Geschlagen und eingesperrt – und dies soll jetzt legal werden

lmt. Das Parlament beriet in der Herbstsession über eine Änderung des Asylgesetzes. Künftig soll die vorübergehende Inhaftierung von Asylsuchenden eine gesetzliche Basis erhalten – auch für Minderjährige ab 15 Jahren. Diese Praktik führt bekanntermassen zu Missbräuchen durch private Sicherheitsfirmen in den Bundesasylzentren.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Asylverfahrens im März 2019 wurde das System dezentralisiert und es wurden Bundesasylzentren (BAZ) geschaffen. Im Januar 2020 vergab das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Mandat für die Sicherheitsdienstleistungen in den besagten Bundesasylzentren an private Unternehmen, namentlich an die Protectas AG und die Securitas AG. Seitdem häufen sich die Meldungen von Misshandlungen.

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Die FDP Zürich rückt nach rechts

dom. Mitte September hat sich die FDP Zürich zu ihrem Parteitag im Careum Auditorium versammelt. Neben den üblichen Parolen aus dem liberalen Forderungskatalog hat vor allem ein Thema die Ausarbeitung des neuen Parteiprogramms geprägt: die Migrationspolitik.

Filippo Leutenegger ist im vergangenen November als neuer Präsident der FDP Zürich angetreten und hat sogleich klargemacht, dass die Partei unter seiner Führung ihr migrationspolitisches Profil schärfen werde. Das ist nicht nur als Überzeugungs-, sondern auch als Verzweiflungstat zu sehen. Die einst so starke freisinnige Partei droht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. In solchen Krisenzeiten auf den Zug ausländerfeindlicher Politik aufzuspringen und sich rechten Wähler:innen anzubiedern, ist bei Figuren wie Leutenegger eine beliebte politische Strategie. » Weiterlesen

Le Röschti c‘est moi!

Das offizielle Bundesratsfoto 2024. Fotografiert im Bundeshaus Ost.
Das Bildkonzept wurde entwickelt von der Fotografin Sina Guntern, dabei war das Motto wie folgt von der anstehenden Bundespräsidentin Viola Amherd und der BK und Kommunikationsverantwortliche des Departementes VBS vorgegeben:
«Zuversicht – Verbundenheit – Weitsicht»
Diese Werte sollten im Bundesratsfoto widerspiegelt werden: in welcher Form war der Fotografin überlassen. Mit dem Bundesratsfoto sollten Optimismus und Freude ausgestrahlt werden. Das Matterhorn war als Sujet gewünscht.
Der Vorschlag der Fotografin mit Konzept und Visualisierung wurde gepitcht und ausgewählt.
Teil des Konzeptes: Ein symbolisches Schweizer Bergpanorama (dafür hat die Fotografin über das Land so breit wie möglich gestreckt markante Bergformen ausgewählt) wird ins Bundeshaus gebracht, von wo aus der BR hauptsächlich für diese Schweiz Entscheidungen trifft.
Es wurden Berge versetzt… Das Set wurde real in der Location aufgestellt, die Gruppe wurde nicht zusammengesetzt, sonder ist tatsächlich in der Konstellation fotografiert wie sie zu sehen ist. Der Hintergrund wurde aus verschiedensten Materialien aufgebaut – wie eine Art Schattenwand.
Personen im Bild von Links nach Rechts: Bundeskanzler Viktor Rossi, Bundesrat: Elisabeth Baume-Schneider, Ignazio Cassis, Karin Keller-Suter, Viola Amherd, Guy Parmelin, Albert Rösti, Beat Jans

flo. Wenn da nur nicht sechs weitere Bundesrät:innen und die Bevölkerung wären… alleine regieren wäre ja eigentlich viel einfacher, dürften sich die obersten Exekutivpolitiker:innen unseres Landes regelmässig denken. Ein Bundesrat aber zeigt, wie man erfolgreich den Volkswillen mit den Füssen treten kann.

Konkordanz, Kollegialität und Kompromisslertum – mit diesen drei K‘s könnte man den Bundesrat eigentlich recht gut umschreiben. Ist es doch ein Gremium, das besonders grossen Wert darauf legt, als Einheit aufzutreten – geschlossen und mit einer Stimme zu sprechen, wohl auch weil dies irgendwie dem Selbstbild der Schweizer Politkultur entspricht.

