Marsch der Sans-Papiers

Von Brüssel über die Niederlande, Deutschland, die Schweiz, Italien und Frankreich bis nach Strasbourg, wo am 2. Juli die Abschlussdemo stattfand, wanderten 150 Sans-Papiers während eines Monats durch Europa.  Vom 21. Juni bis 25. Juni gastierte der Marsch auch in der Schweiz. In Basel, Bern, Wünnewil und Chiasso wurden kritische Akzente gegen Schengen und die repressive  Migrationspolitik gesetzt.

«Liberté de circulation et d’installation pour tous» steht auf den gelben Shirts, die die meist französisch sprechenden Marschierenden tragen. Für einmal nicht bloss eine politische Forderung auf dem Papier, sondern ein Statement, welches für 31 Tage couragiert praktiziert wurde. Unterwegs durch Europa wurde die Bewegungsfreiheit aller Menschen nicht nur Schritt für Schritt eingefordert, sondern auch gelebt. Der Protestmarsch prangerte die repressive Gesetzgebung in der EU an und machte auf die unerträgliche Situation der Sans-Papiers aufmerksam. Seit der Einführung des Schengen-Dublin-Abkommens und der militärischen Aufrüstung von Frontex, erhält die Repression eine neue Dimension. Mehr denn je wird Europa für MigrantInnen aus Drittstaaten zu einer einzigen grossen Festung. Ebenso wurde die aktuelle wirtschaftliche Lage thematisiert, denn die ökonomische Krise trifft mit voller Wucht vor allem Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen und oft sind es die MigrantInnen, welche die ökonomischen Verschärfungen als erste zu spüren bekommen.

Grosser Empfang in Basel

Wenige hundert Meter vor der Grenze wurden die 150 Sans-Papiers von rund 50 in der Schweiz lebenden Papierlosen und 200 UnterstützerInnen in Empfang genommen. Ein Traktor mit grossem Anhänger und Soundanlage, Trommeln und lautstarke Parolen sorgten für eine gute Atmosphäre und gemeinsam wurde beim Zoll Ottenbach die Grenze überquert. Der geglückte Grenzüberschritt wurde mit einer Tanzblockade des Zolls gebührend gefeiert. Die Behörden hielten sich zurück. «Wir danken den AktivistInnen in der Schweiz für den grossartigen Empfang in einem der repressivsten Staaten des Schengenraums. Jeder afrikanische Präsident hat das Recht in diesem Land ein geheimes Bankkonto zu besitzen. Wir Afrikaner und Afrikanerinnen jedoch werden wie Kriminelle behandelt, wenn wir hier arbeiten», erläuterte Sissoko Anzoumane, Sprecher der «Internationalen Koalition der Sans-Papiers und MigrantInnen» (IKSM) im Rahmen der Pressekonferenz kurz nach der Ankunft in der Schweiz.

Und weiter gehts

Am nächsten Tag folgte ein migrationspolitischer Stadtrundgang durch Basel. Vor den Hauptsitzen verschiedener Firmen wurde der globale Zusammenhang zwischen Migration und Ausbeutung aufgezeigt. So wurden etwa «Hello» für ihr lukratives Geschäft mit Ausschaffungsflügen und Novartis für ihren Kampf gegen erschwingliche Generika und ihre Profitgier angeprangert. Aber auch die Banken und Gewerkschaften kamen nicht ungeschoren davon. Weiter gings am 23. Juni nach Bern, wo rund 300 Personen am Morgen gegen das Geschäft mit dem Elend protestierten. Kritisiert wurde die ORS AG, welche im Hochfeld einen Bunker für Asylsuchende betreibt. Bereits seit Monaten werden die profitorientierte Firma und die Zentrumsleitung der Zivilschutzanlage scharf kritisiert. Trotz massivster Missstände und grosser Epidemiegefahr gab sich die ORS AG kompromisslos und verweigerte das Gespräch. Am Nachmittag schloss sich der Marsch der Grossdemo in Bern gegen die aktuellen Verschärfungen im Asylrecht an, bevor es dann weiter nach Chiasso gin

Berset bei den ArbeitgeberInnen

Alain Berset besuchte Mitte Juni in Bern als Gastreferent den Arbeitgebertag. Die Patrons waren positiv von ihm überrascht. Sein Auftritt sagte mehr als nur Kleinigkeiten über die zukünftigen sozialpolitischen Auseinandersetzungen aus.

Dass politische Verantwortliche eng mit den Wirtschaftsakteuren zusammenarbeiten, ist keine Neuigkeit und überrascht uns kaum. Interessant sind jedoch die Konstellationen solcher Zusammenarbeiten. Als Alain Berset, sozialdemokratischer Bundesrat und Innenminister, am 19. Juni 2012 in Bern als Gastreferent vor den schweizerischen ArbeitgeberInnen auftrat, hat er sie wohl auch selbst überrascht. Denn eine solche Loyalität eines Sozialdemokraten hätten  sie kaum erwartet.

 

Neue Funktion – neue Positionen

Der im Dezember 2011 frisch erkorene Bundesrat zögerte keinen Moment, seine Rolle in der Regierung zu festigen. Als Ständerat noch vehementer Ablehner der «Managed-Care-Vorlage», drehte sich der Wind, sobald er als Bundesrat vereidigt worden ist. Auf die Frage der NZZ nach den Gründen des Wechsels vom Saulus zum Paulus antwortete er: «Wir stehen jetzt vor einer Volksabstimmung. Da stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir die ideale Lösung gefunden haben. Es geht jetzt darum, Ja oder Nein zu sagen» (NZZ, 18. Mai 2012). Obwohl also Managed-Care keine ideale Lösung gewesen wäre, hat er sich für ein Ja engagiert.

Sein Auftritt auf der Seite der ArbeitgeberInnen bestätigte seinen Kurs als politische Unterstützung der «Schweizer Wirtschaft». «Die Schweiz versteht es wie kaum ein anderes Land, eine Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Zusammenhalt zu halten», sagte Berset in der «BernerZeitung» vom 22. Juni 2012. Was versteht der Neubundesrat denn unter «Wettbewerbsfähigkeit»? Meint er die im Zuge der Krise eingeführte Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich in der Exportindustrie? Die Streichung der Abendzulagen bei der Schoggi Frey AG im Aargau, bei der in erster Linie über 50-Jährige und MigrantInnen arbeiten? Die 4. Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, die krasse Leistungseinschränkungen vor allem für Jugendliche eingeführt hat? Oder doch die 6. Revision der Invalidenversicherung (IV), die eine ganze Reihe von Krankheiten aus dem Geltungsbereich der IV strich? Der daraus folgende «soziale Zusammenhalt» erleben der xenophoben und rassistischen Repression ausgesetzten Asylsuchende im Nothilferegime täglich, sowie ArbeiterInnen der ehemaligen Karton Deisswil, Clariant in Muttenz, Sappi in Biberist: Sie alle wurden entlassen, ihre Betriebe geschlossen.

 

Politische Macht im Kapitalismus

Am Arbeitgebertag kam auch das Rentensystem zur Sprache. Wie die NZZ am 23. Juni 2012 berichtet, versuchte Berset die Befürchtungen aus Wirtschaftskreisen zu zerstreuen, er gehe dem gewerkschaftlichen Anliegen nach, die AHV auszubauen und dafür die zweite Säule abzubauen. Berset unterstrich, dass er am Dreisäulenprinzip festhalte, und es werde daher nicht um eine Gewichtsverlagerung von der zweiten zur ersten Säule kommen. Der Bundesrat stellte sich somit auf die Seite der privaten Versicherer, die mit dem angesparten Geld der ArbeiterInnen Millionengewinne generieren und in Krisenzeiten die Verluste auf die RentnerInnen abwälzen. Seine Position verpackte er in die Formel «Was gut ist für die Schweizer Gesellschaft, ist auch gut für die Schweizer Wirtschaft» (arbeitgeber.ch, 22. Juni 2012). Übersetzt: «Alain Berset für das Schweizer Kapital».

Es wäre zu kurz gegriffen, die politische Integration der Sozialdemokratie und ihre Ruhigstellung, wie wir sie mit den zahlreichen sozialdemokratischen ParlamentarierInnen und Bunderäten erleben, als eine allgemeine Käuflichkeit von Menschen oder einzelnen schlechten PolitikerInnen abzutun. Das aufgeführte Beispiel sollte uns vielmehr noch einmal motivieren, der Frage nachzugehen, ob es für diese Entwicklungen nicht strukturelle Gründe gibt, die etwas damit zu tun haben, wie politische Macht im Kapitalismus funktioniert.

Die PdAS zu den Abstimmungen vom 17.Juni

Die PdAS ist über das wuchtige Nein und somit die klare Ablehnung der Managed-Care Vorlage sehr erfreut! Die Stimmbevölkerung hat sich gegen die Zweiklassen-Medizin, gegen das Diktat der Krankenkassen und für die freie Arztwahl entschlossen. Herr Felix Gutzwiler, FDP-Politiker und Befürworter der Vorlage, meinte nach der happigen Niederlage: «Die Roformbereitschaft in der Bevölkerung ist sehr gering». Nein Herr Gutzwiler, die Bevölkerung hat sich gegen einen massiven Abbau im Gesundheitswesen ausgesprochen, so sehen die Tatsachen nach der Abstimmung aus!

