung und Repression gegen Obdachlose und Hausbesetzer:innen durchgeführt. Aufgerufen wird durch die European Action Coalition und Aktionen wird es auch in Winterthur geben.

In diesem Jahr werden im Rahmen dieser Aktionstage vom 29. März bis 7.April in zahlreichen Städten in ganz Europa die unterschiedlichsten Aktionen von wütenden Mieter:innen geplant, die sich dagegen wehren, dass sie sich in vielen Innenstädten das Wohnen nicht mehr leisten können.

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«Die Antikriegsbewegung wurde zum Verstummen gebracht»

Sabine Kebir. Über Israels Krieg in Gaza, die Situation im Westjordanland und Perspektiven für eine Friedenslösung für Palästina. Ein Frieden, der in weiter Ferne liegt. Ein Gespräch mit dem Soziologen und Historiker Moshe Zuckermann.

Herr Zuckermann, wie lebt es sich im vierten Kriegsmonat in Tel Aviv? Und wie geht es den Binnenflüchtlingen, die von den Grenzen evakuiert wurden?
Den Bewohnern Tel Avivs, wo ich lebe, geht es schon seit Kriegsbeginn ungleich besser als den Menschen in den israelischen Ortschaften an der Grenze zum Gazastreifen, wo sich die Katastrophe des 7.Oktober 2023 ereignete, und jenen im Norden, die an der Grenze zum Libanon leben. Von den Menschen im Gazastreifen ganz zu schweigen.

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Frauen und Queers als Zielscheibe

FrauenkampfKollektiv, Revolutionärer Aufbau Scheweiz. Rechte Parteien und Bewegungen sind weltweit im Aufwind. Neben «Ausländer_innen» sind Feminist_innen, Frauen und LGBTIQ-Personen beliebte Zielscheiben. Themen wie Geschlecht und Sexualität sind zentral für die aktuellen Mobilisierungserfolge der Rechten und lassen sich erfolgreich in ihrem Sinne politisieren.

Rechtspopulistische Strategien versuchen in ihren Diskursen oft zwei Widersprüche aufzubauen. Einerseits einen vertikalen Antagonismus (zwischen unten und oben), also die Herstellung eines «Wir» gegen die politische Elite oder die «Lügenpresse». Andererseits benutzen sie auch einen horizontalen Antagonismus (also innerhalb der Bevölkerung) zwischen «Wir» und «den Anderen» und meinen damit Migrant_innen, Muslim_innen und immer öfter auch Feminist_innen oder LGBTIQ-Personen. Die SVP hat in ihrem neuen Parteiprogramm von 2023 ein gesamtes Kapitel, in welchem sie Strategien entwickelt, um dem «Gender-Terror» entgegenzutreten. Ein weiteres Beispiel ist die rechtsradikale «Junge Tat», die – inspiriert von der identitären Bewegung in Österreich – im Herbst 2022 eine Kinder-Vorlesung von Dragqueens in Zürich störte. Natürlich ist eine antifeministische Politik seit jeher fixer Bestandteil rechter Ideologien und entsprechender Parteiprogrammen. Früher standen eher die «Emanzen» und ihre Gleichstellungspolitik im Fokus. Heute verschiebt sich die Debatte hin zur «Verteidigung» der heterosexuellen Kleinfamilie, zum Kindeswohl und gegen Homosexuelle und trans Personen.

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Ein Bundesrat auf Mission

sit. Vom 4. bis 9.Februar weilte der Wirtschaftsminister Guy Parmelin zuerst in Saudi-Arabien, dann in Katar. Für ihn und vor allem für seine Begleiter:innen aus der Wirtschaft war es eine erfolgreiche Reise. Dies, weil ihnen die Menschenrechte in beiden Ländern am Allerwertesten vorbeigehen.

Bundesrat Guy Parmelin, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), war auf «Mission», wie die Landesregierung informierte. Missioniert wurde in Saudi-Arabien und Katar.

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Der Klassenkampf des Gegners

sit. Der Schweizerische Versicherungsverband unterstützt offiziell das Rentenalter 66 und bekämpft die 13.AHV-Rente. Am liebsten würde er die AHV abschaffen. Nötig ist ein Gegenmodell mit klaren ideologischen Grundlagen.

Bei den Versicherungsgesellschaften klingeln die Kassen. So konnte der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) an seiner Jahresmedienkonferenz vom 6.Februar frohlockend «ein erfreuliches Wachstum des Prämienvolumens» auch für das Jahr 2023 vermelden. 1,7 Prozent beträgt der durchschnittliche, jährliche Zuwachs seit 2014 bei den sogenannten «Nichtlebensversicherungen», das Prämienvolumen liegt bei 15,9 Milliarden Franken. Noch besser das Wachstum des Prämienvolumens bei den Krankenzusatz- und Unfallversicherungen: Hier beträgt die durchschnittliche Jahreszunahme 3,9 Prozent, das Prämienvolumen beläuft sich auf satte 16,2 Milliarden Franken.

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Geplanter Vernichtungskrieg

Anton Latzo. Vor 80 Jahren, Ende Januar 1944, endete die faschistische Belagerung Leningrads. Der kalkulierte Hungertod von Millionen Menschen und die Auslöschung der Stadt Leningrad waren Teil des deutschen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion.

Die Blockade Leningrads durch Truppen des faschistischen Deutschlands und seiner Verbündeten Finnland und Spanien während des Zweiten Weltkriegs dauerte vom
8. September 1941 bis zum 27.Januar 1944. Schätzungen zufolge verloren während dieser mehr als 870 Tage über eine Million Bürger:innen Leningrads ihr Leben, etwa 90 Prozent von ihnen verhungerten. » Weiterlesen

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