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Betrug mit Ansage

flo. Vor kurzem machten Enthüllungen rund um gekaufte Volksinitiativen Schlagzeilen. Gewisse Teile des politischen Spektrums verteidigten die Praxis aber und kündigten schon ein nächstes Referendum an, das garantiert in die Kategorie «Demokratie zum Verkauf» fällt.

Erst machen Enthüllungen deutlich, dass der Bundesrat mit Addition und Subtraktion doch so seine liebe Mühe hat: Mit einem Mal stand die AHV besser da, als es von Bürgerlichen jahrelang behauptet wurde. Und zwar hatte man sich nicht um ein «paar Hunderttausenden» vertan, sondern um Milliarden von Franken. Doch nicht nur der Umstand, dass Stimmberechtigte mit falschen Angaben im Abstimmungsbüchlein keine qualifizierten Entscheidungen treffen können, stellt infrage, wie intakt unsere Demokratie ist. Nach Enthüllungen zu Betrügereien bei kommerziellem Unterschriftensammeln für Initiativen müssen wir uns auch fragen, ob die Vorlagen, über die wir abstimmen, überhaupt hätten vors Volk kommen dürfen.

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Munter weiter aufrüsten und militarisieren

flo. Für manche Polizeikorps in der Schweiz kamen Weihnachten dieses Jahr verfrüht: Vor allem bei sogenannten Mehrfachwerfern darf sich die Schmier über neue Instrumente zur Einschränkung des Versammlungsrechts freuen.

Loser Finger, schlechte Augen, gemeines Grinsen hinter dem Visier versteckt: Für viele, die in der Schweiz an Demonstrationen oder nach Fussballspielen Gewalt durch die Polizei erlitten haben, dürfte das Bild von Demopolizist:innen nicht allzu positiv ausfallen.

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Unterschreiben!

sit. Weil der Bundesrat den westlichen Staaten mit Atomwaffen und ihren Verbündeten treu und hörig ist, hat er den UN-Atomwaffenverbotsvertrag bisher nicht unterschrieben. Eine im Juli lancierte Volksinitiative will dies ändern: Das UN-Abkommen soll unterzeichnet und ratifiziert werden.

TPNW steht für Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, auf Deutsch: Atomwaffenverbotsvertrag (AVV). Im Dezember 2016 nahm die UN-Generalversammlung eine Resolution an, den Vertrag auszuarbeiten. Die ausgearbeitete Fassung wurde am 7.Juli 2017 mit 122 Stimmen angenommen und trat am 22. Januar 2021 in Kraft.

Ein Armutszeugnis
Der UN-Vertrag verbietet unter anderem Entwicklung, Tests, Produktion, Transfer, Besitz, Einsatz sowie Androhung des Einsatzes von Nuklearwaffen. Das Abkommen verbietet auch die Unterstützung sowie die Ermutigung oder Veranlassung Dritter zur Unterstützung von Tätigkeiten, welche den Vertragsstaaten verboten sind. Weiter dürfen Vertragsstaaten nicht erlauben, dass Nuklearwaffen auf ihrem Territorium stationiert werden. Ferner enthält das Abkommen Verpflichtungen zu Opferhilfe, Umweltsanierung infolge von Nukleartests sowie zum Einsatz von Nuklearwaffen und zur internationalen Zusammenarbeit in diesen Bereichen. Ziel des Vertrags ist eine Welt frei von Atomwaffen. Der TPNW markiert somit einen Paradigmenwechsel hin zu einem Verbot von Atomwaffen und ist ein Schritt hin zu einer möglichen Zukunft ohne Atomwaffen.
Die Schweiz hat den Vertrag nicht unterschrieben. Dies soll sich aber ändern. Im Juli hat ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die eidgenössische Volksinitiative «Für den Beitritt der Schweiz zum Vertrag der Vereinten Nationen über das Verbot von Atomwaffen (Atomwaffenverbots-Initiative)» lanciert. Sie fordert den «Beitritt» und die «Ratifizierung» des Atomwaffenvertrags durch die Schweiz. Dass es eine Initiative braucht, um die Landesregierung zu zwingen, dieses UN-Abkommen zu unterzeichnen, ist ein Armutszeugnis für das Land, ja, eine Schande.
Dem ein Ende zu setzen, liegt nun in den Händen des Schweizer Volks. Die Chancen dazu sind vorhanden. Davon zeugt auch die Petition der Schweizerischen Friedensbewegung (SFB), die bereits im Februar dieses Jahrs dem Bundesrat überreicht wurde. Sie forderte genau das gleiche wie die Initiative und wurde von knapp 5000 Menschen unterschrieben.

