Sieg der Vernunft aber auch Chance verpasst

gripen-neinMedienmitteilung der Partei der Arbeit der Schweiz zu den Abstimmungen vom Sonntag, 18.Mai 2014

 

Gripen abgestürzt

Ein Sieg der Vernunft! Die PdAS ist über den Absturz der «Gripen» höchst erfreut. Von Beginn weg hat die PdAS sich klar und entschieden gegen den Kauf der sinnlosen Kampfjets ausgesprochen. Selbst mit der millionenschweren Kampagne der Bürgerlichen Parteien konnte die Mehrheit der Abstimmenden nicht getäuscht und geblendet werden. Mit dem Nein zu den sinnlosen Kampfflugzeugen hat die Schweiz heute ein starkes Zeichen gegen den Krieg und für den Frieden gesetzt. Auch ist das Abstimmungsresultat eine klare Botschaft an die Regierung, die Milliarden dort einzusetzen, wo sie auch Sinn machen: In der Bildung, für die soziale Sicherheit der Bevölkerung (an dieser Stelle sei vor allem die AHV erwähnt) und in den öffentlichen Verkehr, um nur drei Beispiele zu nennen. Die PdAS wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen.

 

Mindestlohn – eine grosse Chance verpasst

Die Schweiz hat heute eine grosse Chance verpasst, den Menschen mit einem tiefen Lohn ein besseres und würdigeres Leben zu ermöglichen. Die PdAS bedauert dies sehr und ist daher über das deutliche Nein bei der Mindestlohn-Initiative äusserst enttäuscht. Wir erinnern daran, dass wir in einem der reichsten Länder der Welt leben!

Gleichzeitig wurde die Chance verpasst, die Schweizer Verfassung ernst zu nehmen. Diese hält gleich zu Beginn fest, dass die «Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen».  Mit ihrer millionenschweren Abstimmungskampagne haben die Bürgerlichen Parteien einmal mehr bewiesen, dass sie sich weder für die Stärke des Volkes und noch viel weniger das Wohl der Schwachen interessieren sondern allein ihre Profitinteressen vertreten und absichern wollen. Dies zeigt nicht nur das Abstimmungsresultat von heute, sondern auch die Lohnstrukturerhebung 2012: Die Reallöhne der untersten 10 Prozent (Löhne unter 3886 Franken) sind um 286 Franken pro Jahr gesunken, während jene der obersten 10 Prozent erneut um 7.1 Prozent, sprich im Durchschnitt um 9900 Franken pro Jahr gestiegen sind.

Die PdAS wird trotz dieser Abstimmungsniederlage weiterhin gegen die eklatanten Ungerechtigkeiten kämpfen, dessen Wurzeln im kapitalistischen Ausbeutungssystem liegen!

 

Medizinische Grundversicherung

Die PdAS begrüsst die Annahme des Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung. Dadurch wird die Sie Hausmedizin sowie eine ausgewogene regionale Verteilung gefördert  und die günstige Voraussetzungen für die Ausübung der Hausarztmedizin geschaffen.

 

Pädophile – Initiative

Wie zu erwarten war, wurde die Initiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» deutlich angenommen. Die PdAS hatte die Nein-Parole beschlossen. Dies unter anderem weil es sich beim Vorschlag um gesetzliche Massnahmen handelt, die daher nicht in die Verfassung festgehalten werden müssen.

 

Partei der Arbeit der Schweiz

Bern, 18. Mai 2014

NZZ angezeigt!

Am 13. Mai 2014 haben impressum und syndicom die NZZ-Mediengruppe beim Arbeitsinspektorat angezeigt. Sie werfen ihr vor, das Arbeitsgesetz zu verletzen und den  Gesundheitsschutz gegenüber ihren Journalistinnen und Journalisten zu vernachlässigen. Insbesondere wird bei den Medienschaffenden der NZZ die Arbeitszeit nicht korrekt erfasst. Eine vereinfachte Zeiterfassung wäre – soweit gesetzeskonform – zwar branchengerechter, könnte aber nur zusammen mit einem Gesamtarbeitsvertrag ihren Zweck erfüllen.

Wie bereits am 13. Januar und am 13. Februar wurde ein Medienunternehmen wegen mutmasslicher Verletzung des Arbeitsgesetzes angezeigt. Dieses Mal richtet sich die Anzeige von impressum und syndicom gegen die AG für die Neue Zürcher Zeitung. Auch hier wird gemäss den Informationen, die den Organisationen vorliegen, der gesetzlich vorgeschriebene Gesundheitsschutz vernachlässigt. Regelmässig werden Redaktionsmitarbeitenden Aufgaben übertragen, die innerhalb der regulären Arbeitszeit nicht erledigt werden können. Mangels gesetzeskonformer Arbeitszeiterfassung wird eine geregelte Kompensation oft verunmöglicht. Die Überarbeitung gefährdet die Gesundheit der Mitarbeitenden.

impressum und syndicom unterstreichen, dass sie die Probleme lieber auf  sozialpartnerschaftlichem Weg lösen würden, als über eine Anzeige. In den bald 10 Jahren des vertragslosen Zustands zeigten sich aber weder die einzelnen Deutschschweizer Medienunternehmen noch der Verband Schweizer Medien bereit, wieder einen Gesamtarbeitsvertrag abzuschliessen.

Die Organisationen der Journalistinnen und Journalisten betonen, dass eine vereinfachte Zeiterfassung der Arbeitsweise der meisten Kolleginnen und Kollegen entsprechen würde. Sie fordern keine Rückkehr zu den industriellen Stempeluhren. Eine vereinfachte Zeiterfassung kann in der Medienbranche das Ziel des Gesundheitsschutzes aber nur erfüllen, wenn Probleme mit der Arbeitszeit über eine verbindliche Sozialpartnerschaft erkannt und geregelt werden können. Das ist momentan nicht der Fall.

Die Journalistenorganisationen sind bereit, mit dem Verlegerverband oder mit einzelnen Medienunternehmen in Verhandlungen über neue Gesamtarbeitsverträge zu treten.

syndicom – Gewerkschaft Medien und Kommunikation

impressum – die Schweizer JournalistInnen

Der Protest der jenischen Fahrenden

Protestaktion Fahrende Kleine AllmendDass der Hass auf jene, die scheinbar nicht Schweiss für UnternehmerInnen vergiessen, um ihre Leben zu bestreiten, schlug in Bern einmal mehr in offene Repression um. Über 500 jenische Fahrende besetzten vom 22. bis 24. April in Bern die Kleine Allmend. Ihr Ziel: Die schweizweite Schaffung von neuen Durchgangs- und Standplätzen. Die Stadt setzte den Besetzenden nach zwei Tagen ein Ultimatum und liess die Besetzung tags drauf durch Polizeigewalt räumen.

Gegen das repressive Grossaufgebot der Polizei, einen Hebekran und zig Abschleppwagen halfen weder die gewaltlosen Blockadeaktionen der Jenischen noch die mediale Empörung von Amnesty International oder linksparlamentarischen Parteien. Die Räumung der Kleinen Allmend, die der anstehenden Gewerbemesse BEA als Parkplatz dient, war wichtiger als die Interessen einer seit Jahrhunderten unterdrückten Minderheit. Noch am selben Abend konnten sich die Behörden und die Lokalprominenz über die Tänze der «leichtfüssigen Latinos» (Berner Zeitung) freuen, die die BEA gemäss dem Messemotto «wild» im geordneten Rahmen eröffneten.

Eine Geschichte der Unterdrückung

Die Besetzung ist Ausdruck einer seit langem angestauten Wut. Bis in die 1970er Jahre war es ein erklärtes Ziel der Politik, durch Wegnahme der Kinder aus jenischen Familien «die fahrende Lebensweise zu beseitigen». Die bekannteste Aktion war jene des Hilfswerks «Kinder der Landstrasse» der Pro Juventute. Zwischen 1926 und 1973 wurden über 600 Kinder von ihren Eltern getrennt und in Pflegefamilien, Heimen oder Institutionen platziert, um sie zu zwingen, sich den gesellschaftlichen Normen zu unterordnen.

Als die offizielle Schweiz in den 1990er Jahren begann, sich für die Unterdrückung zu entschuldigen und die Jenischen als Minderheit anerkannte, setzte eine neue Ära der Unterdrückung ein. Den Jenischen wurde der Lebensraum strittig gemacht. Während für die rund 5000 in der Schweiz lebenden jenischen Fahrenden vor zehn Jahren noch mehr Plätze bestanden, gibt es heute noch 15 Standp- und 45 Durchgangsplätze. Nötig wären laut der Gruppe mindestens 40 Stand- und 80 Durchgangsplätze. Die ihnen vor Jahren versprochenen 30 neuen Plätze sind bisher Versprechen geblieben. «Irgendeinmal muss man sich wehren und aufstehen. Wir haben genug, wir wollen Plätze, jetzt!» sagt Kurt Gerzner vom Verein «Bewegung Schweizer Reisenden» gegenüber Radio Bern.

Antiziganismus im Kapitalismus

Wie den Romas und Sintis wird auch den jenischen Fahrenden seit jeher nachgesagt, ihren Lebensunterhalt statt mit «ehrlicher Arbeit» hauptsächlich durch Betteln, Stehlen und Wahrsagen zu bestreiten und durch ihr «hausieren» und unbändiges Spielen, Tanzen und Musizieren, die Ruhe und Ordnung zu stören. Solche antiziganistische Vorstellungen erhielten ab dem 16. Jahrhundert eine besondere Bedeutung.

Mit der aufkommenden kapitalistischen Produktionsweise musste sich eine neue Haltung gegenüber dem Arbeiten durchsetzen. Die Arbeit wurde zum absoluten Selbstzweck stilisiert, Fleiss und Disziplin galten zunehmend als zentrale gesellschaftliche Tugenden. Hierzu stellten die vermeintlich parasitären ZigeunerInnen einen Widerspruch dar. Sie verkörperten die Möglichkeit eines Lebens ohne Arbeit. Als der Staat und das Unternehmertum begannen, die «Sünde des arbeitsscheuen Leben» zu bekämpfen, wurden auch die Fahrenden kriminalisiert.

Der Antiziganismus richtete sich aber nicht nur direkt gegen Fahrende, sondern stellt eine klare Botschaft an all jene dar, die mit dem kapitalistischen Arbeitsethos ihre Mühe haben. Die Diskriminierung der Jenischen in der Schweiz, sowie die zunehmende Hetze gegen Fahrende überall in Europa zeigen, dass der Antiziganismus nicht an Aktualität eingebüsst hat.

Aus der Geschichte lernen, um sie zu wiederholen?

