Massenproteste in Rom

Die Proteste richteten sich gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi und gegen den Versuch des Automobilkonzerns Fiat, in seinem Werk Pomigliano bei Neapel flexiblere Arbeitsbedingungen und -verträge durchzusetzen und das Streikrecht einzuschränken. Andernfalls droht Fiat damit, diese Fabrik zu schliessen.

Zwei verschiedene Demonstrationszüge zogen vom Stadtzentrum zur Piazza San Giovanni vor der Lateranbasilika, auf der die Abschlusskundgebung stattfand. Dort sagte der Generalsekretär des grössten italienischen Gewerkschaftsbundes CGIL, Guglielmo Epifani: «Italien stürzt in den Abgrund, ein Kurswechsel in der wirtschaftspolitischen Strategie ist dringend nötig». Epifani betonte, dass die FIOM in diesem Kampf nicht allein sei. «Eine Arbeit ohne Rechte ist keine Arbeit», rief er aus und setzte unter grossem Beifall hinzu: «Es ist unser Kampf». Für den 27. November kündigte er eine grosse Kundgebung an, zu der der Gewerkschaftsdachverband CGIL mobilisieren werde. «Alle Sektoren werden dabei sein», versprach er.

Auf zum Generalstreik
FIOM-Generalsekretär Maurizio Landini forderte: «Wir wollen Arbeitsverträge, Arbeitsplätze und die Demokratie verteidigen – angesichts eines der grössten Angriffe auf die Rechte der Arbeiter.» Diese Kundgebung sei ein aussergewöhnlicher Erfolg für Alle, nicht nur der Arbeiter von Fiat Pomigliano, die den neuen Verträgen nicht zugestimmt haben, nicht nur der drei widerrechtlich gekündigten Arbeiter des Fiat-Werkes in Melfi. FIOM werde den Kampf fortsetzen. «Wir müssen jetzt auf den Generalstreik aller ArbeiterInnen hinarbeiten», rief er unter grossem Applaus des ganzen Platzes aus.

Quelle: kommunisten.de

Drei Millionen auf den Strassen

Diesmal, am 2. Oktober, fanden die gewerkschaftliche Demonstrationen und Kundgebungen in mehr als 230 kleinen und grösseren Städten an einem Samstag statt, um auch Beschäftigten von Kleinbetrieben, in denen Arbeitsniederlegungen an einem Werktag schwierig sind, Jugendlichen und den Familienangehörigen eine Beteiligung zu ermöglichen. Dieses Ziel wurde sichtlich erreicht – in den Demo-Zügen waren weitaus mehr Jugendliche und ganze Familien mit Kindern als bei den früheren Aktionstagen zu sehen. Viele davon waren zum ersten Mal in ihrem Leben bei einer Demonstration.

Es war der dritte landesweite gewerkschaftliche Aktionstag mit Massenbeteiligung seit Ende der Sommerferien und insgesamt der sechste in diesem Jahr. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CSA für die «Humanité» nach den Regeln der repräsentativen Befragung haben 71 Prozent ihre Unterstützung bzw. Sympathie für die gewerkschaftlichen Aktionen bekundet – eine aussergewöhnlich hohe Zahl, die seit 2002 in Frankreich nicht mehr erreicht worden war. Nur 12 Prozent der Befragten erklärten sich gegen die Aktionen. Und dies, obwohl die Regierung seit der Durchpeitschung des Gesetzentwurfs am 15. September mit Hilfe der rechten Mehrheit in der Nationalversammlung eine intensive Kampagne in den Medien gestartet hatte, um weiteren Widerstand zwecklos erscheinen zu lassen und die Behauptung von einem „Nachlassen der Bewegung“ glauben zu machen.Auch diesmal versuchte die Regierung wieder, diese Behauptung unter die Leute zu bringen, indem sie laut Polizeiangaben eine weitaus geringere Beteiligung als die Gewerkschaften bekannt gab, nämlich nur noch 899 000 Teilnehmer in ganz Frankreich – gegenüber 997 000 am 23. September. Selbst die bürgerliche Tageszeitung «Le Monde» sprach dabei von «karikaturistischen Zahlen». Gewerkschafter hingegen bewunderten die «Präzision», mit der die Polizei angeblich in der Lage gewesen sein soll, die Teilnehmerzahlen auf Tausend genau zu schätzen.

Grosser Aktionstag geplant

Über die Frage, wie diesem Volkswillen Nachdruck verschafft werden soll, wenn die rechte Mehrheit im Senat ihn gleichfalls missachten sollte, ist unter den beteiligten acht Gewerkschaftsbünden allerdings bisher noch keine Übereinstimmung erreicht. «Wir bleiben fest und machen weiter», hiess es nach dem neuerlichen Erfolg vom 2. Oktober zunächst aus den Führungskreisen. Wenn am 5. Oktober die Debatte im Senat beginnt, sollen neue Aktionen stattfinden. Vor allem aber orientieren alle beteiligten Gewerkschaften gemeinsam auf den nächsten grossen Streik- und Aktionstag am 16. Oktober, der von ihnen gemeinsam wieder auf einen Werktag (Dienstag) festgelegt worden ist. Er dürfte also erneut auch mit massiven Arbeitsniederlegungen verbunden sein. Der CGT-Vorsitzende Bernhard Thibault erklärte: «Wenn die Regierung an ihrer Unnachgiebigkeit festhält, darf man sich nicht wundern, wenn die Mobilisierung andere Formen annimmt». Er rief erneut dazu auf, in den Betrieben und vor Ort über die Frage zu diskutieren, wie die einheitliche Massenbewegung fortgesetzt und weiter verbreitert werden kann, und im Ergebnis dieser Diskussion neue einheitliche Aktionen zu beschliessen

Nein zu Sparmassnahmen

Alle Mitgliedsorganisationen unterstützen den Aktionstag, an die 80- bis 100 000 Menschen werden bei einer Grossdemonstration in den Straßen von Brüssel erwartet, auch in vielen Staaten Europas wird es Protestaktionen geben.

Delegationen von rund 50 Gewerkschaften aus 30 Staaten werden in Brüssel bei der Demonstration erwartet, die unter dem Motto »Nein zu  Sparmassnahmen, Vorrang für Wachstum und Beschäftigung« steht. Die Beschäftigten könnten nicht die einzigen sein, die für unverantwortliche Spekulationen bestimmter Finanzinstitutionen bezahlen, heisst es in dem Aufruf. Zeitgleich mit der Demonstration in Brüssel ist in Spanien ein Generalstreik geplant, weitere Protestaktionen gibt es in  Portugal, Italien, Lettland, Polen, Zypern, Rumänien, der Tschechischen Republik, Litauen, Serbien, Frankreich und Irland. Andere Gewerkschaftsverbände konzentrieren ihre Mobilisierungsaktivitäten auf die Demonstration in Brüssel, die belgischen Gewerkschaften werden stark vertreten sein, ebenso reisen Delegationen von GewerkschafterInnen aus Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Österreich, Finnland, Griechenland, Ungarn, Polen, Portugal, Spanien, Rumänien, Grossbritannien oder Norwegen an.

»Am 29. September demonstrieren wir, um unsere Sorge über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Sparmaßnahmen zu artikulieren«, sagte EGB-Generalsekretär John Monks im Vorfeld. »Wir sind besonders alarmiert über die  Arbeitslosigkeit und die wachsende Ungleichheit.« Um mit steigenden prekären Bedingungen fertig zu werden, müsste der Schaffung von guten Arbeitsplätzen Vorrang gegeben werden, verlangte Monks. »Das ist die Botschaft, die wir an den Kommissionspräsidenten Barroso und den Ratspräsidenten Leterme richten.« Nach der Demonstration werden EGB-VertreterInnen Barroso und Leterme treffen, der Delegation wird auch ÖGB-Präsident Erich Foglar angehören.

