Argentinien: Soziale Bewegungen gegen die autoritäre Motorsäge

sit. Getreu seinen Werten hat der «Solifonds» eine Kampagne lanciert, um in Argentinien die Basisbewegungen zu unterstützen im Kampf gegen den «Anarchokapitalist». Wie schlimm die Lage ist und wie sich die Menschen dagegen wehren, erklärt die Aktivistin Susana Moreno in einem Gespräch.

Solifonds hat pünktlich auf den internationalen Tag der Arbeit eine Kampagne lanciert, um in Argentinien die Basisbewegungen im Kampf gegen den «Motorsägen-Präsidenten» zu unterstützen. Doch der Reihe nach.

Armut wächst rasant
Seit Ende letzten Jahres steht zum ersten Mal ein bekennender «Anarchokapitalist» an der Spitze Argentiniens. Javier Mileis Positionen und Stil (seine Auftritte mit der Motorsäge lassen grüssen) sind mit denen Trumps oder Bolsonaros vergleichbar: konservative Attacken auf gesellschaftliche Errungenschaften vermischen sich mit der Zerstörung des Sozialstaates. Seine Politik zeigt bereits Wirkung: Seit Mileis Amtsantritt ist der Anteil der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, von 40 auf 60 Prozent gestiegen.
Die wirtschaftliche Lage in Argentinien war bereits vor Mileis Präsidentschaft schlecht. Schuldendienste an internationale Kreditgeber und eine rekordhohe Inflation führten zu einem sozialen und wirtschaftlichen Desaster. In diesem Klima konnte Milei mit seiner Polemik gegen die «herrschende Kaste» eine Mehrheit bei den Wahlen gewinnen. Die berechtigte Wut auf die Klientelpolitik vorangegangener Regierungen hat viele Wähler:innen für Milei mobilisiert.

Bereit zu kämpfen
Die argentinische Zivilgesellschaft hingegen ist gut aufgestellt. Soziale Bewegungen sind im ganzen Land aktiv und vernetzt, die bedeutendsten Gewerkschaften sind kampferprobt. Sie riefen 45 Tage nach Mileis Amtsantritt zum ersten Generalstreik und zu Protesten auf. Soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Gruppen schlossen sich an. Es kam zu einer rekordhohen Beteiligung am Widerstand. Das erste Gesetzespaket Mileis wurde in der Parlamentskammer abgelehnt. Der Widerstand hat sich gelohnt. Milei und seine Verbündeten werden nun versuchen, ihre Politik mit anderen Mitteln durchzusetzen. Dieser ersten Niederlage werden Angriffe auf Gewerkschaften und soziale Bewegungen folgen. Auch Hunger und Armut werden sich weiter ausbreiten.
Die Menschen in Argentinien sind jedoch bereit, zu kämpfen. Susana Moreno ist seit sechs Jahren in der Basisbewegung «Frente Popular Darío Santillán» (FPDS) und der Gewerkschaft der informellen Arbeiter:innen UTEP aktiv. Sie lebt im Arbeiter:innenquartier Ceferino im Städtchen Esquel im argentinischen Patagonien. Im Gespräch mit dem Solifonds erzählt sie von der Arbeit des FPDS und der aktuellen Situation in den peripheren Quartieren.

Susana, wie geht es den Menschen in den Arbeiter:innenquartieren aktuell?
Uns Quartierbewohner:innen geht es seit langem schlecht. Aber Mileis noch kurze Regierungszeit ist bereits schlimmer als jene seiner zwei Vorgänger. Die Konsequenzen sind schmerzhaft spürbar. Die Kürzungen im Sozialbereich sind verheerend. Diese Regierung greift alles an. Die Gesundheitsversorgung für alle ist ihr egal, die Schulbildung ist ihr egal. Die Menschen in den Quartieren haben keine Arbeit, kein Einkommen, um sich über Wasser zu halten. Sie wissen nicht einmal, ob sie ihre Kinder zurück zur Schule schicken können, weil das Schulmaterial immer teurer wird. Ein Rucksack beispielsweise kostete anfangs März rund 60 000 Pesos (rund 60 Franken). Viele Familien hier haben vier oder mehr Kinder im Schulalter. Wie sollen sie für alle die Ausstattung kaufen können? Dabei ist der Zugang zur Bildung doch ein Menschenrecht! Diese Regierung spricht uns aber alle Rechte ab!

Hohe Ausgaben und gleichzeitig ist es in Esquel schwierig, eine feste Arbeitsstelle zu finden …
Ja, hier in Patagonien ist es sehr schwierig, es schneit viel, im Winter haben die meisten keine Arbeit. In Esquel arbeitet die Mehrheit im informellen Sektor, manche schlagen sich als Selbstständige durch, andere mit Gelegenheitsjobs. Männer haben mehrheitlich Temporärjobs in der Baubranche. Im informellen Bereich arbeiten bedeutet aber auch, keinen Lohnausfall oder Arbeitslosengelder zu erhalten. Bisher bekam man wenigstens eine kleine Unterstützung vom Staat, aber auch die will Milei streichen.
Wie kommen die Menschen überhaupt über die Runden?
Viele nur dank der Solidarität in den Quartieren. Als FPDS suchen wir gemeinsam nach Lösungen. Wir organisieren Tombolas, produzieren Sachen, die wir verkaufen, und so können wir einen Teil unserer Volksküchen betreiben und den Menschen ein warmes Essen anbieten. Früher haben wir Essen in vier Quartieren dreimal in der Woche angeboten, doch nun mussten wir auf einmal die Woche reduzieren. Es wird immer schwieriger, einfach aufhören können wir nicht. Die Bewohner:innen sind mehr denn je auf unsere Unterstützung angewiesen.

Deshalb sind die Einnahmen von euren Kooperativen wichtig …
Wir haben neben unseren Gemeinschaftsgärten auch ein Gemeinschaftshaus (Casa Popular), wo wir Aktivitäten für die Kinder anbieten und viele unserer Kooperativen ihre Arbeit verrichten, sei es die Handarbeit oder unsere Kochkooperative. Wir haben aber auch eine Baukooperative und eine, die Hauswartung anbietet. Und dann die allererste, die Textilkooperative…

Diese Kooperative wollt ihr mit Unterstützung des Solifonds ausbauen?
Ja, sie ist gerade für Familien mit Kindern wichtig. Die Kooperative näht auch Hosen und Jacken für die Schuluniformen und verkauft sie zu einem erschwinglichen Preis. In unseren solidarischen Kleiderschränken können Bewohner:innen alte Kleider vorbeibringen. Wir bessern sie aus oder rezyklieren sie insbesondere für Patchworkdecken, die wir im Winter verteilen können. Sie ist ein gutes Beispiel, um zu zeigen, dass es uns um mehr geht, als «nur» Kleider zu verkaufen, um für die Näherinnen und die Bewegung Geld reinzuholen. Wir wollen für die Bewohner:innen der Quartiere da sein, für sie weiterarbeiten. Unsere Türen sind für alle Quartierbewohner:innen offen, sei es für ein Essen, eine Änderung an einer Kleidung oder für eine andere Herausforderung. So zeigen wir im Alltag, dass wenn man füreinander einsteht, wir unsere Probleme angehen können. Wir zeigen, wie Solidarität konkret funktioniert und wie diese Solidarität gegen die Angriffe dieser schrecklichen Regierung ankommt.

Quelle und sämtliche Infos: solifonds.ch

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