Das Nein der Schweiz
Doch, warum unterzeichnet die Schweiz den Vertrag nicht? Was hindert sie daran? Die Antwort besteht aus vier Buchstaben – und dies nicht erst seit gestern. Bereits im Februar 2017 ersuchte der damalige SP-Nationalrat (heute Ständerat) aus Genf, Carlo Sommaruga den Bundesrat in einer Motion auf, «so schnell wie möglich den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen und diesen umgehend dem Parlament zur Genehmigung für die Ratifikation vorzulegen». In seiner Antwort laberte die Bundesregierung zuerst vor, «das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt» zu teilen. Und hielt auch fest: «Das Nuklearwaffenverbot stellt einen Schritt in diese Richtung dar.» Einen Schritt, den die Schweiz aber nicht tun wollte. So schrieb der Bundesrat: «Die Erreichung des Ziels dürfte aber dadurch erschwert werden, dass die den Verhandlungen ferngebliebenen kernwaffenbesitzenden Staaten sowie deren Verbündete dem Vertrag in absehbarer Zukunft nicht beitreten werden.»
Dann geschah fünf Jahre lang praktisch nichts. Bis FDP-Nationalrat Josef Dittli im Juni 2022 in einem Postulat die Regierung aufforderte, über «die aussen- und sicherheitspolitischen Folgen eines Beitritts der Schweiz zum Kernwaffenverbotsvertrag (TPNW) Bericht zu erstatten.» Insbesondere solle «auch auf die Veränderung der Ausgangslage durch den Krieg in der Ukraine eingegangen werden». Der Bundesrat stimmte dem Postulat zu und gab den Bericht in Auftrag. Mehr noch, in seiner Antwort auf das Postulat lässt er so quasi die Katze aus dem Sack. Es bedürfe «einer ganzheitlichen und zukunftsorientierten Betrachtung vor einer möglichen Ratifizierung des Vertrags», schreibt die Landesregierung. So müssten die Auswirkungen des TPNW auf «die künftige Sicherheitsarchitektur Europas und der Schweiz ganzheitlich in Betracht gezogen werden». Und, der wohl springende und wichtigste Punkt für die Regierung: «Zudem müssen die Folgen eines Beitritts der Schweiz auf eine mögliche künftig engere Zusammenarbeit mit der Nato abgeklärt werden.»

Ein Ja, das gleichzeitig ein Nein ist
Wie zu erwarten war, führte der Bericht nicht zu einem Stimmungswandel innerhalb der Regierung. Im Gegenteil: Ausgehend vom Bericht sei der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass «es derzeit keinen Bedarf für einen Richtungswechsel gibt, und er dem TPNW im Moment nicht beitreten wird», informierte die Landesregierung am 27.März. Sie sei überzeugt, dass «ein Beitritt im gegenwärtigen internationalen Umfeld, in welchem mit einem neuen Krieg in Europa sicherheitspolitische Aspekte wieder in den Vordergrund gerückt sind, nicht im Interesse der Schweiz liegt». Auch sei die Wirkung des TPNW gering. Grund dafür sei, dass «die Kernwaffenbesitzer und die mit ihnen verbündeten Staaten ihm bisher nicht beigetreten sind», informierte der Bundesrat. Und diesen «Kernwaffenbesitzern» und «verbündeten Staaten» will die Schweizer Regierung hörig bleiben.
Die Schlussfolgerung ist einfach: Der Bundesrat will den Atomwaffenverbotsvertrag nicht unterschreiben, um sich nicht selbst einen Stein auf dem Weg zur Nato zu legen. So ist ein Ja zur Initiative gleichzeitig auch ein Nein zum Beitritt der Schweiz ins westliche Kriegsbündnis.