«Eine Gesellschaft, die sich den unangenehmen Kapiteln ihrer Vergangenheit nicht stellt, läuft Gefahr, dieselben Fehler wieder zu machen», sagte Bundesrätin Sommaruga, als sie sich am 11. April 2013 bei ehemaligen Verdingkindern und Opfern von «fürsorgerischen Zwangsmassnahmen», darunter auch vielen Jenischen, entschuldigte. Wenn sie ihren eigenen Worten glauben würde, wäre ihr aufgefallen, dass sie nur einige Tage zuvor dafür plädierte, diese historische Tragödie zu wiederholen. Noch am 25. März 2013 warb Sommaruga mit folgenden Worten für die Verschärfung des Asylgesetzes: «In Zukunft sollen Asylsuchende in besonderen Zentren für Renitente untergebracht werden, wenn sie Konflikte auslösen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder den Betrieb der Bundeszentren erheblich stören.»

Die staatlichen Gewaltmassnahmen, die bis in die 1980er Jahren die obgenannten Gruppen trafen, weil diese als «schwierig», «unbequem» oder «aufmüpfig» galten, richten sich heute gegen Asylsuchende. Aktuell reicht ein administrativer Entscheid aus, um diese als sogenannt «renitent» einzustufen und in spezielle Lager zu verbannen. Die Geschichte wiederholt sich…wenn wir sie nicht verändern.

Widersprüche des Widerstands

Die Jenischen kämpfen gegen ihre rechtliche Diskriminierung, Stigmatisierung und sozialen Ausschluss. Ihre Forderung nach mehr Standplätzen ist daher mehr als legitim. Aus emanzipatorischer Perspektive verdient auch die gewählte Widerstandsform der Besetzung die volle Unterstützung. Als Opfer einer spezifischen Unterdrückung erleben sie täglich Ohnmacht und Herabsetzung. Bei vielen leidet darunter der Selbstwert. Direkte Aktionen wie diese Besetzung stellen eine Möglichkeit dar, sich (wieder) als selbstbestimmt und politisch handlungsfähig wahrzunehmen. Zudem setzte der Widerstand kaum auf Machtdelegation und Scheindialoge, sondern machte Interessenskonflikte unmittelbar sichtbar und somit bearbeitbar.

 

Krankenkassen-Lobby macht mobil

öffentliche_kkAufgeschreckt von den guten Umfragewerten für eine öffentliche Krankenkasse, über die abgestimmt werden wird, hat sich auf Initiative der Krankenkassen unter dem Namen «alliance santé» eine Lobby-Gruppe organisiert. Wird es auch diesmal gelingen, mit dem massiven Einsatz von gesponserter Propaganda die öffentliche Meinung zu beeinflussen?

Der «alliance santé» gehören economiesuisse, der Gewerbeverband, der Verband der Privaten Krankenversicherung und der Pharmaverband Interpharma an. Von den fünf Millionen Franken, die dieser Lobby-Gruppe nach eigenen Angaben zu Verfügung stehen, stammen drei Millionen von den Krankenkassen. Dass diese drei Millionen nicht aus der obligatorischen Grundversicherung kommen, wird zwar beteuert, ist aber, da nicht kontrollierbar, vor dem Hintergrund vergangener Abstimmungskampagnen der Krankenkassen unglaubwürdig. Gerade der unkontrollierten Verwischung von obligatorischer Grundversicherung und Zusatzversicherungen (via Datenaustausch und Querfinanzierungen) würde durch eine öffentliche Krankenkasse ein wirksamer Riegel geschoben.

Dürftige Argumentation

Die Krankenkassen-Lobby macht zurzeit grossen Druck, die Abstimmung über die öffentliche Krankenkasse bereits im September 2014 anzusetzen. Denn im Oktober werden die Prämienerhöhungen für das nächste Jahr veröffentlicht, und das ist natürlich schlechte Eigenwerbung. Die ersten Hochglanzprospekte von «alliance santé» zirkulieren seit einiger Zeit und eine Inseratenkampagne hat soeben begonnen. Die Argumentation ist dürftig und konzentriert sich gebetsmühlenartig auf das Lob des Wettbewerbs zwischen den Kassen, welcher zum Vorteil der PatientInnen sei und innovative Versorgungsmodelle befördere. Das Gegenteil ist der Fall. Miteinander konkurrenzierende Krankenkassen haben kein Interesse an wirklich integrierten, qualitativ hoch stehenden Behandlungsnetzen, welche geeignet sind, auch kostenintensive, sprich chronisch Kranke zu versorgen. Je besser solche Behandlungsnetze wären, umso grösser wäre das Risiko, kostenintensive PatientInnen anderer Krankenkassen und Ärztenetzwerke anzulocken. In Deutschland hat aus genau diesem Grund der so genannte Sachverständigenrat des Gesundheitswesens wiederholt festgestellt, dass die Krankenkassen gewonnene Erkenntnisse über mögliche Verbesserungen der Versorgung oft zurückhalten, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Aus demselben Grund haben Krankenkassen auch kein genuines Interesse an echter Prävention – abgesehen von publikumswirksamen Marketingstrategien (Stichworte dazu sind Fitness, Wellness), welche sich an die «guten Risiken» wenden. Bei einem Kassenwechsel wäre es nämlich möglich, dass der gesundheitliche Benefiz der Konkurrenz zugute kommt.

Riskante Kostenfaktoren

Diesen offensichtlich verkehrten Anreizsystemen des Kassenwettbewerbs wird – dies die zweite Gebetsmühle von «alliance santé» – der «Risikoausgleich» entgegengehalten, der die Nachteile des Wettbewerbs ausgleiche. Doch kein noch so ausgefeilter Risikoausgleich wird eine Tatsache aus der Welt schaffen: Um alte, chronisch kranke Menschen wird nie ein Wettbewerb stattfinden, denn sie werden von gegeneinander konkurrenzierenden Kassen in erster Linie als «riskante Kostenfaktoren» wahrgenommen. Es sei denn, und dies ist ein abstraktes Gedankenspiel und in Wirklichkeit unmöglich: der Risikoausgleich könnte perfekt gestaltet werden – womit virtuell eine Einheitskasse entstünde und der Wettbewerb überflüssig würde. Die dritte Gebetsmühle von «alliance santé» ist die Warnung vor einem anonymen staatlichen Moloch. Gerne wird dabei unterschlagen, dass auch eine öffentliche Krankenkasse durch dezentrale kantonale und regionale Agenturen bevölkerungsnah verankert sein wird – genauso wie die staatliche Versicherung SUVA. Der grosse Vorteil der öffentlichen Krankenkasse aber ist, dass ein Aufsichtsgremium vorgesehen ist, in welchem Versicherte und Leistungserbringer (PatientInnen, Selbsthilfeorganisationen, Rentnervereinigungen, ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen unter anderem) paritätisch Einsitz nehmen. Diese Mitbestimmung aller Betroffenen ist ein neues demokratisches Element – im Gegensatz zur anonymen Marktmacht einer weniger Grosskassen, die als Oligopole dominieren und der viel bemühten Kassenvielfalt schon längst den Todesstoss versetzt haben.

Ukraine und der 8.Mai

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Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus! Stellungnahme der Partei der Arbeit der Schweiz.

In der Ukraine machen die faschistischen Banden des «Rechten Sektors» vor nichts halt: Am Freitag, 3. Mai, brannten die Neonazis  in Odessa zuerst ein Camp von RegierungsgegnerInnen nieder und dann wurde ein Gewerkschaftshaus abgefackelt. Mehr als 40 Menschen kamen in den Flammen ums Leben.Die meisten Toten sind Mitglieder von Organisationen der Linken, der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) und «Borotba». «Borotba» ist im Mai 2011 von verschiedenen politischen Gruppen unter anderem der Organisation der MarxistInnen der Ukraine, einem Teil der Kommunistischen Jugend der Ukraine, der Bewegung der Jugend gegen den Kapitalismus, der Jugendvereinigung Che Guevara gegründet worden. Die Partei der Arbeit der Schweiz spricht den Familien und Organisationen der Opfer ihr Beileid und ihre Solidarität aus.

Die ukrainische Polizei machte nicht einmal den Versuch, die Rechtsradikalen aufzuhalten und den Massenmord zu verhindern. Der von der Kiewer Junta eingesetzte Gouverneur lobt die Brandstifter: «Sie haben Terroristen neutralisiert.» Die Zunahme faschistischer Gewalt in der Ukraine droht das Land direkt in den Bürgerkrieg zu führen. Faschistische Gewalt, die von der Regierung in Kiew offensichtlich unterstützt wird. Regierung, welche die volle Unterstützung der EU und der USA geniesst.

Am 8. Mai 1945 endete in Europa der Horror des Zweiten Weltkriegs. Dieser Tag wird daher in vielen Ländern  traditionell als Tag der Befreiung vom Faschismus begangen. Der 8.Mai ermahnt auch uns in der Schweiz, nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus zuzulassen. In dieser felsenfesten Überzeugung und in diesem Sinne fordern wir den Bundesrat und alle demokratischen Parteien in der Schweiz auf, den faschistischen Terroranschlag in Odessa zu verurteilen – so wie es die Partei der Arbeit hiermit tut.

Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus!

Partei der Arbeit der Schweiz

 

Länger arbeiten und weniger Rente

renteEs ist so klar, dass es selbst der SVP-Nationalrat, Unternehmer und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), Jean-François Rime zugeben muss: «Die Reform ‹Altersvorsorge 2020› ist ein Raubzug auf die Erwerbstätigen.» Doch was steckt hinter dem Reformvorschlag? Welche gesellschaftspolitischen Absichten sind zu erkennen? Die Antwort lautet: Die AHV soll von einer Sozialversicherung mehr und mehr zu einer Sozialhilfeleistung werden. Der kollektive soziale Grundgedanke der AHV soll immer mehr der individuellen Führsorgeleistung weichen. Gut erkennbar ist diese Stossrichtung bei den AHV-Ergänzungsleistungen. Diese wurden als «vorübergehende Massnahme» eingeführt. Sie sollen laut Merkblatt der AHV-Infostelle dort helfen, wo «die Renten nicht die minimalen Lebenskosten decken». Mit der Reform «Altersvorsorge 2020» sollen die Ergänzungsleistungen faktisch ein Bestandteil der AHV-Rente werden, so quasi die 4. Säule, die permanent bestehen bleiben soll. Aber die Rente hat laut Art. 12 Abs. b der Schweizer Bundesverfassung «den Existenzbedarf angemessen zu decken». Somit wurden die Ergänzungsleistungen «vorübergehend» eingeführt, weil die AHV-Rente dem Verfassungsauftrag nicht bei allen RentnerInnen gerecht wird. Warum werden mit der vom Bundesrat vorgeschlagene Reform nicht die Renten erhöht, sprich der Verfassungsauftrag erfüllt, anstatt die Ergänzungsleistungen zu einem fixen Bestandteil zu machen? Sozialversicherung und Sozialhilfe sind schlicht zwei verschiedene paar Schuhe: Die AHV-Rente ist ein generelles, für alle geltendes Recht. Alle haben darauf Anspruch. Sie muss daher nicht erbettelt werden und sie basiert auf einem Prinzip der Umverteilung. Bei den Zusatzleistungen sind der Anspruch sowie die Bemessung der Höhe von individuellen und komplexen Bedingungen abhängig. Sie müssen erbettelt werden, was für viele sehr beschämend ist. Es ist nicht zuletzt eine Frage der Würde, ob man von einer Rente lebt oder von der Sozialhilfe abhängig ist. Und die Würde des Menschen ist doch unantastbar, oder etwa nicht, Herr Bundesrat Alain Berset?

