sit. Am 24.November wählen die Stadtberner:innen ihr Parlament und ihre Regierung. Der PdA-Genosse Matteo Micieli will den Sitz im Stadtrat der Partei verteidigen. Der vorwärts sprach mit ihm.
Matteo, die PdA Bern zieht in den Wahlkampf mit der Frage: Wem gehört die Stadt? Warum gerade mit dieser Frage?
Die Stadt gehört uns allen. Den Arbeiter:innen, erwerbstätig oder nicht, den Familien, den Jungen und den Alten. Denen mit und denen ohne Schweizer Pass. Die Frage ist normativ zu verstehen: Wem sollte die Stadt gehören? Denn klar ist, dass immer mehr Leute aus dem Zentrum verdrängt werden. Das Leben wird teurer, die Stadt auch. Die Frage will diese Praxis hinterfragen und idealerweise in den Menschen, die mit dieser Frage dann konfrontiert werden, auch etwas auslösen: «Mir! Uns!». Denn die Frage kann auch anders beantwortet werden: Denen, die es sich leisten können. Den Reichen, den Bernburgern, den Häuserbesitzer:innen. Im Gemeinderat (Exekutive) der Stadt Bern sind beispielsweise nur diese Bevölkerungsgruppen vertreten. Wem gehört die Stadt, ist also eine Frage der Rückbesinnung: Nehmen wir sie uns zurück von denen, die schon zu viel haben.
Was sind die Hauptforderungen und die Ziele im Wahlkampf?
Wir haben drei Schwerpunktthemen: Care-Arbeit, Wohnen und Gratis-ÖV. Es ist auch hier wieder eigentlich die Frage, wem die Stadt gehört. Und unsere Antwort ist hier: Denen, die unbezahlt Hausarbeit leisten, Kinder betreuen. Denen, die kaum eine Wohnung finden in Bern, immer mehr aus dem Zentrum verdrängt werden. Denen, die den ÖV täglich nutzen, um von A nach B zu gelangen und dabei die steigenden Preise Mühe bereiten. Deshalb fordern wir fair ausgestaltete Arbeit für alle, sowie eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung von Care-Arbeit. Deshalb fordern wir Gratis-ÖV. Und deshalb wehren wir uns gegen die skandalösen Renditen im Immobilienmarkt. Wir fordern bezahlbare Mieten, mehr sozialen Wohnungsbau. Für eine Stadt, in der alle Menschen ein Zuhause finden können. Oberstes Ziel ist sicher der Sitzerhalt. Die PdA-Vertretung im Berner Stadtrat ist wichtig, das zeigt sich immer wieder. Es braucht eine kritische Stimme links vom tonangebenden RGM-Bündnis (RotGrünMitte). Idealerweise mit mehr als nur einer PdA-Vertretung im Berner Parlament. Wir wollen uns vor, während und nach den Wahlen für eine Veränderung der Gesellschaft engagieren.
Was kann eine PdA-Vertretung im Stadtrat bewirken?
Um zu sagen, was die PdA im Stadtrat bewirken kann, muss vielleicht zuerst die Frage beantwortet werden, was die Aufgabe der PdA im Stadtrat ist: Für Anliegen zu kämpfen, die wiederholt zu kurz kommen. Um darauf zu bestehen, dass wir nicht zu wenig Geld haben für eine soziale, solidarische und klimaverträgliche Politik. Das können wir nicht den Reformparteien überlassen. Da ein Gegenpol zu sein, das ist unsere Aufgabe. So bilden wir oft – zusammen mit der Alternativen Linken – das Zünglein an der Waage und gestalten den Diskurs mit. Mit Vorstössen, kritischen Voten und Debatten konnten und können wir immer wieder Themen setzen und die linke Mehrheit daran erinnern, für wen wir einstehen sollten. Das ist sehr wichtig, gerade in Bern.
Im März 24 hast du eine Motion zur Wohnpolitik eingereicht. Was fordert sie genau und wie ist der aktuelle Stand der Dinge dazu?