Absurde Vorwürfe abgewiesen

lmt. Am 17.Juli hat das Bezirksgericht Dielsdorf alle Angeklagten der Rümlanger Waldbesetzung vom Vorwurf des Verstosses gegen das Waldgesetz freigesprochen. Das Urteil zeigt, dass die Anschuldigungen willkürlich, nicht zu beweisen waren und zu einem Chilling-Effekt beitragen sollten.

Ein acht Hektar grosses Waldstück mit über 1000 Bäumen soll in Rümlang abgeholzt werden, um eine Bauschuttdeponie zu erweitern.

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Ungenügende Note

dom. Der vom Zürcher Regierungsrat neu definierte Berufsauftrag für Lehrpersonen verspricht nur auf den ersten Blick Verbesserungen für das Schweizer Bildungswesen. Einmal mehr wird deutlich: An einem umfassenden Wandel des Bildungssystems führt kein Weg vorbei.

Die Sommerferien haben begonnen und somit auch die üblichen Diskussionen um den Lehrkräftemangel und den leidigen Zustand unseres Bildungswesens. » Weiterlesen

Imitieren! Sofort!

sah. Kunst ist eine todernste Sache… und nur Erwachsene können das? Nein! Spass muss es machen und keine:r ist zu klein, um dabei zu sein. Alles beginnt mit Inspiration und Nachahmung und mündet in Ideenvielfalt und eigene Projekte.

Da spricht mir jemand aus dem Herzen mit der Aussage: «Für Kunst ist es nie zu früh». Heute laufen entsprechende Bücher für Kinder eher unter dem Motto: «Lieber später oder nie».

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Von wegen «Lebenswerk»

flo. Bürgerliche Propaganda und Polemik laufen aktuell auf Hochtouren. Unter allen Umständen will man die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso Schweiz bodigen. Aber auch von der eigenen Mutterpartei kommen fadenscheinige Einwände gegen das Vorhaben der Jungsozialist:innen.

Man würde sich wie in einem falschen Film wähnen, wüsste man nicht, dass das Sommerloch teilweise seltsame Blüten treibt. So geschehen, als Peter Spuhler, Milliardär, ehemaliger SVP-National- und -Ständerat für den Thurgau, sowie CEO der Stadler Rail AG, ankündigte, dass er das Land verlassen würde, wenn die Schweiz eine Erbschaftssteuer einführen würde. Man ist fast versucht, ihm mitzuteilen, dass er nicht an einem Flughafen ist und drum seinen Abflug in irgendein noch abstruseres Steuerparadies als die Schweiz nicht derart unüberhörbar ankündigen muss.

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Grundrechte statt Diskriminierung

So faszinierend sie auch sein mag: Die Künstliche Intelligenz birgt auch Gefahren. Bild: Andy Kelly / unsplash

So faszinierend sie auch sein mag: Die Künstliche Intelligenz birgt auch Gefahren. Bild: Andy Kelly / unsplash

sah. Mit einem Appell wird der Bundesrat aufgefordert, künstliche Intelligenz (KI) zu regulieren und mehr Schutz vor Diskriminierung durch Algorithmen zu schaffen, die bestehende Ungerechtigkeiten u?bernehmen. Grundrechte der Menschen sollen oberste Priorität haben.

Wird etwas neu erfunden, muss man immer aufpassen. Neue Möglichkeiten bergen auch Möglichkeiten für Missbrauch. Bereits heute beeinflussen Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) Bereiche unseres Lebens stark. Diese Werkzeuge werden vielfältig eingesetzt, um beispielsweise Leistung am Arbeitsplatz zu messen, Inhalte auf Social Media anzuzeigen, Kreditwürdigkeit einzuschätzen, Straffälligkeit vorherzusagen oder staatliche Leistungen zuzuweisen. » Weiterlesen

BVG-Bschiss stoppen!

sit. Mehr bezahlen für weniger Rente. Dies droht den Arbeiter:innen in der Schweiz mit der BVG-Reform, die am 22.September zur Abstimmung kommt. Anfang Juli hat ein breites Bündnis rund um den Schweizerischen Gewerkschaftsbund den Abstimmungskampf lanciert.