Der Raubzug

Eine gute Übersicht der Abbaupläne des Bundesrat mit politischen Kommentaren und Einschätzungen der Reform «Altersvorsorge 2020» liefert die ausführliche Vernehmlassungsantwort der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS):

Erhöhung des Frauenrentenalters:

Das AHV-Rentenalter soll bei Frauen auf 65 Jahre steigen. Einmal mehr soll der Sozialabbau auf dem Rücken der Frauen stattfinden, so wie es bei der Kürzung der Witwenrente der Fall war. Die Erhöhung des Rentenalters für die Frauen mit dem Argument der «Gleichberechtigung» zu fordern, ist eine Provokation, da die Löhne der Frauen bei gleicher Arbeit nach wie vor viel tiefer liegen als jene der Männer. Wenn der Eidgenossenschaft die Gleichberechtigung so am Herzen liegt, warum wird nicht die Rente mit 64 Jahren für alle gefordert?

Senkung des Umwandlungssatzes:

Der Rentenumwandlungssatz bei den Pensionskassen wird von heute 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt. Die jährlichen Renten sinken damit um mehr als 10 Prozent! Der Umwandlungssatz ist ein zentrales Element des BVG. Daher muss die Festlegung des Umwandlungssatzes zwingend unter Kontrolle der Gesetzgeber bleiben und darf nicht von den Pensionskassen nach der Logik des freien Marktes bestimmt werden. Im 2010 hat das Volk die geplante Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6,4 Prozent mit 73 Prozent Nein-Stimmen wuchtig abgelehnt. Man kann nun nicht so tun, als hätte diese Abstimmung nie stattgefunden. Daher ist die erneut vorgeschlagene Senkung durch einen mysteriösen Mechanismus unakzeptabel.

Flexibilisierung:

Pensionieren lassen soll man sich künftig zwischen 62 und 70 Jahren. Die Aufforderung an die Senioren, bis zum Alter von 70 Jahren zu arbeiten, ignoriert unter anderem eine Tatsache: ArbeiterInnen, die mit über 55 Jahren entlassen werden, finden oft keine Arbeit mehr. Jede Flexibilisierung der Rente, die sich nach dem schwankenden Parameter der «gesellschaftliche Entwicklung», sprich der wirtschaftlichen Konjunktur richten, ist abzulehnen. Eine Flexibilisierung widerspricht dem generellen Anspruch auf die Rente, der ein wesentlicher Grundpfeiler der AHV ist. Auch für die Bestimmung der Rentenhöhe spricht sich die PdAS entschieden gegen jegliche «automatische Mechanismen» aus, die sich den demokratischen Entscheidungen entziehen.

Erhöhung der Mehrwertsteuer:

Diese besonders unsoziale Steuer soll ab 2019 um einen Prozentpunkt, 2027 nochmals um ein weiteres Prozent erhöht werden. Die PdAS widersetzt sich dieser Erhöhung. Dies umso mehr, als dass die Mehreinnahmen der geplanten Erhöhung nicht voll und ganz der AHV zufliessen sollen. So sollen lediglich zweimal 10 Prozent des Ertrags aus der Anhebung der Mehrwertsteuersätze in die Bundeskasse fliessen sollen.

Kürzung der Bundesbeiträge:

Der Bundesrat schlägt wie gesehen vor, den Beitrag des Bundes von 19,5 auf 10 Prozent zu senken. Damit geraten der gesellschaftliche Ausgleich und das Engagement gegenüber der AHV und dessen Finanzierung in ein schlechtes Gleichgewicht. Die Einnahmen eines Jahres zahlen die Renten des nächsten Jahrs und der Bund leistet dazu einen Beitrag von 19,5 Prozent der Kosten. Dieses System funktioniert so gut, dass der Bund nicht zögerte, 15 Milliarden Franken aus dem AHV-Fonds zugunsten der IV herauszunehmen. Eine Summe, die nun gemächlich vom Bund zurückbezahlt wird.

Was tun? AHV stärken!

Für die PdAS ist die AHV eine exemplarische Sozialversicherung, die nicht destabilisiert werden muss. Im Gegensatz zu den privaten Versicherungen, bei denen die Versicherten das Risiko selber tragen müssen, basiert die AHV auf einer kollektiven Übernahme der Risiken. Ein Prinzip, das auf Biegen und Brechen verteidigt werden muss! Es ist daher unnötig, Veränderungen zu akzeptieren, die sich gar nicht aufzwingen. Jedoch wäre es absurd zu übersehen, dass es in den nächsten Jahren zu gesellschaftlichen Veränderungen kommen wird. Daher gilt es, die AHV zu stärk, da dass komplexe System der Kapitalisierung bei der 2. Säule stark von der Entwicklung der internationalen Finanzmärkte abhängt. Bestes Beispiel dafür ist das Jahr 2008, als mehrere Milliarden des angehäuften Kapitals der Pensionskasse durch die Finanzkrise vernichtet wurden. Für die PdAS ist eine progressive Überführung der 2. Säule in die AHV die beste Lösung für die Zukunft der Renten. Die Partei hat angekündigt, dass sie bald entsprechende Vorschläge vorstellen wird. Man darf

Antifaschismus neu denken

antifaAm 29. März 2014 hätten in Bern auf der einen Seite Rechtskonservative, FaschistInnen und Neonazis, auf der anderen Seite AntirassistInnen und die Antifa demonstrieren sollen. Die Stadt wurde von circa 1000 PolizistInnen ­belagert und am Schluss fand keine Demo statt. Angesichts der Entwicklungen in der Schweiz und in Europa sollten wir uns wieder genauer mit Fragen des Faschismus und des Antifaschismus auseinanderzusetzen.

Ende 2012 versuchte die Gruppe «Stopp Kuscheljustiz» in Bern eine Kundgebung «gegen Ausländerkriminalität und gegen die Ausbeutung der Schweiz [sic!]» durchzuführen. Eine starke antifaschistische Gegenmobilisierung und die Erinnerungen an die Ereignisse rund um das SVP-Familienfest 2007 führten dazu, dass die VeranstalterInnen einen Rückzieher machten und die Kundgebung abgesagt wurde. Am 29. März 2014 versuchten sie erneut eine Kundgebung unter dem Namen «Volksversammlung» zu organisieren. Bewusst distanzierten sie sich diesmal von rechtsextremen Ideologien. Doch ihr Facebook-Auftritt zeigt, dass die Gruppe ein Sammelbecken für rechtskonservative und rechtsextreme Ideologien darstellt. Die «Helvetia» wird zur Heimat der «Eidgenossen» hochstilisiert und populistische Hetzberichte gegen AusländerInnen, Asylsuchende und Kriminelle von Seiten rechtsextremer Parteien wie der PNOS (Partei National Orientierter Schweizer) folgen regelmässig. Und auch Auf­forderungen wie «Schweiz erwache» in Anlehnung an das SA-Kampflied «Deutschland erwache», Aufrufe zu ethnischen Säuberungen oder die Forderung der Todesstrafe gegenüber Andersdenkenden oder MigrantInnen sind die Regel. Häufig findet sich zudem Werbung für die rechtspopulistische SVP. Obwohl sich die SVP von jeglichen rechtsextremen Positionen und Gruppen distanziert, wird damit ersichtlich, dass die SVP auch in diesen Kreisen gewählt wird. Auch die «Volksversammlung» vom 29. März wurde schlussendlich abgesagt. Angekündigte antifaschistische Gegenmobilisierungen im Rahmen von «Bern bleibt Nazifrei» hatten erneut so grossen Druck aufgesetzt, dass die VeranstalterInnen das Demogesuch zurückzogen. Das Polizeiaufgebot blieb jedoch bestehen und so war an jenem Samstag die gesamte Innenstadt von circa 1000 PolizistInnen besetzt. Einzelne rechtsextreme Personen und Gruppen begaben sich trotzdem in die Stadt, ­konnten sich aber nie zu einer Demo formieren. Und die Aktivitäten von «Bern bleibt Nazifrei» konzentrierten sich auf die Reitschule und auf das «FEST gegen Rassismus».

Überall Faschismus??

Es ist mit Sicherheit schwierig, einen Überblick über dieses Amalgam an rechtskonservativen, rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen und Organisationen zu behalten. Umso schwieriger gestaltet sich die Formulierung eines ideologischen und praxisorientierten Antifaschismus, der sich einerseits über die Historie des Faschismus, des Nationalsozialismus und der antifaschistischen Widerstandsbewegung bewusst ist, andererseits aber nicht alles als Faschismus bezeichnet, was sich im rechten politischen Spektrum positioniert. Gerade in der Schweiz, wo wir weder einen Faschismus kennen, der in Zeiten akzentuierter Klassenkämpfe von der Bourgeoisie als staatstragende Macht eingesetzt wurde, noch eine antifaschistische Bewegung, die sich in einer mehr oder weniger gemeinsamen Tradition sieht, ist das Risiko gross, voreilig für alles die Bezeichnung «Faschismus» zu gebrauchen. Diese Einsicht ändert aber nichts an der Tatsache, dass faschistoide Tendenzen tatsächlich auch in Gruppen und Organisationen zu erkennen sind, die sich von rechtsextremen Positionen distanzieren. Historisch sind solche Züge in den national-konservativen und populistischen Positionen von James Schwarzenbach wiederzufinden, vorwiegend in der Konstruktion einer «generalisierten Masse» (damals die ItalienerInnen), die als Bedrohung für das angeblich Schweizerische definiert wird, von der direkten Demokratie bis hin zu den kulinarischen Gewohnheiten. Genauso verhält es sich bei der Gruppe «Stopp Kuscheljustiz»: Obwohl sich die VeranstalterInnen von rechtsextremen Positionen distanzieren und sich nicht als FaschistInnen oder Neonazis wissen wollen, zieht eine solche «Volksversammlung» sehr wohl offen deklarierte RassistInnen, FaschistInnen und RechtspopulistInnen an. Die faschistoiden Züge der Rechten in der Schweiz haben sich also durch rassistische Komponenten («zu viele AusländerInnen») und den Schutz der eigenen «Identität» und «Tradition» charakterisiert. Und sie sind vor allem auch immer bis in die «Mitte der Gesellschaft» vorzufinden.