Mit diesem Vorstoss fordern wir eine soziale Wohnpolitik. Wir verlangen in Zeiten der Wohnungsnot eine zusätzliche Bewilligungspflicht für Sanierungen, Umbau oder Abbruch und Ersatzneubau, dass vorzeitige Sanierungen und preistreibende Renovationen von bezahlbaren Wohnungen nicht mehr bewilligungsfähig sind. Wir fordern einen Mietzinsdeckel und ein Rückkehrrecht nach Sanierungen. Insgesamt verlangen wir also einen Paradigmenwechsel in der Wohnpolitik der Stadt Bern, um den Wohnraum zugänglicher zu machen. Die Häuserbesitzer:innen und die Immobilienbranche haben viel zu viel Macht in der Schweiz und auch in der Stadt Bern. Die realen Mietkosten übersteigen die erwarteten Mietkosten Jahr für Jahr. Zwischen 2005 und 2021 sind die Mieten um 22,1 Prozent gestiegen, gemessen an allen relevanten Kostenfaktoren gemäss dem geltenden Mietrecht wäre jedoch eine Senkung des Mietpreisniveaus um 10,3 Prozent zu erwarten gewesen. Allein im Jahr 2021 kam es so zu einer ungerechtfertigten Umverteilung von Mieter:innen zu Vermietenden von 10,4 Milliarden Franken oder 26 Prozent der bezahlten Miete. Das ist ein riesiger Skandal. Und dagegen wollen wir uns mit dem Vorstoss wehren. Im September hat der Gemeinderat den Vorstoss dann beantwortet und zur Ablehnung empfohlen. Die Exekutive besteht aus zwei Vertreter:innen der SP, zwei der Grünen und einem Mittepolitiker. Dass mit diesen Mehrheiten unser Vorstoss dennoch zur Ablehnung empfohlen wurde, ist für mich komplett unverständlich. Es sei nicht klar, ob solche Vorhaben die erwünschte Wirkung zeigten, es wäre mit einem Rückgang energetischer Sanierungen zu rechnen, es seien zu wenig Ressourcen da, um das Vorhaben umzusetzen, meinte der Gemeinderat. Alles in allem sei es daher eher ein symbolpolitischer Vorstoss. Das ist unglaublich verlogen, denn ein paar Wochen später lancierte RGM, ebendieses Bündnis der SP und der Grünen, ihre Wahlkampagne für den Gemeinderat und macht Wahlkampf mit genau den gleichen Forderungen wie in meinem Vorstoss. Er ist auf die nächste Stadtratssitzung traktandiert. Wir werden uns stark dafür einsetzen, dass dieser angenommen wird, damit wir endlich vorwärtsmachen können und so die Frage, wem die Stadt gehört, ein weiteres Mal beantworten können.
Welche weiteren Vorstösse gab es von dir?
Ich habe mich in meinen fast drei Jahren im Stadtrat für viele verschiedene Anliegen eingesetzt. Im Bereich Asyl und Migration habe ich mich mit unterschiedlichen Vorstössen für eine sozialere Stadt engagiert. So habe ich eine Kommission für Migration und Flucht gefordert, in der auch Geflüchtete und Menschen ohne Schweizer Pass vertreten sein sollten. Ich habe zum Widerstand gegen die unmenschliche Asylpolitik von Bund und Kanton aufgerufen und mich für eine Ausweitung des Partizipationsreglements der Stadt Bern eingesetzt. Dieses erlaubt Menschen ohne Schweizer Pass, Vorstösse im Berner Stadtrat einzureichen. Ich habe mit einem Vorstoss gefordert, dass dies ausgebaut wird und auch etwa Menschen mit N-Ausweis von diesem Instrument profitieren können. Mit Anträgen in der Budgetdebatte habe ich mich jeweils gegen die Mietzinserhöhungen der Wohnungen der Stadt Bern eingesetzt. Weiter habe ich einen Vorstoss zum Thema Kinderbetreuung eingereicht. Diese ist heute stark auf Büroarbeitszeiten ausgelegt. Die für den Niedriglohnsektor typischen Randarbeitszeiten werden kaum abgedeckt. Unser Betreuungssystem ist nicht auf solche Familien ausgerichtet. Die Stadt Bern muss deshalb Verantwortung übernehmen und solche Familien bei Betreuungsaufgaben entlasten. Zudem habe ich mich mit verschiedenen Vorstössen für eine aktivere und ernsthaftere Klimapolitik eingesetzt. Weiter habe ich viele verschiedene Vorstösse miteingereicht und mich mit anderen Politiker:innen etwa gegen Kollektivstrafen bei Sportveranstaltungen eingesetzt, für Gratis-ÖV für Schulkinder und vieles mehr. Ich hoffe, dieser Text entspricht Ihren Erwartungen!
Und welche werden in den nächsten Jahren folgen?
Ich werde mich weiterhin für eine soziale Stadt einsetzen, für eine Stadt, in der alle Platz finden. Ich setze mich für alle ein, die in der Politik untervertreten sind: die Arbeiter:innen, Armutsbetroffene, Menschen ohne Schweizer Pass und viele mehr. Vieles machen wir in Bern auch schon richtig, aber es gibt weiterhin Themen, die zu wenig Beachtung finden, von der Care-Arbeit über Wohnpolitik bis hin zur Armutshilfe. Ich will mich aber auch für bildungspolitische Anliegen einsetzen und plane einen Vorstoss, um den Bildungszugang niederschwelliger zu gestalten und etwa gratis Uni-Kurse für Armutsbetroffene oder -gefährdete zu ermöglichen.