Zuerst behauptet das Bundesamt für Sozialversicherung auf seiner Website Folgendes: «Die Reform geht das Finanzierungsproblem an, das durch die höhere Lebenserwartung und die tieferen Erträge auf dem Altersguthaben entsteht.» Nicht erwähnt wird, in welchem Interesse das angebliche Finanzproblem gelöst werden soll. Dann kommen die Fakten: «Dazu wird der Umwandlungssatz in der obligatorischen beruflichen Vorsorge von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent gesenkt.». » Weiterlesen

Tödliches Wetter, tödliche Politik

lmt. Am 5.Juli fand in Zürich ein spontaner Klimastreik statt. Denn das Unwetter im Alpenraum, das Verwüstung und Todesopfer hinterliess, zeigt einmal mehr: Es braucht eine radikale Kehrtwende in der Klimapolitik, die aber niemals vom bürgerlichen Lager vollzogen werden wird.

Anfang Juli tobte ein schreckliches Unwetter in der Alpenregion. Innerhalb weniger Stunden fielen riesige Mengen Regenwasser vom Himmel. Die Wassermengen rissen Erde und Steine mit sich und zerstörten in den Tälern Gebäude und Strassen, Menschen kamen dabei ums Leben. Die Bilder der Verwüstung sind uns allen noch präsent.

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Wo Unrecht zu Recht wird…

Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

sit. Sollen Asylbewerber:innen statt Bargeld eine Bezahlkarte bekommen? So weit ist es bislang nicht – aber wir befinden uns auf direktem Weg dazu, denn auf Kantons- und Bundesebene wurden Vorstösse dazu eingereicht.

«Wir ersuchen den Regierungsrat, dass er die Einführung eines Bezahlkartensystems als Ersatz für die aktuelle Praxis der finanziellen Unterstützung von Asylsuchenden und abgewiesenen Asylbewerbern vorsieht», ist in der Motion der beiden Zürcher Kantonsrätinnen Christina Zurfluh Fraefel (SVP) und Linda Camenisch (FDP) vom 26.Februar zu lesen. Konkret: Asylbewerber:innen sollen statt Bargeld eine Zahlkarte bekommen, mit der sie in ein paar wenigen Geschäften einkaufen können.

Absurd und verlogen
Immerhin hat der Zürcher Kantonsrat an seiner Sitzung vom 24.Juni das Vorhaben abgelehnt. Doch bereits der Blick auf das Abstimmungsresultat im Rat zeigt, wie breit solche rassistischen Vorhaben abgestützt sind: 77 Parlamentarier:innen, heisst 45 Prozent, stimmten der Motion zu, 94 lehnten sie ab. Die Ja-Stimmen kamen aus den Reihen der SVP und der FDP. Von der SVP kennt mensch nichts anderes. Dass sich jedoch die Zürcher FDP auf ein so tiefes, rassistisches Niveau hinunterlässt, ist ein Armutszeugnis sondergleichen für die einst so stolze Vertreterin einer liberalen Gesellschaft. So drängt sich die schon fast beängstigende Frage auf: Würde der Vorschlag einer «Zahlkarte für Asylant:innen» in Form einer Volksinitiative an der Urne scheitern oder angenommen werden?
Die Begründung der beiden bürgerlichen Frauen liest sich absurd und verlogen. Gleichzeitig ist sie ein Bilderbuchbeispiel dafür, wie der Rassismus geschürt und gefüttert wird. «Die Einführung einer solchen Bezahlkarte bekämpft Schlepperkriminalität und senkt Anreize zur illegalen Migration», behaupten die beiden Unterzeichnerinnen der Motion. Und weiter: «Die Karte bietet eine sichere und würdevolle Art, eine Unterstützung sicherzustellen und gleichzeitig Missbräuche zu verhindern.»