Woran anknüpfen??

Die Verhinderung der «Volksversammlung» durch den Aufruf zu einer linken und antifaschistischen Gegendemo hat gezeigt, dass die Antifa «auf der Strasse» eine wichtige Arbeit leistet. Doch die faschistoiden Tendenzen in der «Mitte der Gesellschaft» manifestieren sich heute in der Annahme der Ausschaffungsinitiative von kriminellen AusländerInnen und der Masseneinwanderungsinitiative. Der Umgang mit Faschismus und Antifaschismus in der Antifa und vor allem die Aktualitätsbezogenheit einer antifaschistischen Intervention muss heute darum vermehrt auch die Frage stellen, warum diese faschistoiden Tendenzen bei unseren Nachbarn und ArbeitskollegInnen auf fruchtbaren Boden stossen. Eine Analyse zur Abstimmung am 9. Februar hat gezeigt, dass sich in erster Linie 50- bis 59-Jährige mit obligatorischem Schulabschluss und weniger als 3000 Franken Monatseinkommen aus den städtischen Agglomerationen für die Masseneinwanderungsinitiative ausgesprochen haben. Auch wenn solche Analysen mit Vorsicht zu geniessen sind, zeigen sie auf, dass vor allem ArbeiterInnen, die vom aktuellen Restrukturierungsprozess des schweizerischen Kapitalismus getroffen sind, auf rechtskonservative, rechtspopulistische und zum Teil auch rechtsextreme Positionen aufspringen. Das ist der Ausdruck davon, dass faschistische Tendenzen in der «Mitte der Gesellschaft» existieren. Eine Antifa sollte also dieses Spezifische aufnehmen und im Zusammenhang mit den heutigen Schwierigkeiten der Klassenkämpfe reflektieren. Dies bedeutet aber auch, dass sich die antifaschistische Intervention nicht auf die Strasse beschränken lässt, sondern vermehrt auch in den Quartieren, in den Schulen und an den Arbeitsplätzen anknüpfen muss.

Ungenügend!

40b1798b4dWenn der Bundesrat sich mit Lohnschutzmassnahmen befasst, können in der Regel keine grossen Fortschritte erwartet werden. So war es auch am 26. März, als die Landesregierung ihre Beschlüsse über die so genannten «flankierenden Massnahmen» bekannt gab. Es sind dies jene Bestimmungen, die vor Lohndumping schützen sollten und der SVP sauer aufstossen.

«Der Bundesrat hat die Chance verpasst, den Lohn- und Arbeitsschutz in der Schweiz entscheidend zu verstärken und somit auch die Lehren aus der Abstimmungsniederlage zu ziehen», schreibt die Gewerkschaft Unia in ihrer Stellungnahme. Was die Unia andeutet, ist in der Medienmitteilung des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) ausführlicher zu lesen: «Das Abstimmungsresultat vom 9. Februar zur SVP-Zuwanderungsinitiative ist Ausdruck einer weit verbreiteten ­Sorge um Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze. Deshalb muss der Lohnschutz ausgebaut werden.» Und der SGB tut gut daran, eine zwar weit verbreitete aber ebenso falsche Vorstellung aus der Welt zu schaffen: «Kontingente bringen nicht mehr Lohnschutz. Die Erfahrungen mit dem früheren Kontingentssystem zeigen, dass damals der Lohnschutz völlig ungenügend war und deshalb in zahlreichen Sektoren eine Tieflohnpolitik betrieben werden konnte.» Die Tausenden von Saisoniers, die über Jahrzehnte wie Zitronen ausgepresst wurden, lassen grüssen.

Grosse Lücken sind noch offen

Zurück in die Gegenwart: Der Bundesrat schlägt vor, in Branchen mit Lohndumping einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) auf Antrag der Vertragsparteien erleichtert allgemeinverbindlich zu erklären. Zudem ist der Bundesrat bereit, die Sanktionen zu verschärfen (Erhöhung der Busse von heute maximal 5000 auf 30?000 Franken) und die Kontrolltätigkeit in den Grenzregionen zu erhöhen. «Dies sind Schritte in die richtige Richtung, genügen aber nicht», schreibt die Unia, denn der Bundesrat lässt grosse Lücken offen. Erstens dürfen Firmen oder Scheinselbstständige weiterhin auch bei offensichtlichen Verletzungen der Mindestarbeitsbedingungen ungehindert weiterarbeiten. «Nach Abschluss der Arbeiten können sich aber viele Firmen – insbesondere Subunternehmer – den Sanktionen entziehen und kommen so ungeschoren davon», hält die Unia diesbezüglich fest. Zweitens gibt es im Gesetz nach wie vor kaum eine Möglichkeit, die in vielen GAV geforderten Kautionen durchzusetzen. Ohne Kaution fehlt oft die Möglichkeit, allfällige Bussen einzukassieren. Natürlich wird so die Durchsetzung der Mindestarbeitsbedingungen erschwert. Drittens ist eine wirksame Kontrolle der Mindestarbeitsbedingungen nur möglich, wenn die Vertragsparteien vor Ort präsent sein können. «Dies müsste im Gesetz ausdrücklich festgehalten sein», fordert daher die Unia. Und viertens bleiben die Arbeitnehmenden, die sich gegen Lohndumping zur Wehr setzten, weiterhin völlig ungenügend gegen Entlassung geschützt. Diese Tatsache sagt vieles – wenn nicht alles – über die Beschlüsse der Regierung. Unsinnig und unverständlich?? Zum Schluss ein Wort zur SVP, die einmal mehr ihr wahres Gesicht zeigt. Die zaghaften und ungenügenden Massnahmen des Bundesrats in Sachen flankierenden Massnahmen definiert die Partei als «unsinnig und unverständlich». Der angebliche Schutz der Schweizer Heimat und der hiesigen Werten hört immer dort auf, wo es um die Rechte der ArbeitnehmerInnen im ach so geliebten Heimatland geht. Ehrlicher und korrekter wäre es, wenn die SVP das V für Volk mit einem W für Wirtschaft ersetzen würde. Aber eben, mit Ehrlichkeit und Korrektheit lässt sich das Volk nicht blenden und es können keine Wahlen und Abstimmungen gewonnen werden. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

Freiheit und Papiere für O.!

01_liberty for O_webDer Fall von O., einem schwulen Flüchtling aus Nigeria, macht zur Zeit das wahre Gesicht der schweizerischen Asylpolitik? sichtbar: Homosexualität wird faktisch nicht als Asylgrund anerkannt. Dadurch wird die Unterscheidung von echten und unechten Flüchtlingen zementiert.

Das Asylwesen in der Schweiz hat sich längst selbst pervertiert und kommt einer bitterbösen Satire gleich. Eisern ist die Botschaft, die täglich neue Verbreitung findet: Es gibt echte und unechte Flüchtlinge. Es gibt Menschen, die auf der Flucht vor Gewalt in der Schweiz Asyl beantragen und echte Flüchtlinge sind. Sie haben ein wirkliches Anrecht auf Schutz, aber wenn es zu viele von den wirklich Verfolgten gibt, kontigentiert die Schweiz, wie im Fall des Syrienkrieges, auch die echten Flüchtlinge. Dieses Lotterieverfahren ist schon sehr wichtig, denn würden wir die Grenzen öffnen, kämen alle Menschen aus Afrika oder dem Osten in die Schweiz. Es wäre diesen Menschen dann auch ganz egal, ob sie in der Schweiz eine Arbeit finden würden und sich ein Leben aufbauen könnten – sie kämen einfach mal alle und blieben dann für immer. Diese Menschen übrigens nennen wir unechte Flüchtlinge oder Wirtschaftsflüchtlinge, am besten versteht man aber die Bezeichnung «ScheinasylantIn». Das Selektionieren von Menschen an der Grenze auf hegemoniale Machtansprüche oder gar auf die Einteilung in Rassen zurückzuführen, wäre absurd. Polizei- und Justizministerin Simonetta Sommaruga besitzt als linke Politikerin ein historisches Bewusstsein und weiss, was es bedeutet, Grenzen nur für Auserwählte zu öffnen. Deshalb hilft sie dem BFM, wo sie nur kann, damit die Auswahl der Menschen nach ihrer Herkunft gelingt. 2011 zum Beispiel hat Sommaruga mit Nigerias Aussenminister, Odein Ajumogobia, ein Abkommen unterzeichnet, das die Rückführung von nigerianischen Flüchtlingen in ihr Heimatland regelt. Seit 2013 gilt für die Prüfung von Asylgesuchen nigerianischer Staatsangehöriger ein beschleunigtes Asylverfahren (fast track). Erst kürzlich traf sich eine Delegation der Migrationspartnerschaft Schweiz Nigeria, um «Lösungen der irregulären Migration in die Schweiz zu finden», wie es im online Newsletter der Schweizer Bundesverwaltung heisst.

Der Fall O.

Für die sogenannte Reintegration der Flüchtlinge sichert die Schweiz Nigeria weitgehende Unterstützung bei der Rückführung zu. Gerade solche Entscheide geben dem BFM freilich Zuversicht, hatte sie doch bereits Ende 2010 das Asylgesuch von O. und seinem Freund nach nur einem Monat abgelehnt. Die beiden Männer mussten aus ihrem Dorf im südlichen Teil Nigerias fliehen, nachdem sie sich in der Öffentlichkeit als Paar gezeigt hatten. O.’s Freund ist bereits ausgeschafft worden, die Reintegration mit Hilfe der Schweiz hat perfekt geklappt – O.’s Freund wurde nackt auf einem Anhänger durchs Dorf gezogen, musste exorzistische Rituale über sich ergehen lassen und der gleichgeschlechtlichen Liebe abschwören. O. wird nicht müde zu erzählen, wie alles war, bevor sein Leben 2005 eine krasse Wende nimmt. Als Naturheilpraktiker entwickelt O. eine entzündungshemmende Arznei aus Pflanzen, mit der er sich auch ausserhalb seines Dorfes einen Namen machen kann. Sowohl schwangere Frauen als auch Kranke vertrauen sich ihm an. Nachdem sich aber O. öffentlich zu seinem Partner bekennt, beginnt eine Hetze, deren Anführer O.’s Vater wird, der Pastor des Dorfes. Er prangert seinen Sohn als Sündenbock an und macht ihn für jedes Unglück im Dorf verantwortlich. Eines nachts dringen schliesslich Bekannte in O.’s Haus ein. Sie fesseln das Paar – in letzter Minute gelingt ihnen die Flucht. Die Narben am Rücken O.’s erinnern noch heute an die Messerschnitte. O. und sein Freund fliehen zunächst in die Grossstadt Lagos, wo sie in der Anonymität ein neues Leben aufbauen, ohne sich als Paar zu erkennen zu geben. Nach vier Jahren finden Bekannte ihren Aufenthaltsort heraus, sodass sie erneut fliehen müssen. Sie bezahlen Schlepper und werden auf einem Transporter durch die Wüste nach Marokko gefahren. Von dort aus geht die Flucht in einem Schlauchboot weiter nach Spanien. O. berichet, wie er glaubte, dass er auf offenem Meer sterben werde, da zeitweise der Motor ausfiel.