Wahlen in Venezuela

Zahlen zufolge, die der Nationale Wahlrat (CNE) um 2.20 Uhr Ortszeit in der Nacht zum Montag bekanntgab, können PSUV und PCV mit 95 der 165 Sitze im Ein-Kammern-Parlament rechnen. Damit verfehlte das Bündnis jedoch die angestrebte Zwei-Drittel-Mehrheit der Mandate. Das Oppositionsbündnis »Tisch der Demokratischen Einheit« (MUD) kommt demnach auf 60 Mandate und die eigenständig angetretene Partei Patria Para Todos (PPT) auf zwei Abgeordnete. Die übrigen Mandate fallen auf Vertreter der Indígenas. Trotzdem tönt die Opposition, Präsident Hugo Chávez habe die Wahl zu einem Referendum über seine Person gemacht »und verloren«.

Quelle:Redglobe.de

Die Linke gewann die Wahlen in den Bundesstaaten Aragua, Barinas, Bolívar, Carabobo, Cojedes, Delta Amacuro, Caracas, Falcón, Guárico, Mérida, Monagas, Lara, Portuguesa, Trujillo, Yaracuy und Vargas und konnte ausserdem in Miranda und Sucre mit der Opposition gleichziehen. In Amazonas gewann offenbar die PPT, die anderen Bundesstaaten gingen diesen Zahlen mehrheitlich zufolge an die Opposition. Mit einer Wahlbeteiligung von knapp mehr als 66 Prozent der Wahlberechtigten erreichte die Abstimmung ausserdem einen Rekordwert für diese Art von Wahlen.

«Es gibt noch viel zu tun»

Ziel des Nationalen Zentrums für sexuelle Aufklärung (CENESEX) ist es, einen offenen Dialog mit der Bevölkerung Kubas und den direkt Betroffenen zu führen und dadurch einen Austausch zu ermöglichen. Um diesem Ziel näher zu kommen, wurde die Sexualerziehung als Politisches Dogma gesetzt und bildet seit einigen Jahren einen wesentlichen Bestandteil der kubanischen Politik, aber auch des Alltags. Hervorgegangen ist die Organisation CENESEX aus der Federacíon de Mujeres Cubanas (kubanischen Frauenorganisation), die seit Beginn der Kubanischen Republik 1961 den Kampf gegen die Diskriminierung führt. Damals wurden die Rechte der Frau als reales Problem anerkannt und durch die Revolution zu einem politischen Thema, während die homophoben Vorurteile die politischen Entscheide derart beeinflussten, dass in den sechziger und siebziger Jahren sich die Lage für Homo- und Transsexuelle, nicht nur in Kuba sondern auch in Europa und anderen Ländern Amerikas, stark verschlechterte. Beispielsweise wurden Schwule bis Ende der 70er Jahre in der Schweiz kastriert und sterilisiert. Auch war die Schweiz in Europa, bevor Nazideutschland auch auf dem Gebiet der Experimente an Transsexuellen und Homosexuellen alles überbot, das erste und lange führende wissenschaftliche Experimentsfeld für «therapeutische» Kastrationen. Und bis in die 70er Jahre definierte die Psychiatrie Homosexualität als Fehlfunktion. Transsexualität wird auch heute noch als solche beschrieben.

Der Gedanke liegt daher nahe, dass sich gar kein «Bewusstsein bilden kann in der Bevölkerung», so Mariela, wenn sich die Politik auf diese Einstufungen fixiert und ihre aufklärerische Verantwortung dadurch ignoriert. Diese Vorurteile haben aber auch eine historische Relevanz, da die Geschichte diese trägt, deshalb, so Mariela, «müssen wir durch permanente und beständige Arbeit die Geschichte aufarbeiten und die Menschen befähigen, aus ihren Fehlern zu lernen. Wir müssen – und das tun wir – eine Bildungsbewusstseinsänderung herbeiführen», also auch einen Wertewandel durch anhaltende Dialoge provozieren!


Wie die EU-«Hilfe» für Griechenland wirkt

Griechenland habe im ersten Halbjahr 2010 «eine beeindruckende Haushaltskonsolidierung geschafft», verkündete EU-Kommissar Olli Rehn am 19. August in Brüssel. Damit wurde die Freigabe einer weiteren Tranche von «Hilfsgeldern» der EU für Griechenland begründet, die im September beschlossen werden soll. Wobei daran zu erinnern ist, dass diese Gelder nicht «den Griechen» zugutekommt, sondern dazu dienen, griechische Schulden bei europäischen und amerikanischen Banken mit hohen Zinsen zurückzuzahlen.

Schneller als geplant

Die Realität in Griechenland sieht anders aus, als sie Herr Rehn wahrnimmt. Das radikale Sparpaket der Regierung habe die griechische Wirtschaft «in eine tiefe Rezession gestürzt», hiess es kürzlich in einem Bericht aus Athen in «Spiegel-Online» (18. August 2010). Die griechische Zeitung «Ta Nea» habe der Regierung deshalb unlängst geraten, wie die Gläubigen der orthodoxen Kirche beim Marienfest im Sommer auf den Knien zu rutschen, um die Gnade der Mutter Gottes zu erbitten und auf ein Wunder der «Gnadenreichen» zur Erlösung des Landes aus der Krise zu hoffen. Ohne dieses Wunder drohe dem Mittelmeerstaat ein „heißer Herbst“.

Laut Mitteilung der EU-Kommission hat die griechische Regierung den ihr aufdiktierten Defizitabbau mit «beeindruckenden Sparmassnahmen» sogar «schneller als geplant» umgesetzt. Um insgesamt 46 Prozent sei das Staatsdefizit im ersten Halbjahr 2010 zurückgefahren worden. Die gesamtstaatlichen Kassenausgaben seien um 16,9 Prozent verringert worden, und zwar vor allem durch «Kürzungen bei den Primärausgaben (einschliesslich der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst)». Bei der «Reform des Rentensystems und der öffentlichen Verwaltung» seien die Einspar-«Fortschritte» sogar «den Planungen voraus». Lobend vermerkt die EU-Kommission auch «Fortschritte bei der Strukturreform»: die neuen Arbeitsmarktgesetze hätten «die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft» erhöht, die «Liberalisierung» des Güterverkehrs und der Energiewirtschaft sowie «Reformen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Unternehmen» seien vorangekommen.

Perspektivlosigkeit und Wut

Im Bericht der «Spiegel»-Korrespondentin aus Athen liest sich das Ergebnis allerdings so: «Der Sparkurs beeinflusst mittlerweile das gesamte Wirtschaftsleben. Die Kaufkraft sinkt, der Konsum bricht ein, die Zahl der Insolvenzen und der Arbeitslosen steigt. Im zweiten Quartal schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent. Die Steuereinnahmen, die für die Konsolidierung des Staatshaushalts dringend nötig wären, brechen weg. In der griechischen Gesellschaft gärt ein Gemisch aus Angst, Perspektivlosigkeit und Wut.»

Das «Sparpaket» von Regierungschef Papandreou habe des Wirtschaftsleben regelrecht erschüttert, heisst es weiter in diesem Bericht: «Im Öffentlichen Dienst wurden die Löhne und Gehälter um bis zu 20 Prozent gekürzt, zu harten Einschnitten kam es auch bei den Renten, ausserdem wurden zahlreiche Steuern erhöht. Die Folge: Die Menschen haben immer weniger Geld zur Verfügung, überall brechen die Umsätze weg».

In den Geschäftsstraßen von Athen hängt in jedem vierten Schaufenster ein rotes Schild «Zu vermieten». Laut dem Einzelhandelsverband ESEE müssen 17 Prozent der Athener Geschäfte Insolvenz anmelden. In anderen Landesteilen ist die Lage nicht besser: «Überall scheint es nur abwärtszugehen, die Spirale dreht sich unaufhörlich weiter, ein Ausweg ist nicht in Sicht», hiess es im «Spiegel»-Bericht.

