Der Krieg ist ein Geschäft

dom. Die neuen Zahlen zu den Schweizer Kriegsmaterialgeschäften fielen für so manche:n nicht hoch genug aus: Sinkende Exporte, wo doch überall Krieg herrscht? Die Politik arbeitet fleissig daran, dass die Zahlen künftig nur noch steigen.

Anfang März veröffentlichte das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) seine jährlichen Zahlen zur Ausfuhr von Kriegsmaterial: Für insgesamt 664.7 Millionen Franken hat die Schweiz im Jahr 2024 Kriegsmaterial exportiert, was im Vergleich zum Vorjahr (696.8 Millionen) einem Rückgang von fünf Prozent entspricht. Das löste bei manche:n Politiker:innen und Medienschaffenden Kopfschütteln aus: Rundherum Krieg und Aufrüstung – und die Schweizer Waffenschmiede profitieren nicht davon?

Auf Platz 15 der grössten Exporteure
Das klingt schlimmer als es ist. Wer die Zahlen von 2024 nicht nur mit dem Vorjahr vergleicht, sondern die Kriegsmaterialexporte über mehrere Jahre hinweg betrachtet, stellt fest: Die Rüstungsindustrie macht fett Profit, der Wert des ausgeführten Kriegsmaterials steigt längerfristig kontinuierlich an. Gemäss dem SIPRI-Bericht von 2024 rangiert die Schweiz mit einem Anteil von 0.5 Prozent an den globalen Waffenexporten immerhin auf Platz 15 der grössten Exporteure. Die fünf grössten Abnehmer 2024 waren die Nato-Staaten Deutschland (203.8 Millionen Franken), die USA (76.1 Millionen), Italien (50.6 Millionen), Schweden (42 Millionen) und Rumänien (38.5 Millionen). Über 80 Prozent aller Exporte gingen nach Europa, wobei es sich bei dem gelieferten Kriegsmaterial in erster Linie um Munition, Munitionsbestandteile und Panzerfahrzeuge handelte.
Und doch: 32.1 Mio Franken weniger für die Schweizer Rüstungsindustrie – das ist Wasser auf die Mühlen jener, die sich seit Jahren für eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes stark machen. In seinem Bericht bedauert das SECO, dass die Schweiz «aufgrund des neutralitätsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots (…) Anfragen um Weitergabe von Kriegsmaterial mit Schweizer Ursprung an die Ukraine nicht zustimmen» könne, «solange diese in einen internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist».

Kriegsmaterialgesetz lockern
Genau das will die Regierung ändern. Mitte Februar verabschiedete der Bundesrat eine Botschaft an das Parlament, in der er die Kompetenz forderte, «im Falle ausserordentlicher Umstände und zur Wahrung der Interessen der Schweiz von den Bewilligungskriterien für Auslandsgeschäfte abzuweichen». Dadurch sollen sich der Schweiz Handlungsspielräume eröffnen, «die Ausfuhrpolitik für Kriegsmaterial an sich ändernde geopolitische Gegebenheiten anpassen zu können». Das diene nicht nur den «aussen- oder sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz», sondern auch der Aufrechterhaltung der «an die Bedürfnisse der Schweizer Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität».
In anderen Worten: Die Schweiz soll ihre Waffen endlich auch dorthin liefern dürfen, wo sie umgehend eingesetzt werden. In Zeiten neu entflammender Kriege und allseitiger Aufrüstung soll die Schweizer Rüstungsindustrie nicht aufgrund neutralitätsrechtlicher Spitzfindigkeiten aussen vor bleiben. Dieses Bedürfnis spiegelt sich auch in der rapide ansteigenden Zahl neuer Bewilligungen für Kriegsmaterialexporte: Der Wert der neu bewilligten Ausfuhrgesuche hat sich gegenüber dem vergangenen Jahr von 1030 Millionen auf 1854 Millionen Franken fast verdoppelt.
Das Schweizer Kriegsmaterialgesetz ist umkämpft. Seit bald zwanzig Jahren versucht die Politik ein 2008 geschaffenes Gesetz zu lockern, das die Bedingungen für die Kriegsmaterialausfuhr verschärft hat. Eine starke Lockerung der bis dahin eher restriktiven Exportpraxis setzte der Bundesrat etwa 2014 durch: Waffenexporte in Staaten, welche systematisch Menschenrechte verletzen, sind nur noch verboten, wenn diese Waffen auch tatsächlich für besagte Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden – wie so eine absurde Bestimmung in der Realität kontrolliert werden soll, weiss niemand. Eine weitere Aufweichung des Gesetzes wurde 2018 nur dank einer Initiative der Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) verhindert.

Die weltpolitische Lage
Auch der frisch gebackene Verteidigungsminister Martin Pfister wird voraussichtlich an einer weiteren Aufweichung der Exportbestimmungen fürs Schweizer Kriegsmaterial arbeiten. Für ihn hat im Rahmen einer «flexiblen» Neutralität nicht nur das Engagement für eine europäische Sicherheitsarchitektur Priorität – er hat auch bereits die Wichtigkeit einer Erhöhung des Armeebudgets und die Stärkung der Schweizer Waffenindustrie betont (siehe auch Artikel auf Seite 5). Dafür wird er im Parlament breite Unterstützung finden. Schon länger meint die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats, «dass angesichts der stark veränderten weltpolitischen Lage» der «Aufrechterhaltung (…) der für die Schweizer Landesverteidigung zentralen industriellen Kapazität besser Rechnung getragen werden» solle. Eine Meinung, der inzwischen nur noch eine aus vereinzelten Grünen und Sozialdemokrat:innen zusammengesetzte Minderheit widerspricht.
Bis die Geräte aus den Schweizer Waffenschmieden offiziell in alle möglichen Kriegsgebiete geliefert werden dürfen, versucht man auf Umwegen und durch juristische Graubereiche am eigens geschaffenen Gesetz vorbeizukommen. Zum Beispiel, indem stillgelegte Leopard-2-Panzer an Deutschland verkauft werden, das seinerseits Waffen in die Ukraine liefert – so geschehen Ende 2023. Ein Geschäft, das der Bundesrat mit den Worten kommentierte, es sei «neutralitätsrechtlich korrekt und neutralitätspolitisch sinnvoll».

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