Kriegsmanöver der Nato 

«Kämpfen wir gemeinsam für ein freies Sardinien», lautet die Forderung der Friedens­aktivist:innen. Bild: zVg

Gerhard Feldbauer / sit. Auf Sardinien fanden vom 13.April bis zum 26.Mai mit «Mare aperto», «Nobel Jump» und «Joint Stars» gleich drei Nato-Militärmanöver statt. Proteste gegen diese Machtdemonstration des westlichen Kriegsbündnisses wurden von der Polizei brutal niedergeschlagen. Von alldem war in der bürgerlichen Presse nichts zu lesen.

«Die diesjährigen Manöver haben das Manöver Navy Open See vom Mai 2022, bei dem sieben Nato-Staaten mit 65 Kriegsschiffen die Eroberung fremder Territorien trainierten, bei weitem übertroffen», informiert das kommunistische Onlinemagazin Contropiano auf seiner Website. Zentrum der Kriegsübungen waren die südlichen Ausläufer der Ost- und Westküste der Insel, wo sich in den Ortschaften Capo San Lorenzo, Capo Frasca und Teulada die grössten Nato-Stützpunkte Europas befinden. Die imposanten Kriegsübungen der Nato sind eine Machtdemonstration sondergleichen. Und an wen sich die Kriegsbotschaft richtet, ist klar: An Russland, China und an all jene, die sich nicht den «demokratischen, westlichen Werten» unterordnen wollen.

«Edler Sprung»
Besonders stolz bei der Nato ist man auf das Manöver «Nobel Jump» (edler Sprung), das vom 17.April bis 12.Mai dauerte. In dieser Zeit waren 2200 Soldat:innen aus sieben Nato-Staaten (Deutschland, Niederlande, Norwegen, Tschechien, Luxemburg, Belgien und Lettland) mit 20 Kampfpanzern Leopard 2, Schützenpanzern, Panzerhaubitzen und Hubschraubern auf Truppenübungsplätzen auf Sardinien stationiert. Sie nahmen gemeinsam mit dem italienischen Militär «an verschiedenen Arten der militärischen Ausbildung sowohl in nationalen Verbänden als auch an gemeinsamen Operationen mit Nato-Verbündeten teil», informiert die Nato auf ihrer Website. Der Höhepunkt dabei sei die «gemeinsame Demonstration der alliierten Streitkräfte» am 12.Mai auf dem Truppenübungsplatz in Teulada gewesen. Dabei «wurde die Einsatzbereitschaft der Nato-Kriegsführungsfähigkeiten anhand eines komplexen militärischen Szenarios in einer Live-Feuer-Demonstration demonstriert.»

Die Speerspitze der Eingreiftruppen
Ziel der Übung «Noble Jump» 2023 war es, die Fähigkeiten und die Integration der Nato-Streitkräfte aus dem gesamten Bündnis zu demonstrieren. Das Kriegsbündnis hält zufrieden fest: «Die Übung leistet einen direkten Beitrag zur Abschreckungs- und Verteidigungsbereitschaft der Nato und verbessert die Interoperabilität, die Einsatzbereitschaft und den Zusammenhalt der verbündeten Streitkräfte.»
Mit der Verlegung nach Sardinien habe die «Gemeinsame Task Force» der Nato mit sehr hoher Bereitschaft bewiesen, dass «sie in der Lage ist, alliierte Streitkräfte im Krisenfall zu verlegen.» Konkret handelt es sich um die «Very High Readiness Joint Task Force» (VJTF) der Nato, die Speerspitze der Eingreiftruppen des Militärbündnisses. Es ist eine technologisch hoch entwickelte, multinationale Truppe, die sich aus schnell verlegbaren Land-, Luft- und Seestreitkräften sowie Spezialkräften zusammensetzt. Die Einheiten der VJTF müssten innerhalb kürzester Zeit abmarschbereit sein. Dies, um sie schnell an jeden Ort im Nato-Bündnisgebiet verlegen zu können, damit sie als erste einem möglichen Angreifer entgegentreten können.