Neun Franken pro Tag
Was den beiden Unterzeichnerinnen der Motion besonders stört, ist «die finanzielle Unterstützung, die die westliche Welt Asylmigranten gewährt». Diese werde «in grossem Umfang dazu missbraucht, in die lokale Wirtschaft der Herkunftsländer zu fliessen.» Solche Zahlungen würden «bis zu zehn Prozent des BIP einiger Herkunftsländer» ausmachen, wird behauptet. Ein Herkunftsland ist zum Beispiel Afghanistan. Das BIP, also das Bruttoinlandprodukt, betrug im Jahr 2022 14,9 Milliarden US-Dollar. Zehn Prozent entsprechen demnach 1,49 Milliarden US-Dollar, rund 1,35 Milliarden Franken. Doch, was meinen Christina Zurfluh Fraefel und Linda Camenisch aber genau? Dass alle afghanischen «Asylmigranten in der westlichen Welt» 1,35 Milliarden Franken in die «lokale Wirtschaft» des Heimatlands verschieben? Falls dem so sein sollte, was stark zu bezweifeln ist, würde der Beitrag aus der Schweiz sehr bescheiden ausfallen: Weggewiesene Asylsuchende in Rückkehrzentren erhalten neben Sachleistungen neun Franken pro Tag für den Lebensunterhalt. Bei Asylsuchende in kantonalen Durchgangszentren sind es 15.65 Franken pro Tag, wobei die Auszahlung alle zwei Wochen erfolgt. So muss selbst die Stellungnahme des Regierungsrats des Kantons Zürich festhalten: «Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Beträge ausreichen, um Zahlungen an Schlepper oder ins Herkunftsland vorzunehmen.» Fakten spielen aber für Zurfluh Fraefel und Camenisch keine Rolle. Vielmehr soll mit ihrem Vorstoss die Vorstellung gefüttert werden, dass unser Schweizer Geld, also unsere so gut gemeinte Hilfe missbraucht und wir von Asylbewerber:innen ausgenutzt werden. So lautet seit Jahrzehnten die Propaganda der SVP, die sie zur stärksten Partei im Lande macht – traurig, aber wahr.

Kommen alle zu uns?
In der Motion wird darauf hingewiesen, dass einige deutsche Landeskreisen eine Bezahlkarte für Asylbewer-ber:innen eingeführt haben. Darauf bezieht sich auch der SVP-Nationalrat Mike Egger aus dem Kanton St.Gallen in seiner Interpellation an den Bundesrat, die er Ende Februar eingereichte. Egger, der unter anderem Co-Präsident des Vereins «Sichere Grenzen im Rheintal (SGiR)» ist, hält fest: «Die Rückmeldungen der deutschen Behörden zeigen, dass beispielsweise abgewiesene Asylbewerber, die vorher Sozialhilfe in bar bezogen hatten, auf die Bezahlkarte verzichteten und ausgereist sind, da sie offensichtlich nicht auf Unterstützung angewiesen waren.» Beweise dafür nennt er nicht. Als guter Patriot, der die Schweizer Grenzen schützen will, hat er andere Sorgen: Die geplante flächendeckende Einführung der Bezahlkarte in Deutschland könne dazu führen, dass «Personen des Asylbereichs in die Schweiz ausweichen, wo sie weiterhin über Bargeld verfügen können.» Deshalb gäbe es bereits «in einigen Kantonen Bestrebungen, Bezahlkarten einzuführen», womit sich der Kreis mit der Motion im Zürcher Kantonsrat wieder schliesst.

…ist Widerstand Pflicht
Wie bereits erwähnt, hat das Zürcher Parlament die Motion von Christina Zurfluh Fraefel und Linda Camenisch abgelehnt. Auch der Bundesrat hält (noch?) nichts von einer Bezahlkarte, wie er in seiner Antwort auf die Interpellation von Egger festhält. Doch weder die Kantonsregierung in Zürich noch die Landesregierung in Bern lehnen den Vorschlag aus humanitären Gründen ab. So sucht mensch etwa das Wort «Menschenwürde» in beiden Antworten vergeblich. Der Zürcher Regierungsrat hält fest, dass die Einführung einer Bezahlkarte «keinen Mehrwert» bringen würde. Sie kommt zum Schluss: «In jedem Fall dürfte die Umsetzung administrativ aufwendig und mit hohen Kosten verbunden sein, die in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen dürften.» Und hingewiesen wird darauf, dass «sowohl der Kanton als auch die Gemeinden bereits heute gestützt auf die geltenden Rechtsgrundlagen Bezahlkarten als Unterstützungsform einführen» können. Wetten, dass dies eher früher als später der Fall sein wird? Aber wo Unrecht zu Recht wird, ist Widerstand Pflicht!