Der Artikel schliesst mit der Äusserung eines Schiffbauers: «Wenn du meiner Familie das Brot wegnimmst, dann mache ich dich fertig, das müssen die Regierenden wissen… Und nennt uns dann nicht Anarchisten! Wir sind Familienväter und verzweifelt. Hier brodelt es wie in einem Dampfkessel. Und der wird irgendwann explodieren.»

G. Polikeit

Krisengewinner sind die Millionäre!

Zehn Millionen Menschen gibt es weltweit, die mehr als eine Million Dollar flüssig haben. Flüssig bedeutet: Sie haben das Geld übrig, der Betrag ist frei verfügbar, ihr luxuriöser Lebensstil ist bereits finanziert. Die Geldsumme kann jederzeit und überall investiert werden. Noch flüssiger, geradezu  überflüssig sind die 93.000 Ultra-HNWIs (die Ultra High Net Worth Individuals), zu deutsch die Super-Reichen. Sie haben mindestens 30 Millionen Dollar an liquiden Mitteln – über ein Fünftel mehr (21,5%) als im Jahr davor.

Die zehn Millionen „einfachen“ Dollar-Millionäre sind in der Regel ebenfalls Multi-Millionäre. Sie verfügen über ein gesamtes Geldvermögen von 39 Billionen (39.000 Milliarden) Dollar, 18,9% mehr als 2008. Die Summe entspricht zwei Drittel (67,3%) des globalen BIPs. Pro Vermögenden sind es im Durchschnitt fast vier Millionen Dollar (3,9 Mio.).
In Deutschland gibt es mit Abstand die meisten Geld-Reichen in Europa. Ihre Zahl kletterte im Krisenjahr 2009 um 51.000 (+ 6,3%) auf 861.000, das sind mehr als Großbritannien  (448.000) und  Frankreich (383.000) zusammen. In Europa hatte ein Geld-Millionär im Durchschnitt 3,25 Millionen Dollar: Multipliziert mit der Zahl der deutschen Millionäre und auf Euro umgerechnet, ergibt das einen Geldschatz von von knapp 2.200 Milliarden Euro. Das gesamte Geldvermögen in Deutschland betrug Ende 2009 4.640 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Ein Prozent der Bevölkerung verfügte über fast die Hälfte (47%) des geldwerten Reichtums. Eine solche Reichtumskonzentration gab es noch nie.

Mehr noch. Die Finanzkrise führte nicht zu dem notwendigen, krisenmindernden Abschmelzen des gigantischen Geldüberhanges. Das wäre dann der Fall gewesen, wenn Banken, andere Geldinstitute und Spekulationsfonds echte Verluste hätten hinnehmen müssen oder gar Pleite gegangen wären, was aber durch die staatlichen Bankenrettungsschirme zu Lasten der Steuerzahler verhindert wurde. Oder wenn die gigantischen Geldvermögen durch eine wirksame Vermögens-, Reichtums- oder Millionärssteuer zumindest etwas abgeschöpft worden wären. Zehn Prozent Steuer auf die Geld-Millionäre hätten 2009 220 Milliarden an zusätzlichen Steuereinnahmen gebracht und wären noch nicht einmal an die Substanz gegangen, denn der Zuwachs des Geldvermögens betrug 14,2% in Europa. Mit dem Geld aber wären wirksame staatliche Investitionen in Gütern und Dienstleistungen, Struktur- und Bildungsmassnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur und zur Anhebung des Lebensniveaus möglich gewesen.

So aber legen die Geld-Reichen ihre gewachsenen Finanzmittel erneut in der Finanzindustrie an, drehen noch gewagtere Spekulationsräder und beschleunigen die Raserei an den Finanzmärkten. Und die staatlichen Rettungspakete ließen die Staatsschulden explodieren, mit der Folge, dass mit Staatsanleihen dem Geldadel ein neues Anlagefeld eröffnet wurde, dieser jetzt auf den Bankrott ganzer Staaten spekulieren kann.

An dieser gigantischen Ausplünderung der Bevölkerung über die Staatsverschuldung und dem Diktat der Finanzmärkte ändern auch etwaige Finanzmarkt-Regulierungen nichts, wie sie jetzt von der Bundesregierung zum G-20-Gipfel vorgeschlagen werden und die ohnehin nur kosmetischer Natur sind. Das Problem ist nicht der Damm, das Problem ist die Flut. Solange die Geldfluten nicht abgeschöpft werden sondern sogar noch ansteigen, nimmt der Druck zu, werden sie an irgendeiner Stelle durchbrechen und die nächste Katastrophe herbeiführen.

„Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen?“, fragten Marx und Engels im Manifest: „Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert“.

Quelle: kommunisten.de

Vereint gegen koloniales Unrecht

Mit den Festival wurde an diese Toten erinnert und der Kampf der Flüchtlinge und MigrantInnen einmal mehr auf die Strasse getragen. Das «Festival» ist eine Ausdrucksform des politischen Kampfes, um «die zentralen Elemente neokolonialer Ausbeutung und die damit verbundenen Folgen in kreativer und sehr bestimmter Form in die Öffentlichkeit zu tragen». Die Open Air- Veranstaltungen fanden an mehreren Orten der Innenstadt in Jena statt. Es gab zahlreiche Workshops und Diskussionsveranstaltungen, bei denen Flüchtlinge und MigrantInnen über ihre Lebenssituation in Europa und die Situation in ihren Herkunftsländern berichten. Seit die Karawane zum ersten Mal im Jahr 1998 durch Deutschland zog, wird die Botschaft «Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört» in die Öffentlichkeit getragen. Damit wird gegen die fortgesetzte Ausbeutung in vielen Länder protestiert, von der vor allem Menschen in den reichen Ländern profitieren, die ihre Privilegien mit rassistischer Gewalt verteidigen. Kontrollen finden nicht nur bei der Einreise an den Grenzen statt, sondern überall und beeinträchtigen die Lebensqualität vieler Menschen massiv. Vor allem Flüchtlinge in Deutschland, die während ihres Asylverfahrens in Lagern leben müssen, sind durch die so genannte Residenzpflicht massiv in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Isolation, die sie durch die Unterbringung in meist weit abgelegenen Quartieren erleben, zu durchbrechen, ist ein weiteres Ziel des Karawane-Festivals: Also sich zu treffen, sich auszutauschen und die lokalen Kämpfe zu vernetzen.

Bewegungsfreiheit für alle

Die Stimmen jener Menschen, die sonst meist keinen Raum haben, in dem ihnen zugehört wird, bekommen in Jena eine Bühne, um ihre alltäglichen Probleme mitzuteilen. Es gilt, das Schweigen zu brechen: «Wir sind hier, wir werden kämpfen! Bewegungsfreiheit ist eines jeden Menschen Recht». Neben den Diskussionen und Workshops gab es mehrere kleinere Aktionen und zwei grosse Umzüge durch die Innenstadt von Jena. Am Freitag, dem Eröffnungstag, beteiligten sich rund 400 Menschen an einer Demonstration zur Erinnerung an die Toten der Festung Europa. Es war eine Art Prozession, angeführt von einem Sarg, hinter dem die Namen von Toten der Festung Europa auf Listen durch die Strassen getragen wurden. Zwei Boote wurden von Menschen mit weissen Masken getragen, als Symbol für die vielen namenlosen Toten, die bei der Überfahrt über das Mittelmeer oder vor den Küsten Westafrikas ihr Leben verloren. Am Samstag fand eine Maskenparade statt. Masken sind Teil eines afrikanischen Rituals, mit dem Menschen in Nigeria ihrer Toten gedenken. In Verbindung mit einer Demonstration, zogen an die 600 Leute durch die Stadt und erregten sehr viel Aufmerksamkeit bei den PassantInnen.

