«Der nächste feministische Streik kommt bestimmt»

sit. Nachdem der feministische Streik 2023 ein voller Erfolg war, ruft das feministische Streikkomitee in Zürich dieses Jahr zu Aktionen und einer Demonstration am 14.Juni auf. Der vorwärts sprach mit Sevin Satan und Rita Maiorano, beide aktiv im Streikkollektiv und in der Partei der Arbeit Zürich.

Blicken wir kurz auf den feministischen Streik 2023 zurück. Was ist euch am meisten in Erinnerung geblieben und warum?
Sevin: Der gemeinsame Moment, das war der kollektive Schrei gegen Feminizide während der Demo fand ich sehr eindrücklich. Und natürlich die Menge an Menschen, die an der Demo teilnahmen. Auch die kreative Vielfalt an Aktionen während des ganzen Tages zauberte mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht.
Rita: Es war ein grossartiger 14.Juni 2023. Es gab viele dezentrale Aktionen in Zürich und eine riesengrosse Demo. Alle zusammen für Gleichstellung und gegen Diskriminierung, das war schon eine Supersache. Und offen gesagt, Schadenfreude hatte ich auch.

Schadenfreude? Warum?
Rita: Im Vorfeld des 14.Juni war in den bürgerlichen Medien zu lesen, die Forderungen vom feministischen Streik seien «zu links» und deswegen würden viele Frauen nicht an den Aktivitäten und an der Demo teilnehmen. Sie wurden Lügen bestraft. Wie können Forderungen wie Lohngleichheit, Gleichstellung sowie Schutz vor Diskriminierung und Gewalt als «zu links» bezeichnet werden? Wer das schrieb und sagte, schämte sich dabei nicht mal – und wollte uns nur spalten.

Was für Lehren hat das Streikkollektiv aus dem letztjährigen Streik gezogen?
Sevin: Es fanden vier ganztägige Retraiten statt. Für alle Teilnehmer:innen war klar, dass unser gemeinsames Ziel für die Zukunft der Streik zur Care-Arbeit und ein Streik zur Lohnarbeit sein soll. Wir haben Strategien ausgearbeitet, die wir dann an den monatlichen Vernetzungstreffen jeweils präsentiert und weiterentwickelt haben.
Rita: Dass wir alle unsere Forderungen nicht auf einmal erkämpfen können, ist uns klar. Die Forderungen müssen in den nächsten Jahren etwas konkreter werden. Wir müssen uns auf ein Kernthema konzentrieren und die anderen Forderungen einbeziehen. In Zürich haben wir an der von Sevin genannten Retraite drei Kernthemen herauskristallisiert und eins davon als Hauptthema gemacht: die Care-Arbeit.

Dieses Jahr wird es am 14.Juni Aktionen und Demos geben, aber es wird nicht zu einem feministischen Streik aufgerufen. Warum nicht?
Sevin: Wie oben erwähnt, haben wir eine Strategie erarbeitet und Arbeitsgruppen (AGs) gebildet, wie zum Beispiel die AG Vernetzung, die AG Bildung oder die AG Arbeitsniederlegung. Für einen Streik im grösseren Rahmen braucht es mehr Vernetzung und mehr Bildung. Wir beabsichtigen, uns gemeinsam zu bilden und von den verschiedenen Streiks weltweit zu lernen. All dies sind wir am aufbauen.
Rita: Ich kann nur wiederholen, was Sevin sagte: Unser Ziel ist ein Streik, also die Arbeitsniederlegung möglichst vieler Menschen in der Schweiz, um den feministischen Forderungen noch mehr Kraft zu verleihen. Das braucht aber seine Zeit, damit alle am gleichen Strick ziehen und möglichst viele mitmachen. Es macht Sinn, sich diese Zeit zu nehmen und sie gut zu nutzen.

«Gegen Krieg, Krise und Patriarchat» lautet der Slogan. Was sind die Gründe dieser Wahl? In welcher Beziehung steht er zum feministischen Streik 2023?
Sevin: Wie auf der Website des Streikkollektivs zu lesen ist, stellt sich das Kollektiv entschlossen gegen die Strukturen von Krieg und Krisen, die systematisch und strukturell von patriarchalen und kapitalistischen Mächten gefördert werden. Diese globalen Konflikte zehren an den Ressourcen unserer Erde, verstärken Ungleichheiten und zwingen marginalisierte Gruppen in noch grössere Abhängigkeiten. Die gegenwärtigen Krisen – von ökonomischen Zusammenbrüchen bis hin zu umweltbedingten Katastrophen – sind nicht geschlechtsneutral. FLINTA-Personen tragen oft die grösste Last, sowohl in ihren Gemeinschaften als auch in ihren persönlichen Lebensumständen. Sie sind am stärksten von Arbeitsplatzverlusten betroffen, stehen an vorderster Front im Gesundheitswesen, in der Pflege, in der Fürsorge und erleiden die schwersten Konsequenzen der Klimakrise. Das Patriarchat nutzt diese Krisen aus, um bestehende Machtstrukturen zu zementieren und unsere Körper und Arbeitskraft weiterhin auszubeuten. Daher der Slogan.
Rita: Was das Streikkollektiv so gut auf den Punkt bringt, sind Symptome für die tief verwurzelten Strukturen der Ungleichheit, die in unserer Gesellschaft verankert sind. Und dass alle Kriege sofort beendet werden müssen, war für uns alle klar – und so kam dieser Slogan zustande.

Wann kommt es zum nächsten feministischen Streik?
Sevin: Unsere Vision ist am 14.Juni 2026 einen Care-Streik und 2027 dann die Niederlegung der Lohnarbeit. Wir von dem Zürcher Kollektiv haben unsere Vision in die nationale Koordination eingebracht und wollen gemeinsam schauen, wie wir unsere Visionen umsetzen können.
Rita: Wie schon gesagt, wir arbeiten darauf hin. Und ich bin mir sicher: Der nächste feministische Streik kommt bestimmt!

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