Auch das Nein zur «Bauspar-Initiative» erfreut die PdAS, denn die erneut vorgesehenen Steuergeschenke für  die Reichen wurden ohne Wenn und Aber vom Tisch gefegt. In unseren Augen liegt die politische Priorität im Bau von öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnraum, der bezahlbare Mietzinsen für die unteren und durchschnittlichen Einkommen ermöglicht und nicht das Fördern von privatem Wohneigentum. Nach der heutigen Abstimmung verlangt die PdAS vom Parlament, dass entsprechende Förderprojekte rasch in Angriff genommen werden.

Enttäuscht hingegen ist die PdAS über den Ausgang  der Initiative «Staatsverträge vors Volk!» Die PdAS hatte hier ein JA empfohlen.  Dies unter anderem, weil die Europäische Union (EU) ein klar antidemokratisches Wirtschaftsgebilde im Interesse des Grosskapitals und der Finanzmärkte mit einer immer grösseren und imposanteren Kriegsmaschinerie ist. Die PdAS wird sich weiterhin für die Mitbestimmung der Bevölkerung in der Aussenpolitik der Schweiz einsetzen.

 

Partei der Arbeit der Schweiz

«STOPP der menschenverachtenden Migrationspolitik»

Die Stimmungsmache gegen Asylsuchende, Flüchtlinge, Roma, Sans-Papiers, irreguläre MigrantInnen und AusländerInnen im Allgemeinen hat in den letzten Monaten wieder zugenommen. Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme in der Schweiz werden bewusst den MigrantInnen zugeschoben. Sie sind unerwünscht, als Sündenböcke aber willkommen und werden seit eh und je als Symbol der Bedrohung und Verunsicherung politisch instrumentalisiert. Anstatt die strukturellen und politischen Hürden beim Zugang zu Bildung, Arbeit und politischen Rechten abzubauen, wird den AusländerInnen ein Unwille zur Integration zugeschrieben. Die ohnehin schon unzumutbaren und menschenunwürdigen Bedingungen für Asylsuchende und MigrantInnen sollen nun mehr und mehr verschärft werden, gleich mehrere laufende Gesetzesrevisionen atmen diesen Geist.

Angesichts dieser Tatsachen rufen wir am Samstag, den 23. Juni 2012 zur gesamtschweizerischen Demonstration «STOPP der menschenverachtenden Migrationspolitik» in Bern auf. Wir sagen:

  • Nein zur Hetzkampagne gegen Asylsuchende!
    Die Flüchtlinge des arabischen Frühlings sind keine AbenteuermigrantInnen, «Bettwil» darf sich nicht wiederholen und Internierungslager für Flüchtlinge sind ein Unding! Stopp dieser Hetze!
  • Nein zur Asylgesetzrevision!
    Wir lehnen die erneute Verschärfung des Asylgesetzes ab, die Kriegsdienstverweigerer vom Asyl grundsätzlich ausschliessen, die politische Tätigkeit von Asylsuchenden in der Schweiz verbieten und das Botschaftsverfahren abschaffen möchte!
  • Nein zu einer verschärften Einbürgerungspraxis!
    Nur noch «gut integrierte» AusländerInnen sollen eingebürgert werden. Eine Einbürgerung soll nur noch für AusländerInnen mit C-Ausweis möglich sein. Die erleichterte Einbürgerung für Jugendliche, die hier aufgewachsen und zur Schule gegangen sind, aber lediglich eine vorläufige Aufnahme (F-Ausweis) oder eine Jahresaufenthaltsbewilligung (B-Ausweis) haben, würde nach der Revision des Bürgerrechtsgesetzes somit abgeschafft werden.
  • Nein zur Zwangsintegration!
    Ein neues Integrationsgesetz schafft eine Norm von «guter Integration». Diese ist zwar mehr als schwammig, doch bei der künftigen Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen entscheidend.
  • Nein zur Ausbeutung und systematischen Unterdrückung von über 100’000 in der Schweiz lebenden Sans-Papiers! Wir verlangen eine kollektive Regularisierung aller Sans-Papiers!

Die Schweiz versucht ihre Grenzen mit der laufenden Asylgesetzrevision dicht zu machen und andererseits per verschärftem Bürgerrecht und Integrationsbestimmungen den in der Schweiz lebenden MigrantInnen ihre Rechte zu verwehren.

  • Wir aber verteidigen das Recht auf Asyl, Migration und Integration in unserer Gesellschaft!
  • Wir fordern eine menschenwürdige Migrationspolitik!
  • Wir fordern gleiche Rechte und Mitbestimmung für alle statt Zwangsintegration!
Sämtliche Infos zur Demo unter:http://www.asyl.ch/demo/

Nein zur Diktatur der Versicherungen!

Am 17. Juni wird schweizweit über das Referendum zur Managed Care-Vorlage abgestimmt. Diese will die Marktlogik im Gesundheitsbereich vertiefen und steht somit dem Recht auf den Zugang zur besten Behandlung für alle  Menschen entgegen. 

Am 30. September 2011 hat das Parlament die Vorlage zur integrierten Versorgung (Managed Care) im Gesetz verankert. Eine Koalition von Gewerkschaften, linken Parteien und unterschiedlichen ÄrztInnenvereinigungen haben daraufhin das Referendum ergriffen und mit 133?000 Unterschriften eingereicht. Damit kommt am 17. Juni die Vorlage zur Abstimmung.

 

Worum es bei der Vorlage genau geht

Die wichtigsten Elemente der Revision können wie folgt zusammengefasst werden. Erstens:  Der Art. 41c des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) führt eine neue Versicherungsform ein: die integrierte Versorgung. Leistungserbringer (ÄrztInnen, aber auch andere) vereinigen sich in ein Netz, um die medizinischen Behandlungen zu koordinieren. Zweitens: Die integrierten Versorgungsnetze schliessen mit den Krankenversicherungen spezifische Verträge ab, die u.a. die Bezahlung der Leistungen regeln. Hier wird der Begriff der «Budgetmitverantwortung» eingeführt: Neu sollen neben den Krankenkassen auch die Versorgungsnetze die finanzielle Verantwortung mittragen. Drittens: Ein finanzieller Anreiz wird eingeführt, um die Versicherten anzuspornen, sich bei einem Versorgungsnetz anzuschliessen. Für sie wird der Selbstbehalt bei 10 Prozent und jährlich maximal 500 Franken liegen. Diejenigen Personen, die sich gegen ein Versorgungsnetz entscheiden, werden sanktioniert und müssen 15 Prozent bzw. maximal 1000 Franken der jährlichen Kosten selbst übernehmen (Art. 64). Zudem ist im neuen Gesetz verankert, dass der Bundesrat den maximalen Beitrag «an die Entwicklung der Gesundheitskosten» anpassen und ihn auch erhöhen kann. Viertens: Die Vertragsdauer kann für die integrierten Versorgungsnetze auf drei Jahre erhöht werden. Wer sich entscheidet, vorher ein Netz zu verlassen, muss eine Ausstiegsbusse bezahlen.

Die sozialen Folgen der Vorlage

Auf den ersten Blick erscheint die Vorlage als organisatorische Verbesserung der ambulanten Gesundheitsversorgung und der Verzicht auf die freie Arztwahl eine akzeptable Einschränkung, um «Kosten zu sparen». Kurz oder lang werden aber die sozialen Ungleichheiten verschärft. Denn in erster Linie wird die Vorlage zu einer direkten Erhöhung der Gesundheitskosten für alle Haushalte führen, zuallererst für diejenigen Personen, die sich keinem Versorgungsnetz anschliessen. Die Gesundheitskosten lasten schon heute schwer: 20 Prozent der Haushalte mit den tiefsten Einkommen geben 22 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Gesundheit aus; hingegen sind es für die Bessergestellten nur 11 Prozent. Es ist vorhersehbar, dass also Haushalte einerseits aus Kostengründen auf bestimmte Behandlungen verzichten werden, andererseits gezwungen sein werden, andere Ausgaben zu verringern, um sich pflegen zu lassen. Zu diesem Schluss kommt sogar das Beratungsunternehmen «Deloitte» in einer 2010 publizierten Studie.

Stärkung der Versicherer

Die Freiheit, Verträge abzuschliessen, erlaubt den Versicherungen, diejenigen ÄrztInnen auszuwählen, mit denen sie zusammenarbeiten und denen sie die Leistungen finanziell zurückerstatten wollen. Die Krankenkassen werden also nicht mehr gezwungen sein, jede Ärztin und jeden Arzt als Verhandlungspartner zu akzeptieren, was ihre Stellung gegenüber den ÄrztInnen massiv stärkt, vor allem im aktuellen Kontext steigender Leistungsangebote (auf den 1. Januar 2012 ist das Ärztemoratorium aufgehoben worden). Die Budgetmitverantwortung führt dazu, dass ein «Selektionseffekt» eintritt: die Versorgungsnetze werden keine grossen Interessen haben, schwere und teure Fälle zu übernehmen, da sie die Finanzierung der Behandlungen in Zukunft mittragen müssen. Dies wiederum führt zu einem «Rationierungseffekt»: Der Druck steigt, nur bestimmte Behandlungen anzuwenden, um das Budget nicht zu überschreiten. «Gute Risiken» werden behalten, teure Fälle «weitergegeben», es entstehen «Zulieferungsketten» in der Gesundheitsversorgung.