Lissabon:Grösste Kundgebung seit Jahrzehnten

CGTP-Generalsekretär Carvalho da Silva kündigte die Fortsetzung des Kampfes gegen jede der zahlreichen PEC-Massnahmen an und schloss kein Kampfmittel aus. Dies wird als Ankündigung eines landesweiten Generalstreiks gewertet. Jeder weiss, dass dies in einem Land mit einer Arbeitslosenquote von über 10 Prozent nicht einfach zu bewerkstelligen ist. Carvalho da Silva betonte, dass «eine Gesellschaft dann Fortschritte macht, wenn das kollektive Bewusstsein erwacht.»

Viele der älteren Portugiesen haben erlebt, was es heisst, wenn man eine Sardine auf vier Esser aufteilen muss. Sie wollen nicht zu solchen Zuständen zurück. Und die Jugend lernt schnell und war am Samstag zahlreich vertreten. «Der Anfangslohn für junge Arbeiter ist innerhalb von nur fünf Jahren um 30-40% gesunken«, stellte Carvalho da Silva fest und sagte: «… den Jungen, dass der Kampf möglich ist. Die Jugend ist immer dabei, wenn grosse historische Ereignisse im Gang sind. Wir zählen auf euch!»

«Sie wollen die Solidarität zwischen Alt und Jung zerstören», betonte Carvalho da Silva, der sich in seiner Rede an alle Altersgruppen wandte, und ebenso an die Arbeiter unterschiedlicher politischer Strömungen, ferner an die Selbständigen und die Mikro-, Klein- und Mittelbetriebe, die von den PEC-Massnahmen nichts Gutes zu erwarten haben, und an die zahlreichen fortschrittlichen und patriotischen Organisationen, welche diese Manifestation unterstützen. Der Gewerkschaftsführer verwies auf die grossen Gefahren der Rechtspolitik des «Regierungsbogens» (von PS, PSD und CDS), der Portugal seit über dreissig Jahren regiert, für das ganze Land und seine Zukunft. Der Redner ging auf die schreiende Ungerechtigkeit der Regierungspolitik ein. 75% der Arbeitslosen beziehen zum Beispiel Entschädigungen von weniger als 430 Euro. Anderseits verausgabt die Regierung Unsummen in Studien und Consulting, oder lässt das Geld über die halbstaatlichen Firmen verschwinden, wo die Korruption gedeiht.

Quelle: kommunisten.ch

Blutbad auf Friedensschiff

Ein Militärsprecher wollte nicht einmal ausschliessen, dass die Zahl weiter steigt und sprach von einer «ersten Bilanz». Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas verurteilte den israelischen Angriff scharf, sprach von einem «Massaker» und verhängte drei Tage Staatstrauer in den Palästinensergebieten.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat wegen des israelischen Angriffs seine Südamerika-Reise abgebrochen. In Ankara kamen das Ministerkabinett und die militärische Führung unter Leitung von Vize-Regierungschef Bülent Arinc zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. In Istanbul protestierten tausende Demonstranten vor dem israelischen Generalkonsulat gegen die Erstürmung der Schiffe. Auch in Ankara versammelten sich Demonstranten vor dem Haus des israelischen Botschafters in der Türkei, Gaby Levy. Das türkische Außenministerium verurteilte scharf «diese unmenschlichen Praktiken Israels». Der israelische Militäreinsatz gegen die Flottille mit hunderten Zivilisten an Bord stelle einen »klaren» Bruch des internationalen Rechts« dar und könne zu «irreparablen Konsequenzen» in den bilateralen Beziehungen führen.

Auf Seiten der Regierung in Tel Aviv überwiegen zynische Rechtfertigungsversuche. Israels Industrie- und Handelsminister Benjamin Ben Elieser drückte sein «Bedauern über die Toten» aus. Die weltweit ausgestrahlten Fernsehbilder von der Erstürmung seien «nicht schön». Die Armee habe nicht die Absicht gehabt, das Feuer zu eröffnen, «aber es gab eine enorme Provokation». Nach Armeeangaben wurden bei der Erstürmung auch vier israelische Soldaten verletzt, einer davon durch  eine Kugel.

Israel versucht seit geraumer Zeit den Gazastreifen, in dem es seine Besatzung aufgegeben hat, abzuriegeln. Dazu hat Israel kein Recht. Es gibt keine einzige völkerrechtliche Norm, auf die Israel eine solche Abriegelung stützen kann. Deshalb ist sie mehrfach und von einer Vielzahl von Staaten verurteilt worden.

Mehrere Schiffe waren unterwegs, um Hilfsgüter an die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen zu liefern. Die israelische Armee wollte dies rechtswidrig nicht zulassen und die Schiffe besetzen. Ohne im Einzelnen beurteilen zu können, was bei der Besetzung geschah, ist es niemals und durch nichts zu rechtfertigen und deshalb verbrecherisch, dass einseitig das Feuer eröffnet wird und friedliche Menschen getötet oder verletzt werden. Unter den Passagieren befinden sich auch die Bundestagsabgeordneten Annette Groth und Inge Höger, beide Mitglieder der Fraktion Die Linke sowie der ehemalige Abgeordnete der Linksfraktion, der 72-jährige Norman Paech.

«Ich erwarte vom Bundespräsidenten, vom Bundestagspräsidenten, von der Bundeskanzlerin und vom Bundesaussenminister, dass sie sich unverzüglich gegenüber der israelischen Regierung für das Ende der Gewalt gegenüber den Besatzungen der Schiffe, für die unverzügliche Freilassung sämtlicher friedlicher Besatzungsmitglieder, für die Bildung einer internationalen Untersuchungskommission zur Klärung der Vorgänge und für das Ende der rechtswidrigen Abriegelung des Gazastreifens einsetzen.»

Quelle: redglobe.de

Generalstreik in Rumänien

Schon am 19. Mai hatten rund 60.000 Personen vor dem Regierungssitz in Bukarest gegen das jüngste Paket von Austeritätsmassnahmen protestiert, welches Einschnitte von 25 Prozent bei den Löhnen und 15 Prozent bei den Pensionen und anderen Sozialleistungen vorsieht, so auch im Falle der Arbeitslosigkeit. Die Massnahmen sollen schon nächsten Monat in Kraft treten. Obwohl das Volk schon zu den ärmsten Europas gehört, und obwohl der Durchschnittslohn nur bei 300 Euro liegt, die Mindestrenten bei 85 Euro, will die Regierung noch einmal 1,7 Milliarden Euro aus der rumänischen Bevölkerung herauspressen. Das ist die Bedingung des IWF, um dem Land die nächste Tranche von einem 2009 vereinbarten Rahmenkredit von 20 Milliarden zu überlassen.

Seit Wochen verstärken sich die Proteste. Die Manifestation der Gewerkschaften vom 19., zu welcher die fünf Gewerkschaftszentralen des Landes aufgerufen hatten, war eine der grössten seit zwei Jahrzehnten.

Antikommunistische Gesetze

Im Zeitpunkt, in dem sich die Folgen der Wiederaufrichtung des Kapitalismus in grossen Teilen der rumänischen Bevölkerung schmerzlich niederschlagen, hat das rumänische Parlament ein antidemokratisches Gesetz verabschiedet, welches Polizei, Justiz und Heer von Mitgliedern der Kommunistischen Partei säubern will, deren Mitgliedschaft vor Dezember 1989 zurückreicht. Dieses sogenannte “Lustrationsgesetz” ist Bestandteil einer neuen antikommunistischen Offensive, welche der wachsenden Desillusionierung der verarmenden Bevölkerung über den Kapitalismus begegnen will.

Spanien auf dem Weg zum Generalstreik

«Die Gewerkschaft arbeitet bereits daran, dass das Land einen Generalstreik erleben wird», sagte Ignacio Fernández Toxo vom grössten  spanischen Gewerkschaftsbund «Confederación Sindical de Comisiones Obreras» (CCOO). Zwar hält er diese Möglichkeit «für ein Drama», denn damit würden die nötigen Arbeitsplätze nicht geschaffen. «Doch manchmal ist es notwendig», sagte er angesichts der schwersten Einschnitte ins soziale Netz, die nach dem Ende der Diktatur beschlossen wurden.