Illegalisierung und Solidarität

Ende 2010 gelangt das Paar dann in die Schweiz, wo es einen Erstasylantrag stellt. Bereits nach einem Monat schmettert das BFM ihr Gesuch ab, mit der Begründung, ihr Fluchtgrund sei nicht glaubwürdig. Seitdem lebt O. illegalisiert und ohne Papiere in der Schweiz. Das Wiedererwägungsgesuch, welches Dank dem CCSI (Centre de Contact Suisses-Immigrés) Fribourg 2013 eingereicht werden kann, wird erneut abgelehnt. Das BFM zweifle die sexuelle Orientierung O.’s nicht an, heisst es im zweiten Negativentscheid, sie sei aber im Rahmen des Gesuchs unwichtig, da es für O. möglich sei, in Nigeria zu leben, wenn er seine Homosexualität diskret lebe. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt jedoch gerade fest, dass von Asylsuchenden nicht verlangt werden dürfe, ihre sexuelle Orientierung im Herkunftsland verdeckt zu halten. Inzwischen steht diese Regelung auch auf dem Handout für die GutachterInnen des BFM. Grundsätzlich ist die Schweiz aber nicht an den EuGH gebunden, was ein krasser Missstand darstellt, dem O. zum Opfer fällt. Auch das Bundesverwaltungsgericht sieht im Fall O. keinen Handlungsbedarf. Mittlerweile hat sich die homophobe Gesetzeslage (14 Jahre Gefängnis) in Nigeria weiter verschärft. Wer sich weigert, eine LGBT–Person zu denunzieren, läuft selbst Gefahr, sich strafbar zu machen. Lynchjustiz und Gewaltübergriffe haben keine rechtlichen Konsequenzen, so werden zum Beispiel lesbische Frauen vergewaltigt, um sie zu «heilen». Im Süden Nigerias wird die Hatz von evangelikalen Christen geschürt, was die katholische Bischofskonferenz Nigerias unlängst zur Gratulation veranlasste. Ende März 2014 wird O. wegen illegalem Aufenthalt in Bern in Haft genommen. Ihm droht die Ausschaffung. Innert kürzester Zeit haben sich Menschen in Bern mit O. solidarisiert und fordern nun die sofortige Freilassung und die Annahme seines Asylgesuches.

Wegdada

Abgesagte Kuscheljustiz-Demo Bern 2014Am 1. Mai 2011 führte die Zürcher Polizei über 500 «?Personenkontrollen?» durch und sprach etliche Wegweisungen aus. Gemäss Polizei hätten nur ­dadurch Ausschreitungen und Sachschäden verhindert werden können. Doch einige der weggewiesenen Personen wehren sich seitdem auf dem Rechtsweg gegen die sogenannte Personenkontrolle und sie haben nun vor Bundesgericht teilweise Recht bekommen.

Gegen 550 Frauen und Männer wurden am 1. Mai 2011 auf dem Helvetiaplatz und auf dem Gelände der Kanzlei von der Stadt- und der Kantonspolizei Zürich eingekesselt und etwa zweieinhalb Stunden dort festgehalten. Bis zu dreieinhalb Stunden verbrachten sie darauf in den Zellen der Kaserne – dieses Vorgehen wurde von der Polizei als Personenkontrolle bezeichnet. Zuletzt erhielten die «kontrollierten» Personen eine Wegweisungsverfügung mit Rayonverbot, weil sie, so der Text der Verfügung, «die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet» hätten. Sie mussten sich für 24 Stunden von den Stadtkreisen 1, 4 und 5 und damit auch vom 1. Mai-Fest fernhalten. Die Stadtpolizei mit Vorsteher Daniel Leupi freute sich: Endlich sei ein Rezept gegen die Ausschreitungen am 1. Mai gefunden.

Bundesgericht sagt?: Es war ein Freiheitsentzug

Eine Gruppe von elf Betroffenen hat sich bereits kurz nach dem 1. Mai 2011 zu einem Kollektiv formiert und sich mit Unterstützung des Zürcher Anwalts Viktor Györffy auf dem Rechtsweg gegen das Vorgehen der Polizei gewehrt. Das Kollektiv betrachtet die ganze Aktion als widerrechtlichen Freiheitsentzug, die zudem die Aushebelung der Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum bedeutet. Damit ein derartiges Vorgehen seitens der Polizei nicht zur allgemeingültigen Strategie im Umgang mit öffentlichen Veranstaltungen wird – auch nicht an einem 1. Mai – hat das Kollektiv zunächst Beschwerden bei der Stadt- und der Kantonspolizei erhoben. Diese wurden abgewiesen und das Kollektiv rekurrierte. Der Rekurs durchlief mehrere Verwaltungsinstanzen, bis er schliesslich beim Bundesgericht landete. Seit dem 29. Januar steht dessen Antwort fest: Das Bundesgericht wertet zwar die Einkesselung auf dem Helvetiaplatz und dem Kanzleiareal für sich allein nicht als Freiheitsentzug, wohl aber das mehrstündige Festhalten in den Zellen der Kaserne und damit die ganze Ak­tion. Es gibt die Beschwerde zurück an das Zwangsmassnahmengericht Zürich, das es davor abgelehnt hatte, sich überhaupt damit zu befassen. Nun muss es den Fall doch auf Rechtswidrigkeit prüfen, und es dürfte schwierig werden, die sogenannte Personenkontrolle in der Kaserne anders zu bewerten als das Bundesgericht.

Kleiner Triumph der Weggewiesenen

Weil der Rechtsweg nicht billig ist – die Kosten für den Instanzenzug und den Anwalt betragen bis jetzt bereits über 10?000 Franken, – hat das Rekurs-Kollektiv nur drei Fälle exemplarisch weitergezogen. Während der vergangenen drei Jahre hat das Kollektiv Geld gesammelt, zum Beispiel mit Soli-Partys und Soli-Tombolas. Zudem erhielten zwei Rekurrierende unentgeltliche Rechtspflege, die sie im Falle einer Niederlage aber zurückzahlen müssten. Mit vereinten Kräften war die Finanzierung bisher also knapp möglich. Die Sache ist noch nicht ganz ausgestanden, aber ein Teilerfolg ist erzielt. Es kann nicht sein, dass gegen 550 Menschen, bloss weil sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einem bestimmten Platz aufhalten, stundenlang festgehalten werden. Es ist rechtsstaatlich äusserst bedenklich, wenn die Polizei ein ganzes Quartier zum Sperr­gebiet erklären kann. Fast drei Jahre nach den präventiven Massenverhaftungen haben die Rekurrierenden einen kleinen Triumph errungen. Es ist zu hoffen, dass es so weitergeht.

Wohnraum für alle?!

wohnungsnotIn den grösseren Städten der Schweiz ist es für proletarische Haushalte vermehrt schwierig, eine preislich ange-messene Wohnung zu finden. In den Grossstädten wie Zürich, Genf und Lausanne besteht eine regelrechte Wohnungskrise. Doch auch in diesem Bereich formiert sich vermehrt Widerstand. Ein Buch präsentiert Kämpfe im Raum Lausanne und legt die Grundlagen für eine breite Bewegung für ein Recht auf Wohnen.

 

Die Aufkündigung von 50 Mietverträgen aufgrund einer Totalsanierung, die Durchsetzung einer Wohnraumverdichtung im Rahmen des neuen Raumplanungsgesetzes und die wohnräumliche Neugestaltung eines ganzen Quartiers – das waren die Gründe für drei unterschiedliche MieterInnenmobilisierungen in der Stadt Lausanne in den letzten Jahren. Tatsächlich stehen diese Beispiele sinnbildlich für die äusserst prekäre Wohnsituation in der waadtländischen Stadt: Die Preise für Mietwohnungen haben sich seit der Jahrtausendwende verdoppelt und zum Teil gar verdreifacht. Ein Grossteil der Mieten für drei bis vier Zimmer Stadtwohnungen liegt zwischen 1500 und 4000 Franken. Leerstehende Wohnungen in der Stadt existieren kaum. Tiefere Mieten sind nur ausserhalb der städtischen Regionen, also auf dem Land, zu finden. MieterInnen, die in diesen Regionen leben, müssen mit hohen Transportkosten rechnen, da ihre Arbeitsplätze oft in der Stadt liegen.

MiterInnenproteste

Die Wohnsituation in den urbanen Zentren der Schweiz hat sich in den letzten Jahrzehnten zwar akzentuiert, doch die Anfänge der Neugestaltung von Wohnzonen liegen schon weiter zurück. Die Mobilisierungen der BewohnerInnen des Quartiers Motelly in Lausanne haben diese Prozesse exemplarisch aufgedeckt (S. 37–57). Schon Mitte der 1990er Jahre bildete sich das Kollektiv Droit de Cité, welches – die Probleme der Gentrifizierung antizipierend – sich für eine partizipative Raumplanung einsetzte, bei der die Stadt die MieterInneninteressen in den Planungsprozess integriert. Das Kollektiv hat sich damals für den Bau eines Quartierzentrums eingesetzt, welches dann tatsächlich 1998 realisiert wurde. Zwischen 2001 und 2004 intervenierte das Kollektiv erfolgreich, um die Schliessung der Poststelle von Sévelin zu verhindern. Auch konnte im Rahmen des Lausanner Metrobaus, in dem die Reorganisierung und Streichung von Buslinien vorgesehen war, eine erfolgreiche Mobilisierung für den Erhalt der Busse 18 und 19 angestossen werden. Und zurzeit wehrt sich das Kollektiv gegen die massive Sanierung, die Stockwerkerhöhung und gegen eine Mietzinserhöhung für gewisse Wohnblöcke und -häuser im Quartier.