Nein zu Managed Care

Gewinner dieser Vorlage sind in erster Linie die Krankenversicherungen, die ihre Machtposition auf dem Markt gestärkt sehen. Mittelfristig werden sich zudem Versorgungsnetze herauskristallisieren, die sich auf die «guten Risiken» spezialisieren und die grössten finanziellen Gewinne einfahren werden. Verlierer wird die ganze lohnabhängige Klasse sein. Ihre Beteiligung an den Gesundheitskosten wird weiter steigen. Schon heute ist ihre Beteiligung im Vergleich zu den privaten Versicherungen und dem Staat am höchsten. Gerade die kantonal unterschiedlichen und einkommensunabhängigen Kopfprämien potenzieren das Armutsrisiko. Und damit nicht genug: Einflussreiche Verantwortliche von Krankenkassen wollen sogar generationenabhängige Prämien durchboxen, d.h. diejenigen der Jungen senken und diejenigen der Älteren erhöhen. Dass 25 Prozent der über 65-Jährigen armutsgefährdet sind, wird absichtlich verschwiegen.

Die lohnabhängige Klasse sieht sich gerade im Kontext der Prekarisierung der Arbeit erhöhten Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Die Revision des KVG würde ihre Situation noch verschlechtern. Nur breite und solidarische Mobilisierungen für die Abstimmung, aber besonders an den Arbeitsplätzen und auf der Strasse, können diesen Frontalangriff bekämpfen.

Asyl in der reichen Schweiz

Heute werden weltweit 43 Millionen Flüchtlinge gezählt, davon sind 26 Millionen so genannte «intern Vertriebene». Diese Menschen – unter ihnen viele Frauen und Kinder – mussten vor Krieg, Gewalt und Naturkatastrophen flüchten. Sie alle sind äusserst verletzlich. Die wenigsten dieser Menschen gelangen nach Westeuropa oder gar in die Schweiz. Trotzdem wird die Asylpolitik der humanitären und den Menschenrechten verpflichteten Eidgenossenschaft immer unmenschlicher. Unser Land ist durch seine Waffenexporte an Staaten, die Krieg führen und foltern lassen, ein wenig mitverantwortlich dafür, dass Menschen fliehen.

Kriegsdienstverweigerer aus Eritrea, die in ihrem Land verfolgt werden, will man in der Schweiz nicht mehr als Flüchtlinge anerkennen. Zurückschicken kann man sie aber nicht in dieses Land, das von einer fürchterlichen Diktatur beherrscht wird.

Zudem wäre es jetzt für das Bundesamt für Migration plötzlich «rechtlich vertretbar», Asylsuchenden generell nur noch Nothilfe statt  Sozialhilfe zu gewähren. Sie würden dann nur noch acht bis zehn Franken pro Tag erhalten, was pro Monat etwa 300 Franken ausmachen würde. Bisher wurden nur Asylsuchende, die nicht ausreisen wollten, auf diese Nothilfe gesetzt. Hans Jürg Käser, der Präsident der kantonalen Justizdirektoren, und einige Politiker, möchten die Nothilfe für Asylsuchende, die nicht ausreisen wollen, gar ganz abschaffen.

Wie leben heute Menschen mit Nothilfe, sprich mit acht bis zehn Franken pro Tag? Warum reisen sie nicht aus? Um dies zu verstehen, sind Berichte von Betroffenen wichtig. Der Journalist Michael Walther zeichnete Gespräche mit Asylsuchenden auf und veröffentlichte das Buch «Und es sind Menschen auf der Flucht». Alle Gesprächspartner von Walther hatten einen so genannten «Nicht-Eintretens-Bescheid» erhalten, ihr Asylgesuch wurde somit abgelehnt. Die Behörden hatten sie aufgefordert, die Schweiz unverzüglich zu verlassen. Zwölf Menschen erzählten Walther ihre Lebensgeschichte: Boris Johnson aus Liberia, Adriana Ademi aus Kroatien und Kosova, John Taha aus dem Sudan, Mohammed Jaafar aus Mauretanien und Senegal, Michael Werede aus Eritrea, Thomas George aus Kerala in Indien, Rahima Abdul Raheem aus Tamil Nadu in Indien, Modou Koroma aus Sierra Leone und Mali, José Correia aus Guinea-Bissau, Kaw Diatigi aus Guinea und die Familie Gujar aus Jammu und Kaschmir in Indien. Vielleicht werden wir wie die Familie Guaja einmal zu Flüchtlingen? Nach einem Krieg? Nach einem Unfall eines Atomreaktor wie in Tschernobyl und Fukushima?

Die Asylgesetzgebung wurde in den letzten Jahren laufend verschärft und soll jetzt noch weiter verschärft werden. Asyl in einem der reichsten Länder der Welt? Wurden Henri Dunant, Albert Schweitzer und Heinrich Pestalozzi vergessen?

Internationaler Protest gegen Kahlschlag bei Merck Serono

Rund 200 Angestellte von Merck Serono in Genf reisen am 30. Mai, dem Welt-Multiple Sklerose-Tag, nach Darmstadt an den Firmensitz der Merck-Gruppe. Die Angestellten von Merck Serono Schweiz solidarisieren sich mit den deutschen und europäischen Angestellten, deren Arbeitsplätze im Zuge des Restrukturierungsprogramms ebenfalls gestrichen oder in Billiglohnländer verschoben werden sollen.

Beschäftigte von Merck Serono aus der Schweiz und Deutschland werden gemeinsam gegen die brutalen Restrukturierungsmassnahmen protestieren, denen in ganz Europa Tausende von Arbeitsstellen – alleine 1500 am Standort Genf – zum Opfer fallen sollen. Und dies, obwohl noch vor einem Jahr die Merck-Gruppe – die noch immer zu rund 70 Prozent im Besitz der Familie Merck ist – die Dividendenzahlungen um 20 Prozent erhöht hat.

Die Delegation der Schweizer Merck-Serono-Beschäftigten sowie die Gewerkschaft Unia laden Sie herzlich ein, an der Reise nach Darmstadt teilzunehmen. Die Reise verläuft nach folgendem Programm:

– Dienstag, 29. Mai, 23 Uhr: Abfahrt per Bus von Genf nach Darmstadt

– Mittwoch, 30. Mai, 7 Uhr: Ankunft in Darmstadt

– Bis 14 Uhr: Diverse Aktionen auf dem Gelände von Merck Serono gemeinsam mit den deutschen KollegInnen sowie ein Treffen mit der Direktion von Merck Serono

– 14 Uhr: Demonstration in Darmstadt (Treffpunkt vor dem Haupteingang des Werks von Merck Serono zwischen Pyramide und Bistro)

– 17 Uhr: Rückreise nach Genf

Wenn Sie die Schweizer Delegation auf Ihrer Protestreise nach Darmstadt begleiten möchten, wenden Sie sich bitte so rasch als möglich an den Regio-Sekretär der Gewerkschaft Unia in Genf, Alessandro Pelizzari.

Alessandro Pelizzari, Regio-Sekretär Unia Genf, 079 817 29 04

 

Für eine öffentliche Krankenkasse!

Die Initiative «für eine öffentliche Krankenkasse» ist ein Erfolg:  Heute Mittwoch, 23. Mai wird der Trägerverein bei der Bundeskanzlei 115 468 beglaubigte Unterschriften einreichen. «Dies ist ein grosser Erfolg und ein klares Signal», sagt Erika Ziltener, Präsidentin des Trägervereins.

«Die Unterschriftensammlung belegt eindrücklich wie wichtig es sein wird, das Projekt einer einzigen öffentlichen Krankenkasse anstelle eines teuren Pseudowettbewerbs voranzutreiben und wie sehr die Bevölkerung unter der steigenden Prämienlast und der Willkür einzelner Krankenversicherungen leidet.»

Die Initiative wird die kostentreibenden Anreize im heutigen System korrigieren, die Qualität der Versorgung durch fortschrittliche Behandlungsformen verbessern, die Transparenz erhöhen und die Geldverschwendung für gigantische Werbekampagnen im Kampf um die besten Risiken stoppen.

Die Initiative «für eine öffentliche Krankenkasse» sieht die Einrichtung einer einzigen Krankenkasse mit kantonalen Agenturen vor, welche die Prämien festlegen und das Inkasso erledigen. Dies entspricht dem heutigen und bewährten Modell der Suva. Mit der öffentlichen Krankenkasse wird die Voraussetzung geschaffen, um die Kosten dauerhaft in den Griff zu bekommen und gleichzeitig die Versorgungsqualität zu verbessern. Insbesondere entfallen der teure Scheinwettbewerb unter den Krankenkassen und die alljährlichen aufwändigen Kassenwechsel in der Grundversicherung. Die heute aktiven Krankenversicherer werden ihr Geschäft auf den Bereich der Zusatzversicherungen konzentrieren können.

Die Unterschriftensammlung zur Krankenkassen-Initiative startete am 1. Februar 2011. Im Trägerverein der Initiative sind über 20 Patienten-Organisationen, Parteien, Berufsfach- und Branchenverbände sowie Gesundheitsorganisationen und Gewerkschaften vertreten.

Wer stoppt die menschenverachtende Migrationspolitik?

Missbrauchte Statistiken, Hasstiraden, Gesetzesrevisionen und Speziallager: die Schweizer Asyl- und Migrationsdebatte wird mit einer nappetitlichen Heftigkeit geführt und hat drastische Konsequenzen für unsere ausländischen MitbürgerInnen. 

Die Zuwanderung in die Schweiz ist momentan hoch. Der grösste Teil der Einwandernden sind ArbeitsmigrantInnen aus dem nahen europäischen Ausland. Diese eignen sich aber nicht als Sündenböcke, denn sie sind das Resultat der europäischen Integration. Viel einfacher ist da das Asyl-Bashing, denn Asylsuchende sind fremd und sie haben nicht die EU als «Lobby» im Rücken, die ihnen ihre Rechte garantiert. Die politisch als zu hoch eingestufte Einwanderung führt deshalb vor allem zu immer weiteren Beschneidungen der Rechte der Asylsuchenden.