Massive soziale Einschnitte

Der Aufschrei nach der Ankündigung der Sparpläne hat die Regierung nur zu kosmetischen Korrekturen bewegt: Statt einer allgemeinen Lohnkürzung bei den Staatsangestellten um 5 Prozent wird nun gestaffelt zwischen 0,56 und 7 Prozent gekürzt. Um den Unmut zu bremsen, soll das Urlaubsgeld im Juni davon ausgenommen werden. Auch wären schwere Einbrüche im Sommertourismus zu erwarten, denn am 1. Juli wird die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent erhöht. Die Gehälter werden ab 2011 eingefroren, womit 7 Milliarden Euro gespart werden. Das ist knapp die Hälfte der 15 Milliarden, die dieser zweite Sparplan zusätzlich bringen soll.

Die regierenden Sozialisten (PSOE) wollen auch die Renten einfrieren. Weiter soll das Rentenalter  ab 2013 über 15 Jahren sukzessive von 65 auf 67 steigen. Auch die Berechnungsgrundlage soll geändert werden. Das bedeutet eine Verringerung der schmalen Renten, die im Durchschnitt bei 760 Euro liegen. Ein Pflegegeld für Familienangehörige wird neu erst nach Bewilligung gezahlt und nicht mehr wie bisher rückwirkend ab Datum der Antragstellung. Der «Babyscheck» in Höhe von 2 500 Euro, mit dem die niedrige Geburtenrate erhöht werden sollte, wird gestrichen. Auch Infrastrukturinvestitionen in Höhe von vier Milliarden Euro fallen weg, sogar die Entwicklungshilfe wird um 800 Millionen gekürzt. Dies alles hilft aber nicht, das Defizit bis 2013 unter die Euro-Stabilitätsgrenze von 3 Prozent zu drücken, wie es die EU verlangt

Zapateros Lügen

Die grossen Gewerkschaften, die der Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero nahe stehen, vertrauen der Regierung nicht mehr, die sich schlimmer aufführt als die rechtskonservative Volkspartei (PP). Die PP hat niemals Lohnsenkungen verordnet, während die PSOE-Regierung mit den Lohneinschnitten gar Tarifverträge unterläuft. Diese wurden erst kürzlich abgeschlossen und darin war bereits eine Lohnzurückhaltung vereinbart worden: die Löhne sollten 2010 nur um 0,3 Prozente steigen und in den beiden folgenden Jahre nur um die Inflationsrate angepasst werden..

Vor allem die extreme Schieflage der Sparpläne bringt die Menschen gegen die Regierung auf. Denn von einer Anhebung des Spitzensteuersatzes, wie beim Nachbarn Portugal, war zunächst nichts zu hören. Jetzt wird dies zumindest mal  «geprüft». Eine korrekte Besteuerung auf Kapitalerträge oder Aktiengewinne sucht man vergebens. In Spanien werden riesige Gewinne nicht als Einkommens- oder als Betriebsgewinne versteuert, sondern pauschal mit einem Steuersatz von 18 Prozent. Die Sozialdemokraten haben 2008 gar die Vermögenssteuer gestrichen. Das alles steht im krassen Widerspruch zu den Aussagen von Zapatero. Er hat stets erklärt, dass die einfachen Leute nicht für die Krise bezahlen müssten.

Zapateros Wende in den letzten Wochen ist unverständlich, denn die Staatsverschuldung liegt mit 55 Prozent des Bruttosozialprodukts deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Spanien hätte Spielraum für eine andere Politik. Sogar die Regierung räumt ein, dass die Sparpolitik die Erholung belasten wird. Nach zwei Jahren Rezession wird die Wirtschaft auch 2010 weiter schrumpfen und soll 2011 nur gering wachsen. Die neuen Sparpläne werden den Konsum weiter abwürgen, wofür bisher die Rekordarbeitslosigkeit von 20 Prozent (4,6 Millionen Menschen) sorgte. Die negativen Effekte der Sparpläne könnten alle Sparbemühungen zunichte machen.

Aus dem vorwärts, der am Freitag, 28. Mai erscheint

Der Sozialismus als Weg aus der Umweltkrise

Der «vorwärts» sprach mit Dr. Ingo Nentwig von der Bildungsgemeinschaft SALZ (Soziales, Arbeit, Leben und Zukunft). Er hat als wissenschaftlicher Beirat von SALZ an der Konferenz teilgenommen.

Herr Dr. Nentwig, schildern Sie uns bitte, worum es an der Konferenz ging?

Auf der Konferenz sollte zunächst einmal der Stand der Diskussion in Deutschland verallgemeinert werden. Auf der Konferenz wurde erwähnt, dass sich die meisten bereits vom 2. bis 4. Mai 1980, auch in Kassel, zur «1. Sozialistischen Konferenz» getroffen hatten. Damals war der Auslöser die Entstehung der grünen Bewegung gewesen und es wurde auch Ökologie und Sozialismus diskutiert. Und man stellte mit einem gewissen Erschrecken fest, dass in diesen dreissig Jahren der Fortschritt gering gewesen ist. Wir haben eine Verbürgerlichung und Integration in den Herrschaftsapparat der Partei «Die Grünen» feststellen müssen und die marxistische, sozialistische Linke hat sich nur begrenzt der Thematik Ökologie angenommen. Wir wollten einmal den Diskussionsstand ermitteln und dann zum zweiten einen neuen Impuls geben aufgrund der objektiven Dringlichkeit dieser Thematik.

Was müssen wir unter dem Begriff «Ökosozialismus» verstehen?

Was wir da definitiv nicht darunter verstehen müssen, ist, dass wir es hier mit der Gründung einer neuen Partei zu tun hätten. Nichts liegt uns ferner; aber in der Tat verwenden wir den Begriff Ökosozialismus als etwas Besonderes und für uns liegt der Grund darin, dass wir der Meinung sind, dass die jetzige sich abzeichnende ökologische Krise nicht mehr vereinbar ist mit einer kapitalistischen Lösung. Also kurz, Klimawandel, Erderwärmung und vor allem das Ende des Brennstoffzeitalters werden zu einer radikalen Veränderung der Gesellschaft zwingen, egal was politisch passiert. Und darum ist das so etwas wie eine organische Verbindung dieser beiden Gedanken; der ökologischen und der sozialistischen Bewegung und nicht quasi, dass jetzt die sozialistische Bewegung die Ökologie einfach nur als eines ihrer Themen entdeckt, sondern dass im Kern eine wesenhafte Verbindung zwischen Sozialismus und Ökologie bestehen muss.

Als Sozialisten habt ihr eine langfristige Sicht, gibt es konkrete Sofortforderungen?

Wir haben ja nach der SALZ-Konferenz eine Konferenz von SOAG (Solidarität in Arbeit & Gesellschaft e.V.) abgehalten, deren Aufgabe es war, eine Erklärung zu verabschieden. Das war eine Erklärung, die den Konsens fast aller dort Anwesenden ausdrückte. Damit wollen wir unseren Diskussionsstand kundtun und öffentlich machen und dazu aufrufen, sich an der Diskussion zu beteiligen, was man auf der Seite der SALZ (www.bildungsgemeinschaft-salz.de) tun kann, und in einem Jahr wollen wir uns wiedertreffen zu einer Konferenz, die den Arbeitstitel «Ökologie und Arbeit» trägt. Wir wollen am Rande dieser Konferenz dann den Diskussionsstand, der sich in einem Jahr ergeben hat, wieder in eine verbesserte Erklärung einfliessen lassen. Wir rufen alle Interessierten dazu auf, sich an der Diskussion zu beteiligen; selbstverständlich auch GenossInnen in der Schweiz. Was wir uns ganz konkret politisch vorstellen, ist im besten Fall so etwas wie eine Strömung zu sein, die zur Diskussion beiträgt und die in der Meinungsbildung mitwirkt. Aber wenn man jetzt praktisch denkt, dann haben wir im Moment in Deutschland die Programmdiskussion der Partei «Die Linke» und diese Partei hat einen gewissen gesellschaftlichen Einfluss. Diese Programmdiskussion ist offen und natürlich möchten wir gern, dass möglichst viele Inhalte aus unserer ökosozialistischen Erklärung Eingang finden in das zukünftige Programm der Linken und damit in der Politik auf Bundesebene und regionaler Ebene in Deutschland stärker beachtet werden.

