Nein zur Erhöhung des Rentenalters für Frauen*

Wenig überraschend stimmte der Nationalrat am 9. Juni der Erhöhung des Frauen*rentenalters zu. «In ihrer ganzen Geschichte kämpfte die Partei der Arbeit für sichere und solidarische Renten. Wir werden es auch dieses Mal tun», kommentiert Gavriel Pinson, Präsident der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS), den Entscheid. Er fügt hinzu: «Ich bin sicher, dass eine breite Front fortschrittlicher Kräfte das Referendum gegen diesen erneuten Versuch eines Sozialabbaus auf dem Buckel der Frauen* ergreifen wird. Uns erwartet ein harter Kampf.» » Weiterlesen

Auf zum Frauen*streik 2021

sit. Am 15.Mai trafen sich virtuell 130 Personen der feministischen Streikbewegung virtuell, um den diesjährigen 14.Juni 2021 vorzubereiten. Geplant sind landesweite, vielfältige Aktionen. Darunter ist auch ein Warnstreik von 30 Minuten bereits am 7.Juni gegen die laufende AHV-Revision geplant.

«Wahre Gänsehaut-Momente» seien es gewesen, als die kraftvollen Videos vom 14.Juni 2019 am virtuellen Treffen der nationalen Streikkoordination vom 15.Mai gezeigt wurden. So zu lesen in der Medienmitteilung der nationalen Koordination des feministischen Streiks.

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Ein Aktionsplan gegen häusliche Gewalt

Huguette Junod. Lange hat es gedauert, doch jetzt geht es vorwärts im Kampf gegen die häusliche Gewalt. Angeführt von Bundesrätin Karin Keller-Sutter wurde am 30.April ein erster Schritt in Richtung eines gemeinsamen Wegs gemacht, um die Opfer besser schützen zu können. Doch der Weg ist noch lang.

Endlich, sagen wir uns, bei der Ankündigung des nationalen Aktionsplans gegen häusliche Gewalt. Lange wurde das Problem verneint, der Staub unter den Teppich gekehrt, damit alles «sauber und ordentlich» bleibe. Doch die Statistiken holen auch die Blinden und Tauben ein: Ja, auch in der Schweiz gibt es Sexismus ebenso wie Inzest, Belästigung, Vergewaltigung, eheliche Gewalt…

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(Traurige) Rekordzahlen

sit. Die Fachstelle «Frauenhandel und Frauenmigration» konnte im Jahr 2020 mehr als 1000 Menschen unterstützen, die schon vor der Pandemie in prekären Situationen lebten. Die Corona-Pandemie verschärfte ihre Situation nochmal massiv.

«In aller Deutlichkeit zeigte sich, wer zu den Verletzlichsten unserer Gesellschaft gehört», schreibt die «Fachstelle für Frauenhandel und Frauenmigration» (FIZ) aus Zürich in ihrer Medienmittelung vom 17.Mai anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts 2020. Geschäftsführerin Lelia Hunziker unterstreicht dabei: «Wer wenig hatte, dem nahm die Pandemie alles: Rechte, Würde, Obdach.»

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«Es geht um Macht und Kontrolle»

Andreas Boueke. Eine Richterin an einem Strafgericht soll unabhängig und objektiv Recht sprechen. In einem von Korruption, Machismo und Gewalt geprägten Land wie Guatemala ist das schwierig und gefährlich. Yassmin Barrios und Erika Aífán gehören zu einer kleinen Gruppe Richter*innen, denen besonders gefährliche Prozesse gegen einflussreiche Personen, oft Männer, zugeordnet werden.

Eine Frau aus dem Mayavolk der Ixil kam in den Zeugenstand, um ihre Aussage zu machen. Sie erzählte von einer Nacht, in der Soldaten der Armee ihr Dorf überfallen hatten. Sie war in den Wald geflohen, mit ihrem Sohn auf den Armen, den sie einen Monat zuvor zur Welt gebracht hatte. Das Baby hörte nicht auf zu weinen. Sie legte ein Tuch über sein Gesicht, damit das Wimmern nicht mehr zu hören war. Es hätte sie verraten können.