Zu viele Asylgesuche?

Die Zahl der Asylgesuche liegt momentan bei deutlich über 20 000 pro Jahr (2011). Im langjährigen Vergleich keine wahnsinnig hohe Zahl. Ein Grossteil dieser Flüchtlinge hat aber gar kein Anrecht auf ein Asylverfahren in der Schweiz. Wer in ein Land des Schengen-Raums einreist, hat seinen Asylantrag in diesem Land zu stellen und wird nach Möglichkeit dorthin wieder ausgeschafft – und zwar mit aller Härte. Wie schwer es in vielen Ländern ist, im Asylverfahren zu überleben, wird dabei ignoriert. In Italien leben alleinerziehende Mütter auf der Strasse, in Ungarn werden Asylsuchende grundsätzlich in Haft gesetzt. Der offiziellen Schweiz scheint dies egal zu sein.

Mit den Revolutionen im arabischen Raum kamen viele Menschen, vor allem aus Tunesien, zu uns. Diese Leute litten ihr ganzes Leben lang unter dem diktatorischen Regime von Ben Ali, flohen auf Nussschalen nach Europa und erlebten auf ihrem Weg über das Mittelmeer, auf Lampedusa und dem italienischen Festland grauenhafte Dinge. Natürlich sind sie hier in der Schweiz, einer generellen Feindlichkeit und Perspektivenlosigkeit ausgesetzt, nicht gerade pflegeleicht und verhalten sich nicht alle vorbildlich. Wie sollten sie auch? Sie deshalb einfach als „Abenteurermigranten“ und „Party-Asylanten“ zu bezeichnen ist eine Frechheit. Den neu zugewanderten „Arabern“ wird von Anfang an mit Abwehr, Hass und Misstrauen begegnet. Es entsteht eine Dynamik der Kriminalisierung, wie sie seit langem auch schon bei Asylsuchenden aus Schwarzafrika oder bei den Roma zu beobachten ist: Rassismus und Ausgrenzung führen zu Hilflosigkeit, ein Teil von ihnen gerät in die Kleinkriminalität. Den Druck, den diese Asylsuchenden hier erleben, lassen sie nicht selten auch an anderen Asylsuchenden aus – es kommt zu Rivalitäten und teilweise gewaltsamen Konflikten unter ihnen.

Diese Tendenzen werden in den Mainstream-Medien genüsslich ausgeschlachtet: Kriminelle Asylsuchende werden zu einem Hauptproblem der Gesellschaft hochstilisiert. Die geschürten Ängste der Bevölkerung werden dankbar aufgenommen und die «zu lasche» Migrationspolitik der Schweiz dafür verantwortlich gemacht. Die Folge: Keiner will mehr Flüchtlinge aufnehmen. Gemeinden wehren sich (oft erfolgreich) gegen die Unterbringung von Asylsuchenden. Deren Wohnsituation wird folglich immer schlimmer. Mittlerweile gilt es fast schon als normal, wenn Asylsuchende (Familien mit eingeschlossen) monatelang in Zivilschutzbunkern leben müssen, obwohl gerade diese Unterbringung die Leute kaputt macht und bei vielen Asylsuchenden zu Frust und Aggressionen führt.

«Echte» gegen «unechte» Flüchtlinge

Die Botschaft ist klar: Die meisten Flüchtlinge sind unechte Flüchtlinge und missbrauchen unser System. Sie sind nicht «echt», weil sie lediglich vor Armut und genereller Unterdrückung geflohen sind. Selbst Deserteure gelten mit der geplanten Revision des Asylgesetzes bald nicht mehr als echte Flüchtlinge. Der Wunsch, ein besseres Leben im Ausland zu suchen, gilt schon lange nicht mehr als legitim. Die Schweiz zeigt diesen Leuten immer deutlicher: Wir wollen euch nicht und um euch loszuwerden, sind wir bereit, sehr weit zu gehen. Wir bauen einen umfassenden Grenzschutz auf, kooperieren mit Diktaturen, um Flüchtlinge wieder zurückschaffen zu können. Wir lassen sie im Mittelmeer ertrinken und die, die es trotzdem bis zu uns schaffen, verunglimpfen wir als Kriminelle und Scheinasylanten und isolieren sie von der Gesellschaft. Dafür schaffen wir Internierungslager und eröffnen Bundesbunker im Alpenmassiv. Zuletzt versuchen wir, sie mit aller Gewalt und Härte, wenn nötig gefesselt und geknebelt, irgendwohin auszuschaffen. Um die Herkunftsstaaten zur Kooperation mit unserem Ausschaffungsregime zu bewegen, drohen wir ihnen mit der Streichung von Entwicklungshilfegeldern. Das Recht auf Migration gilt nur für die ganz «echten» Flüchtlinge. Viele Hilfswerke haben daher Angst, dass deren Ruf durch die «unechten» Flüchtlinge Schaden nimmt und wehren sich deswegen nicht gegen Hetze und Repression.

Das Fehlen einer über pure Abwehr hinausgehenden Migrationspolitik hat zur Folge, dass zwei migrationspolitische Themen miteinander vermischt werden. Irreguläre Migration wird vollumfänglich in die Asylpolitik integriert und deren Funktionalität dann (zu Recht) in Frage gestellt. Viele Flüchtlinge erfüllen den engen Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention tatsächlich nicht (dafür braucht es auch keine weiteren Verschärfungen). Die moderate Zunahme der Asylgesuche wird aber trotzdem für eine erneute Verschärfung des Asylgesetzes benutzt. Das Asylwesen ist für die meisten Menschen aber das einzige Tor zur Schweiz. Nur deshalb landen sie im Asylverfahren und da sie den Flüchtlingsbegriff nicht erfüllen, ist dieser Weg eine Sackgasse. Zudem wurden das Asylsystem in der Ära Blocher kaputtgespart und die Aufnahmekapazitäten massiv reduziert. So haben wir nun bei jedem grösseren Anstieg der Asylgesuche eine Krisensituation, die ebenfalls für eine erneute Verschärfung (sprich Aushöhlung) des Asylrechts missbraucht wird. Dass es eine Alternative zum Asylsystem bräuchte, will keiner einsehen. Dass es für eine Beschleunigung der Asylverfahren vor allem einen Ausbau der dafür nötigen Infrastruktur bräuchte, auch nicht. Lieber beschneiden die PolitikerInnen weiter die Rechte der Flüchtlinge.

Was tun? 

Es ist nicht leicht, sich in der gegenwärtigen Situation für eine Migrationspolitik einzusetzen, die diesen Namen verdient. Zumindest können wir aber unsere Solidarität mit den ausländischen Mitmenschen bekunden und für ihre Rechte kämpfen. Zum Beispiel am 23. Juni in Bern. Schluss mit Repression und Abwehr – lasst uns eine Gegenbewegung aufbauen, die zumindest die linken Parteien zwingt, die geplanten Gesetzesverschärfungen konsequent als fremdenfeindliche Scheinlösungen zu bekämpfen!

«Wir sind keine Ratten»

Die Lebensbedingungen von Flüchtlingen in den kollektiven Unterkünften sind miserabel. Eine Koalition von politischen Organisationen und sozialen Bewegungen mobilisieren sich in Bern an der Seite der Sans-Papiers für eine unmittelbare Verbesserung der Situation. Im Zentrum der Kritik stehen schliesslich die Fremdenhetze und das Asylbusiness. Bericht der letzten Mobilisierungen.

Nachdem Sans-Papiers Mitte März 2012 das Generalsekretariat der SP besetzt hatten, kam es in den vergangen Wochen zu zwei weiteren Mobilisierungen der Bleiberechtsbewegung. Am 27. April protestierten BewohnerInnen des Nothilfezentrums Aarwangen bei Langenthal gegen Probleme mit der Berner Kantonspolizei. Am 5. Mai kam es in Bern hingegen zu einer breiten Demo gegen die ORS AG und einen von ihr betriebenen Asylbunker. Die Sans-Papiers liefen zuvorderst mit.

Reismarsch gegen Rassismus und Bussen

Mit Kellen und Pfannen laut lärmend marschierten BewohnerInnen des Sachabgabezentrums (SAZ) Aarwangen nach Langenthal. Vor der lokalen Polizeiwache kritisierten sie die Praxis der Berner Kantonspolizei. In einem offenen Schreiben an die Berner Kantonspolizei erklärten die BewohnerInnen: «Wir wissen nicht, was PolizistInnen persönlich denken und fühlen, doch die Art und Weise, wie viele BeamtInnen mit uns sprechen, ist herabsetzend.» Die angeprangerten rassistischen Einstellungen und Handlungsweisen vieler PolizistInnen zeigen sich laut BewohnerInnen anlässlich systematisch stattfindender Personenkontrollen, die hauptsächlich gegen Schwarze gerichtet sind. Die kontrollierten abgewiesenen Asylsuchenden werden nicht nur herablassend behandelt, sondern erhalten auch hohe Bussen wegen illegalem Aufenthalt. Wer nicht bezahlt, wird für die entsprechenden Tagessätze weggesperrt. «Dieses System ist absurd und gehört abgeschafft», skandierten die BewohnerInnen lautstark vor der Polizeiwache. Nothilfeabhängige haben im Kanton Bern ausschliesslich Anspruch auf eine Sachabgabe im Wert von sechs Franken täglich und verfügen über kein Bargeld. Um verschiedene Bussen zu bezahlen, schleppten die BewohnerInnen 88 kg Reis von Aarwangen nach Langenthal. Die Polizei akzeptierte diese Zahlungsweise jedoch nicht. Erst nach einem langen Lärmprotest willigte die Kantonspolizei schliesslich ein, sich den Sans-Papiers zu stellen. Ein Verantwortlicher der Kantonspolizei empfing den offenen Brief, den über dreissig BewohnerInnen unterzeichneten. Er äusserte sich jedoch nicht zu den Vorwürfen. Eine Antwort steht noch aus.