Eine eurer Parolen lautet «Ökosozialismus oder Barbarei»?

Das klingt erstmal hart. Es gibt kurz zusammengefasst die These von Marx, dass wenn die antagonistischen Widersprüche ihr höchstes Entwicklungsstadium erreicht haben, dass es dann die Menschheit entweder schaffen wird, sich zum Sozialismus durchzuringen, oder in die Barbarei zurücksinken wird. Und wir haben das jetzt nur um diese eine kleine Facette erweitert, nämlich den Ökosozialismus. Wir denken, dass unsere gesamte Industriegesellschaft an einen Wendepunkt ihrer Entwicklung gekommen ist. Das bedeutet nicht, dass wir wieder eine nicht-industrielle Gesellschaft haben wollen, das wäre natürlich Blödsinn. Aber nach unserer Analyse wird es einfach eine Tatsache sein, dass zum Beispiel die brennstoffbezogenen Primärenergien in den nächsten zwanzig, dreissig Jahren so weit zurückgehen werden, dass wir weltweit in Gesellschaften leben werden, die nur noch weniger als die Hälfte des heutigen Energieverbrauchs zur Verfügung haben werden. Das erfordert, dass wir nicht mehr weiter so produzieren können wie jetzt, dass die gesamte Entwicklung im Verkehr völlig umgekehrt werden muss, dass zum Beispiel die Landwirtschaft viel stärker wieder zurück zu einer lokalen werden muss, damit die Versorgung mit Lebensmitteln lokal geregelt werden kann und nicht mehr Lebensmitteln um die ganze Welt mit dem Flugzeug transportiert werden. Das sind sozusagen aus unserer Sicht objektive Gegebenheiten. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, wenn das zwanghaft kommt; wie wird das sozial ausgetragen? Wird es weiter so sein, dass einige wenige reiche industrialisierte Staaten und Einzelpersonen ihre umweltfeindliche, verschwenderische Lebensweise, ihren Umweltverbrauch so weiterleben können, als sei nichts geschehen und die Kosten auf dem Rücken der armen Nationen und der verarmten Menschen, auch hier in den Metropolen ausspielen können. Oder schaffen wir es, das demokratisch mit einer Umverteilung von oben nach unten zu regeln? So was muss gesamtgesellschaftlich entschieden werden und dafür ist der einzige Ausweg, der einzige Lösungsweg, diese sowieso kommende Krise des Produktionssystems demokratisch und gewaltfrei zu regeln, der des Sozialismus.

Generalstreik legt Griechenland lahm

Am Mittwoch fanden zusammen mit dem Generalstreik in vielen Städten Griechenlands Protestkundgebungen des griechischen Volkes gegen den Plünderungszug des Grosskapitals auf ihr Land statt. In Athen gingen Hunderttausende auf die Strasse.

Es dürfte sich um die grösste Massendemonstration seit Jahrzehnten handeln. Der Streik hat praktisch das Land wirtschaftlich lahmgelegt. Die öffentlichen Verwaltungen und der Verkehr kamen zum Erliegen. In vielen Städten wurden die Rathäuser von Streikenden Gemeindeangestellten besetzt. In Athen besetzten die Streikenden das Finanzministerium und andere Paläste. Etwa 200 Anhänger der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) besetzten den Hügel der Akropolis und entrollten grosse Transparente mit dem weit sichtbaren Aufruf «Völker Europas, erhebt Euch!».

3 Tote

In die gewaltigen Menschenmassen mischten sich in Athen, Saloniki und anderen Städten kleine Gruppen von Provokateuren, mit gezielten Aktionen wie der Inbrandsetzung eines Bankgebäudes in der Hauptstadt, was zum Erstickungstod von drei eingeschlossenen Bankangestellten führte. Damit liefern sie der Bourgeoisie und ihrer Regierung den Vorwand zu Einschränkungen des Versammlungsrechts. In Athen wurde ein allgemeiner Alarmzustand ausgerufen. Angesichts der durch diese Vorgänge eingetretenen Veränderung der Lage an der Medienfront, setzten die Journalisten ihre Streikteilnahme aus, um die Berichterstattung aufzunehmen.

Die Provokateure, die in Gruppen von einem oder mehreren Dutzend operieren, werden von den Massen nicht unterstützt, jedenfalls nicht von den klassenbewussten Massen, die den Protestzügen und Veranstaltungen der PAME folgen. Wie Heike Schrader aus Athen berichtet, sind es die ausserhalb der PAME organisierten «Basisgewerkschaften und Organisationen der ausserparlamentarischen Linken und anarchistischen Gruppen» (Junge Welt, 6.5.2010), aus denen heraus Banken und Geschäfte internationaler Ketten angegriffen werden.

Die KKE geht denn auch davon aus, dass sich staatlich bezahlte Spezialisten unter den Provokateuren befinden. Soweit nicht bezahlte Spitzel, sondern ehrliche Linksradikale, machen sich die «Chaoten» zu nützlichen Idioten der Bourgeoisie. Sie schaffen Bedingungen, die es dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten und den gelben Gewerkschaften erleichtern, zu allerlei politischen Betrugsmanövern zu greifen.

Regierung beharrt auf Sparprogramm

Papandreou beharrt trotz des massiven Volkswiderstands auf seinem antisozialen Sparprogramm und zog schon am gleichen Nachmittag im Parlament eine Show mit Schweigeminute ab und versucht nun, vom eigentlichen Thema abzulenken, Ängste zu schüren und die «Frage der Sicherheit» in den Vordergrund zu schieben. Dabei werden seine Aufrufe zum «Zusammenhalt» aller Griechen von der Rechtsopposition (Nea Demokratia) unterstützt. Mit diesem Angebot Papandreous, sich als Retter der Demokratie aufzuspielen und unter der Parole des Zusammenhalts aller Griechen die ständig wachsenden EU-Forderungen gegen das griechische Volk durchzupeitschen, wächst die Gefahr von antidemokratischen Lösungsversuchen.

Lateinamerika: Frühlingswinde oder Herbststürme?

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist in Lateinamerika geprägt von einem grossen Aufbruch, doch wo ist die internationale Solidarität geblieben?

200 Jahre nach der Erringung der Unabhängigkeit von der spanischen Kolonialmacht sind die damals entstandenen Republiken, die bis vor kurzem durch kleine Eliten und Profiteure beherrscht worden waren, in eine grundsätzliche Krise gefallen. Längst haben es die Menschen satt, zusehen zu müssen, wie die nationalen Reichtümer ausgeplündert werden, ohne dass sich im Land eine nennenswerte soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Entwicklung abzeichnet. Die Verantwortung und das Versagen der alten Regimes und des kapitalistischen Systems sind enorm. Der Ruf nach einem anderen Kurs, nach einem anderen Umgang miteinander und mit der Umwelt wird nicht nur an Weltforen laut, sondern beginnt sich ansatzweise durchzusetzen.

Der erste Bruch mit dem Alten gelang – einmal abgesehen von Cuba – vor elf Jahren in Venezuela. Ihm folgte vor sieben Jahren Brasilien, dann Bolivien und Ecuador. Selbst in Paraguay gelangte nach sechzig Jahren Diktatur erstmals ein vom Volk unterstützter ehemaliger Bischof an die Regierung, auch in Uruguay und El Salvador mussten die alteingesessenen Eliten Wahlniederlagen einstecken. Jede dieser Entwicklungen hat eigenständigen Charakter, lässt sich nicht vergleichen und ist alles andere als langfristig gesichert. Wir tun jedoch gut daran, genau hinzusehen, nicht allen Verdrehungen der Massenmedien Glauben zu schenken und uns insbesondere nicht abzuwenden.