Neofaschist:innen mit schlechtem Wochenende

Halte deine Umwelt sauber!

flo. Gleich zweimal fanden Veranstaltungen von Neofaschist:innen am 22. Juni in der Schweiz nicht so statt, wie es sich die Rechten wohl erhofft hatten. Den einen wurde von Antifaschist:innen der Tag vermiest, den anderen von Polizei.

Am 20.Juni hatte der Thurgau auch noch seinen eigenen Sylt-Skandal mit besoffenen Partygängern, die sich dabei filmen lassen, wie sie zu Gigi D‘Agostino Lied «L‘amour toujours» rassistische Parolen brüllen und obendrauf den Hitlergruss machen.

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Die liberalen Bildungsfachleute

dom. Kürzlich hat die FDP mit einem Positionspapier zur Bildung von sich reden gemacht. Wenig überraschend: Die Mischung aus wert-konservativen und wirtschaftsliberalen Standpunkten vermag kein einziges Problem zu lösen.

Unser Freisinn weiss, dass die Volksschule für «die Wirtschaft und den Erfolg der Schweiz von allergrösster Bedeutung» ist. Ja, eine leistungsstarke Wirtschaft verlangt nach gut ausgebildetem Nachwuchs, Schule bedeutet Ausbildung, Ausbildung heisst Zuschneiden unserer Kinder auf den Arbeitsmarkt. Doch jetzt sieht die FDP den Nachschub an qualifizierter Arbeitskraft gefährdet: Gemäss PISA-Studie hat heute rund ein Viertel der Schweizer Schüler:innen Schwierigkeiten mit den eigenen Landessprachen und stosse in der Schule an ihre Grenzen.

Mehr Wettbewerb und Leistung
Die FDP will Schluss machen mit dem «gescheiterten Projekt» namens «integrativer Schule» und offenbart darin ihren Sparwillen und ihr den Wunsch nach mehr Wettbewerb. Im Gespräch mit dem Tagesanzeiger meint FDP-Präsident Thierry Burkart: «Die hohe Anzahl Fachpersonen bringt Unruhe in die Klassenzimmer. Und die vielen Abklärungen und Therapien führen zu einer Pathologisierung der Kinder. Wir müssen uns als Gesellschaft wieder damit befassen, dass wir alle unterschiedlichen Stärken und Schwächen haben – und das in Ordnung ist. Wichtig ist, dass die Kinder Selbstvertrauen aufbauen können.»
Also Schluss mit «Gleichmacherei», Schluss mit der Finanzierung überflüssigen Fachpersonals. «Leistung» soll wieder im Vordergrund stehen – und sie soll sich auszahlen. Das wird auch deutlich in dem einen Punkt des Positionspapiers, bei dem es wirklich um was geht: Unter dem treu liberal gesetzten Titel «Leistung muss sich lohnen» präsentiert die FDP ihre Überlegungen zum akuten Fachkräftemangel: Es brauche Anreize und Strukturen, damit Lehrpersonen ihre Pensen erhöhen. Dazu zählt sie «unterstützende Schulleitungen, heterogene Klassenzusammensetzungen zur Vermeidung hoch belasteter Klassen innerhalb einer Schule, Weiterbildung in der unterrichtsfreien Zeit, um die Schulwochen nicht zusätzlich zu befrachten, sowie die Vermeidung von Belastungsspitzen während der Schulwochen». Ausserdem fordert die FDP «steuerliche Anreize, die Vollzeitarbeit unterstützen und nicht bestrafen, sowie die Einführung der Individualbesteuerung».
Mehr Arbeiten statt mehr Ressourcen
Die Kritik an tiefen Pensen ist nicht neu: Bereits vor zwei Jahren wollte die aargauische FDP Mindestpensen vorschreiben. Bis dahin sollen es also staatlich gesetzte Anreize lösen. Das könnte nach hinten losgehen: Da die Lehrkräfte in erster Linie aufgrund starker Überbelastung in tiefere Pensen geflüchtet sind, hätte ein Zwang zu höheren Pensen wohl ein weiteres Verheizen der noch vorhandenen Lehrkräfte zur Folge. «Unterstützende Schulleitungen», «Vermeidung von Belastungsspitzen» und ähnlich schwammige Formulierungen sollen nur kaschieren, dass die FDP keinesfalls mehr Geld für die Bildung sprechen will.
So lautet das simple Credo der FDP: Mehr Arbeiten. Die Lehrkräfte ächzen unter dem zunehmend belastenden Schulalltag, den sie infolge von Sparmassnahmen mit immer weniger Mitteln bewältigen müssen und unser liberaler Bildungsökonom Thierry Burkart meint: Mehr Arbeiten. Dass tiefe Pensen nicht nur Stress reduzieren, sondern auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen, muss Thierry im Gespräch mit dem Tagesanzeiger zwar eingestehen – Vereinbarkeit sei für ihn wichtig, sie dürfe aber «nicht auf Kosten des Gesamtsystems gehen».