«ORS raus – Bunker weg!»

Die gewinnorientierte Aktiengesellschaft ORS Services AG erhielt vom Kanton Bern Anfang 2012 den Auftrag, in einer unterirdischen Zivilschutzanlage im Berner Hochfeldquartier bis zu 160 Asylsuchende unterzubringen. Nun regt sich Widerstand gegen den Beschluss des Kantons. 300 Personen nahmen am 5. Mai 2012 in Bern an einer Demonstration teil. Zuvorderst marschierten auch dreissig BewohnerInnen des Hochfeld-Bunkers mit. Einzelne unter ihnen ergriffen das Wort und beschrieben ihre Lage: «Wir sind 160 Frauen, Kinder und Männer im Bunker, aufgeteilt in grossen Räumen à 40 Personen. Wir können kaum schlafen, bekommen das Tageslicht kaum zu sehen, haben kein Geld und müssen dann essen, wenn es uns vorgegeben wird. Haben wir am Nachmittag Hunger und verlangen nach einem Stück Brot, bekommen wir nichts. Nur Ratten leben in Löchern. Wir sind aber keine Ratten – wir sind Menschen.» Ein anderer Bewohner des Bunkers erläutert: «Wir sind aus unseren Ländern geflohen und haben unsere Familien zurückgelassen, weil unser Leben bedroht ist. Wir müssen das Menschenrecht auf Asyl bekommen!»

Zur Demo aufgerufen haben verschiedene politische Organisationen und soziale Bewegungen, die sich unter dem Komitee «Fremdenhetze und Asylbusiness stoppen!» vereinigen. Nebst den katastrophalen Lebensbedingungen im Hochfeld kritisiert das Komitee die Privatisierung des Asylbereichs. Es fordert vom Kanton, die Leistungsverträge mit der ORS AG aufzukündigen und den Bunker sofort zu schliessen.

ORS AG und Politik in der Kritik

Die ORS setzt jährlich über 55 Millionen Franken um. Die Gewinne aus dem Asylbusiness fliessen direkt in die Taschen von privaten Investoren. Die Firma verstärkt damit den Trend zur Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben und Dienstleistungen. «Sie lebt davon, dass dem Markt überlassen wird, was unter demokratische Obhut gehört», schreiben die Organisatoren der Demo. Im Konkurrenzkampf um den Leistungsauftrag im Hochfeld verdrängte die ORS AG die Flüchtlingshilfe der Heilsarmee. Die ORS AG verspricht eine effizientere Zusammenarbeit mit dem Migrationsdienst und der Polizei und garantiert dem Kanton Bern die totale Loyalität gegenüber seiner xenophoben Asylpolitik. Mit diesem Profil setzt sich die ORS AG nicht nur im Kanton Bern durch. Überall geraten Asylorganisationen unter Druck, widerstandslos mit dem repressiven Behörden zu kollaborieren und sich aktiver an der Asylhetze zu beteiligen. Das Komitee unterstrich während der Demonstration jedoch ausdrücklich, dass sich die Kritik nicht ausschliesslich auf die Firma ORS Services AG beschränkt: «Ihre menschenverachtende Praxis ist die Konsequenz der Migrations- und Asylpolitik der Schweiz und des Kantons Bern».

Widerstand ist notwendig

Die beiden Mobilisierungen sind Ansätze des dringend nötigen Widerstands gegen Fremdenhetze und Asybusiness: Institutionelle Xenophobie, absurde Bussensysteme, profitorientierte Firmen oder Asylbunker haben in einer Asylpolitik, die diesen Namen verdient, nichts zu suchen. Es geht um Menschen und nicht um Waren, mit welchen auf dem Markt Profite generiert werden.

Der Evergreen «Lohnschere»

Die Einkommens- und Lohnschere öffnet sich seit den 1990ern in der Schweiz zusehends. Dies belegt eine aktuelle  Studie des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Um diese Entwicklung einordnen und über den blossen Befund hinausgehen zu können, muss man einen Blick auf die Entwicklungsgesetze des Kapitals werfen.

Eine Woche vor dem 1. Mai legte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) eine aktualisierte Version seines Verteilungsberichtes vor. Dieser zeigt, dass die Einkommensungleichheiten in der Schweiz «dramatische Ausmasse» angenommen haben. Im hohen Einkommenssektor hat eine Familie mit zwei Kindern 2010 am Jahresende real 15 000 Franken mehr zur freien Vergüng als zehn Jahre zuvor. Die selbe Familienkonstellation mit einem tiefen Einkommen hat bloss 1 300 Franken zusätzlich. Ein alleinstehender Normalverdiener hat 2010 sogar 1 300 Franken weniger zum Leben als noch 2000. Dies vor allem wegen den steigenden Krankenkassenprämien und Wohnungsmieten. Zwar haben in der Krise die höchsten Einkommen – etwa wegen ausbleibender oder gekürzter Boni – etwas eingebüsst, aber der allgemeine Trend ist damit keineswegs umgekehrt. Die Lohn- und Einkommensschere spreizt sich zusehends. Bei den höchsten Löhnen sei jedes Mass verloren gegangen, so SGB-Präsident Paul Rechsteiner. Schuld sei aber auch die Steuerpolitik: So entlaste etwa die Unternehmenssteuerreform II, die Steuereinbussen bis zu 7,5 Milliarden Franken nach sich zieht, vor allem AktionärInnen, die dies gar nicht nötig hätten. Der SGB resümiert im Bericht: «Die Einkommens- und Lohnschere ist seit den 1990er-Jahren eines der grössten wirtschaftspolitischen Probleme in der Schweiz».

Klassenkampf von oben

Die goldene Zeit des Kapitalismus, die vom Ende des Zweiten Weltkrieg bis Anfang der 70er Jahre andauerte und den proletarischen Massen eine zunehmende Anteilnahme am gesellschaftlichen Reichtum in Aussicht stellte, ist längst passé. Auch sie war näher betrachtet für den grössten Teil der ArbeiterInnen nicht viel mehr als das Versprechen auf ein Leben harter Arbeit mit Kühlschrank, Abwaschmaschine und Kleinwagen. Doch selbst dieser nicht sonderlich verführerische Traum sollte sich in den 70er Jahren aufzulösen beginnen. Mit den sinkenden Profitraten des Kapitals kam dieses in Zugzwang und versuchte, die Raten über einen generalisierten Angriff auf die Arbeitskräfte zu sanieren. Der sogenannte neoliberale Angriff ist nur vor diesem Hintergrund zu verstehen und nicht etwa einfach eine böse Idee niederträchtiger PolitikerInnen. Der SGB-Bericht spricht davon, dass sich diese Politik der Umverteilung in England und den USA unter Thatcher und Reagan in den 80ern verschärfte, und dass das kontinentale Europa ab den 90er Jahren zunehmend betroffen war. Die strukturelle Krise des Kapitalismus hat also in seinem offenen Ausbrechen die obersten Einkommensklassen kurzfristig etwas nach unten korrigiert, aber sie ist auch die Ursache dafür, dass die unteren und mittleren Einkommen zunehmend unter Druck kamen und kommen. Nur in diesem Zusammenhang versteht man, wie sich die Zwänge der kapitalistischen Akkumulation vermittelt durch WirtschaftsführerInnen und PolitikerInnen durchsetzen und die Lebensbedingungen der ArbeiterInnen angegriffen werden. Und nur so erkennt man auch, wie stark die Kämpfe von unten sein müssen, um diese Tendenzen abbremsen oder kurzfristig gar umkehren zu können.

Kapital und Lohn

Die Studie spricht auch davon, dass 2008 etwa 2,6 Prozent der Bevölkerung 50 Prozent des gesamten Vermögens besassen und die Schweiz damit eines der ungleichsten Länder weltweit ist. Es ist jene Minderheit, die die Einkommensschere ins schier unermessliche aufspreizt. Das Vermögen dieser Menschen ist zum allergrössten Teil deckungsgleich mit dem Geld, das im Wirtschaftsprozess angelegt ist. Ihr Geld ist Kapital und als solches wirft es Gewinn ab, ob nun als Rente, Zins oder industrieller Profit. Die normalen ArbeiterInnen dagegen verbrauchen in der Regel den grössten Teil ihres Geldes für den Lebensunterhalt. Sie müssen tagtäglich ihre Arbeitskraft wieder für einen Lohn verkaufen. Sie sind es aber, die den ganzen Reichtum schaffen, auch wenn das an der Oberfläche der Gesellschaft verschleiert ist. Es kann nicht darum gehen, mittlere und tiefe Löhne abzugleichen oder innerhalb der Arbeiterklasse eine Lohnschere zu bedauern. Zwar kann man die Managersaläre skandalisieren – auch wenn damit niemandem geholfen ist –, aber letztlich muss man den Widerspruch zwischen den ArbeiterInnen und dem Kapital auf die Tagesordnung der Kämpfe setzen.