Denn was sich da im Einzelnen abspielt, hat viel mit unserem eigenen Selbstverständnis zu tun. Im Kern geht es um vermehrten sozialen Ausgleich statt indiskriminierte Ausbeutung, um vermehrten Respekt vor der Natur statt rücksichtslose Ausplünderung. Kurz: Um eine Neugründung des Staates statt Abbau des Staates, des Service public, der Verantwortung für Mensch und Umwelt. Um eine Kultur des Lebens statt einer Kultur des Todes. Besonders spannend sind diese Bestrebungen in jenen Ländern, die auf Jahrtausende alte, aber immer noch lebendige kulturelle Wurzeln zurückgreifen können, die nicht auf dem christlich-abendländischen Modell gründen, wie zum Beispiel in Bolivien.

Neue Akteure in einer neuen Welt

Allerdings: Die globalen Hintergründe, vor denen sich diese neuen Szenarien abspielen sind bei weitem nicht mehr die Selben wie bei den früheren Emanzipationsbestrebungen der 50er bis 80er Jahre. Auf die Welt-Konfrontation zweier unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen in der Nachkriegszeit folgte dann kurzfristig die Alleindominanz des von den USA aufoktroyierten neoliberalen «Modells».

Angesichts der desaströsen Folgen für die überwiegende Mehrheit der gegen 600 Millionen Bewohner Lateinamerikas und der Karibikstaaten sind nicht nur national neue Bewegungen auf den Plan getreten, auch international sind neue Akteure am Werk, welche die Monroe-Doktrin der USA («Amerika den Amerikanern») ignorieren: So die EU, auch Iran, anonyme Investments-Fonds, allen voran jedoch China. Das Rennen um Rohstoffe, Pharmaka, Kredite, Territorien ist neu lanciert…

Daher sind jene Bestrebungen von besonderer Bedeutung, welche die US-Dominanz ablösen wollen durch eine lateinamerikanische Integration. Ansätze dazu gibt es mehrere, ausgehend von der Abhalfterung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist UNASUR am entstehen, daneben ist die Gruppe von Rio aktiv geworden, auf wirtschaftlicher Ebene gibt es bereits den Mercosur, und am weitesten geht die kubanisch-venezolanische Initiative ALBA, mit der nicht nur das bereits weit ausgebreitete Fangnetz von Freihandelsabkommen mit den USA hat ausgebremst werden können, sondern weit umfassender auch eine mediale Komponente (Telesur), eine Entwicklungskomponente (Banco del Sur), ja sogar eine völkerverbindende sportlich-kulturelle Achse beinhaltet.

Selbstverständlich geben sich die Vereinigten Staaten, die multinationalen Konzerne und die mit ihnen verbandelten nationalen Oligarchien alles andere als geschlagen. Nebst den altbekannten Mitteln der Gewalt (Destabilisierung, Repression, Todesschwadronen, militärische Intervention) gibt es bereits eine Grosszahl von weniger offensichtlichen, subtileren und dennoch effizienten Formen zur Aufrechterhaltung von Einfluss und Macht. Eine neue Variante ist der parlamentarische Putsch «zum Schutz der (eigenen, alten) Verfassung» à la Honduras. Alles begleitet von ideologischen Ablenkungsmanövern und grossen Medienkampagnen.

Internationale Solidarität?

Wir sollten uns darob nicht verwirren lassen. Hatten die Ereignisse in Chile (70er Jahre), Nicaragua (80er Jahre) und zuletzt noch in Chiapas (90er Jahre) eine breite Welle der Solidarität in Europa ausgelöst, sind es heute nur noch einzelne, relativ kleine und länderbezogene Gruppen, welche eine direkte Solidaritätsarbeit leisten. In der Deutschschweiz hat mit dem Zentralamerika-Sekretariat immerhin eine wichtige, übergeordnete Einrichtung überlebt, inklusive der zweimonatlichen «Correos».

Ein unschönes Zeichen der Zeit bleibt es jedoch, dass sich hier in Europa weder zu Venezuela noch zu Bolivien oder zur  Unterstützung der kontinentalen Integrationsinitiative ALBA keinerlei nennenswerte gemeinschaftliche Bewegung gebildet hat. Immerhin gibt es hierzu nun erste Ansätze zu einer Vernetzung. In Bern hat am 10. April ein Treffen verschiedener Solidaritätsgruppen mit diesem Ziel stattgefunden, und für den 8. Mai ist ein weiteres, ähnliches Treffen vorgesehen.

Zu Lateinamerika und Bolivien findet am Dienstag, 11. Mai, eine Informations- und Diskussionsveranstaltung der PdAZ mit René Lechleiter statt. Volkshaus Zürich, 19.30 Uhr.

Senegal: Unabhängigkeitsfeier mit Protesten

Die 50?Jahrfeier der Unabhängigkeit des westafrikanischen Staates Senegal, die von Staatschef Abdoulaye Wade am 3. und 4. April mit grosser Parade, Staatsgästen aus aller Welt und Feuerwerk inszeniert worden war, wurde nicht zu der erwünschten Manifestation der Einheit des Volkes unter seiner Führung. Ein Bündnis der Oppositionsparteien nutzte die Gelegenheit, um am Tag der feierlichen Einweihung des «Denkmals der afrikanischen Wiedergeburt» einen zweistündigen Protestmarsch durch die Hauptstadt Dakar zu veranstalten.

Grosse Armut

Vordergründig hatte sich der damit geäusserte Missmut an der Gestaltung dieses Denkmals entzündet, das der 83-jährige Staatschef weithin sichtbar auf einem kleinen Hügel an der Atlantikküste in achtjähriger Bauzeit errichten liess, ohne Kosten zu scheuen. Es musste unbedingt «das größte Denkmal der Wel» werden, mit 53 Metern Höhe die Freiheitsstatue von New York um fünf Meter übertreffend. Die riesige Skulptur zeigt einen muskulösen afrikanischen Mann, energisch in Richtung Atlantik gegen Westen blickend, mit einem Kind auf dem nach vorn gestreckten linken Oberarm, während sein rechter Arm eine hinter ihm angeordnete junge Frau umfasst. Das Ganze aus Bronze, mehr als 200 000 Tonnen schwer, im Stil an sowjetische Monumentalskulpturen der Stalin-Zeit erinnernd. Im Inneren ein Panorama-Restaurant mit Aufzug und weiteren Restaurants, Geschäfte, Kinos, Theater und Ausstellungssäle im Umfeld. Das Monument sollte laut Staatschef ein Denkmal «für ganz Afrika» sein, das die Kraft des afrikanischen Menschen symbolisiert. Ein Sinnbild für Afrika am Beginn des 21. Jahrhunderts, «das nach fünf Jahrhunderten Sklaverei und zwei Jahrhunderten Kolonialismus aus dem Dunkel der Vergangenheit ans Licht tritt» und «aufrechter denn je entschlossen ist, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen». Für Afrika sei «nichts zu gross», versuchte Wade der Kritik an der «Gigantomanie» seines Werkes zu begegnen.

Aber Wades afrika-patriotische Töne verfingen bei einem Teil der Bevölkerung nicht mehr. Stein des Anstosses waren vor allem die enormen Kosten, die auf 15 bis 20 Millionen Euro beziffert werden. Und das in einem Land, in dem immer noch 60 Prozent der Bevölkerung mit weniger als 50 Euro im Monat auskommen müssen und 65 Prozent Analphabeten sind, weil es nicht genug Schulen gibt. Noch mehr Empörung entstand, als bekannt wurde, dass der Staatschef 35 Prozent der Einnahmen von den künftigen Besuchern der verschiedenen Etablissements der Anlage als Entgelt für seine «Autorenrechte» beansprucht, weil er das «Konzept» für das Denkmal entwickelt habe. Allerdings liess er inzwischen mitteilen, dass er dieses Geld für den Bau von Schulen «spenden» wolle.