Mehr Schweiz, weniger Ideologie
Ansonsten fordert das Programm, was es zur reibungslosen Beurteilung der Schüler:innen braucht: Schulnoten, Erstsprache als Priorität, Respekt im Schulzimmer, weniger Bürokratie – und natürlich: «Weniger Ideologie». Heute würden in den Schulen «fragwürdige Ideologien und woke Weltanschauungen verbreitet». Als Beispiele führt Thierry Burkart an, dass, in offiziellen Lehrmitteln «Werbung für die Gewerkschaft Unia gemacht», oder «Alfred Escher als direkter Profiteur der Sklaverei» bezeichnet werde.
Da präsentiert sich leider auch Thierry nicht gerade als Ergebnis einer gelungenen Schulbildung. Dass Escher in Sklaverei-Geschäfte verwickelt war, ist gesichertes historisches Wissen. Und Heranwachsende auf gewerkschaftliche Organisationen aufmerksam zu machen, muss nicht zwingend als kommunistische Propaganda abgetan werden. Man könnte es auch verstehen als Vorbereitung auf eine Arbeitswelt, in der man sich als Lohnabhängige:r für die Durchsetzung ihrer/seiner Rechte kämpferisch organisieren muss – auch eher eine historische Lektion als eine «fragwürdige Ideologie».

Vom Sponsoring bis zum Schulfest
In Wahrheit sind es nicht linke Standpunkte, die ins Schulzimmer drängen, sondern private Interessen und damit bürgerliche Positionen – und zwar als Folge einer Politik, welche die FDP weitertreiben will. Die seit der neoliberalen Wende drastisch gekürzten Mittel haben eine chronische Unterfinanzierung des Schulsystems bewirkt. Dies manifestiert sich nicht nur in tiefen Löhnen, Lehrkräftemangel, Abbau der Schulsozialarbeit und so weiter – sie leistet auch privaten Anbietern von Bildungsinhalten Vorschub. Das schulische Engagement von Unternehmen erstreckt sich von Sponsoring von Schulfesten über die Produktion und Verteilung von Lehr- und Lernmaterialien, bis hin zu Angeboten von Lehrkräfteweiterbildungen. Weil es den Schulen an der nötigen finanziellen Ausstattung fehlt, werden diese Angebote gerne angenommen.

Gegen die eigenen Interessen?

sit. Der Berufsverband der Pfleger:innen zieht sich aus einem zentralen Ausbildungsangebot in der Westschweiz zurück. So haben nur noch jene das Sagen, die für liberale Rahmenbedingungen mit unternehmerischer Freiheit einstehen.

«H+ Die Spitäler der Schweiz ist ab sofort alleiniger Aktionär des Bildungszentrums Espace Compétences (EC).

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