Die im Buch vorgestellten MieterInnenproteste fassen die AutorInnen wie folgt zusammen (S. 59–70): Die MieterInnenkonflikte in Lausanne beziehen sich sowohl auf die Wohnfrage im engeren Sinne wie auch auf die Lebensqualität in den Quartieren. Die AkteurInnen der Proteste und Kämpfe sind vielfältig, teilweise handelt es sich um MieterInnen, teilweise um kleine WohneigentumsbesitzerInnen, teilweise auch um StadtbewohnerInnen, die nicht direkt von den Umbrüchen betroffen sind. Und auch die Gründe für die Mobilisierungen sind unterschiedlich: Mieterhöhungen, Aufkündigung von Mietverträgen, die Veränderung der städtischen Infrastruktur, die Qualität des öffentlichen Raumes, Bauprojekte oder neue Raumplanungen. «Aus dieser Komplexität rauszukommen wird in Zukunft nicht die kleinste Herausforderung sein.» (S. 62)

Wohnpolitik für die Reichen

Die Lausanner Situation spiegelt grundsätzlich die Problematik aller städtischen Gebiete der Schweiz wider. Eine grosse Mehrheit der Bewoh-nerIn-nen der schweizerischen Agglomerationen sieht sich mit einer Wohnungskrise konfrontiert, die zumindest zurzeit nicht auf ein zu geringes Angebot an Wohnungen zurückzuführen ist. Vielmehr werden heute neue Wohnungen gebaut, die zum Privatverkauf bestimmt sind, und mehr noch: zum Privatverkauf an GutverdienerInnen und Vermögende. Die Wohnungssituation der proletarischen Haushalte hat sich zudem in den letzten Jahrzehnten dadurch verkompliziert, dass in den meisten Fällen ihr Real-ein-kom-men stagniert ist. Proletarische Haushalte ziehen konsequenterweise in die Peripherie um oder häufen Schulden an, um sich eine Stadt-wohnung zu leisten. Die AutorInnen des Buches schätzen, dass zirka zwei Drittel der Bevölkerung in der Schweiz aufgrund dieser Entwicklungen faktisch aus dem Wohnungsmarkt ausgeschlossen bleiben. Dadurch entsteht eine räumliche Segregation zwischen «verbürgerlichten» Wohnzonen im Zentrum, die gut gelegen und gut ausgestatten sind, und «proletarisierten» Wohnzonen in der Peripherie mit schlechterer Infrastruktur.

Raus aus der Krise

Die AutorInnen des Buches beschränken sich nicht darauf, die Mobilisierungen solidarisch vorzustellen. Es geht ihnen auch darum, in der ganzen Komplexität der Diskussion politische Anknüpfungspunkte zu bieten. Im abschliessenden Kapitel formulieren sie drei konkrete Forderungen. Erstens fordern sie die Blockierung der Mieten und die Limitierung des Verkaufs von Neuwohnungen (S. 88–96): 1992 lag der hypothekarische Referenzzins bei Mietwohnungen bei 7, inzwischen liegt er bei 2,25 Prozent. Umgerechnet hätte in dieser Zeit also eine durchschnittliche Mietzinsreduktion von 39 Prozent (!) erfolgen müssen, was nicht geschehen ist. Zweitens soll neue Raumplanung nur mit tatsächlicher Mitbestimmung geschehen (S. 97-103): Das am 3. März 2013 angenommene Raumplanungsgesetz sieht vor, die Bauzonen zu verkleinern aber zu verdichten. Damit dieser Prozess nicht zu einer Wohnpolitik für Reiche mutiert, braucht es eine wirkliche Mitbestimmung der MieterInnen in der öffentlichen Raumplanung. Drittens sprechen sie sich gegen die Diktatur der GrundeigentümerInnen aus: Die GrundeigentümerInnen haben heute ein grosses Interesse daran, den Boden für den Bau neuer Wohnungen dann zur Verfügung zu stellen, wenn eine hohe Rente in Aussicht steht. Die Jagd nach hohen Bodenrenten soll durch ein öffentliches Enteignungsrecht gestoppt werden, mit dem Ziel, den Bau von öffentlichen und preiswerten Sozialwohnungen zu fördern.

Diese Forderungen unterbreiten die AutorInnen einer öffentlichen Diskussion, denn: «Die kollektive Bewegung der MieterInnen ist noch zu wenig entwickelt, um mit Sicherheit auf alle Fragen zu antworten. Zurzeit ist das wichtigste, zum Aufschwung der Bewegung beizutragen, indem ein Austausch und Koordinationsversuche zwischen den verschiedenen kämpfenden Gruppen entwickelt wird. Fortschritte können nur erzielt werden, wenn die unterschiedlichen Erfahrungen analysiert werden, mit all ihren Schwierigkeiten, Fehlern und Erfolgen.» (S. 70)

Jean-Michel Dolivo, Andrea Eggli, ­Anne-Gabrielle Frund, Catherine Mathez, Urs Zuppinger (2013): Crise du logement. Locataires et habitants prenez votre sort en main!  Lausanne: Éditions d’en bas. 128 Seite

Aus dem vowärts vom 14.März 2014. Unterstütze uns mit einem Abo.

Schwarzer Tag für die Schweiz

svpSchwarzer Tag für die Schweiz

Die PdAS ist zutiefst besorgt und enttäuscht über die Annahme der fremdenfeindlichen SVP-Initiative «Gegen Masseneinwanderung».  Völlig überrascht ist sie jedoch nicht. Der PdAS ist seit langem bewusst, dass die massive, millionenschwere und langjährige, penetrante Propaganda ihre Spuren hinterlässt.  Heute hat sie ihre faulen Früchte geerntet.

Es ist jetzt an der Zeit, einen konsequenten und kompromisslosen Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu führen. Ein Kampf der täglich geführt werden muss uns sich nicht auf Abstimmungen beschränken kann. Die PdAS fordert die im Parlament vertretenen Mittelinks-Parteien auf, eine konsequente Haltung  gegen Fremdenfeindlichkeit einzunehmen: Es ist unglaubwürdig, zuerst die Verschärfungen im Asylbereich zu akzeptieren und  dann die SVP-Initiative zu bekämpfen. Es ist eine Unglaubwürdigkeit, die das heutige Resultat mit Sicherheit beeinflusst hat.

Die PdAS steht seit ihrer Gründung für eine solidarische Schweiz ein. Wir werden nicht ruhen, bis mit der sozialistischen Gesellschaft  Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ein Relikt düsterer, kapitalistischer  Vergangenheit sind.  Wir rufen alle fortschrittlichen Organisationen und Einzelpersonen auf, sich diesem Kampf anzuschliessen.

 

Rechtskonservativer Angriff abgelehnt

Erfreut  hingegen ist die PdAS über die Ablehnung der Initiative «Abtreibung ist Privatsache», die von äusserst rechtskonservativen Kreisen lanciert wurde. Bei einer Annahme der Initiative wären die Frauen mit einem geringen oder gar keinem Einkommen die grössten Verliererinnen gewesen.  Die soziale Diskriminierung, die sich mit dem neoliberalen Deckmäntelchen «Eigenverantwortung» tarnt, trifft gerade im Gesundheitswesen vorwiegend Frauen. Die InitiantInnen versuchten mit dem Credo der «Eigenverantwortung» die angestrebte Zweiklassenmedizin zu legitimieren. Dass es ihnen aber um soziale Ausgrenzung ging, ist offensichtlich. Die Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper ist ein Grundrecht jeder Frau, unabhängig des sozialen Status und ist für die PdAS unantastbar!

Öffentlicher Verkehr

Positiv ist auch das Ja zum Bundesbeschluss über die «Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur» (FAES).  Es ist ein wichtiger Entscheid, der die  ökologische und sinnvolle Mobilität fördert. Wichtig ist nun, dass von den Investitionen möglichst viele Menschen profitieren können. Daher fordert die PdAS kurzfristig einen möglichst niederschwelligen Zugang und längerfristig einen kostenlosen öffentlichen Verkehr für alle – und gute Arbeitsbedingungen für jene, die den Ausbau des Schienennetzes ausführen.

Partei der Arbeit der Schweiz

 

Konflikt bei Tamedia

Tamedia_VerlagshausDer grösste Schweizer Verlag für Print- und Onlinemedien erfasst keine Arbeitszeiten der Medienschaffenden.

Der vorwärts-online veröffentlicht die Medienmitteilung der Gewerkschaft syndicom, die u.a. mehr Stellen fordert:

syndicom unterstützt die Aktion der Schwester-Organisation impressum, die heute darauf aufmerksam macht, dass Tamedia, der grösste Schweizer Verlag für Print- und Onlinemedien, gegen das Arbeitsgesetz verstösst, weil die Arbeitszeiten der Medienschaffenden nicht erfasst werden. Auch viele andere Redaktionen sind davon betroffen. Das Arbeitsinspektorat soll die Situation überprüfen. Überzeit sind die Stunden, welche über die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 45 Wochenstunden hinaus geleistet werden. Diese sind zwingend zu kompensieren. Um sie zu messen, braucht es eine Arbeitszeiterfassung. Das Problem überlanger und gesetzeswidriger Arbeitszeiten existiert jedoch nicht nur bei Tamedia, sondern auch in vielen andern Redaktionen.

Stete Verschlechterung der Arbeitsbedingungen

Lange Zeit waren die Medienschaffenden bereit, im Interesse der Qualität, der Information und des Dienstes an der Öffentlichkeit ungewöhnlich lange und zu unregelmässigen Zeiten zu arbeiten. Dazu gehörte aber auch, dass die Verlage den aussergewöhnlichen Einsatz ihrer Mitarbeitenden schätzten und mittels guter, durch einen Gesamtarbeitsvertrag gesicherter Arbeitsbedingungen schützten. Tempi passati: 2014 jährt sich der vertragslose Zustand zum 10. Mal!

Mangelnder Gesamtarbeitsvertrag

Der aktuelle Fall zeigt aus der Sicht von syndicom vor allem auf, wie dringend notwendig es wäre, einen neuen Gesamtarbeitsvertrag für JournalistInnen in der Deutschschweiz und im Tessin auszuhandeln. Die Gewerkschaft fordert die Verleger zum wiederholten Mal zur Rückkehr zu vertragspartnerschaftlichen Regelungen auf.

Forcierte Konvergenz und Sparmassnahmen

Nicht nur der fehlende GAV, auch die vielerorts forciert eingeführte konvergente Arbeitsweise, welche unter dem Strich einer Fusion verschiedener Redaktionen gleichkommt, hat die Arbeitsweise der Medienschaffenden drastisch verändert: die Arbeitsbelastung durch wiederholte Sparmassnahmen und Stellenabbau, übermässige Arbeitszeiten und Tempodruck hat ein Mass angenommen, das für viele JournalistInnen nicht mehr erträglich und gesundheitsgefährdend ist. Und das nicht zuletzt die Qualität der Medien drückt.

Es braucht mehr Stellen

Natürlich dürfen die Anzeige beim Arbeitsinspektorat und die verlangte Arbeitszeiterfassung nicht Selbstzweck sein. Es geht darum, die übermässige Arbeitsbelastung in den Griff zu bekommen: Die Redaktionen müssen wieder mit genügend Stellen dotiert werden, nicht vermeidbare Überstunden sind mit fairen Kompensationsmöglichkeiten und mehr Ferien abzugelten.

Nestlé vor Bundesgericht

nestleIm Mordfall Luciano Romerlo legt das ECCHR Beschwerde beim Bundesgericht ein. Hier das Communique.