Nestlé: Angeklagt wegen Mord

In Kolumbien wird der Gewerkschafter Luciano Romera von Paramilitärs ermordet. Der Nestlé-Konzern rückte ihn in die Nähe der Guerilla und sprach damit sein Todesurteil aus. Nun steht Nestlé vor Gericht.

Luciano Romero war am Morgen des 11. September 2005 in der nordkolumbianischen  Provinzstadt Valledupar schwer misshandelt worden, bevor er durch zahlreiche  Messerstiche starb. Wenige Tage nach seinem Tod sollte der langjährige Nestlé-Gewerkschafter auf einem internationalen Tribunal über den Nestlé-Konzern aussagen. Romero wäre einer von über dreitausend kolumbianischen Gewerkschaftern, die  in den letzten Jahren von Paramilitärs getötet worden sind. Doch sein Fall hat heute schon Rechtsgeschichte geschrieben. Die  Juristenvereinigung «European Center for Constitutional and Human Rights» (ECCHR) hat kürzlich gemeinsam mit der kolumbianischen Gewerkschaft Sinaltrainal, deren Mitglied Romero war,  bei der Schweizer Justiz Anzeige gegen Verantwortliche des  Nestlé-Konzerns eingereicht. Ihnen wird vorgeworfen, den Tod des Gewerkschafters «durch pflichtwidriges Unterlassen fahrlässig mit verursacht» zu haben. «Der Mord geschah im Kontext eines bewaffneten Konflikts, in dem Gewerkschafter und andere soziale Gruppen systematischer Verfolgung, vor allem durch Paramilitärs und staatliche Stellen ausgesetzt sind», heisst es in der Begründung der Anzeige. So sei Romero vor seinem Tod von Nestlé-Verantwortlichen fälschlich in die Nähe der kolumbianischen Guerilla gerückt worden. Ein solcher Verdacht sei unter den damaligen Verhältnissen in Kolumbien fast ein Todesurteil gewesen. Auf einer Pressekonferenz in Berlin erklärte der Sinaltrainal-Anwalt Leonardo James, dass ein kolumbianischer Richter in dem Prozess gegen zwei Mitarbeiter des Geheimdienstes auf die Verantwortung von Nestlé hingewiesen habe. Der Jurist sei  danach ebenfalls von den Paramilitärs bedroht worden und habe das Land verlassen müssen.

Juristisches Neuland

Der Sinaltrainal-Vertreter Carlos Olava zitierte bei dem Pressegespräch den Ausspruch eines Paramilitärs, der bekräftigte, die Gewerkschafter seien systematisch getötet worden, weil sie der Wirtschaft gefährlich werden könnten. Tatsächlich habe die Ermordung von Romero und anderen Gewerkschaftern einen schweren Rückschlag bei den Organisierungsbemühungen zur Folge gehabt. Die Menschen hätten danach Angst gehabt, sich überhaupt noch zu organisieren. Olava sieht auch keinen Widerspruch darin, den juristischen Weg zu gehen und trotzdem für eine kämpferische Interessenvertretung einzutreten.

Der Berliner Rechtsanwalt und ECCHR-Vertreter Wolfgang Kaleck betonte, dass mit der Anzeige juristisches Neuland betreten werde. Es gehe aber nicht um ein Medienspektakel. Neben der Aufklärung der Wahrheit über die Ermordung des Gewerkschafters soll auch die Verantwortung von Konzernen thematisiert werden. Hier könnte die Klage eine Türöffnerfunktion bekommen, hofft Kaleck, «Unternehmen wie Nestlé wissen, in welchen Gefahren ihre Arbeiter schweben, wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren und ihre Rechte als Arbeiter verteidigen. Wenn sie solche Verbrechen hinnehmen, werden sie zu schweigenden Komplizen», heisst es in einer der Pressemappe beigelegten Stellungnahme. Mittlerweile hat Nestel in einer Pressemitteilung erklärt, dass der Konzern immer gegen Gewalt eingetreten sei, lehne aber jede Verantwortung für den Tod Romeros ab.

Zähmung des Kapitalismus durch das Recht?

Die Initiative ist schon deshalb lobenswert, weil den Angehörigen und Freunden Luciano Romeros bisher die juristische Aufarbeitung seiner Ermordung verweigert wurde. Doch bei vielen der Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Bestrafung des Nestlé-Konzerns einsetzen, schwingt unverkennbar die Hoffnung mit, den Kapitalismus mit den Mitteln des Rechts zivilisieren zu können. An diesem Punkt sollte vor falschen Hoffnungen gewarnt werden. Recht wird unter kapitalistischen Verhältnissen immer in erster Linie für die reibungslose Profitmaximierung sorgen. Trotzdem sollen sich auch linke und klassenkämpferische Organisationen juristischer Mittel bedienen, ohne zu vergessen, dass die entscheidenden Schlachten nicht im Gerichtssaal ausgefochten werden. Diese Zusammenhänge stellte die proletarische Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe immer in den Mittelpunkt ihrer Agitation. Damals sollten juristische Mittel den Klassenkampf unterstützen, nicht aber den Kapitalismus zivilisieren. Auf der Pressekonferenz zur Nestlé-Klage fiel hingegen kein klassenkämpferisches Wort. Einige der eingeladenen Vertreter von Nichtregierungsorganisationen stellten den europäischen Kapitalismus als grosses Vorbild hin, dem sie nacheifern wollten. Am Ende wurde noch die absurde These geäussert, in Deutschland wäre Luciano Romero schon längst Träger des Bundesverdienstkreuzes. Solche falschen Eingemeindungen hat der ermordete Gewerkschafter nun wirklich nicht verdient.

Officina Bellinzona: Fest zum Jahrestag des Sieges von 2008

Officina Bellinzona: Fest zum Jahrestag des Sieges von 2008

Zum vierten Mal feierte kürzlich das «Volk der Officina» in der legendären «Pittureria» den Sieg von 2008.
Die klare Botschaft des Streikkomitees: Wir sind immer noch da und wir werden uns wenn nötig zu wehren wissen.

Die aufgereihten orangen Arbeitshosen, das Symbol des Streiks von 2008, hängen noch immer an der Wand der «Pittureria», der Karosseriemalerei der Officina von Bellinzona. Die Spruchbänder, die damals die gegenüberliegende Wand zierten, sind inzwischen entfernt worden. Die scheinbar bedeutungslosen, äusserlichen Merkmale charakterisieren treffend das weiterhin andauernde Seilziehen zwischen der Belegschaft und ihrem Streikkomitee auf der einen Seite und dem SBB-Management auf der andern, dessen erklärtes Ziel darin besteht, «die Normalität» wiederherzustellen, was im Klartext die uneingeschränkte Verfügungsgewalt des Kapitals über die Arbeit bedeutet. So soll beispielsweise künftig nicht mehr das von den Arbeitern gewählte Streikkomitee mit der SBB verhandeln, sondern – wie vor dem Streik – einzig die vertragsunterzeichnenden Gewerkschaften SEV und Transfair.

Erst allmählich füllen sich an diesem Samstagnachmittag, 14. April 2012, die Reihen der Sitzbänke und Holztische, die genau gleich dastehen wie im März 2008, als die «Pittureria» zum Symbol des Arbeiterwiderstandes gegen die Pläne des Kapitals wurde. Es sind Arbeiter der Officina mit ihren Familien, UnterstützerInnen, alte und junge, hauptsächlich aus dem Tessin, vereinzelt auch aus den andern Landesteilen, alles in allem etwa zweihundert an der Zahl, die gekommen sind und sich noch immer mit diesem Kampf verbunden fühlen, der am 7. März 2008 wie ein Blitz aus heiterem Himmel die offizielle Schweiz, Regierung und Parteien aller Schattierungen, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften gleichermassen aufschreckte.

30 Jahre Umstrukturierungen…

In seinem Referat zur aktuellen Entwicklung streift Gianni Frizzo nochmals die Geschichte der Officina in den letzten dreissig Jahren. Sorgfältig wählt er die Worte aus, will nicht unnötig polemisieren und provozieren. Wer aufmerksam zuhört, bekommt dennoch ein Bild, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Was er erzählt, ist die Geschichte eines stetigen Niedergangs, die Geschichte von Umstrukturierungen und unternehmerischen Fehlentscheiden, von Verbesserungen, die sich regelmässig als Verschlechterungen entpuppten, von falschen Hoffnungen und nicht eingehaltenen Versprechungen. Es ist die Geschichte einer ganzen Generation von Wirtschaftsführern, deren unternehmerische Visionen sich darauf beschränken, mittels Stellenabbau und Arbeitsverdichtung Kosten zu sparen. Die Schliessung der SBB-Werkstätte in Biasca beispielsweise wurde der Belegschaft in Bellinzona mit dem Argument schmackhaft gemacht, dass dadurch dort zusätzliche Arbeitsplätze im Güterwagenunterhalt geschaffen würden. Wenige Jahre später hätte der Unterhalt der Güterwagen privatisiert und jener der Lokomotiven nach Yverdon verlagert werden sollen. Nur durch den entschlossenen Widerstand der Belegschaft und der ganzen Tessiner Bevölkerung wurde das Vorhaben rechtzeitig gestoppt.