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Erste Frau auf dem Matterhorn

sah. 2021 jährt sich die Erstbesteigung des Matterhorns durch die Britin Lucy Walker zum hundertfünfzigsten Mal – die erste Frau auf dem Matterhorn. Das «Matterhorn Museum» zeigt Frauen*geschichte.

Im Juli 1871 kletterte die Britin Lucy Walker als erste Frau aufs Matterhorn. Diese besondere Leistung wird 150 Jahre später in Zermatt in Form einer Ausstellung gewürdigt – vor Ort und von zuhause aus. Das Thema der mutigen Alpinistin passt auch gut zum 50-jährigen Jubiläum des Frauen*stimm- und Wahlrechts in der Schweiz, das im gleichen Jahr gefeiert wird.

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Macht, Geld, Zeit und Raum

sah. Das Careona-Manifest vom feministischen Streikkollektiv Basel ist zwar schon ein Jahr alt, doch ist es aktueller denn je, denn es hat sich nichts verändert. Das Manifest zeigt auf, welche gesellschaftliche Veränderungen dringend notwendig sind.

Das feministische Streikkomitee Basel verfasste am 25.Mai 2020 das Careona- Manifest und veröffentlichte es auf ihrer Seite frauenstreik-bs.ch. Sie schrieben dazu: «Wir haben es geschafft, unser Careona-Manifest ist online.» Mit dem Careona-Manifest will das Kollektiv eine Diskussion anstossen. In der Corona-Zeit werden Missstände nur verschärft – die Lösung ist eine Neuverteilung von Zeit, Macht, Geld und Raum. Was damit gemeint ist, listete das Kollektiv im Manifest auf.

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Sexualstrafrecht mit Konsensprinzip

sah. Zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen machen sich für ein zeitgemässes Sexualstrafrecht stark. Gefordert wird die Revision des Strafgesetzbuchs, denn der sich gegenwärtig in der Vernehmlassung befindliche Gesetzesentwurf genügt den Anforderungen nicht.

Das Schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) stellt Sexualdelikte unter Strafe. Die Vergewaltigung mit dem Art. 190 StGB sowie die sexuelle Nötigung mit dem Art. 189 StGB sind in der geltenden Rechtsordnung als Nötigungsdelikte ausgestaltet. Als «Vergewaltigung» gilt, wenn eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs genötigt wird.

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Ausgestellt statt gleichgestellt

unkuratierbar. Wir sind ein Historikerinnen-Kollektiv aus Zürich. Wir versuchen aus feministischer Perspektive öffentlich Geschichte zu betreiben. Dabei
sehen wir uns mit der Frage konfrontiert: Wie stellt man eine Ausstellung
ohne Lohn, Fördergelder und institutionelle Anbindung auf die Beine?

Die Auswahl von Inhalten und das Herstellen bestimmter Erzählungen über das Vergangene ist politisch aufgeladen. Das ist keine neue Erkenntnis, für die Reflexion unserer Arbeit aber zentral. » Weiterlesen

Brava!

sah. Neues Gewand und alte Ziele: Brava fährt da weiter, wo Terre des Femmes Schweiz aufgehört hat. Das heisst im Kampf gegen Gewalt an Frauen* und Sexismus in der Schweiz. Gegen Rape Culture! Gegen sexualisierte Gewalt!

Die schlechte Nachricht: Terre des Femmes Schweiz ist tot. Die gute Nachricht: es lebe Brava! Terre des Femmes Schweiz tritt neu als Brava auf. Brava ist eine spendenbasierte, nicht profitorientierte NGO mit der Vision, dass eine gerechte Gesellschaft, in der alle Menschen – unabhängig von Geschlecht – gewaltfrei und selbstbestimmt leben, möglich ist.