Das «European Center for Constitutional and Human Rights» hat mit den Züricher Anwälten Marcel Bosonnet und Florian Wick den Fall des ermordeten Gewerkschafters Luciano Romero vor das Schweizer Bundesgericht gebracht. Sie vertreten die Witwe des kolumbianischen Aktivisten, der für ein Nestlé-Tochterunternehmen gearbeitet hat. Im Dezember 2013 hatte das schweizerische Kantonsgericht Waadt eine Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen abgelehnt.

Das Kantonsgericht bestätigte damit die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass die Tat verjährt sei. Die Staatsanwaltschaft Waadt hatte nach 15 Monaten Untätigkeit entschieden, keine Ermittlungen gegen Manager der Nestlé AG oder das Unternehmen selbst aufzunehmen.
Hierbei verkennt jedoch das Gericht, dass sich die Verjährung im Fall der Strafbarkeit des Unternehmens nicht nach der Tatzeit des Verbrechens richtet. Der Konzern selbst hat noch nichts unternommen, um die fehlerhafte Organisation in dem Unternehmen zu beheben. Dieser sogenannte Organisationsmangel, welcher die Strafbarkeit Nestlés begründet, kann deshalb noch nicht verjährt sein. Das Gericht berücksichtigt hierbei auch nicht die kürzlich verlautbarte Rechtsposition des Schweizer Nationalrates (BBl. 2012 9253, 9271), welche die Auffassung des ECCHR und der Anwälte Bosonnet und Wick unterstützt.

Der Mord an einem weiteren Nestlé-Arbeiter und Gewerkschafter in Kolumbien im November 2013 zeigt deutlich, dass sich an der Haltung des Nestlé-Konzerns zu seinen Gewerkschaftern nichts geändert hat. Entgegen eigener Bekundungen auf der Firmenwebseite und auf Konferenzen hat sich Nestlé offensichtlich immer noch keinen Umgang mit Betriebsangehörigen und Gewerkschaftern angeeignet, der diese nicht in Lebensgefahr bringt. Denn der Ermordung des Gewerkschafters waren erneut Diffamierungen durch das kolumbianische Management von Nestlé vorausgegangen.

ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck kommentiert die Gerichtsentscheidung wie folgt: «Es ist erschütternd, dass die Schweizer Justiz nicht gewillt ist, fundierten Vorwürfen gegen Unternehmen nachzugehen. Es ist jedoch klar, Schweizer Unternehmen tragen – auch strafrechtliche – Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen im außereuropäischen Ausland. Wenn das geltende Schweizer Recht es den Opfern derartiger Straftaten nicht ermöglicht, ihre Rechte durchzusetzen, gehört es – ebenso wie die Gesetzbücher anderer europäischer Staaten – reformiert.»

Berlin / Zürich, 9. Januar 2014

Zum Interview mit Marcel Bosonnet aus dem vorwärts vom 21. Dezember 2013 klicke hier

Schweizer Imperialismus

tell_chWir Eidgenossen sind reich und mächtig: Die 15 umsatzgrössten Unternehmen in der Schweiz haben im 2010 einen Umsatz von 680’873 Milliarden oder 680 Billionen und 873 Milliarden oder 680’873’000’000’000 Franken erzielt. Im Verhältnis dazu hat die Eidgenossenschaft im selben Jahr läppische 191’916 Milliarden Franken eingenommen – nicht mal ein Drittel der Einnahmen der «Big 15». Die Top 5, das sind der Reihe nach Glencore  (145’000 Mil.), Nestlé (109’722) Trafigura (79’200), Novartis (52’682) und Roche (47’473) erzielten einen Umsatz von 434’077 Milliarden,  64,19 Prozent des Totalumsatz der 15 grössten Unternehmen der Schweiz! Und: Für die «Big 15» arbeiten fast eine Million Menschen verteilt auf der ganzen Welt. Noch Fragen zur Frage, wer die Welt mitregiert?

Wir Eidgenossen sind aber auch ein gebildetes Volk. Wir wissen daher, dass unser Reichtum und Überfluss darauf basiert, dass viele andere bitter arm sind und gar nichts haben. Im Kapitalismus ist es wie im Spielkasino: Wenige gewinnen, weil viele  verlieren und der ganz grosse Profit macht der Besitzer der Spielstätte. Natürlich gehören wir in unserem schönen, fetten Land mitten in Europa zu den «Winners». Die «Loosers» kennen wir auch: Laut der Vereinten Nationen (WFP) leiden rund 870 Millionen Menschen weltweit an Hunger, etwa jeder achte (12 Prozent). Jedes Jahr sterben etwa 8,8 Millionen Menschen an Hunger, was einem Todesfall alle drei Sekunden(!) entspricht. Eins … zwei … gestorben; Eins … zwei … gestorben. Während wir am Stück des weihnachtlichen Bratens kauen, um ihn besser zu verdauen, stirbt ein Mensch an Hunger. Eins … zwei … gestorben; Eins … zwei … gestorben. Häufig sind Kinder betroffen, jedes vierte ist in Ent-wicklungsländern untergewichtig. Wir wissen es, verdrängen es aber gerne gerade vor Weihnachten, um die bevorstehenden Fress-orgien überhaupt überleben zu können.

Wir wissen es: Die Schweizer Multis sitzen an der Schaltzentrale, sie sind wesentlicher Teil des Gehirns des kapitalistischen Monsters, der unglaubliche, mörderische Missstände auf dieser Welt produziert. Spätestens an dieser Stelle sollten wir Eidgenossen aber auch ein Problem haben?: Wir können nicht behaupten, von nichts gewusst zu haben. Wer in der Nähe von  Zürich, Basel, Vevey, Baar oder Rapperswil-Jona wohnt, also praktisch alle Eidgenossen, der hat die Hauptquartiere der Schweizer Multis, der  Mitverantwortlichen für die vielen Schandtaten auf der Welt als Nachbar. Wir wohnen Tür an Tür mit ihnen und niemand kann daher behaupten, sie nicht gesehen zu haben. Wenn wir sie nicht sehen, dann nur weil wir sie nicht sehen wollen, weil wir lieber wegschauen, weil es bequemer und einfacher ist.

Was kann ich dagegen tun? Sorry, das ist aber nicht die Frage. Wenn unser Nachbar ein Mörder und Halunke ist, dann ist die Frage  nicht «Was kann ich dagegen tun?» sondern ganz einfach?:  «Will ich was dagegen tun?»  Wenn wir uns diese Frage mit Ja beantworten, dann finden sich die verschiedensten Formen und Möglichkeiten, sich aktiv für mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt zu engagieren – ja, auch hier bei uns in der Eidgenossenschaft! Vielleicht finden wir zwischen den bevorstehenden Fressorgien zwei Minuten Zeit, um uns die Frage zu stellen, ob wir gegen die Ursachen der perversen Ungerechtigkeit auf dieser Welt was tun wollen. In diesem Sinne frohe Festtage liebe Eidgenossen – und denkt daran: Eins … zwei … gestorben!

Aus der Printausgabe vom 20. Dezember. Unterstütze uns mit einem Abo

Die Sparwut der Kantone

providence_streikIn den Kantonen wird gespart. Am Beispiel des Kantons Bern lässt sich gut zeigen, dass die Leidtragenden davon vorwiegend junge, alte, behinderte, kranke oder sozialhilfebeziehende Menschen sind. Dennoch ist die Bereitschaft zum Widerstand gering. Im Berner Parlament liegen -höchstens ein paar kosmetische Änderungen drin.

Aus der Printausgabe vom 20. Dezember 2014. Unterstütze uns mit einem Abo.

Insgesamt 16 Kantone erwägen für 2014 Sparpakete oder haben diese schon beschlossen. Im Kanton Bern geht es um 491 Millionen Franken, im Kanton Luzern um 220 Millionen, im Kanton Freiburg um 415 Millionen und im Kanton Aargau um weitere 120 Millionen. Als Begründung für die Defizite kommen neben der wirtschaftlichen Lage auch immer wieder die Steuersenkungen. Die Kantone hatten sich in einem Konkurrenzkampf um Hochverdienende ständig mit Steuererleichterungen übertrumpft. Das Ergebnis dieser «Standortvorteile» sind grosse Löcher in den Staatskassen, welche nun nicht etwa mit Steuererhöhungen, sondern vorwiegend mit Sparpaketen gestopft werden sollen.

All diese Sparpakete haben eins gemeinsam: Betroffen sind Staatspersonal, Bildungs- und Sozialbereiche, vor allem Spitäler und Krankenkassenprämienverbilligungen. Die Ausgaben für die Sicherheit werden jedoch kaum angetastet. Dies mag mit ein Grund sein, warum die Bürgerlichen die Sparpakete meist kritiklos durchwinken. Letztlich wird die Sparwut der Kantone von den weniger Privilegierten bezahlt.

Im Kanton Luzern sind unter anderem Schulen und Spitäler betroffen. Dabei wird auch eine Woche Zwangsferien für Schulen und Gymnasien ins Auge gefasst, während der Berufsschüler gerne in ihrem Betrieb arbeiten können. Im Kanton Aargau könnte eine Massnahme die Streichung der Einschulungsklassen sein. Diese unterstützen Kinder, welche zu weit entwickelt für den Kindergarten sind, andererseits den Lernanforderungen der regulären Schule noch nicht gewachsen sind. Der Kanton Bern, wo die Kürzungen vorwiegend den «Service Public» treffen, bietet ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Kürzungen konkret auswirken.

Zu den direkten Leidtragenden zählen auch hier in erster Linie junge, alte, behinderte, kranke oder sozialhilfebeziehende Menschen, denn die Kürzungen treffen hauptsächlich Dienstleistungen, auf die sie angewiesen sind. Dies kommt einer Herabsetzung ihre Existenz gleich. In der Gesundheits- und Fürsorgedirektion fallen in den kommenden drei Jahren 108,3 Millionen Franken und in der Erziehungsdirektion 54,35 Millionen Franken weg. Die dramatische Tragweite einer Annahme des Sparprogramms realisieren allmählich auch die Verbände. Der Spitex-Verband rechnet beispielsweise vor, dass er rund 16 000 Menschen nicht mehr betreuen könnte. Der Verband der Berner Pflege- und Betreuungszentren (VBB) warnt vor dem «Schreckgespenst Mehrbettzimmer», das in Altersheimen zum Alltag würde.

Heftig trifft das Sparpaket auch das Berner Staatspersonal. Durch das Einfrieren des Lohnsummenwachstums soll jeder vierte Franken eingespart werden. Zusätzlich werden über 600 Arbeitsstellen gestrichen. Doch die Zahl der betroffenen Menschen übersteigt diejenige des Staatspersonals und der Menschen, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind, bei weitem. Laut Karl Marx entspricht der Lohn im Schnitt dem Wert der Arbeitszeit, die es braucht, damit sich eine Arbeitskraft physisch und psychisch erneuern kann. Das Reproduktionsniveau ist nicht immer und überall gleich. In Ländern wie der Schweiz beinhaltet der Lohn zum Beispiel nicht nur eine ausbezahlte Menge Geld, sondern auch einen «Soziallohn». Damit gemeint sind die Dienstleistungen, die den Lohnabhängigen kostenlos oder gegen einen symbolischen Betrag zur Verfügung stehen und zur sozialen Reproduktion beitragen. Dazu gehören zum Beispiel Bildung, Pflege, Betreuung oder Wohlfahrt. Dass der Regierungsrat das Sparmesser genau hier ansetzen will, kommt daher einem Angriff auf alle Lohnabhängigen gleich.