… als Beispiel für den Abbau des Service public

Was Gianni Frizzo erzählt, steht stellvertretend für den Niedergang eines Service public, der keiner mehr ist, weil sein Zweck nicht mehr darin besteht, Leistungen im Dienste der Bevölkerung zu erbringen, sondern einen Gewinn für die Besitzer der teilweise oder ganz privatisierten Unternehmungen zu erzielen. Für den Niedergang eines gescheiterten Wirtschaftssystems, das mit der inzwischen erreichten Produktivität eine immer grössere Menge an unverkäuflichen Waren produziert, deren Gebrauchswert gleichzeitig immer geringer wird. Eines Systems, das sich nur noch am Leben erhalten kann, indem es nicht nur den geschaffenen Reichtum fortwährend zerstört, sondern auch das Leben der Menschen, die keine andere Wahl haben, als innerhalb der ihnen aufgezwungenen Bedingungen zu arbeiten.

Später im Gespräch macht Gianni Frizzo klar, es sei beim Streik von 2008 nicht nur darum gegangen, die über 400 Arbeitsplätze zu erhalten, als vielmehr das heutige System grundsätzlich in Frage zu stellen. Formell gehöre die Officina der SBB, in Wirklichkeit aber der Tessiner Bevölkerung. Es seien ihre Väter und Vorväter, die bereits dort gearbeitet und sie aufgebaut haben. Ebenso komme deren Tätigkeit – der Unterhalt der Lokomotiven und Eisenbahnwagen – allen zugute. Starre und schwerfällige Befehlsstrukturen stünden jedoch einem wirtschaftlich sinnvollen Betrieb im Wege. Die Hierarchie müsse viel flacher werden, sonst würden die dazwischen geschalteten Stufen weiterhin wie ein Filter wirken, an dem wichtige Informationen hängen bleiben.

Noch einmal erklärt Gianni Frizzo, was er bereits am Schluss seines Referates an die Adresse der SBB-Spitze unmissverständlich geäussert hat: «Wir sind nach wie vor offen für einen paritätischen Dialog. Wenn man uns aber diese Möglichkeit nimmt, indem man uns den Zugang zu den Zahlen verweigert und uns vor vollendete Tatsachen stellt, dann sind wir gezwungen, zu den Aktionsformen von 2008 zurückzukehren.» Und was mit «Aktionsformen von 2008» gemeint ist, braucht nicht näher erläutert zu werden. Das haben alle noch in guter Erinnerung.

Gut integriert?

Am 23. März 2012 endete das Vernehmlassungsverfahren zur Teilrevision des Bundesgesetzes über Ausländerinnen und Ausländer (AuG). Die Revision macht aus dem AuG neu ein AuIG, wobei das «I» für Integration stehen soll. Was im Titel nett klingt, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als Trugschluss.

Die Vorlage impliziert ein eigentliches Verständnis von Integration, welches auf einer Bringschuld zur faktischen Assimilation aufbaut. In bester technokratischer Manier wird ein komplexes Phänomen in eine kodifizierte Form gegossen, die der Realität nicht Stand hält. Einmal mehr verletzt somit ein Gesetzesentwurf im Ausländerbereich grund- und menschenrechtliche Prinzipien. In der Gestalt sogenannter «Integrationsvereinbarungen» nehmen Druck und Zwang im Gesetz Platz. Weiter wird eine Definition von «guter Integration» geschaffen, die zwar mehr als schwammig, doch bei der künftigen Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen entscheidend ist.

 

Die vier «Integrationskritierien»

Ein genauerer Blick auf diese Definition lohnt sich. Die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Respektierung der Grundprinzipien der Bundesverfassung, die Fähigkeit, sich in einer Landessprache verständigen zu können und schliesslich der Wille zur Teilnahme am Wirtschaftsleben oder zum Erwerb von Bildung – das sind die vier Kriterien «guter Integration». Je genauer man diese Kriterien ansieht, desto verschwommener werden sie.

Ersten die «Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung»:

Dass AusländerInnen ausgewiesen werden können, wenn sie «schwere Straftaten» begehen und zu «längerfristigen» Haftstrafen verurteilt werden, steht bereits im AuG. Schon eine einjährige Strafe kann laut Bundesgericht für eine Ausweisung (oder die Nicht-Verlängerung der Bewilligung) ausreichen. Laut dem erläuternden Bericht zum neuen Gesetzentwurf umfasst die «öffentliche Ordnung» aber nicht nur die Einhaltung der Gesetze, sondern auch der «Gesamtheit der ungeschriebenen Ordnungsvorstellungen», die sich bekanntlich je nach politischer Stimmung schnell ändern können.

Zweitens die «Respektierung der grundlegenden Prinzipien der Bundesverfassung»:

Gemeint sind damit nicht etwa die in den ersten 36 Artikeln festgehaltenen Grundrechte, denn diese stellen keine Forderungen an die Individuen, sondern vor allem solche an den Staat dar: Er hat die Grundrechte (auch der AusländerInnen) zu respektieren und darf nur verhältnismässig in sie eingreifen. Aus den Grundrechten lässt sich den «schlecht Integrierten» also kein Strick drehen. Woraus aber dann? Der Bericht zum Gesetzentwurf gibt Hinweise: Zu den Grundprinzipien der Bundesverfassung soll demnach nicht nur die Gleichstellung von Mann und Frau zählen, sondern zum Beispiel auch die «Anerkennung der Schulpflicht» und der Respekt vor dem Gewaltmonopol des Staates (vor Armee und Polizei?). Der fehlende Respekt vor diesen Prinzipien zeige sich «zuweilen im politischen und religiösen Extremismus» und bei dessen Definition hilft zum Glück der Staatsschutz.

Drittens die «Fähigkeit, sich in einer Landessprache zu verständigen»:

Sicher ist es sinnvoll, dass Menschen die in ihrem Umfeld gesprochene Sprache verstehen. Neu werden Sprachkenntnisse allerdings zu einem Druckmittel: Ohne sie sollen Bewilligungen nicht verlängert werden, ohne sie soll es auch keinen Zugang zu einem sichereren Aufenthaltstitel geben. Das Kriterium erweist sich vor allem für diejenigen als Falle, die aus «bildungsfernen Schichten» kommen, das Lernen nicht gewohnt sind und dann auch noch täglich einer schweren Arbeit nachgehen.

Und viertens der «Wille zur Teilnahme am Wirtschaftsleben»:

Zwar sei es «nicht per se» ein Zeichen mangelnder Integration, wenn AusländerInnen zu wenig verdienen und trotz Arbeit zusätzlich auf Sozialhilfe angewiesen seien. Aber: «Die Erfordernis der wirtschaftlichen Selbständigkeit stellt die Regel dar», heisst es im Bericht. Die Abhängigkeit von Sozialhilfe ist schon heute ein Grund für den Widerruf oder die Nicht-Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung. Nun will das EJPD den Verlust des Arbeitsplatzes zu einem Kriterium mangelnder Integration machen – mitten in der Krise.

Das neue Integrationsgesetz bietet vor allem eines: weitere Möglichkeiten zur Drangsalierung von AusländerInnen. Weil aber die meisten von Ihnen durch die Personenfreizügigkeit vor dem neuen Zwang geschützt sind, trifft es vor allem die mittlerweile übliche Personengruppe mit voller und gewollter Härte: Angehörige von Drittstaaten.

«Konkrete politische Unterstützung einfodern»

Warum habt ihr euch entschlossen, die Zentrale der SP Schweiz zu besetzen? Was sind die Erwartungen und konkreten
Forderungen, die ihr euch durch die Aktion erhofft?

Philippe Blanc: Durch die Besetzung wollte die Bewegung selbstbestimmt ihre politische Isolation durchbrechen. Wir suchten eine politische Kraft, die nicht völlig von der xenophoben SVP-Migrationspolitik vereinnahmt ist. Die SP will sich «für alle statt für wenige» einsetzen. Durch unsere Aktion wollten wir die SP-Schweiz mit der Forderung nach einer kollektiven Regularisierung der Illegalisierten konfrontieren. Für die 173 Sans-Papiers der Regularisierungsliste suchten wir konkret politische Unterstützung im Kampf um Papiere und ein Bleiberecht.

Seid ihr mit dem Resultat der Gespräche zufrieden oder habt ihr konkretere Zugeständnisse und Ergebnisse erwartet?
Philippe Blanc: Wir hatten ein klareres Bekenntnis zu den Forderungen kollektive Regularisierung, Nothilfestopp, Ausschaffungsstopp erwartet und erhofften uns konkretere politische Unterstützung in unserem Kampf. Dennoch sind wir zufrieden, uns mit Levrat und Tschümperlin ausgetauscht zu haben. Es gelang den Sans-Papiers den Parteipräsident und den Franktionschef mit unseren Positionen, der Realität unserer Bewegung und den existenziellen Problemen der Sans-Papiers zu konfrontieren und Erwartungen zu formulieren. Zudem werten wir es als Erfolg, dass die SP zusicherte, sämtliche Reisekosten für die oft mittellosen Sans-Papiers zu übernehmen. Auch der versprochene Zugang zu Basismitgliedern der Partei schätzen wir als nicht-institutionelle Bewegung sehr.

Wie beurteilt ihr die beiden Aktionstage insgesamt? Welche Schlüsse zieht ihr aus dem Gespräch mit Bundesrätin
Sommaruga und der Besetzung der Büros der Parteizentrale der SP Schweiz?