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Erneut nur Lippenbekenntnisse?

sah. Der Bundesrat hat die Gleichstellungsstrategie 2030 verabschiedet. Ziel ist es, die Gleichstellung der Geschlechter gezielt zu fördern. Die Strategie konzentriert sich inhaltlich auf vier zentrale Themen. Doch, was taugt der Vorschlag der Regierung wirklich?

Seit der Einführung des Frauen*stimm-rechts vor 50 Jahren machte die Schweiz bezüglich Gleichstellung zwar einige Fortschritte, vollständig erreicht ist sie allerdings noch nicht. Lücken wurden beispielsweise am Frauenstreik 2019 ausformuliert. Jetzt hat auch die Regierung gemerkt, dass Gleichstellung in der Schweiz noch in weiter Ferne liegt.

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Anna-Göldi-Platz

sah. Den Bullingerplatz in Zürich soll es nicht mehr geben. Neu heisst der Ort mitten im Kreis 4 neben einer reformierten Kirche «Anna-Göldi-Platz» und ist Mahnmal der früheren Hexenverfolgung und der Femizide, die in der Schweiz verübt werden.

In der Nacht vom 30.April auf den 1.Mai 2021 geschah es: Der Bullingerplatz im Zürcher Kreis 4 wurde zum Anna-Göldi-Platz. Aktivist*innen feierten hier Walpurgisnacht. Bekannt ist der Kleriker Heinrich Bullinger als Reformator und führender Theologe des Protestantismus im 16.Jahrhundert. Fast 50 Jahre lang war er in Zürich in der reformierten Kirche tätig. Viele wissen aber nicht, dass Bullinger 1571 die Schrift «Wider die Schwarzen Künste» verfasste, worin er für die Todesstrafe bei «Hexen» plädiert.

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Der Hölle entkommen

Sevin Satan. Nach jahrelanger Folter, die sie erleiden musste, tötete Yasemin in Notwehr ihren Ehemann, um ihr Kind und sich zu schützen. Yasemins Geschichte ist kein Einzelfall. Sie ist jedoch europaweit die erste Frau, die nach einem solchen Vorfall politisches Asyl bekommt. Der vorwärts sprach mit ihr.

Alles begann, als Yasemins Familie beschlossen hatte, es sei für sie an der Zeit zu heiraten. Gleich nach der Verlobung begann der Horror: Sie durfte nicht mehr arbeiten und hatte kaum noch Kontakt zur Aussenwelt. Kurz darauf kam die Hochzeit und mit ihr die häusliche Gewalt. Fast täglich wurde sie geschlagen, psychisch erniedrigt, angekettet, verbrüht, mit dem Messer verletzt und vieles mehr. » Weiterlesen

Notwendiger Protest

sah. Ein Aktivist stand Ende März 2021 vor Gericht, weil er am Protest gegen den «Marsch fürs Läbe» 2019 in Zürich teilgenommen hatte. Trotz schwacher Beweislage wurde er schuldig gesprochen.

Viele solidarisierten sich an diesem 26.März 2019 mit dem Angeklagten. Vor dem Gericht gab es eine Kundgebung. Eine Rede wurde gehalten und die Polizei führte mehrere Personenkontrollen durch. Später löste sich die Demonstration mit rund 40 Menschen wieder auf. Im Gebäude drin wurde der Aktivist trotz einer sehr schwachen Beweislage in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Auf der Seite barrikade.info schrieben Aktivist*innen: «Dies bestätigt, dass die Justiz eine patriarchale Klassenjustiz ist, wie sie in der Stellungnahme vor Gericht und auf der Strasse benannt wurde. Der Kampf geht weiter!»

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Wir wollen frei sein!

sit. Der Beitrag der Frauen* im Kampf für die Pariser Kommune ist von grosser Wichtigkeit und nicht nur, weil sie an vorderster Front auf den Barrikaden standen. Angetrieben wurden die Kommunardinnen vom Wunsch nach einer geschlechtergerechten Gesellschaft und der Liebe zur Freiheit und zur Revolution.