Musterland?

Doch der Unmut, der sich in der Denkmals-Kritik entlud, sitzt tiefer. Die Opposition bezeichnete das Monument als typischen Ausdruck des autoritären und von den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen abgehobenen Regierungskurses des Staatschefs. Vor zehn Jahren war Wade im Präsidentenwahlkampf 2000 als der grosse Hoffnungsträger und «Reformer» nach „40 Jahren Sozialisten-Herrschaft“ präsentiert worden. Mit «Sozialisten-Herrschaft» war die Regierungszeit der sozialdemokratischen Staatschefs Senghor und Diouf gemeint, die nach der Unabhängigkeit des Landes an die Macht gekommen waren, aber die Hoffnungen auf eine baldige Überwindung der kolonialen Abhängigkeit und bessere Lebensverhältnisse für die Masse der Bevölkerung nicht erfüllten. Dabei war Senegal in der Weltpresse jahrelang als afrikanisches «Musterland für Demokratie und sozialen Frieden» dargestellt worden. Mit Wade kam nun ein «Liberaler», der versprach, durch «mehr Marktwirtschaft» für einen raschen Aufschwung zu sorgen. Heraus kam aber lediglich, dass sich die kleine Schicht der einheimischen neureichen Geschäftsleute etwas vergrösserte, während die industrielle Entwicklung überwiegend in den Händen ausländischer, besonders französischer «Investoren» blieb und von deren Profitinteressen bestimmt wurde. Dieses neokoloniale und am Neoliberalismus orientierte «Entwicklungsmodell» verband sich mit einer florierenden Vetternwirtschaft des Präsidenten-Clans und einer den ganzen Staatsapparat durchdringenden Korruption. Für die Masse der Bevölkerung blieb es beim Leben in Armut. Vor allem junge Senegalesen versuchten in den letzten Jahren immer mehr, der Misere zu entkommen, indem sie unter Lebensgefahr in mickrigen Booten über das Meer oder durch die Wüste Sahara den Weg nach Norden zur illegalen Einwanderung in Europa suchten und dies oft mit dem Leben bezahlten. Im Land selbst hat sich die wirtschaftliche und soziale Situation in der letzten Zeit immer weiter verschlechtert.

800’000 auf den Strassen Frankreichs

Der Aktionstag war ausdrücklich auf den zweiten Tag unmittelbar nach den französischen Regionalwahlen mit der schweren Niederlage für Staatschef Sarkozy und seine Rechtspartei UMP festgelegt worden, um nicht der «Wahlbeeinflussung» bezichtigt zu werden. Es gab 180 Demonstrationszüge und Kundgebungen in allen grossen und zahlreichen mittleren und kleinen Städten. Verbunden waren sie mit zahlreichen Arbeitsniederlegungen in den öffentlichen Diensten, bei Grund- und Oberschulden, bei der staatlichen Eisenbahn (SNCF) und Air France, in öffentlichen Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen, aber auch bei privaten Grossunternehmen. Es war ein erstes Warnsignal, falls die Regierung unter Missachtung des Wählervotums beabsichtigten sollte, ihre antisoziale «Reformen» noch schneller als bisher durchzusetzen.

Hauptthema der Transparente, Sprechchöre und Reden war der Protest gegen die beabsichtigten «Rentenreform» und den rigorosen Stellenabbau im öffentlichen Dienst, aber auch die Forderung nach höheren Löhnen und mehr Kaufkraft. „«Die Banken wurden gerettet, die Renten können auch gerettet werden», «Nehmen wir von den Profiten, um Arbeitsplätze zu schaffen» und «Wir wollen nicht für die Krise zahlen» war auf zahlreichen Spruchbändern zu lesen. Ein Sprechchor in Paris lautete: «Widerstand für den öffentlichen Dienst, Widerstand für die Löhne, Widerstand für die Renten». Die CGT hat angekündigt, dass sie auf einer Zusammenkunft der Gewerkschaften am 30. März weitere gemeinsame Aktionen im April und gemeinsame Kundgebungen am 1´: Mai vorschlagen will.

22. Jahrestag des Giftgasanschlags auf Halabja

Anlässlich des 22. Jahrestages des Giftgasangriffs auf die irakische Stadt Halabja vom 16. März 1988 erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an die Gräueltaten des irakischen Regimes gegen die Kurden und andere Minderheiten im Nordirak.

Vor kurzem hat das Irakische Spezialgericht den Giftgasanschlag auf Halabja als Genozid verurteilt. Dies ist von grosser Bedeutung für die lokale Bevölkerung, die bis heute unter den Spätfolgen des Massakers leidet. Die GfbV unterstützt mit einem Projektpartner vor Ort die Menschen in der betroffenen Region.

Der Angriff auf Halabja gilt als das grösste Giftgasmassaker an Zivilpersonen seit dem Zweiten Weltkrieg und war Teil des 1987 begonnenen Vernichtungsfeldzuges des Regimes von Saddam Hussein gegen die Kurden sowie weitere Minderheiten wie die Assyrer, Turkmenen und Yeziden im Nordirak. Die sogenannte Anfal-Kampagne – was soviel wie „legitime Beute“ heisst – forderte bis zu ihrem Ende 1988 rund 182‘000 Opfer. Neben Gasangriffen wurden auch Massendeportationen, Vergewaltigungen und Massenerschiessungen als Waffen gegen die zivile Bevölkerung des Nordirak eingesetzt. Am 16. März 1988 erreichte die Vernichtungskampagne einen tragischen Höhepunkt mit dem Angriff auf die Stadt Halabja. Allein dieser Angriff forderte 5‘000 Menschenleben und durch die Folgen starben bisher weitere 10‘000 Menschen. Auch heute leidet die Bevölkerung von Halabja noch unter dem Giftgasangriff. So treten beispielsweise schwere Atemnot, Krebs, Missbildungen bei Neugeborenen, Totgeburten, Haut- und Augenkrankheiten, Unfruchtbarkeit und psychische Krankheiten in den betroffenen Regionen in einem erhöhten Masse auf.
Der Hauptverantwortliche für die Offensive, Ali Hasan al-Madschid („Chemie-Ali“), wurde zum Tode verurteilt und im Januar 2010 hingerichtet. Am 1. März dieses Jahres entschied nun das Irakische Spezialgericht (Iraqi High Criminal Court), der Giftgasanschlag auf Halabja sei als Genozid zu verurteilen. Zuvor hatte das Gericht 2005 den Angriff als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. Die Opfer feiern den Entscheid als grossen Erfolg und auch die kurdische Regionalbehörde hat den Entscheid als wichtigen Schritt begrüsst.
Die GfbV Schweiz unterstützt seit Anfang 2008 die im Nordirak tätige Entwicklungsorganisation WADI bei der Umsetzung von vier Selbsthilfe-Projekten in Halabja und Umgebung. Ziel der Projekte ist es, die Opfer des Giftgasangriffs und ihre Angehörigen zu unterstützen und die Zivilgesellschaft zu stärken. Dabei konzentrieren sich die Aktivitäten auf die psychologische Aufarbeitung der Anfal-Offensive durch die Opfer, die Stärkung der Position der Frauen in der Zivilgesellschaft und eine sinnvolle Freizeitgestaltung für Kinder und Jugendliche.
Weitere Information: Gedenkkundgebung am 20. März 2010

Am Samstag, 20. März 2010 von 14.00-15.30 Uhr organisiert das Schweizer Komitee von Kurdocide Watch (CHAK) mit Unterstützung der GfbV auf dem Helvetia-Platz in Bern eine Gedenkkundgebung anlässlich des 22. Jahrestages des Giftgasangriffs auf Halabja. MedienvertreterInnen und weitere Interessierte sind herzlich willkommen.

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