Angriff auf die Frauen

Die Reduktion des Soziallohnes intensiviert und erneuert zudem sexistische Ausbeutungsverhältnisse. Erstens treffen die Lohnkürzungen und der Stellenabbau vorwiegend weibliches Staatspersonal, welches in den betroffenen Bereichen die Mehrheit der Beschäftigten stellt. Da die Bedürfnisse nach Bildung, Pflege, Betreuung oder Unterstützung mit dem sozialen Kahlschlag nicht verschwinden, verlagert sich zweitens ein Teil der reproduktiven Arbeit vermutlich zurück in die Haushalte. Dort sind es nach wie vor vorwiegend Frauen, die in Tausenden von unbezahlten Arbeitsstunden die Lücken des abgemagerten Sozialstaates kompensieren. Drittens entsteht durch den Rückzug des Staates auch ein wachsender Markt für private AnbieterInnen sozialer Dienstleistungen. Im sogenannten Care-Sektor werden Pflege-, Erziehungs- oder Betreuungsaufgaben nach kapitalistischen Prinzipien organisiert. Reproduktive Tätigkeiten lassen sich allerdings nicht einfach rationalisieren, wie Arbeitsabläufe in einer Fabrik. Reproduktionsarbeit braucht Zeit und lässt keine hohe Wertschöpfung zu. Deshalb sind im Care-Sektor Gewinne nur möglich, wenn die Löhne tief und die Arbeitsverhältnisse prekär gehalten werden. Auch hier trifft es hauptsächlich Frauen, derzeit zunehmend Migrantinnen mit unstabilen Aufenthaltsbewilligungen.

Obwohl im März über 20 000 Angestellte gegen die Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lohnbedingungen auf die Strasse gingen, sieht es derzeit nicht danach aus, als ob das Berner Sparpaket auf Widerstand stossen wird. Die bürgerliche Mehrheit im Parlament weiss, was sie zu gewinnen hat und wird das Sparpaket verteidigen oder sogar ausbauen. Die parlamentarische Linke scheint sich bisher auf kosmetische Änderungsvorschläge beschränken zu wollen. Zusammen mit den etablierten Gewerkschaften, den Personalverbänden und den Betroffenenorganisationen geht es ihr höchstens «um eine faire Umsetzung» der Sparmassnahmen. Die neoliberale Denkweise durchdringt die so genannten RepräsentantInnen der Lohnabhängigen dermassen, dass sie vor einer grundsätzlichen Absage zum Angriff von oben zurückschrecken. Die Frage ist, ob wir das auch tun.

Wem gehört Zürich?

demo_flyer_webDemo am Samstag, 26.Oktober!

Besammlung: 14.00 Uhr, Gemüsebrücke beim Ratshaus

Am 26. Oktober 2013 geben ganz verschiedene Organisationen mit einer Demonstration ihre Antwort zur Frage „Wem gehört Zürich?“ So unterschiedlich wie die Antworten, so bunt stellen wir uns auch Zürich vor. Wir stellen an diesem Tag der reichen Einöde ein buntes und durchmischtes Zürich entgegen, mit all den Mauerblümchen und den exotischen oder traditionellen, zarten oder grellen Blüten, die eine lebendige Stadt eben treibt.

Wir sind Genossenschaften, soziale und MigrantInnen-Organisationen und Institutionen, besetzte Häuser, Quartiervereine, KünstlerInnen und Kleingewerbler. Wir sind sehr verschieden, doch eins verbindet uns: Wir alle haben offenbar keinen Platz mehr im Zürich der Reichen.

Das sind unsere Forderungen:

– Bezahlbarer Wohnraum für alle

– Für einen wirksamen MieterInnenschutz

– Bezahlbarer Raum für Gewerbe und Kultur

– Für Freiräume und Selbstverwaltung

– Gegen Verdrängung und eine Stadt der Kapitalinteressen

Wir wissen, dass noch viel mehr und andere Leute von der Verdrängung betroffen sind. Schliessen Sie sich der Demonstration an, erzählen Sie es weiter, hängen Sie Plakate, verteilen Sie Flyer – melden Sie sich bei uns! Geben Sie Ihre ganz eigene Antwort auf die Frage „Wem gehört Zürich“ und organisieren Sie Ihre eigene Veranstaltung zum Thema.

Besammlung: 14.00 Uhr, Gemüsebrücke beim Ratshaus, Schlusskundgebung: 17.00 Uhr, Brupbacherplatz (mit Konzert)

Weitere Infos: wem-gehoert-zuerich.ch

 

Folgende Organisationen unterstützen die Demonstration:

Partei der Arbeit Zürich (PdAZ), Mieterinnen- und Mieterverband Regionalgruppe Stadt Zürich, Quartierverein Riesbach, Unia Zürich, IG Sozialhilfe, Alternative Liste Zürich (AL), Offene Kirche St. Jakob, Autonome Schule Zürich, Verein Zukunft Labitzke, Bau- und Wohngenossenschaft Durchbruch, Wohngenossenschaft Hellmi 2000, International Network for Urban Research and Action INURA, Intendanz Rosengarten, Corner College, kritische Politik UZH&ETHZ, Les Complices,  Autonomer Beauty Salon, Recht auf Stadt, IG-ZeitRaum, Stadtlabor

Homophobe Asylpolitik??

media.facebook.1edbd3a4-ba34-4f72-ad10-93ae93aa23a4.normalizedEin neues Gesetz in Nigeria soll die «öffentliche Zuneigung unter Homosexuellen» künftig mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestrafen. Damit wird die sexuelle Orientierung von Menschen vermehrt zu einem Fluchtgrund. Die Schweiz hält an ihrer repressiven Asylpolitik fest und macht sich somit Mitschuldig an der Verfolgung von LGBT-Personen.

Aus der vorwärts-Printausgabe vom 11.Oktober.Unterstütze uns mit einem Abo.

O.* ist aus Nigeria und hat in den letzten drei Jahren in der Schweiz gelebt, wo er auch beim Bleiberechtkollektiv aktiv war. Aufgewachsen ist er in einem kleinen Dorf im südlichen, christlich geprägten Nigeria. Als Kenner von Heilpflanzen war O. integrierter Bestandteil der dörflichen Gemeinschaft und von den Leuten respektiert. Nach dem «coming out» wurden er und sein Freund jedoch zunehmend unter Druck gesetzt, die erfahrene Feindseligkeit wurde immer gewalttätiger. Eines Nachts brachen BewohnerInnen des Dorfes in sein Haus ein. Die Messerschnitte sind heute noch auf seinem Rücken erkennbar. Die Hetze gegen ihn wird von seinem eigenen Vater angeführt, dem lokalen Pfarrer. O. und sein Freund konnten zuerst in die Hauptstadt Lagos fliehen, mussten dort untertauchen und ihre Homosexualität verstecken. Sie lebten vier Jahre in Lagos, bis O’s angehörige herausfanden, wo sie sich aufhielten, so dass sie erneut fliehen mussten. Ihr Weg führte über Spanien in die Schweiz.

Nigeria verbietet Homosexualität

In Nigeria ist Homophobie in der Bevölkerung an der Tagesordnung. Ende Mai verabschiedeten Regierung und Parlament ein Gesetz, welches künftig Homosexuelle bis zu 14 Jahren hinter Gitter bringen kann, wenn sie ihre Zuneigung öffentlich zeigen. Damit wird es für Schwule und Lesben in Nigeria beinahe unmöglich, ein «normales» Leben zu führen. Auch wird die solidarische Unterstützung von Homosexualität massiv kriminalisiert. Die Beteiligung an einer gleichgeschlechtlichen Eheschliessung wird mit einer Haft von zehn Jahren bestraft. Was auf der juristischen Ebene nun neu verankert wurde, wird praktisch schon lange umgesetzt. An- und Übergriffe auf Homosexuelle gehören zum Alltag. In gewissen Gebieten des Landes sind auch Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe angewendet wurde.  Gewalttätige Handlungen gegen Homosexuelle werden gesellschaftlich und juristisch toleriert.

Ein «normales» Leben können Homosexuelle in Nigeria nur dann führen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit als «geheilt» präsentieren. Der erste Asylantrag von O. und seinem Freund wurde schon nach einem Monat abgelehnt. In der Folge wurde der Freund ausgeschafft. Bei seiner Ankunft musste er sich exorzistischen Ritualen unterziehen, u.a. wurde er nackt auf einem Anhänger durch das Dorf gefahren. Er wurde zudem gezwungen zuzugeben, er sei nun von Homosexualität «geheilt». O. bleibt im Dorf der Hauptschuldige, da er seinen Freund «verführt» haben soll.

Die Rolle der Schweiz

In der Zwischenzeit hat O. Rekurs eingelegt. Doch auch sein Wiedererwägungsgesuch wurde abgelehnt, so dass er bald nach Nigeria ausgeschafft werden könnte. Das Bundesamt für Migration (BFM) argumentiert, in Lagos könne O. seine Homosexualität verstecken und ohne Gefahr der Verfolgung ein «normales» Leben führen. Damit erkennt die Schweiz die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung nicht als Asylgrund an. Im Gegenteil: das BFM wendet sein diskriminierendes Prinzip auch auf spezifisch gefährdete Gruppen wie Homosexuelle an. Asylgesuche aus Ländern wie Nigeria, Tunesien und dem Balkan werden «schnell» behandelt, weil diese in der grossen Mehrheit negativ beantwortet und die Betroffenen somit schnell ausgeschafft werden. Hingegen stapeln sich die Gesuche aus Ländern wie Eritrea, Somalia, dem Irak, Afghanistan und Syrien weiterhin auf den Tischen des BFM, weil die Ausschaffung in diese Länder als «unzumutbar» gilt. Die Schweiz ist also schnell bei der Vergabe von negativen, jedoch sehr langsam bei der Vergabe von positiven Entscheiden.

O. ist weder der erste, noch der letzte Fall eines abgelehnten Asylgesuches aufgrund von Homosexualität. Die schweizerischen Behörden zeigen zwar mit dem Finger auf die menschenrechtswidrige Situation in Ländern wie Nigeria, doch durch die asylpolitischen Praxis – also der Ausschaffung von Homosexuellen – wird ihre Verfolgung mitgetragen.

* Name der Redaktion bekannt.

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