Paris, 18.März 1871: In der Morgendämmerung versuchen Regierungstruppen die Kanonen, die sich im Stadtteil Montmartre und im Besitz der Volksmiliz (die Nationalgarde), befinden, aus der Stadt zu schaffen. Es sind Frauen*, die Alarm schlagen. Sie sind – wie gewohnt – schon so früh auf den Beinen, um Nahrungsmittel zu organisieren. Die Frauen* stellen sich zwischen die Kanonen und die anrückende Armee. Sie verzögern so den Abtransport der Waffen und reden ins Gewissen der Soldaten.
Der Kommunard und Journalist Prosper-Olivier Lissagaray (1838 – 1901) schildert es 1876 in seinem Buch «Geschichte der Kommune von 1871» wie folgt: «Die Frauen gingen zuerst vor. (…) Sie umringten die Mitrailleusen und sprachen auf die Geschützführer ein: ‹Es ist eine Schande! Was macht ihr hier?› Die Soldaten schwiegen. Dann und wann sagte ein Unteroffizier: ‹Geht, gute Frauen, macht, dass ihr fortkommt!› Der Ton seiner Stimme war nicht rau, und die Frauen blieben (…) Eine grosse Menge von Nationalgardisten mit erhobenen Gewehrkolben, Frauen und Kinder stürmen durch die Rue des Rosiers vor. [General] Lecomte sah sich umzingelt, er befahl dreimal, das Feuer zu eröffnen. Aber seine Leute blieben Gewehr bei Fuss. Als die Menge näherkam, verbrüderten sie sich, und Lecomte und seine Offiziere wurden festgenommen.»

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Gewalt und Elend des Patriarchats

dab. Die bürgerliche Gesellschaft ist trotz Gendermode und Übersexualisierung feindlich gegenüber einer freien Sexualität, einer freien Wahl der sexuellen Neigung sowie der Geschlechteridentität und klammert sich an Diskriminierungen und starre Geschlechterrollen. Befreiung kann nur durch die Beseitigung von Patriarchat und Kapitalismus gelingen.

Eine Gruppe Jugendlicher neben mir im Bus. Die Mädchen sexy modisch angezogen, frisiert und geschminkt, die Knaben rustikal modisch. Ein Mädchen zeigt auf dem Handy ein Logo mit dem Kürzel LGBTIQ (Lesbian, Gay, Bi-, Trans-, Intersexual, Queer) auf Regenbogenhintergrund herum. Niemand weiss, wofür die Buchstaben stehen. Bisher habe ich mich aus dem Gespräch herausgehalten, verzichte aber nicht darauf, das Rätsel zu lösen. Darauf bricht die Verachtung der Jugendlichen hervor: «Ich hasse solche Leute», ruft eine Jugendliche empört. «Gott erlaubt das nicht», sagt einer und schlägt sich dabei wuchtig die Faust aufs Herz, «sie werden alle in der Hölle brennen!». Kritische Nachfragen und Bemerkungen zeigen keinen Effekt; ich denke, sind wir eigentlich im 21. Jahrhundert oder im finstersten Mittelalter, und bin froh, dass ich bei meiner Haltestelle angekommen bin und aussteigen kann.
Im Frühjahr protestierten 185 Schauspieler*in-nen mit einem viel beachteten Manifest im Magazin der «Süddeutschen Zeitung» gegen anhaltende Diskriminierung von LGBTIQ-Künstler*innen. Darin belegen sie mit ihren Erfahrungen, dass Homosexuelle, Bisexuelle und Transsexuelle in ihrem Beruf benachteiligt werden. Auch in Theater- und Filmproduktionen grassieren Unverständnis und Diskriminierung. Es beginnt bereits bei den Figuren in den Drehbüchern, bei denen meist mit Stereotypen und Klischees gearbeitet wird. Dazu kommt, dass ein als Schwuler bekannter Schauspieler darf oft keinen Ehemann und Vater darstellen, um ja nicht das Publikum zu beunruhigen oder zu schockieren. Eine lesbische Schauspielerin bekommt eher eine Rolle als harte Frau als als liebevolle Mutter.