Philippe Blanc: Der 13. und 14. März waren ein Erfolg. Erstens hat Frau Sommaruga unsere Liste erhalten und sich dem Druck der Bewegung gestellt. Zweitens hat die Presse breit und grundsätzlich positiv auf uns reagiert. Das ist nicht entscheidend, aber trotzdem sehr wichtig. Drittens gelang es, Position zu beziehen und die SP mit der Bleiberechtbewegung zu konfrontieren. Wir haben keinen Blankoscheck erwartet.
Die Aktion hat gezeigt, dass die Bewegung einen Schritt weiter gekommen ist. Die Heterogenität zwischen Sans-Papiers und Unterstützenden, zwischen AktivistInnen mit mehr oder weniger Erfahrung im politischen Widerstand oder zwischen Beteiligten mit unterschiedlichsten Zielen und Ressourcen hat sich weder hemmend noch lähmend ausgewirkt. Die politischen, sozialen, kulturellen und materiellen Unterschiede innerhalb der Bewegung wurden kollektiv als Stärke und Vorteil empfunden. Gegen aussen traten wir geeint, entschlossen und schlagfertig auf.

Wie geht es nun weiter? Was sind die nächsten Pläne und Schritte der Bleiberechtsbewegung?
Philippe Blanc: Unser Ziel bleibt die kollektive Regularisierung der 173 Sans-Papiers, die sich eingetragen haben. Es sind weitere «Blitzaktionen» in Planung. Ein grösseres Projekt ist die Teilnahme und Co-Organisation des «Europäischen Marsch der Sans-Papiers und MigrantInnen». Vom 2. Juni bis zum 2. Juli planen Sans-Papiers Kollektive aus Italien, Frankreich, Deutschland und der Schweiz einen Protestmarsch von Paris nach Strassburg. Die Probleme der Sans-Papiers und ein radikaler Bruch mit den herrschenden Migrationsregime verlangen eine internationalistische Perspektive und eine grenzenüberwindende Vernetzung des Widerstandes.

Kampf auf dem Bau!

Die Baumeister lassen eine Verlängerung des Landesmantelvertrages scheitern. Dies obwohl die Gewerkschaften eine Verlängerung des Landesmantelvertrages (LMV) um drei Monate angeboten haben. Hier die Medienmitteilung der Unia und Syna.

Die Gewerkschaften haben letzte Woche einen Schritt auf den Baumeisterverband zugemacht und vorgeschlagen, den bestehenden Landesmantelvertrag um zwei Monate zu verlängern und die vom Baumeisterverband vorgeschlagene Lohnerhöhung von 1,5 Prozent allen Bauarbeitern ab dem 1. Januar 2012 zu gewähren. Der Baumeisterverband lässt eine Verlängerung nun scheitern, obwohl die Gewerkschaften gar zu einer Verlängerung um drei Monate Hand geboten hätten.

 

Heute fand eine Verhandlung zwischen Baumeisterverband und Gewerkschaften über eine Verlängerung des Landesmantelvertrages statt. Dabei hat der Baumeisterverband eine Verlängerung des bestehenden Landesmantelvertrages um drei Monate abgelehnt. Die Gewerkschaften hatten diese vorgeschlagen, um einen vertragslosen Zustand zu verhindern.

Die Gewerkschaften sind überzeugt, dass in weniger als drei Monaten Verhandlungszeit eine Lösung für einen neuen Landesmantelvertrag mit mehr Schutz gefunden werden kann, denn in verschiedenen Punkten liegen bereits Verhandlungsergebnisse vor. Differenzen bestanden insbesondere beim Schutz gegen Lohndumping durch Subunternehmen und beim Schutz der Gesundheit der Bauarbeiter bei Schlechtwetter.

 

Gewerkschaften fordern rasche Verhandlungen für neuen Vertrag

Der Baumeisterverband hat in den letzten sechs Wochen zweimal Vorschläge für Verhandlungen ausgeschlagen. Die Gewerkschaften haben heute erneut Vorschläge für Verhandlungstermine im Januar unterbreitet und fordern den Baumeisterverband auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und rasch einen neuen Landesmantelvertrag zu vereinbaren. Denn an einem vertragslosen Zustand kann niemand ein Interesse haben, zunehmendes Lohndumping insbesondere durch ausländische Firmen wäre die Folge.

 

Rückzieher bei den Löhnen

Öffentlich hat der Baumeisterverband wiederholt angekündigt, er biete eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent an. Wer genau hinschaut stellt fest: Entgegen der bisherigen Äusserungen ist der Baumeisterverband nur noch bereit, für einen Zeitraum von drei Jahren – und dies bei bester Baukonjunktur – die Mindestlöhne um 1,2 Prozent zu erhöhen – im Schnitt sind das 0,4 Prozent jährlich. Für alle Bauarbeiter will der Baumeisterverband die Löhne nur um ein Prozent erhöhen und zusätzlich eine für niemanden kontrollierbare individuelle Lohnerhöhung gewähren. Der erneute Rückzieher des Baumeisterverbandes macht deutlich: Offensichtlich will der Baumeisterverband keine akzeptable Lösung.

 

Absurde Unterschriftensammlung

Auf den Baustellen sammelt der Baumeisterverband bei den Bauarbeitern Unterschriften „Kein Vertragsloser Zustand!“, bei den Verhandlungen lehnen die Baumeister hingegen den Vorschlag der Gewerkschaften für eine Vertragsverlängerung ab. Inhaltlich sind auch die Gewerkschaften für eine Vertragsverlängerung, viele Gewerkschaftsmitglieder werden daher diese Forderung unterschreiben. Nicht akzeptabel ist hingegen die Art und Weise, wie verschiedene Baumeister ihre Arbeitnehmer nötigen, die Aktion des Baumeisterverbandes zu unterschreiben. In zahlreichen Fällen wurde den Bauarbeitern mit der Entlassung oder der Streichung des 13. Monatslohnes gedroht, wenn sie nicht unterschreiben.

Lohnrunde 2011/12

Die Lohnrunde 2011/12 ist in einem grossen Teil der Branchen und Betriebe abgeschlossen. Ein guter Teil der Abschlüsse liegt zwischen 1.5 und 2.5 Prozent bei einer Teuerung von rund 0.3 Prozent (2011) Hier sind die Forderungen der SGB-Verbände erfüllt.

Sie haben Reallohnerhöhungen von 1.3 bis 2.3 Prozent gefordert (2 bis 3 Prozent minus damals angenommene Teuerung von 0.7 Prozent). In den meisten Branchen der Binnenwirtschaft läuft es 2011 gut und die Einnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden steigen. Selbst in der Exportwirtschaft gibt es zahlreiche Firmen, die gute Geschäfte machen und höhere Löhne zahlen können.
Angesichts dieser Ausgangslage sind einige Resultate absolut ungenügend – namentlich im Dienstleistungssektor. Bei Coop und Migros steigen die Löhne nach Abzug der Teuerung kaum. Im Sicherheitsgewerbe gab es gar keinen Abschluss. Auch bei einigen Banken haben die Arbeitgeber den Angestellten echte Lohnerhöhungen verweigert (z.B. Crédit Suisse), obwohl das Geld vorhanden wäre, wie die nach wie vor völlig unverhältnismässigen Saläre im Topmanagement und im Investmentbanking beweisen. Ein Problem ist auch der Bau. Die Arbeiter leisten so viele
Überstunden wie noch nie in den letzten 10 Jahren; trotzdem kam bisher kein Abschluss zustande.
Bei den Kantonen und Gemeinden dürfen die verdienten Lohnerhöhungen nicht durch eine verfehlte Sparpolitik gefährdet werden.

Quelle: www.sbg.ch

Protest vor dem Gefängnis

Saidou Alembo wehrt sich erfolgreich gegen den ersten Ausschaffungsversuch nach Gambia. Dabei erhielt er Rückendeckung von rund 40 solidarischen Menschen, die vor dem Ausschaffungsgefängnis Bässlergut (Basel Stadt) lauthals protestierten.

Die Berner Behörden haben Saidou Alembo von Bern nach Basel verfrachtet, nachdem seit dem 29. November 2011 täglich Mahnwachen vor dem Regionalgefängnis Bern (ReGef) durchgeführt worden waren. Dies deuten wir als ein Zeichen, um Saidou Alembo von den restlichen Mitgliedern des Bleiberecht-Kollektivs Bern zu isolieren. Die schweizweite Vernetzung der Bleiberecht-Bewegung hat diesen Plan jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht: Gestern Abend fanden sich rund 40 Personen vor dem Ausschaffungsgefängnis Bässlergut (Basel Stadt) ein, um gegen die Ausschaffung von Saidou Alembo zu protestieren!

Aufgrund des Bewusstseins, eine solidarische Bewegung im Rücken zu wissen, die sich unerbittlich für ihn sowohl juristisch als auch politisch und öffentlichkeitswirksam einsetzt, wehrt sich Saidou Alembo erfolgreich gegen einen ersten Ausschaffungsversuch! Dies, wie er uns mitteilte unter enormen psychischen Druck und widrigen Umständen in Ausschaffungshaft – auch im Wissen, dass ihm nun ein Sonderflug (Level 4) mit unmenschlichen Ganzkörperfesselung droht! Als Mitglied einer Oppositionspartei in Gambia kann Saidou Alembo aber um keinen Preis nach Gambia zurückkehren! In Kürze wird ein Widererwägungsgesuch eingereicht. Weitere Schritte des Widerstands gegen seine Ausschaffung sind in Planung!

Am kommenden Freitag, 16. Dezember 2011, beginnt um 14.30 Uhr in Bern ein Projekt der Bleiberecht-Bewegung, an dem auch Saidou Alembo mitgearbeitet hat: Wir reichen bei Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga Listen mit Namen von Sans-Papiers ein, die es sofort zu regularisieren gilt (sog. Regularisierungslisten)! Der Protest geht weiter!

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