Höchstmass an Realismus
Vom 13.April bis zum 6.Mai fand das Manöver «Mare aperto» (offenes Meer) statt. «Die diesjährige Durch-führung war durch einen massiven Einsatz von Personal, etwa 6000 Marineangehörigen, Fahrzeugen und Fähigkeiten gekennzeichnet», informiert die italienische Marine auf ihrer Website.
«Mare aperto» ist laut der italienischen Marine der wichtigste Ausbildungszyklus: «Ein komplexes, mehrere Bereiche und Bedrohungen umfassendes Trainingsprogramm, bei dem die gesamte Flotte in einem anspruchsvollen, simulierten Szenario eingesetzt wird, das sich an einem Höchstmass an Realismus orientiert.» Was dieser «Realismus» genau beinhaltete, bleibt ein Geheimnis. Wobei es nicht allzu viel Vorstellungskraft braucht, um zu erahnen, worum es sich dabei handelt.
23 Nationen, 13 Nato-Staaten und zehn Partnerstaat­en aus fünf Kontinenten, nahmen mit Schiffen, Seefernaufklärungsflugzeugen, spezialisierten Minenabwehrteams und einer HIMARS-Batterie (Mehrfachraketenwerfer auf Lastwagenfahrgestell) für amphibische Manöver teil. «Amphibische Kriegsführung» (Amphibik) bezeichnet militärische Operationen im Küstenraum unter Beteiligung von Seestreitkräften und Marineinfanterie oder anderen speziellen Landungstruppen, bei denen Truppen und Material – auch ohne Nutzung vorhandener Häfen – gelandet oder an Bord genommen  werden.

Gemäss Artikel 5 des Bündnisvertrags
Vom 8. bis 26.Mai erfolgte das Manöver «Joint Stars». Laut der italienischen Armee ist es die grösste und wichtigste «Ausbildungsaktivität von grossen nationalen und multinationalen Truppen» und hat «behördenübergreifende Bedeutung». Die Kriegsszenarien wurden direkt vom höchsten Stab der Armee organisiert und durchgeführt. Weiter informiert die Führungsspitze der Armee: «Ziel der Übung ist es, die Planungsfähigkeiten eines streitkräfteübergreifenden nationalen Stabes für eine Luft-, Land- und Seeraumverteidigungsoperation, die Cyber- und Weltraumsicherheit, die Verteidigung gegen chemische, biologische, radiologische oder nukleare Kontamination und die Abwehr von Bedrohungen durch neue Technologien zu testen.» Und dies alles gemäss Artikel 5 des Nordatlantikvertrags, in dem der Grundsatz der kollektiven Verteidigung im Falle einer Aggression gegen eines der verbündeten Länder verankert ist.

Es gibt nur eine mögliche Lösung
Auf Sardinien protestieren am 28.April Friedens­aktivist:innen, Umweltschützer:innen mit breiten Schicht­­en der Bevölkerung gegen die Kriegsmanöver. Die Demonstration mit rund 300 Kriegsgegner:innen versuchte, an die militärische Sperrzone zu gelangen, um dort symbolisch den Abgrenzungszaun durchzuschneiden. Tränengas, Gummigeschosse und der Einsatz von Wasserwerfern waren die repressive Antwort der italienischen Polizei, die mit einem massiven Aufgebot den Kriegsschauplatz der Nato beschütze. «Genug der Übungen» erklärte Danilo Lampis, Sprecher einer Student:innenorganisation von Sardinien, gegenüber dem Onlinemagazin Contropiano. Er forderte die Einstellung der Nato-Übungen, die Auflösung der Militärstützpunkte, da die jahrzehntelangen Militärmanöver «unsere Gebiete irreparabel verwüsteten». Lampis stellt klar: «Die einzig mögliche Lösung ist die Entmilitarisierung des gesamten Gebiets».
Wenn von der Bundeswehr die Rede ist, dann erinnern sich die Einwohner:innen Sardiniens noch gut daran, dass in der Vergangenheit die deutsche und die italienische Luftwaffe einen gemeinsamen Waffenstützpunkt in Salto di Quirra unterhielten. Hier wurden neue Waffensysteme getestet. Zwischen 2008 und 2016 wurden 860000 Schüsse, davon 11875 Raketen, abgefeuert, was 556 Tonnen an hochgiftiges Kriegsmaterial freisetzte, die zu hohen Krebsraten und Missbildungen bei Menschen und Tieren führten.

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