Gedankenlosigkeit, Konformismus
Dieses durch die Aktion der 185 deutlich gemachte, vertuschte Problem kommt aus dem Patriarchat.Das heisst den ökonomischen, politischen und sozialen Machtstrukturen. Diskriminierungen wegen Herkunft, Sprache, Klassenzugehörigkeit, Geschlecht, Alter, Religion, Behinderung und sexueller Orientierung sind partriarchale Machtstrategien und Instrumente, um Konkurrent*innen im Wettbewerb zu deklassieren und auszuschalten – und um die Klassengesellschaft zu festigen.
Diskriminierungen sind Verletzungen der Grundrechte von Personen und Gruppen. Sie äussern sich in Ironie, Spott, Beleidigungen, institutionalisierter und manifester Gewalt. Diskriminierung ist tief verwurzelt und geschieht deshalb trotz ersten in Gesetzen festgehaltenen Diskriminierungsverboten und der medialen Beliebtheit des Themas. Diskriminierung wird im Alltag von vielen verdrängt und geschieht aus Gedankenlosigkeit und Konformismus. Je reicher und mächtiger man ist, desto besser kann man sich Diskriminierungen entziehen. Mit dem verbreiteten diskriminierenden Verhalten wird die Zahl der Nicht-Heteronormativen mit der Angst vor Blossstellung sowie vor sozialer und wirtschaftlicher Isolation tief gehalten. Bei der Diskriminierung der Frauen*, der Hälfte der Bevölkerung, kann die diskriminierte Bevölkerungsgruppe nicht kleiner, aber gefügiger gehalten werden. Die Gemeinsamkeit beider Bevölkerungsgruppen ist, dass Emanzipation und Gleichstellung mit enormem Aufwand verbunden sind, um die Diskriminierung und die eigene Verletzlichkeit in Schulen, bei der Arbeit und im Mietshaus, im Umgang mit Behörden und Medien einigermassen wett zu machen.
Sexarbeiter*innen leben heute oft möglichst diskret und in gesellschaftlicher Isolation, um sich vor Diskriminierung und Vertreibung zu schützen. Sexarbeit ist ein Massenphänomen, von Männern heimlich frequentiert. Es gibt Feministinnen, die Sexarbeiter*innen unterstützen, beraten und sie über ihre Rechte aufklären. Andere Feministinnen brauchen nicht den Begriff «Sexarbeit» und finden vehement, «Prostitution» müsse verboten und die Freiersbrut gebüsst werden, da «Prostituierte» ausgebeutet würden. Mit derselben Begründung müsste alle Arbeit im Kapitalismus verboten werden. In allen Berufen stürzt man sich auf die positiven Seiten der Arbeit und behauptet glücklich zu sein. Und blendet Wettbewerb, Entmündigung, Prostitution und Ausbeutung aus, arrangiert sich irgendwie damit und bezahlt einen hohen Preis für ein «ehrlich» erarbeitetes Erwerbseinkommen und soziale Akzeptanz.

Wichtiges Ventil verstopft
Die sich fortschrittlich und feministisch vorkommenden Moralist*innen müssen die Sexarbeit vielleicht bald nicht mehr verbieten lassen. Sie ist eingeschränkt und zeitweise verboten mit den strengen Hygienemassnahmen. Ein wichtiges Ventil für das Funktionieren der sexualrepressiven, patriarchalen kapitalistischen Gesellschaft wird damit immer wieder verstopft. Ein wichtiger Ausgleich für die neurotischen Beziehungen in den künstlichen, entfremdeten bürgerlichen Kleinfamilien-, Zweierkisten- und Arbeitsstrukturen fehlt. Die bereits vorhandene repressive Sexualmoral entfaltet sich unter diesen verschärften Bedingungen noch besser.
Die Menschen sind isoliert, Ausgang, Flirten, Liebesabenteuer, Parties, Open-airs und Sportveranstaltungen sind Schnee von gestern. Die Angst vor Ansteckung mit dem Killervirus dürfte sogar in Ehebetten grassieren. Also wird Sexualität noch stärker in die Virtualität des Web abgedrängt, Pornokonsum und Sexchats boomen – Business, Überwachung und Registrierung auch.

Klassenkampf und Umverteilung
Dringend nötige Zusatzeinkommen durch Sexarbeit im reichen Norden brechen in den stark ausgebeuteten Dritte-Welt-Ländern zeitweise weg. Diese Länder haben in der globalen Pandemie noch stärker als die reicheren Länder mit intensiviertem Klassenkampf von oben und beschleunigter Umverteilung nach oben zu kämpfen.
Erst wenn Kapitalismus und Patriarchat beseitigt und überwunden sind, wird Sexarbeit überflüssig und die von der Heteronorm abweichenden sexuellen Neigungen und Geschlechteridentitäten können offen, angstfrei und gleichberechtigt gelebt werden.

Repression wird nicht reichen

flo. Der Einsatz von brutaler Gewalt und juristischen Mitteln, um Aktivistinnen zu kriminalisieren, sollte den Kampftag der Frauen* dieses Jahr auflaufen lassen. Aber nur mit Repression werden die Herrschenden eine Idee, deren Zeit gekommen ist, nicht aufhalten können.

Es ist klar: Der Kampf für eine gleichberechtigte Gesellschaft emanzipierter Menschen ist noch lange nicht gewonnen. Umso wichtiger ist deshalb, dass in Kontexten wie dem Frauen*streik oder dem Frauen*kampftag vorwärts gemacht wird, die Kämpfe verbunden und auf die Strasse getragen werden. Während aber in Städten wie Liestal 10000 Menschen unter grossmehrheitlicher Nichteinhaltung der Covid-Massnahmen demonstrieren können, mussten Frauen*, die an ihrem Kampftag in Zürich auf die Strasse gingen und sich an die Covid-Verordnungen hielten, mit Faustschlägen und Festnahmen rechnen. Doch, nicht nur während des Frauen*tags selbst versucht die Staatsmacht mit Repression, den Widerstand zu brechen.

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Verhaftet eure eigenen Leute

flo. Nach dem abscheulichen Mord an der jungen Britin Sarah Everard diskutiert das Vereinigte Königreich über Gewalt an Frauen*. Dabei geht diese Gewalt oft von jenen aus, die eigentlich für den Schutz der Frauen* zuständig wären: Angeklagt des Mordes ist ein Londoner Polizist.

Sarah Everard war gerade mal 33 Jahre alt, als sie am 3.März auf dem Heimweg entführt und ermordet wurde. Sie hatte einen Freund in Südlondon besucht, wo auch sie selbst wohnte. Am 9.März, einen Tag vor dem Fund ihrer Leiche, wurde Wayne Couzens, ein Polizist der Londoner Metropolitan Police, verhaftet. Er war aufgefallen, da er sich drei Tage vor Everards Verschwinden vor einer Frau entblösst hatte. Der Vorfall wurde auf Kamera aufgezeichnet. Couzens wurde nicht suspendiert, seine Waffe, die er als Mitglied einer Spezialeinheit trug, die Botschafts- und Regierungsgebäude bewacht, konnte er behalten. Couzens war kein hundskommuner Streifentschugger, sondern – anders als viele britische Polizist*innen – berechtigt, im Dienst eine Waffe zu tragen.
Mittlerweile wurden gegen Couzens Anzeige wegen Entführung und Mordes gestellt. Doch die Metro Police hat nicht nur dabei versagt, einen Sexualstraftäter aus ihren Reihen zu entfernen. In kaum überbietbarem Zynismus haben die Kolleg*innen von Couzens ihren ganz eigenen misogynen Gewaltexzess veranstaltet.

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